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Neue Gespenster – 13. Erzählung

Samuel Christoph Wagener
Neue Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit
Erster Teil
Dreizehnte Erzählung

Ein weiblicher Geist im Wochenbett

Vor einiger Zeit, so erzählte mir vor Kurzem ein junger, hoffnungsvoller Jurist, besuchte ich einen Freund und brachte einige Wochen auf dem Landgut desselben zu. Um nicht müßig zu sein, hatte ich meine Pandekten mitgenommen, um sie dort zu wiederholen. Die Behausung meines Wirtes, der eine zahlreiche Familie und viele Hausangestellte hatte, war beschränkt. Er wies mir also ein ihm zugehöriges, von seinem Haus aber einige tausend Schritte entlegenes Gartenhaus zum nächtlichen Aufenthalt an. Den Tag brachte ich im frohen Familienkreis der seinen zu und des Abends begab ich mich in meine Einsiedelei in einem Tal, welches ehrwürdige Eichen umgaben. In dem Schatten dieses Wäldchens waren die Denkmäler einiger verstorbenen Freunde errichtet worden. Zwischen den Wurzeln rauschte ein reißender Felsbach stürmisch dahin. Einsam verweilte ich hier oft bis in die späte Nacht, wenn der Mond traulich durch die Zweige blickte, und überließ mich schwärmerischen Empfindungen.

Eines Abends zog ich mich spät in die einsame Zelle zurück. Ich spürte indessen noch keinen Schlaf. Es schlug zwölf Uhr, noch saß ich munter bei meiner künftigen Brotquelle. Plötzlich wurde ich nun durch ein leiste Klopfen gestört, dem ein banges Stöhnen folgte. Ich stutze. Bloße Täuschung, dachte ich und fuhr fort, den angefangenen Titel zu beenden.

Indessen wurde einige Minuten später das Klopfen stärker und das ängstliche Wimmern vernehmlicher. Ich sah aus dem Fenster, ob jemand an der Tür sei, und erblickte nirgends ein lebendiges Wesen. Es war plötzlich sehr stürmisch geworden und der Nordwind heulte fürchterlich durch die dick belaubten Eichen. Ein kalter Regen rauschte in das finstere Tal und der hoch angeschwollene Bach wand sich mit plätschernden Wogen durch sein enges Bett.

Ich trat vom Fenster zurück und schloss es sorgfältig. Das Klopfen ließ sich öfter hören, das Winseln hob wieder an. Es glich dem Ächzen eines Sterbenden. Ich horchte auf und wurde gewahr, dass es nicht außerhalb des Hauses, sondern in demselben sein musste. Kaum hatte ich mich völlig hiervon überzeugt, so schritt ich zur Untersuchung. In der einen Hand mein Licht, in der anderen den Degen, öffnete ich – ich gestehe es, nicht ohne Herzklopfen – die Stubentür. Auf mein Wer da! blieb alles still. Alles tot, überall keine Antwort, kein Pochen und kein Gewinsel mehr. »Wer da!«, rief ich noch einmal, aber ich rief vergebens. »Das Ding hat weniger Herz, als du«, sagte ich zu mir und stieß noch ein drittes, tapferes Wer da! heraus; aber ich hätte es mir ersparen können.

Nun verschloss ich meine Tür und durchsuchte jeden Winkel des Hauses. Auf einmal hörte ich das Pochen wieder, und das Gewinsel schien mir nahe zu sein. Mehr wild als beherzt ging ich auf die Ecke zu, von welcher die spukhaften Töne zu kommen schienen. Aber mitten in diesen Heldenschritten wurde ich aufgehalten. Etwas packte meinen Rockzipfel von hinten. Mit einer ungestümen Heftigkeit und gleichsam blindlings, machte ich Gebrauch von meinem Degen. Ich fühlte, dass er einen körperlichen Gegenstand hinter mir durchbohrte.

Da erwachten plötzlich die Gefühle der Menschlichkeit wieder in mir und der Gedanke, Blut vergossen vielleicht gar gemordet zu haben, fiel zentnerschwer auf mein Herz. Höchst erschüttert drehte ich mich um und suche ängstlich nach dem verwundeten oder ermordeten Etwas. Zu meiner unbeschreiblichen Freude, zugleich aber auch höchst verwundert, bemerkte ich nun, dass ich meinen eigenen Oberrock, der in einen Wandhaken sich verwickelt, durchstochen hatte.

Ich stand wie bezaubert, da und wurde aus meinem Staunen durch ein abermaliges Klopfen gerissen, dessen natürliche Ursache ich in diesem Augenblick auf das Überzeugendste erkannte. Eine kleine Ofentür, die der Wind in dem Spielräume ihres zu langen Hakens auf und zu trieb, stieß, je nachdem der Wind stark oder schwach war, leise oder stark an ihren Haken und verursachte das Pochen. Und da sie nicht eingeschmiert war, so verursachte die Reibung des Eisens auf- und gegeneinander mancherlei widrige Töne, denen die Mitternachtsstunde und meine vorgefasste Meinung eine falsche Deutung gab.

Da ich nun vollends munter geworden war und alle Schlaflust verscheucht hatte, so setzte ich mich ruhig wieder an den Tisch und las, nachdem ich zuvor die knarrende Türklinke wohlbedächtig mit einem Holzsplitter so befestigt hatte, dass der Wind nicht mehr sein weckendes Spiel mit mir treiben konnte. Aber in diesem Augenblick ertönten vom Ofenloch her ganz vernehmlich abermals spukhafte Töne. Sie glichen einem wimmernden Au Au!

Fest überzeugt, dass ich mich in Deutung der Töne, deren Quelle die Klinke der Ofentür war, nicht geirrt haben könne, war es mir doch nun auch außer Zweifel, dass außer dem Wind, der mit der losen Tür gespielt hatte, noch eine andere tönende Kraft da sein müsse. Indem ich daher nun mit dem Licht in der Hand die Ofentür vorsichtig öffnete, um schaudernd die nähere Bekanntschaft mit dem wimmernden Gespenst zu machen, erblicke ich einen Pudel, der eben Junge geworfen hatte und in einer bittenden Stellung mich angaffte.

Obwohl unerfahren in den Geschäften einer Geburtshelferin zeigte ich mich dem Tier gegenüber gefällig, so gut ich konnte. Die Hündin war mir ohnehin schon vorzüglich zugetan, da sie im Haus meines Freundes eben nicht geachtet wurde. Unter diesen Umständen hatte sie daher ihre Zuflucht zu mir genommen, sich unstreitig schon des Morgens, von mir unbemerkt, in das Gartenhaus mit eingeschlichen und beim Herannahen der Geburtsschmerzen sich in den Ofen verkrochen.

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