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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 23

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Die Hirschjagd im Kanu

Da wir uns nun den Gegenden näherten, wo man nicht mehr den gemeinen Damhirsch, sondern zwei andere Hirscharten antrifft, so bildeten diese Letztere den Gegenstand unserer Unterhaltung. Die erwähnten Arten sind der Langwedel und der Schwarzwedel. Jake und Redwood waren mit beiden Gattungen wohl bekannt, da sie in den Gegenden, wo sich diese Hirsche vorfinden, öfters Biber gejagt hatten. Sie gaben uns einen recht guten Bericht über die Gewohnheiten dieser Tiere und zeigten uns, dass beide Arten in vieler Hinsicht dem virginischen Hirsch ähnlich sind. Ihre Gestalt, Größe, Farbe und Zeichnung unterscheiden sie jedoch sowohl von diesem als auch sie selbst voneinander. Es gibt sogar zwei Abarten der Schwarzwedel, die in mancher Beziehung voneinander abweichen, obwohl beide das dunkle Haar auf dem Wedel und die langen Ohren haben, welche sie so sehr von anderen Hirschen unterscheiden. Die große Länge ihrer Ohren gibt ihrem Kopf ein etwas maultierähnliches Aussehen, weshalb sie von den Trappern oft Maultierhirsche genannt werden. Auch Jake und Redwood nannten sie bei diesem Namen, obwohl sie dieselben auch Schwarzwedel kannten, welches die am häufigsten gebrauchte Benennung ist. Sie führen dieselbe wegen der Farbe des Haares auf der oberen Seite ihrer Schwanzspitzen, welche pechschwarz ist. Beide Arten sind oft miteinander verwechselt worden, obwohl sie sich in vielen Beziehungen ganz und gar voneinander unterscheiden. Die Schwarzwedel sind größer, ihre Beine kürzer, der Körper gedrungener und im Ganzen von kräftigerer Bauart. Beim Laufen springen sie, alle vier Füße zugleich erhebend, während die langschwänzige Art mehr wie der gemeine Damhirsch läuft, nämlich ein paar Schritte trabt, dann einen Satz macht und wieder wie vorher trabt. Die Ohren der Schwarzwedel reichen völlig bis zur halben Höhe ihres Geweihs, und ihr rötlich braunes Haar ist gröber als das des virginischen Hirsches. Ferner sind ihre Klauen kürzer und breiter. Das Fleisch des Schwarzwedels ist geringer als das des Damhirsches, während die langschwänzige Art ein dem Letzteren ähnliches Wildbret liefert. Beide Arten bewohnen zuweilen die Waldungen, aber ihr Lieblingsaufenthalt ist stets die Prärie oder eine Art wellenförmigen Landes, wo Prärie und Wald miteinander abwechseln und eine Folge von Gehölz und Lichtungen bilden. Beide finden sich nur in der westlichen Hälfte Amerikas, nämlich in den wilden Regionen zwischen dem Mississippi und den Felsengebirgen. Die schwarzschwänzige Art geht weiter nach Süden, und man findet sie in Kalifornien und den Tälern der Felsengebirge, südlich bis nach Texas, während man sie im Norden in Oregon und auf der östlichen Seite der Felsengebirge bis zum 54. Breitengrad hinauf antrifft. Die langschwänzige Art liefert in Oregon und am Columbia River das meiste Wildbret, und ihr Bereich er streckt sich gleichfalls nach Osten über die Felsengebirge hinaus, wenn auch nicht bis zu der Breite des Mississippi.

Der Naturforscher, der vor einigen Jahren eine Reise nach Oregon gemacht hatte und natürlicherweise mit den Gewohnheiten des langschwänzigen Hirsches bekannt geworden war, gab uns einen vollständigen Bericht über denselben und erzählte ein anziehendes Abenteuer, welches ihm zugestoßen war, während er am Columbia River gejagt hatte.

»Der langschwänzige Hirsch,« begann er, »ist eine der kleinsten Hirscharten. Sein Gewicht übersteigt selten hundert Pfund. In Gestalt und Gewohnheiten ähnelt er dem gemeinen Hirsch und der Hauptunterschied besteht nur in dem Wedel, welcher nicht selten eine Länge von 18 Zoll hat. Beim Laufen wird der Wedel aufrecht getragen und ist beständig in wippender Bewegung von einer Seite zur anderen, was einen seltsamen und ziemlich lächerlichen Eindruck macht. Der Gang des Tieres ist gleichfalls eigentümlich. Zuerst läuft es zwei Passschritte, welche einem gewöhnlichen Trab gleichen, hierauf macht es einen weiten Satz, der es ungefähr zweimal so weit bringt als die Schritte; dann trabt es wieder. Diese Art der Bewegung ändert es niemals, wenn es auch noch so hitzig verfolgt wird.

Es wirft wie der Damhirsch gefleckte Junge, welche im Frühjahr zur Welt kommen und ihre Farbe im ersten Winter in die des Hirsches selbst verwandeln. Ungefähr im November sammeln sie sich in Rudeln und bleiben bis zum April zusammen, wo sie sich trennen, indem sich das Weibchen versteckt, um seine Jungen zu werfen. Man findet den langschwänzigen Hirsch oft in Waldgegenden, obwohl sein Lieblingsaufenthalt nicht in dem dichten Holz der großen Wälder, sondern in den parkähnlichen Lichtungen ist, welche es in vielen Teilen der Täler der Felsengebirge gibt. In diesen Gegenden findet man zuweilen ganze Strecken Landes, deren Oberfläche eine angenehme Abwechselung von Wald und Prärie zeigt. Man sieht sanft abgedachte Hügel, mit Niederwald auf den Kämmen und an den Seiten. In diesen natürlichen Hainen kann man ganze Rudel des langschwänzigen Hirsches auf den Abhängen der Hügel äsen und durch ihre schönen Stellungen und zierlichen Bewegungen die Schönheit der Landschaft erhöhen sehen.

Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, den langschwänzigen Hirsch zu jagen. Ich befand mich auf dem Weg über die Felsengebirge nach dem Fort Vancouver, als Umstände mein Verweilen bei einem kleinen Handelsposten an einem der Nebenströme des Columbia River nötig machten. Ich musste nämlich auf eine Gesellschaft Pelzjäger warten, mit der ich reisen wollte, und die einige Zeit brauchte, um ihre Pakete fertig zu machen. Der Handelsposten war ein kleiner Ort mit erbärmlichen Einrichtungen, da er in seinen zwei bis drei elenden Blockhütten kaum Platz genug bot, um die Hälfte der Gesellschaft unterzubringen, welche damals zufälligerweise seine Gastfreundschaft in Anspruch nahm. Da mein Geschäft in weiter nichts bestand, als auf meine Reisegefährten zu warten, so langweilte ich mich an einem solchen Ort natürlicherweise fast zu Tode. Ringsum war nichts zu erblicken als Pakete mit Biber-, Otter-, Wiesel-, Fuchs- und Bärenfellen und nichts zu hören, als das unablässige Plaudern kanadischer Reisenden in ihrem aus Französisch, Englisch und Indianisch gemischten Kauderwelsch. Um die Sache noch unangenehmer zu machen, gab es sehr wenig zu essen und nichts zu trinken, als das klare Wasser des kleinen Bergstroms, an welchem das Fort erbaut war. Die Umgegend war jedoch schön, und die liebliche Landschaft, welche dem Auge auf allen Seiten begegnete, gewährte beinahe Ersatz für die mancherlei Unannehmlichkeiten des Postens. Die Oberfläche des Landes war sanft wellenförmig und erhob sich hier und da in kuppelförmigen Hügeln von geringer Höhe. Diese waren mit Waldungen von buschigen Bäumen, besonders der wilden Haselnuss, sowie mit mehreren Arten Rosen, Brombeeren und Johannisbeerbüschen mit ihren Büscheln purpurroter Früchte bedeckt. Die dazwischen liegenden Lichtungen waren mit einem Teppich von kurzem Grannengras bewachsen und die ganze Landschaft hatte das Aussehen eines kultivierten Parks, sodass man unwillkürlich auf den wellenförmigen Umrissen der Hügel nach einem schönen Herrenhaus oder einem adligen Schloss suchte. Solche Gegenden sind es gerade, in welchen der Damhirsch am liebsten weilt, und ebenso sind sie der Lieblingsaufenthalt seines nahen Verwandten, des Langwedels.

Der Umstand, dass frisches Wildbret unsere stehende und tägliche Nahrung ausmachte, lieferte einen hinreichenden Beweis, dass es an Hirschen in der Nachbarschaft nicht fehlen könne. Ich zögerte daher nicht lange nach meiner Ankunft, sondern schickte mich zu einer Jagd an. Unglücklicherweise waren die Herren von der Company zu sehr beschäftigt, um mit mir zu gehen. Ein Gleiches fand in Bezug auf die zahlreichen Diener statt, und ich brach nur in Gesellschaft eines einzigen Begleiters, eines halbblütigen Indianers, auf, der jedoch zufälligerweise ein guter Führer sowie ein ausgezeichneter Jäger war. Nach dem Abmarsch hielten wir uns eine Zeitlang am Fluss, indem wir am Ufer desselben abwärts gingen, wo wir im Schlamm zahlreiche Hirschfährten erblickten. Diese Fährten waren fast frisch. Viele von ihnen mussten, nach der Behauptung meines Dieners, in der vorigen Nacht von zur Tränke gehenden Tieren gemacht worden sein. Gleichwohl wanderten wir sonderbarer Weise eine Meile oder noch weiter, ohne nur einen einzigen Hirsch oder ein anderes Tier zu erblicken. Da ich den Mut zu verlieren anfing, schlug mir mein Diener vor, den Strom zu verlassen und zwischen die Hügel einzudringen. Dort, glaubte er, würden wir wohl Hirsche antreffen. Ich nahm den Vorschlag an, und wir verließen demnach die Flussniederung und folgten unseren Weg zwischen den duftenden Büschen der Johannisbeeren und wilden Rosen, indem wir sorgfältig jede Lichtung untersuchten, welche sich vor uns ausbreitete. Ehe wir noch sehr weit gezogen waren, erblickten wir mehrere Hirsche und konnten sie auch von Zeit zu Zeit hinter den uns umgebenden Gebüschen vernehmen, indem die Männchen einen sonderbaren, pfeifenden Laut ausstießen, welcher zuweilen durch das ziegenähnliche Blöcken der Weibchen beantwortet wurde. Sie waren jedoch alle sehr scheu. Trotz vielem vorsichtigen Bücken und Kriechen durch die Büsche wanderten wir fast zwei Drittel des Tages umher, ohne zum Schuss zu kommen. Wir konnten uns damals nicht erklären, was sie so schüchtern gemacht hatte, aber wir erfuhren später, dass eine starke Gesellschaft Flathead erst vor ein paar Tagen durch diese Gegend gezogen war und eine dreitägige Jagd auf die Hirsche gemacht hatte, von welcher sich dieselben noch nicht erholt hatten.

Wir erblickten auf dem ganzen Weg entlang Indianerspuren und fanden an einer Stelle den Kopf mit dem Gehörn eines schönen Bockes, der an einen Baumzweig aufgehängt und deshalb nicht von den Wölfen abgenagt worden war. Beim Anblick desselben schien mein Begleiter in Entzücken zu geraten, wogegen ich nicht begreifen konnte, was an einem wertlosen Geweih Besonderes sei, um so freudige Empfindungen hervorzurufen. Da sich jedoch der blaue Dick, so lautete der Spitzname meines Dieners, nicht leicht unnützen Gefühlsausbrüchen hingab, so musste doch wohl eine besondere Veranlassung vorhanden sein.

›Nun, Herr‹, sagte er zu mir, ›wenn ich noch etwas hätte, so könnte ich Ihnen einen Schuss auf die Langwedel versprechen, wie scheu sie auch sind.‹

›Noch Etwas? Was ist das?‹, fragte ich.

›Etwas, das hier herum wachsen muss, wenn ich mich nicht sehr in den Zeichen täusche. Ich werde es dort unten suchen!‹ Dick zeigte auf ein Stück tiefliegenden Sumpfbodens, der sich an der einen Seite unseres Weges hin erstreckte. Ich folgte ihm zu der Stelle. Wir hatten kaum den Rand des Sumpfbodens erreicht, als mir auch schon ein Ausruf meines Begleiters verkündete, dass er das Etwas, was er brauchte, erblicke.

›Dort, Massa, die richtige Pflanze‹, rief er. ›Sehen Sie dort!‹

Dick zeigte auf ein hohes, krautartiges Gewächs, das am Rande des Sumpfes wucherte. Der Stängel war volle acht Fuß hoch, mit großen abgestumpften Blättern und einer aus gebreiteten Dolde von hübschen weißen Blumen. Ich kannte die Pflanze recht gut. Es war ein Heracleum, welches an einigen Orten Meisterkraut, gewöhnlicher aber Kuhpetersilie genannt wird. Ich wusste wohl, dass die Wurzel derselben anreizende Eigenschaften besitzt, aber dass die Pflanze etwas mit der Hirschjagd zu tun haben könne, war mir unbekannt. Dick wusste in dieser Beziehung jedoch besser Bescheid und seine Waidfertigkeit zeigte sich bald genug. Er zog sein Messer aus der Scheide und schnitt ein Stück von dem Stängel des Heracleum ab, das ungefähr 6 Zoll lang war. Dies schnitzte er ungefähr nach Art einer Pfennigpfeife zurecht und hatte ihm nach ein paar Minuten die gehörige Gestalt und Größe gegeben, worauf er das Messer einsteckte, die Pfeife an den Mund setzte und hineinblies. Der Ton, welchen er hervorbrachte, klang genau wie der, welchen ich schon von den Hirschen gehört hatte, dass mich die Ähnlichkeit überraschte. Da ich seinen Bewegungen nicht gefolgt war, so glaubte ich einen Augenblick, dass wir in die unmittelbare Nähe eines Langwedels geraten seien. Mein Begleiter lachte aber und zeigte triumphierend auf seine frisch gemachte Lockpfeife.

›Jetzt, Massa‹, sagte er, ›wollen wir bald einem von den langschwänzigen Böcken das Lebenslicht ausblasen.‹

Mit diesen Worten nahm er das Geweih und forderte mich auf, ihm zu folgen. Wir gingen, wie vorher, schnell, aber vorsichtig durch die Büsche und um deren Ränder. Kaum waren wir ein paar hundert Schritte weiter gegangen, als das hohle Pfeifen eines Bockes zu unsern Ohren drang.

›Jetzt haben wir ihn‹, murmelte Dick, ›kauern Sie sich unter den Busch, so!‹

Ich tat, was er verlangte, indem ich mich unter den belaubten Zweigen des wilden Rosenbaumes verbarg. Mein Begleiter kauerte sich neben mich in einer Stellung nieder, dass seine Gestalt ebenfalls verborgen war, wogegen der Hirschkopf mit dem Geweih über das Laub hervorragte und von verschiedenen Seiten, wo die Waldung offen war, gesehen werden konnte. Sobald wir diese Stellung eingenommen hatten, brachte Dick die Lockpfeife an die Lippen und blies seinen nachgeahmten Ton mehrere Male hintereinander. Sogleich erfolgte ein Echo, und schnell darauf konnten wir Hufschläge auf dem trockenen Rasen vernehmen, als ob ein Tier auf uns zu spränge. Bald nachher erschien ein schöner Bock in einer Lichtung zwischen zwei Dickichten, ungefähr hundert Schritte von der Stelle entfernt, wo wir lagen. Er hatte Halt gemacht, sich auf die Hinterläufe zurückgeworfen, sodass seine Hinterschenkel fast die Erde berührten, und sein großes, volles Auge blickte über die Lichtung hinweg, als ob er irgendeinen Gegenstand suche. In diesem Augenblick brachte Dick das Rohr an die Lippen, indem er zugleich das Geweih vor- und rückwärts schwenkte, wie ein Hirsch, der den Kopf drohend bewegt. Der fremde Hirsch bemerkte nun den Gegenstand, der ihm als das hohe Geweih eines Feindes erschien. Sogleich erhob er sich steif auf allen vier Füßen, nahm mit vorgebeugten Augensprossen die Herausforderung an und kam herbeigesprengt. In der Entfernung von ungefähr zwanzig Schritten machte er wieder Halt, als ob er über den Charakter seines Feindes noch ungewiss wäre, aber dieser Halt wurde ihm verderblich, denn auf Dicks Anraten hatte ich meine Büchse fertig gemacht, zielte auf seine Brust und berührte den Drücker. Der Erfolg war der von meinem Begleiter vorausgesagte, denn meine Kugel hatte das Lebenslicht des Bockes ausgeblasen.

Nachdem wir unsere Beute ausgeweidet und das Fleisch außer den Bereich der bellenden Wölfe aufgehängt hatten, verfuhren wir auf dieselbe Art wie vorher und bald darauf war ein zweiter Bock auf ähnliche Weise erlegt.

Hiermit endete für diesen Tag unsere Jagd, da es schon spät war, ehe Dick an die Lockpfeife gedacht hatte. Wir nahmen daher die besten Teile der beiden Langwedel auf die Schultern und trabten heimwärts zu dem Posten. Auf dem Rückweg führte uns unser Pfad zum Teil am Fluss entlang und wir sahen mehrere Hirsche sich dem Wasser nähern; aber da wir bereits schwer beladen waren, so konnten wir nicht zum Schuss kommen. Es fiel meinem Begleiter jedoch ein Gedanke ein, der uns für die nächste Jagd, welche bei Nacht stattfinden sollte, sowohl Wildbret als auch Vergnügen in Fülle versprach. Er legte mir seine Idee zur Prüfung vor und ich gab bereitwillig meine Zustimmung, da ich in dem Vorschlag die Aussicht auf den Genuss eines seltenen Jagdvergnügens zu entdeckten glaubte.

Es handelte sich um eine Fackeljagd, nicht aber um eine solche, wie sie von den Hinterwäldlern angestellt wird, die ihre Fackeln mühsam durch den Wald tragen. Unsere Fackel sollte auf dem Wasser schwimmen, während wir bequem daneben säßen, nämlich wir wollten unser Feuer auf einem Kanu anzünden, den Fluss hinabtreiben und die Hirsche schießen, die am Ufer trinken oder ihre Läufe im Wasser kühlen würden.

Ich hatte von dieser Art Jagd schon gehört, sie aber noch niemals mitgemacht. Dick dagegen hatte auf diese Art schon manchen Hirsch geschossen und war deshalb ganz vertraut damit. Wir kamen demnach überein, dass wir in der nächsten Nacht den Versuch machen wollten.

Am folgenden Tag trafen Dick und ich unsere Vorbereitungen, ohne jemanden etwas zu sagen. Wir hatten die Absicht, unsere nächtliche Jagd geheim zu halten, um für den Fall, dass wir kein Glück haben sollten, nicht ausgelacht zu werden. Wenn es uns hingegen gelang, eine gehörige Anzahl Langwedel zu erlegen, so war es später noch Zeit genug, unser Abenteuer und wie wir die Sache angefangen hatten, den anderen mitzuteilen.

Wir fanden es nicht eben schwer, unsere Absichten für uns zu behalten. Jeder war mit seinen eigenen Angelegenheiten genug beschäftigt und keiner achtete auf unsere Vorkehrungen. Die Hauptschwierigkeit für uns lag nur darin, ein Boot zu bekommen, aber auch dies erhielten wir endlich für ein paar Ladungen Pulver von einem Flathead geliehen, welcher zu den Nachzüglern des Postens gehörte. Dieses Fahrzeug war aber nichts weiter als der Stamm eines Baumwollenbaumes, der vermittelst einer Axt roh ausgehöhlt und an beiden Enden leicht abgerundet war, um die Kanugestalt herauszubringen. Man kennt diese Art von Fahrzeug im ganzen westlichen Amerika unter dem Namen eines ausgehöhlten Kanus, eine Benennung, die sich von selbst erklärt. Es war alt und gebrechlich, aber der blaue Dick erklärte nach kurzer Besichtigung, dass es trotzdem ausgezeichnet gehen werde.

Unsere nächste Sorge widmeten wir der Herstellung der Fackel. Um diese zu erlangen, mussten wir einen Ausflug zu den benachbarten Hügeln machen, wo wir das nötige Holz, die trockenen Knorren der Pechtanne, fanden. Dann wurde ein großes Stück Birkenrinde gesucht, und mit diesem war unser Material vollständig.

Zur Zeit der Dämmerung war alles bereit. Wir bestiegen unser Kanu und ruderten schweigend flussabwärts. Sobald wir uns aus der Nachbarschaft des Postens entfernt hatten, zündeten wir unsere Fackel an. Sie hatte ihren Platz in einer großen Schmorpfanne, die am Vorderbug des Bootes stand, und glich in Wirklichkeit eher einem Feuer von Kienholz als einer Fackel. Sie flammte hell auf und warf ihren Schimmer über die Fläche des Flusses, indem sie jeden Gegenstand auf beiden Ufern in rotem Licht badete. Wir dagegen blieben durch den Schirm von Birkenrinden, der zwischen uns und der Fackel stand, allen Blicken vollständig verborgen.

Sobald wir ordentlich im Gang waren, übergab ich das Ruder an Dick, welcher nun das doppelte Amt der Leitung des Bootes und der Unterhaltung der Fackel übernahm, wogegen ich das Schießen besorgen sollte. Also nahm ich meine gute Büchse quer über die Knie und saß, beide Ufer beim Dahingleiten abwechselnd durchspähend, still an Bord. Niemals werde ich die romantischen Eindrücke vergessen, welche mein Geist während dieses Ausfluges empfing. Die Umgebung des Flusses, auf welchem unser Fahrzeug dahinschwamm, war zu jeder Tageszeit malerisch. Beim Leuchten des Tannenholzes jedoch, das die Bäume und Felsen mit rötlichem Schimmer überhauchte, während unten die kräuselnde Flut wie geschmolzenes Gold dahinströmte, wurde die Wirkung zu einem Grad von Erhabenheit gesteigert, der selbst auf den schwerfälligsten Geist Eindruck machen musste. Noch dazu befanden wir uns im Herbst, und das Laub, das noch nicht zu fallen begonnen hatte, war in die lebhaftesten und buntesten Farben gekleidet und zeigte die mannigfachste Abwechslung von Grün, Goldgelb und Dunkelrot. Das üppige Laubwerk, welches die Ufer des Flusses einfasste, hing stellenweise wie ein gestickter Vorhang bis auf den Rand des Wassers hinab. Es war in der Tat ein Schauspiel von jener wilden Schönheit und malerischen Erhabenheit, welches jeden Menschen zur Anbetung seines Schöpfers führen muss.

›Dort!‹, murmelte plötzlich eine Stimme, welche mich aus meinen Träumen aufscheuchte.

Es war Dick, der gesprochen hatte. Im dunklen Schatten der Birkenrinde konnte ich seinen Arm nach dem rechten Ufer zeigen sehen. Meine Augen folgten der angedeuteten Richtung und gewahrten bald zwei kleine Gegenstände, die sich hell und glänzend von dem dunklen Hintergrund des Laubes abhoben. Sie waren rund und standen nahe beieinander, sodass ich auf den ersten Blick die Augen eines Tieres erkannte, welche den Schein unserer Fackel widerspiegelten. Mein Begleiter flüsterte mir zu, es seien die Lichter eines Hirsches. Ich richtete also meine Büchse darauf, indem ich so genau wie möglich zwischen die leuchtenden Flecke zielte, berührte den Drücker und mein gutes Gewehr knallte los. Der Knall war indessen nicht laut genug, um das vom Ufer herüberschallende Geräusch zu übertönen. Auf ein Rascheln im Laub folgte ein Plätschern, als ob ein Körper in das Wasser fiele. Dick drehte sofort die Spitze des Kanus um und ruderte an das Ufer. Die hellflammende Fackel beleuchtete den Gegenstand vor uns, und unsere Augen wurden durch den Anblick eines schönen Bockes erfreut, der tot ins Wasser gefallen und eben daran war, von den Wirbeln der Strömung mit fortgerissen zu werden. Dick verhinderte dies jedoch, indem er ihn bei dem Geweih fasste und ihn wohlbehalten in das Boot niederlegte.

Nun richteten wir die Spitze unseres Fahrzeuges wieder stromabwärts und durchforschten jede Wendung des Ufers nach einem zweiten Paar leuchtender Augen. Dieses zeigte sich in weniger als einer halben Stunde. Es gelang uns, einen zweiten Langwedel, eine Ricke, zu erlegen, die wir ebenfalls in das Boot zogen. Kurz darauf wurde ein Dritter niedergeschossen, den wir im Fluss auf einer kleinen Sandbank stehend fanden. Dieser erwies sich als ein junger Spießer, da sein Geweih noch nicht mit Zacken versehen war.

Ungefähr eine Viertelmeile weiter abwärts schoss ich auf ein viertes Tier, fehlte aber, da das Kanu plötzlich, als ich losdrückte, an einem Felsen streifte und so mein Zielen unsicher machte.

Ich brauche wohl kaum zu sagen, dass diese Jagd höchst unterhaltend war. Wir hatten infolgedessen den Posten schon viele Meilen weit hinter uns gelassen, ohne weder an die Entfernung noch daran zu denken, dass uns die unangenehme Notwendigkeit bevorstand, das Kanu des alten Flathead die ganze Strecke zurück zu rudern. Stromabwärts war es ein leichtes Schiffchen und Dicks Amt einfach genug, da es nur darin bestand, das Kanu mit der Spitze vorn und in der Mitte des Flusses zu halten. Die Strömung lief mit einer Schnelligkeit von drei Meilen in einer Stunde und trieb uns daher mit ziemlicher Geschwindigkeit vorwärts. Das Erste, was uns an die Rückkehr erinnerte, war, dass unser Kienholz zu Ende ging, denn Dick hatte eben das letzte in die Pfanne gelegt. In diesem Augenblick drang ein Ton zu unseren Ohren, der ein Gefühl der Unruhe in uns hervorrief, nämlich der Schall von stürzenden Gewässer. An und für sich war uns dies nichts Neues, denn wir hatten bereits die Mündung mehrerer kleiner Flüsse hinter uns gelassen, welche in unseren Strom einmündeten, und zwar meistens über einen Felsenabhang, sodass sie eine Reihe von plätschernden Stromschnellen bildeten. Aber das Rauschen, das wir nun hörten, erklang gerade vor uns und musste eine Stromschnelle oder gar ein Wasserfall im Fluss selbst sein. Außerdem erscholl das Geräusch lauter, als wir es bis dahin noch gehört hatten.

Die Lage schien bedenklich; wir verloren daher wenig Zeit mit Vermutungen, sondern Dick bemühte sich, dem Lauf des Kanus Einhalt zu tun, was ihm nach einigen Sekunden gelang. Eben jetzt zeigte uns jedoch unsere Fackel, dass der Fluss eine plötzliche Wendung machte, unterhalb welcher eine lange Strecke glatten Wassers schimmerte. Der Wasserfall konnte sich demnach nicht in unserem Fluss befinden, sondern musste von einem Nebenstrom herrühren, der in der Nähe der Biegung einmündete. Als Dick dies sah, nahm er das Ruder auf die andere Seite und ließ das Kanu wieder mit dem Strom treiben. Im nächsten Augenblicke kamen wir an der Mündung eines breiten Baches vorüber, dessen Wasser sich, bedeckt von weißem Schaume und Blasen, in den Fluss ergoss, nachdem er erst aus einer Höhe von einigen Fuß herabgestürzt war. Wir konnten den Fall durch die Zweige in geringer Entfernung sehen, und als wir daran vorüberglitten, warf die schäumende Fläche desselben das Licht unserer Fackel in glänzenden Blitzen zurück.

Kaum hatten wir diese Stelle hinter uns gelassen, so wurde meine Aufmerksamkeit durch ein Paar feurige Kreise erregt, welche aus dem niedrigen Gebüsch am linken Ufer des Flusses hervorschimmerten. Ich sah wohl, dass es die Augen eines Tieres waren, konnte aber nicht erraten, was für ein Tier es sei. Die Lichter eines Hirsches waren es jedenfalls nicht. Ihr eigentümliches Funkeln, ihre geringere Größe, die bedeutendere Breite der Stirn, alles sprach dafür, dass es keine Hirschlichter sein konnten. Außerdem bewegten sie sich manchmal, als ob der Kopf des Tieres in unregelmäßigen Kreisen hin und her schwankte. Dies ist niemals der Fall bei den Lichtern des Hirsches, die entweder schnell von einer Seite zur anderen fahren oder ganz ruhig stehen bleiben. Ein Hirsch war es also nicht, aber doch jedenfalls ein wildes Tier, und diese gelten alle ohne Ausnahme für die Beute des Präriejägers.

Ich zielte und drückte los. Während ich es tat, schien es mir, als ob mich die Stimme meines Begleiters warnte, nicht zu feuern. Ich wunderte mich über die Mahnung, aber schon war es zu spät, sie zu beachten, denn sie war fast gleichzeitig mit dem Knall meiner Büchse ausgesprochen.

Zunächst blickte ich zum Ufer, um die Wirkung meines Schusses zu erkennen. Zu meiner großen Verwunderung sah ich die Augen noch immer. Sie funkelten nicht minder hell wie zuvor aus dem Gebüsch.

«Sollte ich gefehlt haben?

»Die Stimme meines Begleiters hatte mich allerdings etwas gestört, aber ich glaubte dennoch, dass meine Kugel richtig getroffen haben müsse, da sie erst nach sorgfältigem Zielen abgeschickt worden war. Während ich mich nach Dick umdrehte, um eine Erklärung zu verlangen, erschallte ein drohender Ton zu meinem Ohr, der sofort alles erklärte und zugleich ein lebhaftes Gefühl der Unruhe in mir erweckte. Ich erkannte diesen Ton recht gut und wusste, dass es das Schnauben des grauen Bären war.

Von allen amerikanischen Tieren ist der graue Bär das furchtbarste. Der Mensch sei bewaffnet oder nicht, so ist er ihm nicht gewachsen, und selbst der mutigste Jäger scheut seine Begegnung. Deshalb hatte mich mein Begleiter gewarnt, nicht zu feuern.

Ich glaubte, ich habe gefehlt, aber dies war nicht der Fall. Meine Kugel hatte getroffen und das grimmige Tier in Wut versetzt. Auf ein plötzliches Rascheln im Gebüsch folgte sofort ein lautes Plätschern, der Bär war ins Wasser gesprungen.

›Barmherziger Himmel! Er kommt auf uns los!‹, rief Dick mit schreckerfüllter Stimme, indem er zugleich das Kanu mit seiner ganzen Kraft vorwärts trieb.

Leider erwies es sich als vollkommen richtig, dass der Bär auf uns losging, und schon der erste Sprung hatte seine Nase bis fast an die Seite unseres Fahrzeuges gebracht. Ein paar tüchtige Ruderschläge setzten uns jedoch in schnelle Bewegung, und wir glitten bald, von dem ergrimmten Tier verfolgt, das von Zeit zu Zeit sein wildes Grunzen hören ließ, eilig den Fluss hinab.

Unsere Lage wurde dadurch noch furchtbarer gemacht, dass wir weder den Bär sehen noch sagen konnten, wie weit er von uns entfernt sein mochte. Hinter dem Kanu war alles wegen des Schirmes von Birkenrinde stockfinster und in dieser Richtung kein Gegenstand zu erkennen. Nur durch unser Gehör konnten wir erkennen, dass der Bär nur noch einige Schritte von uns entfernt sei. Das Schnauben erklang jedoch bald näher, bald ferner, je nach dem wechselnden Rauschen des Wasserfalles. Manchmal schien es aber, als ob der furchtbare Rachen des Untieres schon dicht am Hinterteil unseres Bootes sei.

Wir wussten, wenn der Bär einmal seine Tatze auf das Kanu legen konnte, so wurden wir entweder umgeworfen oder gezwungen, über Bord zu springen und zur Rettung unseres Lebens zu schwimmen. Außerdem wussten wir, dass dies, wenigstens für einen von uns, der unfehlbare Tod sein würde.

Ich brauche wohl kaum zu sagen, dass mein Begleiter sein Ruder mit der ganzen Kraft der Verzweiflung handhabte. Ich half ihm, so gut ich konnte, mit dem Kolben meiner Büchse, die nun ungeladen war, weil Eile und Dunkelheit mich keinen Versuch machen ließen, wieder zu laden.

So waren wir etwa hundert Schritte weit stromabwärts geglitten und gaben uns schon der Hoffnung hin, dem Bären zu entkommen, als sich unserer erschreckten Einbildungskraft ein neuer Gegenstand der Furcht aufdrängte. Dies war der Schall fallenden Wassers, der diesmal jedoch nicht, wie vorher, von einem Nebenfluss herrührte. Nein! Es war ohne Zweifel ein Wasserfall des Flusses, auf welchem wir trieben. Augenscheinlich befand er sich in nur geringer Entfernung von uns.

In der Tat waren wir ihm auf weniger als hundert Schritt nahe gekommen, denn unsere Aufregung sowie das Rauschen des oberen Wasserfalles, das noch in unseren Ohren nachklang, hatte uns daran gehindert, die neue Gefahr eher zu bemerken, als bis wir in ihre unmittelbare Nähe kamen. Wir stießen beide einen Schrei des Schreckens aus und bemühten uns, ohne weiter ein Wort zu sprechen, das Boot anzuhalten. Aus allen Kräften ruderten wir, er mit dem Ruder, ich mit dem flachen Kolben meiner Büchse. Es gelang unseren Anstrengungen, das Fahrzeug in eine Art von Stillstand zu bringen. Wir hofften, es zum Ufer drängen zu können, als wir plötzlich einen schweren Gegenstand auf das Hinterteil des Kanus stoßen hörten. In demselben Augenblick erhob sich der Bär aus dem Wasser in die Höhe, und eine Partie brennender Kienholzstücke fiel auf den Boden des Kanus herunter. Hier brannten sie fort, und bei ihrem Scheine gewahrten wir einen furchtbaren Gegenstand. Der Bär hatte das Boot gepackt und sein grimmiger Kopf und seine langen gebogenen Krallen wurden über dem Rand desselben sichtbar.

Obwohl das kleine Fahrzeug wild auf dem Wasser umhertanzte und sehr leicht umgeworfen werden konnte, zeigte das Tier doch keine Neigung, loszulassen, sondern schien jeden Augenblick höher in das Kanu hineinzusteigen. Unsere Gefahr hatte nun einen hohen Grad erreicht. Wir wussten es, und dieses Bewusstsein lähmte uns fast. Beide sprangen wir auf und verweilten ein paar Augenblicke halb sitzend, halb kniend in Ungewissheit dessen, was wir tun sollten. Wenn wir die Ruder gebrauchten, um das Kanu ans Ufer zu treiben, so hieß dies weiter nichts, als uns dem Bären in den Rachen liefern. Andererseits konnten wir in unserer jetzigen Lage nicht bleiben, da wir in ein paar Sekunden zum Wasserfall hinabgetrieben werden mussten und keineswegs wissen konnten, wie hoch dieser sei. Mochte er 100 oder auch nur 50 Fuß hoch sein, so war er unzweifelhaft hoch genug, um uns in die Ewigkeit hinüberzuschleudern. Unsere Lage war in der Tat entsetzlich und unsere Gedanken suchten mit Blitzesschnelle einen Ausweg zur Rettung. Ein rascher Entschluss war nötig. Mir fiel weiter nichts ein, als mich zu dem Hinterteil hinüber zu bücken und mit dem Kolben meiner umgedrehten Büchse auf den Bären loszuschlagen. Zu gleicher Zeit rief ich meinem Begleiter zu, zum Ufer zu rudern, da es unter allen Umständen vorzuziehen war, ein Zusammentreffen mit unserem grauen Gegner auf dem Land zu wagen.

Es war mir gelungen, den Bären durch mehrere wohlgezielte Schläge auf die Schnauze von dem Kanu abzuhalten, und Dick hatte gleichfalls das Glück gehabt, das Fahrzeug näher ans Ufer zu bringen, als plötzlich ein scharfes Krachen zu meinen Ohren drang, welchem ein Schreckensschrei meines Begleiters folgte. Ich blickte schnell hinter mich, um die Ursache dieses Rufes zu entdecken. Dick hielt einen kurzen runden Stock in der Hand, in welchem ich den Schaft unseres Ruders erkannte. Der untere Teil war abgebrochen und schwamm auf dem Wasser.

Nun sahen wir uns völlig hilflos, denn es war nichtmehr möglich, das Kanu zu lenken, und es musste daher den Wasserfall hinunterstürzen. Wir dachten daran, herauszuspringen, aber es war schon zu spät, denn wir befanden uns fast am Rand des Falles, und die schwarze Strömung, auf welcher das Boot schnell dahintrieb, würde unsere Körper mit gleicher Geschwindigkeit mit fortgerissen haben. Wir sahen dies beide ein, und jeder konnte die Gefühle des anderen erraten. Keiner von uns sprach; wir kauerten uns nieder und erwarteten, die Hände an den Rand des Kanu geklammert, den verhängnisvollen Augenblick.

Der Bär indessen schien ebenso gut, wie wir, Befürchtungen zu hegen, denn anstatt seine Bemühungen, in das Boot zu klettern, fortzusetzen, begnügte er sich damit, sich mit seinen mächtigen Krallen am Hinterteil festzuhalten. Die Fackel flammte noch immer und das Boot fing zu brennen an. Vielleicht war es dies, was das Tier beunruhigte. Uns machte der Brand in diesem Augenblick weniger Sorgen; die größere Gefahr überwog die kleinere. Wir hatten ihn kaum bemerkt, als wir auch schon fühlten, dass wir den Wasserfall hinunterglitten. Das Kanu schoss vorwärts, wie von einer Schleuder getrieben; dann erscholl ein lautes Krachen, als ob wir auf Felsen gefallen wären; Wasser und Schaum spritzten über uns hin, und im nächsten Augenblick fühlten wir zu unserem Erstaunen sowie zu unserem Entzücken, dass wir noch lebten und im Kanu saßen, welches ruhig in stillem, glattem Wasser dahintrieb. Es war völlig finster um uns, denn die Fackel war erloschen, aber trotz der Dunkelheit konnten wir den Bären neben dem Boot schwimmen und plätschern sehen. Wir bemerkten jedoch zu unserer großen Befriedigung, dass er auf das Ufer lossteuerte und die Entfernung zwischen sich und uns mit aller möglichen Eile vergrößerte. Der unerwartete Sturz über den Wasserfall hatte seinen Mut, wenn nicht seine Feindseligkeit, abgekühlt. Wir gaben schnell dem nun halb mit Wasser gefüllten Kanu die Richtung zum entgegengesetzten Ufer und erreichten es glücklich, indem wir die Büchse und unsere Hände als Ruder gebrauchten. Hier befestigten wir das kleine Fahrzeug an einen Baum, in der Absicht, es zurückzulassen, da wir es doch auf keinen Fall über den Wasserfall zurückbringen konnten. Nachdem wir dann unsere Jagdbeute außer den Bereich der Wölfe aufgehängt hatten, wendeten wir uns stromaufwärts und gelangten nach einem beschwerlichen und langen Marsch wieder zu dem Posten. Am folgenden Morgen ging eine Gesellschaft hinab, um das Wild zu holen und zugleich das Kanu über den Wasserfall zurückzubringen. Es fand sich jedoch, dass das Fahrzeug so stark beschädigt war, dass es beim Tragen nicht mehr zusammenhielt. Man ließ es zurück, mir zu nicht geringem Verdruss, denn es kostete mich später eine hübsche Summe, die ich dem alten hartnäckigen Flathead für seinen wertlosen Baumstamm bezahlen musste.

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