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Der Welt-Detektiv Band 6

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Nick Carter – Nick Carters beste Maske – Kapitel 10

Nick Carter
Nick Carters beste Maske

Kapitel 10

Nick Carter als Hindu

Kurz nach halb elf Uhr in der darauffolgenden Nacht lungerten an der Ecke von Madison Avenue und 73th Street drei Hindus herum, zu denen sich schließlich noch ein vierter gesellte, der gleichfalls in das weite, faltenreiche Gewand der braunen Söhne des fernen, sagenumwobenen Indiens gehüllt waren.

Die drei Männer begrüßten ihn, als er sich ihnen näherte, mit einem respektvollen Salaam. Er erwiderte ihren Gruß nach Art der Orientalen in feierlicher umständlicher Weise.

»Seid ihr bereit, Jungens?«, fragte er dann mit einer Stimme, deren gutes Englisch sehr wenig an die braunen Angehörigen der Hindukaste, aber ungemein viel an Nick Carter erinnerte – und er war es auch.

»Sehen wir nicht danach aus?«, erkundigte sich einer vom Kleeblatt unter leisem Lachen. »Es ist schwierig, diese Lappen mit einiger Würde zu tragen. Ich komme mir sehr asiatisch vor, Boss.«

Nick Carter hatte seine Uhr hervorgezogen und beobachtete nun gedankenvoll deren Zeigerlauf.

»Sie kommen mit mir, McGuire«, ordnete er an. »Wir werden etwas auf und ab promenieren. Ich werde Ihnen meine Instruktionen geben, und sind wir damit fertig, so kommt der Nächste an die Reihe – und so weiter, bis Sie sämtlich mit meinem Plan vertraut sind. Wir werden mit dem Glockenschlag 11 Uhr an dem bewussten Haus vorüberschlendern«, fuhr er dann fort, als er mit dem Detektivsergeanten Arm in Arm voranging. »Wie ich Morris Carruthers kenne, ist er auf die Sekunde pünktlich. Er wird mit dem ersten Glockenschlag die Haustreppe betreten. Ich werde ihn dann unter irgendeinem Vorwand ansprechen und zusehen, unauffällig ebenfalls die Treppe hinaufsteigen zu können.

Nun ist es sehr wahrscheinlich, dass er Verdacht schöpfen wird, denn er ist ein schlauer Fuchs. Ich habe unsere Verkleidung auch nur gewählt, weil wenige Häuser weiter ein verrückter Engländer wohnt, ein Original, dessen Dienerschaft sich in ähnlicher Weise als Hindus maskieren muss, weil ihr Herr und Gebieter in Indien seine Millionen erworben hat und sich für so eine Art Radja hält. Wie dem also auch sei, ob sich nun Carruthers zur Wehr mit den Fäusten setzt oder vielleicht auch schießt, was er ganz sicher tut, wenn er Unrat wittert. Er muss überwältigt werden. Gelingt es mir, an ihn heranzukommen, dann werde ich ihm eins aufs Kinn geben, und Euch anderen wird es dann leicht sein, ihn vollends zu überwältigen. Auf jeden Fall aber muss er dingfest gemacht werden, ob nun einer von uns daran glauben muss oder nicht – das fällt zunächst nicht weiter ins Gewicht. So, McGuire, nun wissen Sie alles, jetzt schicken Sie mir den Nächsten, damit ich ihn gleichfalls instruieren kann.«

Mit Glockenschlag 11 Uhr waren sämtliche drei Männer genau von dem Kommenden in Kenntnis gesetzt und hatten ihre Instruktionen empfangen.

Nick Carter bog in die Straße ein, in welcher das gesuchte Haus lang, indem er nochmals hervorhob, dass er sich etwa in der Hälfte des Häuserviereckes befand.

»Dort kommt Carruthers von der Parkavenue her!«, flüsterte er. »Ich werde gerade vor dem Haus mit ihm zusammentreffen.«

Morris Carruthers hätte sich in der Tat nicht pünktlicher einstellen können. Er schritt zuerst lässig, doch als er die ihm entgegenkommenden vier Hindus gewahrte, verdoppelte er die Hast seiner Schritte, um vor ihnen sein Ziel zu erreichen. Er betrat gerade die unterste Stufe der Highstoop, wie die zu den Privathäusern in New York führende Privattreppe genannt wird, als diese von den angeblichen Hindus erreicht wurde.

Nur einen flüchtigen Blick warf Morris Carruthers auf die Inder. Er wusste augenscheinlich um die Marotte des wenige Häuser weiter wohnenden Engländers und hielt die vier für dessen Diener, die sich nur zur Nachtzeit auf die Straße wagten, weil sie am Tage zur Zielscheibe der allzeit spottlüsternen Straßenjugend dienten.

Damit hatte Nick Carter auch gerechnet. Er triumphierte innerlich über die sorglose Art, in welcher der Verbrecherkönig ihre Annäherung aufnahm. Carruthers blickte nicht einmal um sich, als er die Türklingel in Bewegung setzte. Das geschah erst unwillkürlich, als er hinter sich eine sanfte, weiche Stimme in gebrochenem Englisch vernahm.

Der Hindu fragte ihn, was er im Haus wünschte, da nun keine Besuchsstunde sei und sein Gebieter niemanden zur Nachtzeit empfinge. Carruthers lachte ärgerlich auf. Er begriff, dass der Inder das Haus seines Gebieters mit einem anderen verwechselte. Unwillkürlich trat er wieder eine Stufe herunter, um den Irrtum aufzuklären.

»No, Sir, dies ein Haus von Radja – ich sein Diener es kennen – jeden Tag sein Haus«, radebrechte der angebliche Hindu wieder.

Im selben Moment öffnete sich der Türspalt, und die Gestalt einer jungen, anscheinend blühend schönen Frau wurde im Türspalt sichtbar. Morris Carruthers wendete halb den Kopf zurück.

»Einen Augenblick, Inez«, versetzte er. »Diese tollen Burschen meinen, ich wollte in ihres Herren Haus eindringen – du kennst ja den tollen Radja. Tod und Verdammnis!«, unterbrach er sich in diesem Moment.

Ganz unverfänglich war Nick Carter, immer in gebrochenem Englisch sein Recht behauptend, eine Stufe um die andere emporgestiegen, bis er nun neben dem Verbrecherkönig stand und diesem auch schon im gleichen Moment einen solch fürchterlichen Schlag gegen die Kinnlade versetzte, dass der Riese wie vom Blitz gefällt die Stufen hinuntertaumelte und in die ausgebreiteten Arme des unten harrenden Detektivs stürzte.

Im selben Augenblick hörte Nick Carter den Schreckensschrei einer weiblichen Stimme. Unmittelbar hinter seinem Haupt krachte ein Revolverschuss. Durch seinen bauschigen Turban pfiff eine Kugel, noch sein Kopfhaar versengend und die Kopfbedeckung herunterreißend.

Ein Entrüstungsschrei entrang sich den Lippen des mit dem bewusstlosen Carruthers beschäftigten Detektivs, doch Nick Carter hob abwehrend die Hand.

»Ruhe!«, rief er leise. »Lasst sie laufen, sie hat mich nicht getroffen. Mit dieser schönen Inez befasse ich mich demnächst. Habt ihr Carruthers, dann schnell! Wirbelt mit den Knüppeln um Beistand, damit der Patrolwagen herbeikommt, aus welchem der Bursche diesmal nicht wieder flüchten soll.« (Die New Yorker Policemen tragen anstatt eines Säbels mit Blei gefüllte, polierte Säcke aus Rosewood, einem außergewöhnlich harten und schweren Holz, mit welchem sie, um Beistand herbeizurufen, auf die Platten des Trottoirs schlagen, welches Geräusch, besonders nachts, weithin hörbar ist.)

Währen die Knüppelhiebe dröhnend aufs Pflaster niedersausten, eilte Nick Carter die Treppenstufen hinunter und beugte sich über den am Boden Liegenden, welcher von den kräftigen Fäusten der Detektive festgehalten wurde.

»Bei Bewusstsein?«, fragte McGuire und lachte kurz auf. »Nein, das ist er nicht. Ich glaube, Sie haben ihm den Hals gebrochen, Mr. Carter. Vor einer Stunde wacht der Kerl nicht wieder auf!«

McGuire erwies sich als guter Prophet. Denn als Morris Carruthers stöhnend wieder zur Besinnung kam, da lag er bereits in der sichersten Untersuchungszelle des Polizeigefängnisses, der Tombs – dieses Schreckens aller Verbrecher – und war an Händen und Füßen derart gefesselt, dass ihm alle weiteren Fluchtgedanken vergehen mussten.

Ende

Als Band 3 dieser Serie erscheint

Inez Navarro, der weibliche Dämon

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