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Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reise und Abenteuer … 9

Des Freiherrn von Münchhausen
wunderbare Reise und Abenteuer zu Wasser und zu Lande, wie er dieselbe bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte
Mit 16 Federzeichnungen von Hosemann
Neue Originalausgabe, Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen, Berlin, 1840

Des Freiherrn von Münchhausen Seeabenteuer
Viertes Seeabenteuer

Als ich noch in türkischen Diensten war, belustigte ich mich öfters in einer Lust-Barke auf dem Mare di Marmora, von wo aus man die herrlichste Aussicht auf ganz Konstantinopel, das Seraglio des Großsultans mit eingeschlossen, genießt. Eines Morgens, als ich die Schönheit und Heiterkeit des Himmels betrachtete, bemerkte ich ein rundes Ding, ungefähr wie eine Billardkugel groß, in der Luft, von welchem noch etwas anderes herunterhing. Ich griff sogleich nach meiner besten und längsten Vogelflinte, ohne welche, wenn ich es ändern kann, ich niemals ausgehe oder ausreise, lud sie mit einer Kugel und feuerte nach dem runden Dinge in der Luft; allein umsonst. Ich wiederholte den Schuss mit zwei Kugeln, richtete aber noch nichts aus. Erst der dritte Schuss, mit vier oder fünf Kugeln, machte an einer Seite ein Loch und brachte das Ding herab.

Stellen sie sich meine Verwunderung vor, als ein niedlich vergoldeter Wagen, hängend an einem ungeheuren Ballon, größer als die größte Turmkuppel im Umfang, ungefähr zwei Klafter weit von meiner Barke heruntersank. In dem Wagen befand sich ein Mann und ein halbes Schaf, welches gebraten zu sein schien. Sobald sich mein erstes Erstaunen gelegt hatte, schloss ich mit meinen Leuten um diese seltsame Gruppe einen dichten Kreis.

Dem Mann, der wie ein Franzose aussah, welches er denn auch war, hingen aus jeder Tasche ein paar prächtige Uhrketten mit Berlocken, worauf, wie mich dünkt, große Herren und Damen abgemalt waren. Aus jedem Knopfloch hing ihm eine goldene Medaille, wenigstens hundert Dukaten an Wert, und an jeglichem seiner Finger steckte ein kostbarer Ring mit Brillanten. Seine Rocktaschen waren mit vollen Goldbörsen beschwert, die ihn fast zur Erde zogen. Mein Gott, dachte ich, der Mann muss dem menschlichen Geschlecht außerordentlich wichtige Dienste geleistet haben, dass die großen Herren und Damen, ganz wider ihre heutzutage so allgemeine Knickernatur, ihn somit Ge schenken, die es zu sein schienen, beschweren konnten.

Bei all dem befand er sich denn doch gegenwärtig von dem Fall so übel, dass er kaum imstande war, ein Wort hervorzubringen. Nach einiger Zeit erholte er sich wieder und stattete folgenden Bericht ab: »Dieses Luftfuhrwerk hatte ich zwar nicht Kopf und Wissenschaft genug selbst zu erfinden, dennoch aber mehr denn überflüssige Luftspringer- und Seiltänzerwaghalsigkeit zu besteigen und darauf mehrmals in die Luft empor zu fahren. Vor ungefähr sieben oder acht Tagen –

denn ich habe meine Rechnung verloren – erhob ich mich damit auf der Landspitze von Cornwall in England und nahm ein Schaf mit, um von oben herab vor den Augen vieler tausend Nachgaffer Kunststücke damit zu machen. Unglücklicherweise drehte sich der Wind innerhalb zehn Minuten nach meinem Hinaufsteigen, und anstatt mich nach Exeter zu treiben, wo ich wieder zu landen gedachte, wurde ich hinaus zur See getrieben, über welcher ich auch vermutlich die ganze Zeit her in der unermesslichsten Höhe geschwebt habe. Es war gut, dass ich zu meinem Kunststückchen mit dem Schaf nicht hatte gelangen können; denn am dritten Tag meiner Luftfahrt wurde mein Hunger so groß, dass ich mich genötigt sah, das Schaf zu schlachten. Als ich nun damals unendlich hoch über dem Mond war und nach einer sechszehnstündigen noch weiteren Auffahrt endlich der Sonne so nahe kam, dass ich mir die Augenbraunen versengte, so legte ich das tote Schaaf, nachdem ich es vorher abgehäutet, an denjenigen Ort im Wagen, wo die Sonne die meiste Kraft hatte, oder mit anderen Worten, wo der Ballon keinen Schatten hinwarf, auf welche Weise es denn in ungefähr einer Dreiviertelstunde völlig gar briet.

Von diesem Braten habe ich die ganze Zeit her gelebt.«

Hier hielt mein Mann ein und schien sich in Betrachtung der Gegenstände um sich her zu vertiefen. Als ich ihm sagte, dass die Gebäude da vor uns das Seraglio des Großherrn zu Konstantinopel wären, so schien er außerordentlich bestürzt, indem er sich ganz woanders zu befinden geglaubt hatte. »Die Ursache meines langen Fluges«, fügte er endlich hinzu, »war, dass mir ein Faden zerriss, der an einer Klappe in dem Luftball saß und dazu diente, die inflammable Luft herauszulassen. Wäre nun nicht auf den Ball gefeuert und derselbe dadurch aufgerissen worden, so möchte er wohl wie Mahomet bis an den Jüngsten Tag zwischen Himmel und Erde geschwebt haben.«

Den Wagen schenkte er hierauf großmütig meinem Bootsmann, der hinten am Steuer stand. Den Hammelbraten warf er ins Meer. Was aber den Luftball anlangte, so war der von dem Schaden, welchen ich ihm zugefügt hatte, im Herabfallen vollends ganz und gar in Stücken zerrissen.

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