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Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reise und Abenteuer … 7

Des Freiherrn von Münchhausen
wunderbare Reise und Abenteuer zu Wasser und zu Lande, wie er dieselbe bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte
Mit 16 Federzeichnungen von Hosemann
Neue Originalausgabe, Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen, Berlin, 1840

Des Freiherrn von Münchhausen Seeabenteuer
Zweites Seeabenteuer

Im Jahre 1776 schiffte ich mich zu Portsmouth auf einem englischen Kriegsschiff erster Ordnung mit hundert Kanonen und vierzehnhundert Mann nach Nordamerika ein. Ich könnte hier zwar erst noch allerlei, was mir in England begegnet ist, erzählen, aber ich verspare es auf ein anderes Mal. Eins jedoch, welches mir überaus artig vorkam, will ich doch im Vorbeigehen mitnehmen. Ich hatte das Vergnügen, den König mit großem Pomp in seinem Staatswagen zum Parlament fahren zu sehen. Ein Kutscher mit einem ungemein respektablen Bart, worin das englische Wappen sehr sauber geschnitten war, saß gravitätisch auf dem Bock und klatschte mit seiner Peitsche ein ebenso deutliches wie künstliches Georg Rex.

Zu Beginn unsere Seereise begegnete uns nichts Merkwürdiges, bis wir ungefähr noch dreihundert Meilen von dem St. Lorenzstrom entfernt waren. Hier stieß das Schiff mit erstaunlicher Gewalt gegen etwas an, dass uns wie ein Fels vorkam. Gleichwohl konnten wir, als wir das Senkblei auswarfen, mit fünfhundert Klaftern noch keinen Grund finden. Was diesen Vorfall noch wunderbarer und beinahe unbegreiflich machte, war, dass wir unsere Steuerruder verloren, das Bugspriet mitten entzweibrach und alle unsere Masten von oben bis unten aus zersplitterten, wovon auch zwei über Bord stoben. Ein armer Teufel, welcher gerade oben das Hauptsegel beilegte, flog wenigstens drei Meilen weit vom Schiff weg, ehe er ins Wasser fiel. Allein er rettete doch dadurch glücklich sein Leben, dass er, während er in der Luft flog, den Schwanz einer Rotgans er griff, welches nicht nur seinen Sturz in das Wasser milderte, sondern ihm auch Gelegenheit gab, auf ihrem Rücken oder vielmehr zwischen Hals und Fittichen so lange nachzuschwimmen, bis er endlich an Bord genommen werden konnte.

Ein anderer Beweis von der Gewalt des Stoßes war, dass alles Volk zwischen den Verdecken empor gegen die Kopfdecke geschnellt wurde. Mein Kopf war ganz dadurch in den Magen hinabgepufft, und es dauerte wohl einige Monate, ehe er seine natürliche Stellung wieder bekam. Noch befanden wir uns insgesamt in einem Zustand des Erstaunens und einer allgemeinen unbeschreiblichen Verwirrung, als sich auf einmal alles durch das Erscheinen eines großen Walfisches aufklärte, welcher an der Oberfläche des Wassers, sich sömmernd, eingeschlafen war. Dieses Ungeheuer war so übel damit zufrieden, dass wir es mit unserem Schiff gestört hatten, dass es nicht nur mit seinem Schwanz die Galerie und einen Teil des Oberlofs einschlug, sondern auch zu gleicher Zeit den Hauptanker, welcher, wie gewöhnlich, am Steuer aufgewunden war, zwischen seine Zähne packte und wenigstens sechzig Meilen weit, sechs Meilen auf eine Stunde gerechnet, mit unserem Schiff davoneilte.

Gott weiß, wohin wir gezogen worden sein würden, wenn nicht noch glücklicherweise das Ankertau zerrissen wäre, wodurch der Walfisch unser Schiff, wir aber auch zugleich unseren Anker verloren. Als wir aber sechs Monate hierauf wieder nach Europa zurücksegelten, so fanden wir eben denselben Walfisch, in einer Entfernung weniger Meilen von eben der Stelle, tot auf dem Wasser schwimmen. Er maß ungelogen der Länge nach wenigstens eine halbe Meile. Da wir nun von einem so ungeheuren Tier nur wenig an Bord nehmen konnten, so setzten wir unsere Boote aus, schnitten ihm mit großer Mühe den Kopf ab und fanden zu unserer großen Freude nicht nur unseren Anker, sondern auch über vierzig Klafter Tau, welches auf der linken Seite seines Rachens in einem hohlen Zahne steckte. Dies war der einzige besondere Umstand, der sich auf dieser Reise zutrug.

Doch halt! Eine Fatalität hätte ich beinahe vergessen. Als nämlich das erste Mal der Walfisch mit dem Schiff davonschwamm, so bekam das Schiff ein Leck und das Wasser drang so heftig hinein, dass all unsere Pumpen uns keine halbe Stunde vor dem Sinken hätten bewahren können. Zum guten Glücke entdeckte ich das Unheil zuerst. Es war ein großes Loch, ungefähr zehn Fuß im Durchmesser. Auf allerlei Weise versuchte ich es, das Loch zu verstopfen, allein umsonst. Endlich rettete ich dies schöne Schiff und all seine zahlreiche Mannschaft durch den glücklichsten Einfall von der Welt. Ob das Loch gleich so groß war, so füllte ich es dennoch mit meinem Liebwertesten aus, ohne meine Beinkleider abzuziehen, und ich würde ausgelangt haben, wenn auch die Öffnung noch viel größer gewesen wäre. Sie werden sich darüber nicht wundern, meine Herren, wenn ich Ihnen sage, dass ich auf beiden Seiten von holländischen, wenigstens westfälischen Vorfahren abstamme. Meine Situation, solange ich auf der Brille saß, war zwar ein wenig kühl, indessen wurde ich doch bald durch die Kunst des Zimmermanns erlöst.

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