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Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 13

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Dreizehntes Kapitel

Lucas Hatton

Plötzliche Unpässlichkeit vorschützend, welche Entschuldigung nicht ohne Grund war, verließ die Gräfin von Exeter den Palast Theobalds an dem Tag nach ihrem unglücklichen Besuch in dem Zimmer des Lord Roos und begab sich zu dem Wohnort ihres Gemahls in Wimbledon, wohin ihr Liebhaber ihr bald folgte und ihr die Nachricht brachte von dem Vorteil, den er über ihre beiderseitige Feindin erlangt hatte.

»Ich habe meine gnädige Schwiegermutter schachmatt gesetzt«, rief er lachend, »und Ihr würdet Euch ebenso sehr daran ergötzt haben, wie ich und Gondomar, die dabei zugegen waren, wenn Ihr Zeugin ihrer Wut und Kränkung gewesen wäret, als sie den Tausch entdeckte, und dass sie anstatt Eurer schönen schwarzen Haarlocke, die ich auf dem Herzen trage und immer als ein Liebesangedenken behalten werde, eine traurige Probe von dem Flachshaar Eures Kammermädchens hatte. So wahr ich lebe, es war wahrhaft lächerlich. Die gute Dame würde mich vernichtet haben, wenn sie gekonnt hätte, und drohte mit furchtbarer Rache. Anfangs versuchte sie die Verwandlung, die sie nicht anders erklären konnte, der Zauberei zuzuschreiben.

Obwohl ich die Beschuldigung lächerlich machte, muss ich doch sagen, dass der Streich so geschickt ausgeführt wurde, dass er wie Zauberei aussah. Das Papier enthielt die Haarlocke, die sie beständig in ihrer Verwahrung gehabt hatte. Dies behauptete sie, und es stimmte mit der Wahrheit überein. Aber eine freundliche Hand öffnete es dennoch, um den kostbaren Schatz zu entwenden und etwas von ähnlicher Art, wenn auch von geringerem Wert, an die Stelle zu setzen. Jene Hand, auf die wahrscheinlich kein Verdacht fallen wird, war keine andere als die der vertrauten Dienerin der Dame, Sara Swarton. Sie spielte diesen Streich auf Diegos Bitte; denn indem ich ein ähnliches Ereignis voraussah und einen Spion zu haben wünschte, um die Bewegungen unserer Feinde zu beobachten, befahl ich Diego schon vor längerer Zeit, Sara insgeheim den Hof zu machen. Meine Vorsicht ist jetzt belohnt worden. Die Hauptschwierigkeit hatten wir mit der armen Gillian. Es war eine große Verlegenheit für sie, die durch die Gegenwart eines eifersüchtigen Liebhabers in Gestalt eines Lehrlings noch erhöht wurde, welcher sich weigerte, sie zu verlassen, bis seine Zweifel beseitigt sein würden. Dies war widerwärtig, da man die Ge schichte nicht wohl so einrichten konnte, um allen Parteien zu genügen. Als daher die Entdeckung geschah, welche die Untreue des armen Mädchens zu beweisen schien, kam die Wut und Bestürzung des armen Jünglings fast der der Lady Lake gleich – was der Komödie noch höheren Reiz verlieh. Aber ich sehe, dass es Euch nicht so sehr belustigt, wie ich erwartete. Um daher Euren Geist zu beruhigen, kann ich Euch sagen, dass der eifersüchtige junge Kerl bald seinen raschen Entschluss bereute und seiner Geliebten nacheilte, die Gondomar unter seinen Schutz genommen hatte, und sie bewog, dem verliebten Gesandten davonzulaufen und mit ihm zu der Wohnung ihres Vaters in Tottenham zurückzukehren.«

»Ich bin sehr froh, dies zu hören«, sagte die Gräfin. »Obwohl ich Gillian nur wenig gesehen habe, kann ich nicht umhin, Interesse an ihr zu nehmen. Sie ist so hübsch und von so unschuldigem Aussehen, ihr Wesen ist so kunstlos und einnehmend. Ich bin ihr einigen Ersatz schuldig für den Nachteil, den ich ihr bereitet habe, und werde nicht verfehlen, ihr denselben zu leisten. Es ist mir leid, dass ich mich je von Euch bewegen ließ, sie in meinen Dienst zu nehmen, und ich bin erfreut zu hören, dass sie Gondomars Schlingen entgangen ist.«

»Ihr scheint Euch sehr für sie zu interessieren, Francisca, und ich hoffe, sie wird dankbar sein für Eure Rücksicht«, entgegnete Lord Roos lachend. »Aber es würde mich nicht überraschen, wenn Gondomar dennoch seinen Zweck erreichte. Es ist nicht seine Art, aufzugeben, was er einmal unternommen hat. Indessen wollen wir das hübsche Mädchen ihrem Schicksal überlassen, welches gänzlich von ihrem eigenen Benehmen abhängig sein wird, und zu uns selber zurückkehren. Wir haben guten Grund, mit dem Ausgang dieses Abenteuers in Betreff der Haarlocke zufrieden zu sein. Dennoch zeigt die Erneuerung der Beschuldigung der Zauberei vonseiten meiner rachsüchtigen Schwiegermutter, wie heftig ihr Groll ist. Ich kann nicht zweifeln, dass sie ihr Wort halten wird, wenn sie mir mit Wiedervergeltung droht. Es ist daher gut, wenn wir ihr zuvorkommen. Was sie beabsichtigen mag, kann ich nicht sagen, aber ich halte mich überzeugt, dass sie einen furchtbaren Plan vorhat und dass nur das Einschreiten ihres Mannes die Entdeckung verhinderte, als sie so heftig gegen mich aufgebracht war.«

»Ihr erfüllt mich mit Schrecken, William«, rief die Gräfin. »Wird dieses Weibes Feindschaft gegen mich niemals aufhören?«

»Niemals«, versetzte Lord Roos mit einer plötzlichen Veränderung des Benehmens, indem er die Leichtfertigkeit, die er vorher gezeigt hatte, gänzlich beseitigte. »Es gibt nur ein Mittel, den Kampf zu beenden. Lucas Hatton kann uns dazu helfen. Überzeugt, dass wir seiner bedürfen würden, habe ich ihn mitgebracht. Er wartet mit Diego unten. Soll ich ihn herbeirufen, um an unserer Beratung teilzunehmen?«

»Auf keinen Fall«, rief Lady Exeter hastig, »ich will ihn nicht sehen. Ihr habt unrecht getan, Mylord, jenen Vergifter hierher zu bringen. Ihr werdet mich zu Grunde richten.«

»Hört mich an, Francisca«, versetzte Lord Roos. »Der nächste Schritt, den Lady Lake tut, wird unheilvoll für uns sein. Wir dürfen nicht zögern oder unentschlossen sein, sonst ist alles verloren. Ich kann mich nicht auf mich allein verlassen, sonst würde ich niemandes Hilfe suchen. Ihr werdet einsehen, wie sehr es mir an Festigkeit fehlt, wenn ich Euch sage, was am letzten Abend geschah. So unglaublich es auch scheinen mag, erbot sich meine Frau, ihre Liebe zu mir beweisen und mich von weiterer Belästigung von ihrer Seite zu befreien, Gift zu nehmen. Hätte ich sie nicht törichterweise daran verhindert, so würde sie das Fläschchen geleert haben, welches den tödlichen Trank enthielt. Die Schwäche war augenblicklich und ich machte mir deshalb Vorwürfe, als es zu spät war. Aber ich überzeugte mich, dass eine festere Hand, als die meine, zu der Aufgabe angewendet werden müsse.«

»Und könnt Ihr, nach dem, was Ihr erzählt habt, William, ernstlich daran denken, ein zärtliches Weib zu töten, welches so großmütig war, ihr eigenes Leben für Euch aufopfern zu wollen? Dies ist unglaublicher, entsetzlicher als alles Übrige!«

»Entsetzlich mag es sein, aber meine Entschuldigung, wenn ich eine habe, ist die übermächtige Leidenschaft für Euch, Francisca«, versetzte Lord Roos in wahnsinnigem Ton. »Und das unerbittliche Schicksal, welches mich regiert, schien entschieden zu haben, dass diese unheilvolle Leidenschaft nur um den Preis meiner Seele erkauft werden soll. Ich bin bereit, mich lieber dieser Strafe zu unterziehen, als Euch zu verlieren. Ich will verhärtet werden. Ich will mein Herz in Stein verwandeln, sodass es bei den Tränen dieses zärtlichen, törichten Weibes nicht mehr schmelzen soll, und ich will sie ohne Reue opfern. Jedes andere Hindernis zwischen uns soll hinweggeräumt werden – ihre Mutter, ihr Vater, Euer Gemahl! Ich will hundert Schlachtopfer auf dem Altar unserer Liebe opfern. Ich will vor nichts zurückschrecken, um Euch auf immer zu der meinen zu machen; denn mit Euch, Francisca, möchte ich lieber die ewige Verdammnis als mit einer andern, die endlose Seligkeit teilen.«

»Ihr bringt mich fast auf den Gedanken, dass ein böses Wesen sich Eurer bemächtigt hat, William«, sagte die Gräfin, indem sie ihn mit Schrecken ansah.

»Es mag sein, dass der böse Feind selber mein unbesonnenes Anerbieten angenommen hat«, versetzte er düster, »aber wenn mein Wunsch gewährt wird, liegt nichts daran.«

»Ich will eine so empörende Gottlosigkeit nicht länger anhören«, sagte die Gräfin schaudernd. »Lasst uns für jetzt nicht weiter von diesem Gegenstand reden und zu demselben zurückkehren, wenn wir ruhiger sind.«

»Es kann nicht aufgeschoben werden, Francisca. Die Zeit drängt, und selbst jetzt schon mag uns Lady Lake den Vorsprung abgewonnen haben. Ich werde ruhig genug sein, wenn dies vorüber ist. Wollt Ihr einwilligen, Lucas Hatton zu sprechen?«

»Warum muss ich ihn sprechen?«, fragte die Gräfin mit zunehmender Unruhe. »Warum wollt Ihr mir seine verhasste Gegenwart aufdrängen? Wenn die Tat geschehen muss, warum könnt Ihr sie nicht allein unternehmen?«

»Ich will Euch sagen, warum ich es nicht kann«, versetzte er in düsterem Ton, indem er sie fest ansah. »Ich muss eine Teilnehmerin an dem Verbrechen haben. Es wird uns mit unzertrennlichen Banden aneinander knüpfen. Dann werde ich keine Furcht haben, Euch zu verlieren, Gräfin. Ich gehe, um Lucas Hatton zu Euch zu bringen.«

Ohne ihre Antwort zu erwarten, schritt er aus dem Zimmer. Lady Exeter würde ihn aufgehalten haben, aber sie hatte nicht die Stärke dazu und sank mit einem Ausruf der Seelenqual auf ihren Stuhl zurück.

»Welche Herrschaft hat die Sünde über mich gewonnen!«, sagte sie bei sich selber. »Ich habe die Macht verloren, ihrem weiteren Vordringen zu widerstehen. Ich sehe die Größe des Verbrechens, welches ich zu begehen im Begriff bin, und wenn gleich meine Seele sich dagegen empört, kann ich nicht zurücktreten. Ich stehe am Rande eines Abgrundes und sehe die furchtbare Kluft vor mir, in die mein nächster Schritt mich stürzen wird, doch der Rand ist zu schlüpfrig, um mich zurückzuziehen. Ich muss notwendigerweise hinunterstürzen. Habe Mitleid mit mir, gütiger Himmel! Ich bin gänzlich hilflos ohne deinen Beistand!«

Während die unglückliche Dame vergeblich die traurige Lage beklagte, in die ihre eigene üble Aufführung sie versetzt hatte, und aus welcher sie sich durchaus nicht

herauszuwinden vermochte, und ihres Liebhabers Rückkehr erwartete, indem noch ein letzter Kampf mit dem Bösen in ihrer Brust vorging, wollen wir uns hastig in dem Zimmer umsehen, in welchem sie saß. Wir werden dazu bestimmt, nicht weil es eine besondere Beschreibung verdient, sondern weil es dasselbe war, welches Lady Lake in der erfundenen Geständnisszene erwähnte.

Das Zimmer war geräumig und nach dem schwerfälligen Geschmack jener Zeit schön möbliert. Es unterschied sich nur wenig von anderen Zimmern, die wir im Verlauf dieser Geschichte besucht haben. Gleich den meisten von ihnen hatte es ein düsteres Ansehen, welches von der dunklen Färbung der Täfelung und von den schweren Falten der veralteten und verblichenen Vorhänge verursacht wurde. Diese Letzteren hingen größtenteils am unteren Ende des Zimmers und dienten als Schirm vor einer der Türen. Am entgegengesetzten Ende war ein breites und tiefes Erkerfenster, welches von bemaltem Glas schimmerte, worin man außer anderen Verzierungen das stolze Wappen des Hauses Exeter mit den beiden aufgerichteten Löwen, die als Schildhalter dienten, erblickte. Zur Rechten des ungeheuren, zierlich gearbeiteten Kamingesimses, welches sich mit seinen Pfeilern, Statuen, Wappen und seine massiven Karnies bis zur Decke erhob, hing das Porträt des Grafen von Exeter – eine ernste, würdevolle Person in der Kleidung aus der Zeit der Elisabeth und zur Linken das Bild der Gräfin selber in dem ganzen Stolz ihrer unvergleichlichen Schönheit und damals von wunderbarer Ähnlichkeit; aber wie verschieden im Ausdruck von ihren gegenwärtigen Zügen!

In der Fenstervertiefung stand ein eichener Tisch, mit einem kostbaren, von goldenen Franzen umgebenen Teppich bedeckt, und darauf ein massives silbernes Schreibzeug nebst weiteren Schreibmaterialien. Diesen Tisch benutzte Lady Lake zu ihrem Plan. Hier sollte das Geständnis von der Gräfin unterzeichnet worden sein.

Ein anderer Punkt in Bezug auf diesen Plan darf nicht unerwähnt bleiben. Wir haben die schweren Vorhänge am unteren Ende des Zimmers erwähnt. Nach der Behauptung der Intrigantin sollte Sara Swarton während der vorgeblichen Szene hinter diesen gewesen sein. Die vorzüglichsten Gegenstände, die diese Tapete vorstellte, war das Urteil des Salomo und die Versuchung unserer ersten Eltern durch die Schlange. Die Vorhänge waren offenbar seit Jahren an derselben Stelle geblieben und reichten nicht ganz auf den Boden, sodass noch etwa zwei Fuß unten fehlten – ein Umstand, welcher der Aufmerksamkeit der Lady Lake entgangen war und die Wahrheit der Bemerkung ihres Mannes bewies, dass in dem am besten angelegten Plan irgendein Mangel sich findet, der zur Entdeckung führt.

Doch wir wollen zu der unglücklichen Gräfin zurückkehren. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie die Rückkehr des Lord Roos nicht eher gewahr wurde, bis er leicht ihre Schulter berührte. Als sie ihren Kopf anhob, erblickte sie einen Gegenstand, den ihr die Furcht und den Abscheu einflößte, den ein giftiges Gewürm hervorzubringen pflegt. Sie hatte Lucas Hatton nie vorher gesehen, und wenn sie sich eine Vorstellung von ihm gemacht hatte, so war es keine angenehme gewesen; aber sie war nicht vorbereitet auf eine so scheußliche und widerwärtige Person, wie er zu sein schien. Sein Gesicht glich einer hässlichen Maske, die ein beständiges sardonisches Lächeln zeigte. Seine Züge waren vortretend und schmal. Er hatte die lange, gebogene Nase und die oben zugespitzten bestialischen Ohren eines Satyrs, mit schielenden Augen, die zugleich Sinnlichkeit und List andeuteten. Er hatte einen Kinnbart gleich einer Ziege und stark gekräuseltes Haar von blassgelber Farbe. Außerdem lag etwas Schmutziges in seinem Aussehen sowie in seinem Anzug, welches zeigte, dass er zu seinen anderen Lastern das des Geizes hinzufügte. Eine verstellte Unterwürfigkeit, welche das beständige höhnische Lächeln seines Gesichts Lügen strafte, zeichnete sein Benehmen aus. Man sah sogleich, dass er, so kriechend er auch scheinen mochte, die Person verachtete, mit der er sprach. Überdies lag etwas Sarkastisches in seiner Rede, obwohl er sich gleich bemühte, es zu unterdrücken. Sein Wams und seine Beinkleider, beide ziemlich abgetragen und fadenscheinig, waren lohfarbig. Dazu trug er einen kurzen gelben Mantel, eine große Halskrause von derselben Farbe und hielt einen braunen, spitz zulaufenden Hut in der Hand.

»Ich erwarte Ihrer Herrlichkeit Befehle«, sagte Lucas Hatton, sich unterwürfig verneigend.

»Ich habe Euch keine zu erteilen«, versetzte Lady Exeter mit unüberwindlichem Abscheu. »Ich habe Euch nicht rufen lassen. Geht!«

Durchaus nicht zurückgeschreckt durch diesen Empfang, behauptete Lucas Hatton seinen Platz und warf Lord Roos einen fragenden Blick zu.

»Meine liebe Gräfin«, sagte der junge Edelmann, sich nachlässig zu ihr auf ein Taburett niedersetzend, »ich muss Euch bitten, diesen würdigen Mann nicht so hastig zu entlassen. Ihr werdet ihn außerordentlich dienstwillig finden, und was seine Zuverlässigkeit betrifft, so habe ich die besten Gründe, mich derselben versichert zu halten, weil ich eine Schlinge in der Hand habe, die ich nach Gefallen um seinen Hals zuziehen kann. Damit ist er völlig bekannt und daher wird er uns treu dienen, sowohl aus Furcht als auch aus Dankbarkeit.«

Ihre Herrlichkeit können volles Vertrauen in mich setzen, entgegnete Lucas Hatton grinsend. Dies ist nicht die erste Angelegenheit der Art, womit ich beschäftigt gewesen bin. Ich habe Tränke und Pulver bereitet, die Mistress Turner – mit deren Ruf Ihre Herrlichkeit bekannt sein müssen – ihren Kunden zu verkaufen pflegte. Meine Tränke haben manchen lästigen Ehemann aus dem Weg geschafft und manches eifersüchtige Weib zu Schweigen gebracht. Ich habe manchen Erben zu dem baldigen Besitz einer Erbschaft verholfen, die er ohne meinen Beistand erst in vielen Jahren erlangt haben würde. Der Liebhaber, der einen Nebenbuhler im Weg hatte und zu mir kam, wurde bald in dieser Hinsicht von aller Sorge befreit. Der Hofmann, der eine höhere Stelle wünschte, erlangte sie durch mich. Doch gegen keinen von denen welchen ich auf diese Weise diente, hat man je Argwohn gehegt. Ich wiederhole, Ihre Herrlichkeit dürfen keine Furcht und keine Bedenklichkeiten gegen mich haben. Nennt Eure Wünsche, und sie sollen unbedingt befolgt werden.«

»Ich habe keinen anderen Wunsch, als von einer Gegenwart befreit zu sein, die mir unangenehm ist«, versetzte die Gräfin.

Wieder befragte Lucas Hatton Lord Roos mit einem Blick.

»Ich finde, ich muss für Eure Herrlichkeit handeln«, sagte der junge Edelmann. »Ihr werdet daher die Instruktionen, die ich Euch erteilen werde, als von ihr ausgehend betrachten. Welche zwei Namen findet Ihr auf jenem Papier?«

»Den Namen der Gemahlin und Schwiegermutter Eurer Herrlichkeit«, entgegnete Lucas Hatton.

»Ihr versteht, was Ihre Herrlichkeit mit diesen Personen getan haben will?«, sagte Lord Roos, ihn fest ansehend.

»Vollkommen«, entgegnete Lucas Hatton.

»O! Erteilt nicht diesen unheilvollen Befehl, Mylord!«, rief Lady Exeter zitternd.

»Wie viele Tage sind nötig, um ihre Entfernung zu bewirken?«, fragte Lord Roos, ohne ihre Bemerkung zu beachten.

»Nur wenige Stunden«, versetzte Lucas Hatton, »aber es wird besser sein, die Sache nicht zu übereilen. Auch dürfen sie nicht zu gleicher Zeit sterben. Es soll jede Vorsicht angewendet werden. Die Namen sind nach einer bestimmten Reihenfolge aufgeführt. Ist es der Wille der Gräfin, dass dieselbe beobachtet werde? In dem Fall muss ich mit Lady Roos beginnen.«

»Elender! Wagst du, mich auf diese Weise anzureden?«, rief Lady Exeter aufstehend. »Geh augenblicklich, sage ich. Du hast keinen Befehl von mir, oder wenn du es glaubst, so widerrufe ich ihn.«

»Der Befehl kann nicht widerrufen werden«, rief Lord Roos ihren Arm ergreifend. »Dies ist keine Zeit zur Bedenklichkeit oder zur Reue. Da Ihr das Werk begonnen habt, so müsst Ihr es vollenden – Ihr mögt wollen oder nicht.«

»Ob ich will oder nicht!«, rief Lady Exeter, ihn mit zorniger Überraschung ansehend. »Habe ich recht gehört, Mylord? Soll ich zur Teilnahme an dieser Schandtat gezwungen werden? Bin ich so tief in Eurer Achtung gesunken, dass Ihr mich so zu behandeln wagt?«

»Verzeiht mir, Francisca, verzeiht mir!«, rief er flehend. »Ich habe mehr gesagt als ich beabsichtigte. Wenn ich eine unangemessene Macht über Euch auszuüben scheine, werdet Ihr mir später verzeihen, weil die Lage eine solche ist, welche Entschiedenheit verlangt und ich diese Eigenschaft in höherem Grade besitze als Ihr. Lucas Hatton muss den ihm erteilten Befehlen gehorchen und Ihr müsst sie gutheißen.«

»Nimmermehr!«, rief sie mit Nachdruck.

»Dann müssen wir uns auf immer trennen«, rief Lord Roos. »Wie groß auch der Schmerz sei – und was aus mir werden möge – ich will gehen. Lebt wohl auf immer, Gräfin!«

»Halt!«, rief sie. »Wir dürfen uns nicht so trennen.«

»So willigt Ihr also ein?«, rief er. »Lucas Hatton erhält seine Befehle von Euch«

»Stellt nicht diese Frage«, rief sie mit einem Schauder.

»Wenn Ihre Herrlichkeit nur dies unterzeichnen wollen«, sagte Lucas Hatton, ihr das Papier hinreichend, worauf die Namen geschrieben standen, »so wird es für mich hinreichen.«

»Ihr hört, was er sagt, Francisca. Wollt Ihr es tun?«, rief Lord Roos. »Es sind nur wenige Federstriche nötig.«

»Diese wenigen Federstriche kosten mir meine Seele. Aber es muss so sein, gebt mir die Feder.«

Als Lord Roos ihr dieselbe gab, unterzeichnete sie das Papier.

»Jetzt könnt Ihr gehen«, sagte Lord Roos zu Lucas Hatton, der das Papier mit teuflischem Grinsen in Empfang nahm. »Ihr könnt auf Eure Belohnung zählen.«

»In einer Woche, Mylord«, sagte Lucas Hatton noch grinsend und seinen Blick von der halb ohnmächtigen Gräfin zu dem jungen Edelmann hinüberschweifen lassend, »in einer Woche«, wiederholte er, »könnt Ihr für Eure Gemahlin, und in einem Monat für Eure Schwiegermutter Trauer anlegen.«

Mit kriechender Verbeugung und mit leisen, katzenartigen Schritte sich bewegend, verließ er das Zimmer und ließ das schuldige Paar allein.

 

Ende des zweiten Bandes

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