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Oberhessisches Sagenbuch Teil 78

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

In der heiligen Seif

In der heiligen Seif, dem sumpfigen Wiesgrund unter der Altenburg bei Sichenhausen, geht zur Nachtzeit ein grausiges Gespenst um. Es ist ein Weibsbild, schwarz bis zum Nabel und hat eine weiße Hülle (Haube) auf dem Kopf. Leib und Beine aber sieht man nicht. Wie ein halber Mensch schwebt es an jenem Platz an der Erde hernieder. Die Leute sagen, deshalb ginge es um, weil es bei Leibes Leben die Grenzen verrückt hätte, die dort von Kaulstos, Burkhards, Oberseemen, Herchenhain und Hartmannshain zusammenstoßen.

Ein nächtlicher Umgänger

Von Schotten zurück ging ein Mann des Nachts durch den Laubacher Wald. So kam er auch, ohne daran zu denken, auf jene Waldschneise, welche der toten Frau Weg heißt, weil da vor Zeiten einmal aus Rache ein Mann seine Frau soll erschlagen haben. Hier angekommen, sieht er einen einzigen Menschen unter einem Baum stehen, als wäre es ein Wildbretknapper oder sonst einer, der das findet, was andere nicht verloren haben. Mit einigem Herzklopfen trat er zu demselben heran, aber bald erkannte er in ihm einen Handwerksmann aus Freienseen, den er schon hie und da gesprochen hatte, und freute sich nicht wenig, dass dieser in der späten Nachtstunde noch auf ihn wartete. Er bot ihm also freundlich die Zeit und fragte ihn, ob er auch des Wegs fort wolle, so könnten sie selbander gehen. Der Freienseener bejahte das, gesellte sich auch alsbald zu ihm. Sie redeten von allerlei Dingen, wie sie ihnen gerade einfielen, dass ihnen der Gang kurzweilig genug dünkte. Indessen zeigte sich ein Kreuzweg. Wie angewurzelt blieb der Freienseener stehen.

»Nun«, sagte der andere, »warum rührst du dich nicht vom Fleck?« »Ach«, antwortete er, »ich kann und darf nicht.«

»Du bist mit der Pelzkappe geschossen, dass du so redest. Was in aller Welt ficht dich an?«

»Ei, weißt du denn nicht, dass ich schon seit zwei Jahren tot bin?«

Da blieb dem Frager das Maul von selber stillstehen vor Grusel, doch jener fing wieder an.

»Ja, ja, so ist es. Ich bin tot seit zwei Jahren, aber unselig und verdammt und muss hier nachts umgehen zur Strafe meiner Sünde.« Darauf stieß er einen schmerzlichen Seufzer aus und war weg, als ob er in den Boden versunken wäre.

Dass mein Mann von dem verwunschenen Platz davonrannte, als ob er es bezahlt bekäme, braucht man nicht zu sagen. Als aber wieder einmal in Freienseen Markt, er gerade dort war und sich nach dem nächtlichen Umgänger erkundigte, hörte er die verwunderliche Mär, dass derselbe wirklich schon seit zwei Jahren auf dem Kirchhof liege.

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