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Abenteuer des Captains Bonneville 35

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Vierunddreißigstes Kapitel

Das Fort Wallah Wallah. Sein Kommandant. Indianer in seiner Umgebung. Bemühungen des Herrn Pambrune zu ihrer Aufklärung. Religion. Codex der Gesetze. Bezirk der Lower Nez Percé. Camasch- und andere Wurzeln. Pferde der Nez Percé. Vorbereitungen zur Abreise. Verweigerung von Lebensmitteln. Ein Faulenzer und Vielfraß.

Das Fort Wallah ist ein, grade oberhalb der Mündung des Flusses dieses Namens, am linken Ufer des Columbia River gelegener Handelsposten der Hudson’s Bay Company. Es ist von Treibholz erbaut und bezweckt die Verteidigung gegen einen Angriff der Eingeborenen. Zu der Zeit, dass Capitain Bonneville dort ankam, bestand die ganze Besatzung nur aus sechs oder acht Mann und der Posten stand unter der Oberaufsicht des Herrn Pambrune, einem Agenten der Hudson’s Bay Company.

Der größere Posten und Fort der Company, welches die Hauptniederlage seines Handels am Pazifik bildet, ist das Fort Vancouver, welches, am rechten Ufer des Columbia River, gegen sechzig Meilen von der See und gerade über der Mündung des Wallamut liegt. An diesen Punkt verlegte die Company 1821 nach ihrer Vereinigung mit der North West Company, ihr Etablissement von Astoria.

Capitain Bonneville und seine Gefährten wurden von Herrn Pambrune, dem Ober-Intendanten mit Höflichkeit empfangen, denn so feindselig die Mitglieder der britischen Handelsgesellschaft auch gegen die Unternehmungen amerikanischer Handelsleute sein mögen, so haben sie sich doch immer gegen die Handelsleute selbst sehr höflich und gastfreundlich bewiesen.

Das Fort Wallah ist von dem Volksstamm desselben Namens, wie von den Skynse und den Nez Percé umgeben, die ihre, auf ihren Jagdzügen gesammelten Pelze und Rauchwaren dorthin bringen. Die Wallah sind ein ausgearteter, geschwächter Volksstamm. Die Nez Percé sind die zahlreichsten und die umgänglichsten unter den drei eben erwähnten Völkerstämmen.

Herr Pambrune benachrichtigte den Capitain Bonneville, dass er sich Mühe gegeben habe, die christliche Religion, in der römisch katholischen Form, unter ihnen zu verbreiten, wo sie offenbar Wurzeln geschlagen habe, aber verändert und modifiziert worden sei, um solche ihrer Idee und Handelsweise anzupassen, wobei jedoch die Hauptpunkte des Glaubens und seine Vorschriften der Moral festgehalten worden wären. Derselbe Gentleman hatte ihnen einen Gesetz-Kodex gegeben, nach dem sie sich mit gewissenhafter Treue richteten. Vielweiberei, die sonst in einer großen Ausdehnung unter ihnen stattfand, wurde nun selten zugelassen, alle Verbrechen, die der christliche Glaube verwirft, und selbst der Diebstahl, der ein so verzeihliches Laster unter den Indianern ist, war neulich, nach dem Ausspruch eines Häuptlings, mit Hängen bestraft worden.

Gewiss scheint eine besondere Empfänglichkeit für moralische und religiöse Verbesserung bei diesem Stamm vorhanden zu sein, und es möchte scheinen, dass sie einer der sehr wenigen seien, die durch den Umgang mit weißen Menschen in Moralität und Sitten zugenommen haben. Die Partie, welche sie ungefähr zwanzig Jahre vorher, in der von Herrn Astor ausgerüsteten Expedition besuchte, beklagte sich über ihre Selbstsucht, ihre Geldschneiderei und ihren Hang zu Diebereien. Während des verlängerten Aufenthalts des Capitain Bonneville waren gerade die entgegengesetzten Eigenschaften unter ihnen anzutreffen.

Die Lower Nez Percé streifen um den Way-lee-way, Immahah, Asenghies und andere Ströme im Westen der Gebirge. Sie jagen den Biber, das Elentier, den Hirsch, den weißen Bären und das Gebirgsschaf. Außer dem Fleisch dieser Tiere bedienen sie sich zur Speise einer Menge Wurzeln, von welchen einige wohl verdienten, in die atlantischen Staaten verpflanzt und angebaut zu werden. Unter diesen ist die Camaschwurzel, eine süße Wurzel, von der Form und Größe einer Zwiebel, die wirklich köstlich sein soll. Auch die Cowisch oder Biskuitwurzel, von der Größe einer welschen Nuss, von der sie ein sehr schmackhaftes Mehl bereiten, nebst der Jackap, Aisisch, Quako und anderen Wurzeln, die sie dämpfen.

Im August und September halten sich diese Indianer an den Strömen auf, wo sie eine große Menge Salmen fangen und trocknen, der, solange er vorrätig ist, ihre Hauptnahrung ist. Im Winter vereinigen sie sich in Dörfern, die aus bequemen Hütten oder Baracken gebildet werden, die man mit Matten bedeckt. Sie sind gewöhnlich in Hirschfelle oder wollene Zeuge gekleidet, sehr gut bewaffnet und vor allen wegen der Menge ihrer Pferde berühmt, die sie brennen und dann in Herden in ihren fruchtbaren Ebenen herumstreifen lassen.

Diese Pferde sind hauptsächlich von der Klepperrasse, aber merkwürdig stark und ausdauernd. Sie werden in großer Anzahl nach den Niederlassungen der Hudson’s Bay Company gebracht und für eine Bagatelle verkauft.

Dies ist die Nachricht, die uns Capitain Bonneville von den Nez Percé gibt; die, wenn er sie nicht mit einem zu unparteiischen Auge ansah, gewiss zu den sanftmütigen und minder barbarischen Völkerschaften der fernen Wildnis gehören. Sie gaben ihm ohne Unterschied ihren ernstlichen Wunsch zu erkennen, dass ein amerikanischer Posten unter ihnen errichtet werden möchte, und erklärten wiederholt, dass sie mit den Amerikanern lieber als wie mit jedem anderen Volk handeln möchten.

Capitain Bonneville hatte beabsichtiget, eine Zeitlang in dieser Gegend zu bleiben, um Bekanntschaft mit den Eingeborenen zu machen, Nachrichten einzuziehen und Verbindungen anzuknüpfen, die für den Handel vorteilhaft sein könnten. Die Verzögerungen, die er jedoch auf seiner Reise erlitt, nötigten ihn, seinen Aufenthalt zu verkürzen, und sobald wie möglich wieder abzureisen, um den verabredeten Sammelplatz am Portneuf zur bestimmten Zeit zu erreichen. Er hatte genug gesehen, um sich zu überzeugen, dass ein amerikanischer Handel mit Vorteil nach diesen Gegenden getrieben werden könne. Er fasste den Entschluss, bald mit einer stärkeren, besser zu diesem Zweck ausgerüsteten Partie zurückzukehren.

Da er einiger Lebensmittel zu seiner Reise bedurfte, so wendete er sich an Herrn Pambrune, um solche käuflich von ihm zu erhalten. Er fand aber bald den Unterschied der Behandlung zwischen einem Gast und einem Nebenbuhler. Der würdige Ober-Intendant, der ihm alle mögliche Gastfreundschaft erwiesen hatte, nahm nun plötzlich eine finstere Miene und ernstes Betragen gegen ihn an und bemerkte ihm, dass, so geneigt er sich fühle, ihm persönlich zu dienen, er sich dennoch durch seine Pflichten gegen die Hudson’s Bay Company verbunden erachte, nichts zu tun, was den Besuch anderer Handelsleute unter den Indianern in diesem Teil des Landes erleichtern oder ermutigen könne. Er bemühte sich, dem Capitain Bonneville abzuraten, zu den blauen Gebirgen zurückzukehren, indem er ihn versicherte, dass dieses zu dieser Jahreszeit außerordentlich schwierig und gefährlich, wo nicht unmöglich sein würde. Er riet ihm daher, den Herrn Payette, einen Anführer der Hudson’s Bay Company zu begleiten, der im Begriff stand, mit einer Anzahl von Leuten, auf einem sicheren Umweg, den Agenten der Company unter den Upper Nez Percé Vorräte zu überbringen.

Über seine Weigerung, ihn mit Lebensmitteln zu versehen, jedoch aufgebracht und an der Aufrichtigkeit seines Rates zweifelnd, entschloss sich Capitain Bonneville auf dem kürzesten Weg durch die Gebirge zurückzukehren. Ob er gleich seinen Lauf einigermaßen abweichend von jenem nahm, auf dem er gekommen war, infolge der Nachrichten, die er von den benachbarten Indianern eingezogen hatte.

Von ihren Nez Percé-Führern begleitet, begab er sich demnach am 6. März mit seinen drei Gefährten auf den Rückweg. Im Anfang ihrer Reise kamen sie wieder durch mehrere Dörfer der Nez Percé, in welcher sie auf ihrem Hinweg eine so wohlwollende Aufnahme gefunden hatten. Sie wurden immer mit Herzlichkeit empfangen, und es wurde alles getan, ihnen ihre Reise zu erleichtern.

Als sie das Dorf Way-lee-way verließen, gesellte sich ein Nez Percé zu ihnen, dessen Gesellschaft ihnen, der Dankbarkeit und des Wohlwollens halben, das sie im Allgemeinen für diesen Stamm hegten, angenehm war.

Er wurde aber der kleinen Partie bald zur Last, da er ein schweigsamer, tölpischer, im höchsten Grade fauler Mensch und ein großer Fresser war. Den einzigen Beweis von Verstand, den er von sich ablegte, war, dass er sich schlau von aller Arbeit loszumachen und die Mühen anderer zu benutzen wusste. Wenn er auf dem Marsch war, so blieb er immer zögernd hinter den Übrigen zurück und ließ ihnen die Mühe, den Weg durch alle Schwierigkeiten und Hindernisse zu bahnen, um ihnen faul und gemächlich in der Fährte nachzuschlendern, die sie durch den Schnee getreten hatten. Wenn sie des Abends lagerten und andere beschäftigt waren, Brennholz zu sammeln, die Pferde zu versorgen und das Abendessen zu kochen, so setzte sich dieser würdige Sancho der Wildnis ruhig und behaglich zum Feuer, plotzte sein Pfeifchen und beäugelte in der Stille mit gierig sehnsüchtigen Blicken die wohlschmeckenden Bissen, die zum Abendessen gebraten wurden.

Kam jedoch die Essenszeit, dann war er der Tätigste. Er ließ sich hier nicht länger faul finden und wartete nicht, bis es ihm die anderen zuvor taten, sondern legte so anhaltend Hand an, dass er die Bemühungen seiner Tischgenossen gänzlich zu Schanden machte, ob sie gleich erfahrene Schüsselhelden waren, die es sich nicht leicht zuvor tun ließen. Sie hatten noch keine solche Meisterschaft im Kauen gesehen, noch eine solche wunderbare Magentätigkeit erlebt, wie bei diesem unkultivierten, geborenen Gastronomen.

Wenn er sich endlich, nach mehrmals erneuerten Schüsselattacken, vollgepfropft hatte, dann wickelte er sich ein und legte sich starr wie eine Anakonda hin, um langsam bis zum nächsten Mahl wieder zu verdauen.

Die Gefräßigkeit dieses Ehrenmannes diente den darüber erstaunten Reisenden anfänglich zur Belustigung. Sie wurde aber zum Scherz bald zu viel, da sie den Fleischtöpfen Verheerung drohte. Man sah ihn bei der Mahlzeit schielend für einen Werwolf an, der das Mark der Gesellschaft zu verzehren bestimmt sei.

Nur das Gefühl der Dankbarkeit, die sie gegen diese Nation hatten, konnte sie vermögen, einen solchen Gast bei sich zu dulden. Er entledigte sie aber bald ihrer Verpflichtungen, indem er den Saldo rein aufzehrte.

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