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Der Welt-Detektiv Band 6

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Eine Räuberfamilie – Neunzehntes Kapitel

Emilie Heinrichs
Eine Räuberfamilie
Erzählung der Neuzeit nach wahren Tatsachen
Verlag von A. Sacco Nachfolger, Berlin, 1867
Neunzehntes Kapitel

Es schlägt ein

Der Kutscher des Marchese Cantonelli verstand zu fahren. Als der Kammerdiener ihm den Wink gegeben hatte, so rasch wie möglich das Weite zu suchen, ließ er die beiden mutigen Hengste ausgreifen, dass das Straßenpflaster von Bisaccia Funken sprühte und die Menschen erschreckt auf die Seite wichen.

Wohl war es eine gefährliche Reise, welche sie bei Anbruch der Nacht in der unsicheren, von Briganten wimmelnden Gegend vor sich hatten, aber man hatte in Neapel hierauf vorsorglich Bedacht genommen und für die nötige Sicherheit gesorgt.

Es war der Polizei Anzeige gemacht worden, dass der berüchtigte Sacchetiello mit seiner Bande, bestehend aus acht Individuen, den Weg nach Bisaccia genommen habe und dort plötzlich wie von der Erde verschwunden sei.

Auf diese Nachricht hin war eine Anzahl Sbirren und eine bedeutende Abteilung Soldaten ausgesandt, um seine Spur zu verfolgen. Ein Teil der Letzteren war beordert, den Kammerdiener des Marchese mit der Signorina nach Neapel zu geleiten.

Als dieser kaum in Bisaccia eingefahren war, fragte er sogleich einen Vorübergehenden nach der Wohnung des Signor Rapo und erhielt von dem Major, denn kein anderer war es, die überraschende und nicht sehr erfreuliche Nachricht von der soeben beginnenden Trauung. Der Major beschrieb dem Kutscher den nächsten Weg zu der Kirche und so war er noch eben zur rechten Minute angelangt, um das Unglück zu verhindern.

Unterwegs begegnete ihnen noch eine Abteilung Soldaten, welche die Nachricht mitbrachte, Sacchetiello befinde sich in Bisaccia, doch solle sie nur so viel wie möglich unbemerkt die Ausgänge der Stadt während der Nacht bewachen, da erst am anderen Morgen eine genaue Rekognoszierung vorzunehmen sei.

Die Soldaten, welche schon so oft vergebens und immer wieder vergebens auf die Brigantenjagd ausgezogen waren, schworen, keine Maus, geschweige denn einen Räuber aus der Stadt zu lassen.

Wo die Bande ein Unterkommen hatte, das war niemand bekannt.

Am nächsten Morgen begab sich der Hauptmann der Soldaten zu unserem alten Bekannten, dem Major, welcher die Garnison Bisaccias befehligte, und ersuchte ihn, mit ihm vereint Hausdurchsuchungen vornehmen zu lassen, während seine Soldaten die Ausgänge der Stadt bewachen sollten.

»Dann begleiten Sie mich zur Lokalbehörde«, versetzte der Major, »wir können die Hausdurchsuchungen nur von der Nationalgarde vornehmen lassen, doch will ich denselben von meinen Soldaten beigeben. Nur schade«, setzte er halblaut hinzu, »dass Michel Rapo Leutnant der Nationalgarde ist, da werden wir sicherlich nichts finden.«

»Wie soll ich das verstehen?«, fragte der Hauptmann erstaunt.

Der Major zuckte die Achseln und schritt voran. Er mochte seine Gedanken doch nicht weiter aussprechen, man würde ihn ja einfach für wahnsinnig gehalten haben.

»Ei, ei«, meinte der würdige Ortsrichter kopfschüttelnd, »hier in Bisaccia soll die Bande sein? Aber wo, Signori, um aller Heiligen willen, wer sollte die Räuber in unserer guten Stadt beherbergen?«

In diesem Augenblick trat Michel Rapo ein. Er grüßte den Major kalt und vornehm.

»Schön, dass Sie kommen, Signor Rapo«, rief der Ortsrichter, »ich wollte eben zu Ihnen senden. Denken Sie die Ungeheuerlichkeit, der Brigant Sacchetiello soll sich mit seiner Bande in unserer Stadt versteckt halten. Ich kann es nicht glauben.«

»Soeben hörte ich davon im Café«, versetzte Rapo ruhig, »ich komme deshalb, um meine Funktion bei den Hausdurchsuchungen zu übernehmen. Die Heiligen mögen doch endlich zugeben, dass wir diese Pest der menschlichen Gesellschaft der Gerechtigkeit überliefern können. Wäre es gefällig, meine Herren? Bei dergleichen Dingen heißt es: Schnell sein, die Überraschung tut das Beste.«

»Gewiss«, meinte der Major sarkastisch, »Sie haben seit gestern Abend Erfahrung darin, Signor Rapo!«

Dieser schoss ihm einen bösen Blick zu und schwieg, worauf er das Zimmer verließ und sich nach Hause begab, um seine Leutnantsuniform anzulegen.

Die Hausdurchsuchungen begannen; Leutnant Rapo leitete sie mit großem Eifer und ganz außerordentlicher Umsicht, doch führte er die Soldaten natürlich stets dahin, wo er sicher war, keine Briganten zu finden. Hätte man ihn nicht für wahnsinnig gehalten, wenn er die Gewissenhaftigkeit soweit ausgedehnt hätte, eine Durchsuchung des Pfarrhauses oder seiner eigenen Häuser vorzunehmen?

Es wurde weder Sacchetiello noch irgendein anderer Brigant gefunden, doch setzte der eifrige Leutnant noch immer die Hausdurchsuchungen fort und fluchte auf die Banditen, welche so ungestraft die Gerechtigkeit höhnten.

»Sagte ich es nicht?«, sprach der Major halblaut zu dem Hauptmann. »Es wird nichts gefunden, und doch glaube ich fest an die Anwesenheit der Bande.«

Mittlerweile war der Kammerdiener mit Arabella della Cantonelli glücklich in Neapel angekommen. Ein dunkler Mantel verhüllte den prächtigen Brautputz.

Kaum hatte Leonhardt sie erblickt, als er, ohne sich weiter um sie zu bekümmern, Marco zu sich winkte und mit diesem zum General Pallavicini eilte.

Er wurde sogleich vorgelassen und sagte mit fester Stimme: »Exzellenz, dieser Mann war früher Brigant, doch ist er schon seit Jahr und Tag zur Ordnung und Gesetzlichkeit zurückgekehrt. Er wird Ihnen ein großes Geheimnis, vermittelst dessen sie ein ganzes vornehmes Räubernest ausnehmen können, sobald Sie ihm völlige Straflosigkeit zusichern, mitteilen. Ich verbürge mich für die Wahrheit seiner Aussage.«

Der General blickte beide nachdenkend an, und sagte dann ruhig: »Sie nennen sich Signor Leonardi und sind aus Deutschland?«

»Leonhardt von Waldau«, antwortete dieser fest, »und dieser Mann hier ist der jetzige Türsteher des Palastes Cantonelli, welcher den Räuber Schiavone gefangen einbrachte.«

»Ah so, das ist etwas Anderes«, rief der General freundlich, »Sie haben sich Anspruch auf eine Staatsbelohnung erworben. Ich garantiere Ihnen völlige Amnestie, doch jetzt bitte ich um das Geheimnis.«

»Herr General!«, sprach Marco, »Sie haben die Gewissheit, dass der Räuber Sacchetiello sich in Bisaccia befindet, ohne sein Versteck zu kennen?«

»So ist es«, entgegnete der General mit gespannter Miene, »in Bisaccia ist er mit seiner Bande bestimmt. Ob man ihn finden wird, ist eine andere Frage.«

»Ich kenne sein Versteck, ein vollständiges Brigantennest.«

»Nennen Sie es mir, Sie sollen außer der Amnestie noch eine Belohnung von tausend Scudi erhalten!«

Über Marcos gelbes Gesicht flog eine helle Röte.

»Im Haus der Familie Rapo«, erwiderte er fest.

General Pallavicini trat einen Schritt zurück und schüttelte dann misstrauisch den Kopf.

»Sie irren sich«, sagte er aufgeregt, »das kann nicht sein. Ich kenne die Familie Rapo als eine der geachtetsten, reichsten und liebenswürdigsten von ganz Bisaccia. Hüten Sie sich vor gehässigen Denunziationen, mein guter Freund, Sie würden erbarmungslos auf Ihr eigenes Haupt zurückfallen.«

»Ich stehe mit meinem Kopf für die Wahrheit meiner Aussage ein«, versetzte Marco ruhig.

»Ich desgleichen, Exzellenz!«, fügte Leonhardt hinzu, »wir stellen uns als Geißeln zu Ihrer Verfügung.«

Der General war in großer Aufregung. Die Sache erschien ihm so ungeheuerlich, dass er sie für eine Ausgeburt des Wahnsinns zu halten geneigt war, doch sein Blick auf die ruhigen Männer vor ihm, das intelligente, vornehme Aussehen des Deutschen, musste ihm sagen, dass sie doch wohl recht haben könnten.

»Gut«, sprach er endlich entschlossen, »auf Ihre Verantwortung, Signor! Doch ist die Sache so ungeheuerlich, dass ich mich wirklich veranlasst finden muss, unseren einstigen Briganten hier als Geißel zu behalten. Verhält sich die Sache, wie Sie behaupten, dann halte auch ich mein Wort mit Amnestie und Belohnung im vollen Umfang.«

»Ich bin zufrieden«, sagte Marco ruhig, »Sie werden die Wahrheit bald genug erfahren, Herr General. Nur möchte ich um Eile bitten, da Michel Rapo, als Leutnant der Nationalgarde die Hausdurchsuchungen leitet, und nichts finden wird, ja, sie vielleicht absichtlich entwischen lässt.«

»Ich werde sogleich eine Depesche an meinen dortigen Major absenden«, sprach der General, indem er klingelte und der eintretenden Ordonnanz befahl, für die sichere, aber anständige Bewachung dieses Arrestanten zu sorgen.

Leonhardt drückte dem ruhig und gemütlich dreinschauenden Marco die Hand und verließ das Haus des Generals, um sich in großer Aufregung nach Hause zu begeben und die Marchesa zu begrüßen.

Mittlerweile ließ Michel Rapo seine Hausdurchsuchungen in Bisaccia in ausgedehntester Weise fortsetzen und ängstigte dadurch manche Familie, da sein Eifer in Auffindung der Briganten diesmal wahrhaft fanatisch war.

Der Major war bei der Lokalbehörde, als die telegrafische Depesche des Generals Pallavicini eintraf.

Mit einem Ausdruck freudigen Schreckens und Triumphes reichte er dem Ortsrichter die Depesche hin, welcher kaum die verhängnisvolle Anzeige gelesen, als er auf einen Stuhl sank und das Papier krampfhaft festhielt.

»Nicht möglich«, stöhnte er, »unsere liebsten Freunde, Gemeinderat und Leutnant, achtungswerte Familie, angesehen und reich, nicht möglich, Herr Major. Seine Exzellenz ist von einem Betrüger düpiert.«

»Und ich sage Ihnen, Signor, er ist nicht düpiert«, rief der Major triumphierend, »ich habe seit meiner Verwundung im Garten der Villa Rapo schon Verdacht geschöpft, den ich nicht aussprechen durfte, um nicht für einen Wahnsinnigen zu gelten. Die rächende Nemesis naht, schöne Seraphine, du und dein Lupparelli sind reif für die Ernte.«

Er stürmte hinaus mit klirrendem Schritt, der gute Kavallerie-Major, und ließ den Säbel rasselnd nachschleppen, während der Ortsrichter noch immer wie versteinert auf seinem Stuhl saß und von der Unmöglichkeit der Geschichte lamentierte.

Des Majors erste Sorge war nun, die Hausdurchsuchungen einstellen und in aller Stille die beiden Häuser der Familie Rapo mit Soldaten umzingeln zu lassen.

Dann ließ er den Leutnant der Nationalgarde, Michel Rapo, zu sich rufen.

»Nun, Herr Leutnant, was ist das Resultat Ihrer Bemühungen?«

»Wir haben überall umsonst durchsucht und ich glaube, die Anwesenheit der Bande in Bisaccia ist eine Fabel.«

»So? Sind Sie sicher, dass sie auch nicht in Ihrem Haus ist?«

»Wie, Herr Major, welche Frage!«

Michel wurde leichenblass und trat einen Schritt zurück.

»Herr Leutnant, Sie sind mein Gefangener«, sprach der Major mit großer Ruhe. In demselben Augenblick traten einige Soldaten ins Zimmer, welche ihn schweigend in ihre Mitte nahmen.

Das Schwert des Damokles war gefallen!

Michel Rapo raffte sich noch einmal auf. War es doch möglich, dass der Pfarrer Gennaro die Bande in ein anderes Versteck gebracht hatte.

Ja, wenn nur der fromme Mann so viel Ahnungsvermögen besäße!

»Herr Major!«, rief er mit verstellter Entrüstung, »bedenken Sie, was Sie tun, indem Sie mich verhaften. Ich wälze die ganze Verantwortung einer solchen ungeheuren Beleidigung auf Sie und werde die ganze Stadt zu meiner Verteidigung aufrufen. Wer gibt Ihnen das Recht, einen geachteten Mann, den die Stadt mit großen Würden geehrt hat, so zu behandeln?«

»Das Recht der Pflicht«, versetzte der Major kalt, »wir wissen alles, Signor Rapo! Ihr Leugnen und Pochen auf Ihre Stellung nützt nichts mehr. Sie kommen nicht frei, wir sind von allen Ihren Verbindungen mit dem Brigantentum unterrichtet.«

»Und ich sage Ihnen dennoch, ich bin unschuldig, Herr Major. Ich möchte über eine solche Beschuldigung lachen, wenn sie nicht zu sehr meine Ehre angriffe.«

»So wollen Sie nicht gestehen?«

»Ich habe nichts zu gestehen. Von welcher Seite kommt die Anklage?«

»Von Neapel, Signor«, rief der Major auf gut Glück, »vom Palast Cantonelli, Schiavone, der berüchtigte Brigant, sitzt gefangen in Neapel und wird in den nächsten Tagen erschossen werden. General Pallavicini …«

Michel Rapo war vernichtet, er hörte nichts mehr. Schiavone gefangen, dann war alles verloren. So hatte die finstere Ahnung der letzten Wochen ihn nicht betrogen.

Er sank bleich und zerknirscht auf die Knie und flehte: »Um meiner Schwester willen, die auch Sie geliebt hat, Herr Major! Haben Sie Erbarmen, lassen Sie mich mit ihr entfliehen. Ich will alles bekennen.«

Der Major lächelte triumphierend und ließ die Soldaten abtreten.

Nun gestand Rapo, dass sich die Bande Sacchetiello im Haus seines Oheims, des ehrenwerten Pfarrers, in seiner Mutter Haus aber nur die Räuberin Zia Maria, Croccos Geliebte, befände.

Der Major schauderte bei diesem Geständnis vor Entsetzen zusammen. Pfarrer Gennaro, den die ganze Stadt als den frömmsten Geistlichen, ja, fast als einen Heiligen verehrte, ein Räuber – ein Brigantenfreund! Konnte es noch etwas Würdiges und Heiliges auf Erden geben?

Er ließ die Soldaten wieder eintreten und dem Verbrecher Fesseln anlegen.

»Jetzt noch eins«, sprach der Major rau und streng, »sprich, Elender, wie wir, die Räuber gefangen nehmen, ohne das Leben meiner Soldaten zu gefährden.«

Rapo schwieg, Trotz malte sich in seinen Zügen, doch als der Major den Soldaten befahl, ihm den Rücken zu entblößen und ihn zu züchtigen, zeigte er sich bereit, selber die Räuber hervor zu locken.

Der würdige Pfarrer saß bei Tisch und bemerkte die Ankunft des seltsamen Besuchs nicht. Still lächelte er über die Aufregung der Menge auf den Straßen, welche sich nun sogar vor seinem Haus ansammelte.

»So viel Lärm um den guten Sacchetiello«, murmelte er und schenkte sich ein Glas Wein ein, welches er wohlgefällig gegen die Sonne hielt. »Der Brave ist noch viel zu mild, viel zu schonend, hat ganz meine Natur, er wäre zum Pfarrer geschaffen gewesen. Um nicht zu quälen, steckt er gleich den roten Hahn aufs Dach. Er will die Gegend mit neuen Gebäuden verschönern; doch horch, was ist das? Das gute Volk will sicherlich Trost von seinem Seelsorger, ei, das ist ja ein ungebührlicher Lärm, Säbelgerassel …«

Er setzte das Glas erschreckt nieder, erhob sich und trat rasch auf den Hausflur hinaus, wo er sogleich von dem Major als Arrestant begrüßt wurde.

»Heilige Mutter Gottes!«, stammelte er, als er seinen Neffen gefesselt erblickte, »was bedeutet dies alles?«

Die Antwort wurde ihm erspart, denn in demselben Augenblick klatschte Michel Rapo drei Mal in die Hände, worauf die Kellertür sich öffnete. Die Soldaten eilten nun sofort die Treppe hinab.

Ein kurzes, schreckliches Handgemenge mit den überraschten Räubern in dem unterirdischen Raum, dann kehrten die siegreichen Soldaten mit einem Triumphgeschrei zurück, sie brachten Sacchetiello mit seiner ganzen Bande gefesselt an die Oberwelt.

Das Volk begrüßte die Räuber, als man sie zum Gefängnis abführte, mit Verwünschungen. Als aber der Pfarrer Gennaro Rapo mit seinem Neffen, dem hochgeehrten Gemeinderat, in Fesseln erschien, lagerte sich ein dumpfes Schweigen über die entsetzte Menge. Wie erstarrt blickte alles auf diese Männer, welche die Liebe und das Vertrauen der ganzen Bevölkerung so teuflisch getäuscht, ja, wie der Pfarrer mit dem Seelenheil und dem Gewissen seiner Gemeinde ein so freventliches Spiel getrieben hatte.

Man fühlte mit Grauen, dass nach solchen Dingen das Band des Vertrauens auf ewig gelöst sein müsse.

Während diese Gefangenen durch eine Abteilung des Militärs in den Kerker gebracht wurden, begleitet von einer unabsehbaren Menschenmenge, begab sich eine andere Abteilung zum Haus Michel Rapos.

Dieser Wache folgten alle Verehrer der schönen Töchter, welche von der bevorstehenden grausamen Überraschung noch nicht die geringste Ahnung hatten. Noch lastete die fürchterliche Täuschung des gestrigen Abends auf der ganzen Familie, und niemand hatte sich, außer Michel, den seine Berufspflichten gerufen, auf der Straße blicken lassen. Pasquale war in einer Stimmung, welche es sogar gefährlich erscheinen ließ, sich ihm zu nähern.

Unser Kavallerie-Major ließ es sich natürlich nicht nehmen, hier in eigener Person die Durchsuchung und Verhaftung vorzunehmen, doch musste er sich trotz seines Hasses unwillkürlich vor Seraphines königlicher Gestalt, welche ihn lächelnd bewillkommnen wollte, tief verbeugen.

Da fiel ihr Blick auf die hinter ihm eintretende Wache und das Wort erstarb auf den Lippen, das Lächeln machte dem bleichen Entsetzen Platz. Des Bruders prophetisches Wort vom gestrigen Abend fiel ihr ein und sie erstarrte.

»Was führt Sie hierher, Herr Major?«, fragte sie mit stockender Stimme.

»Leider die Pflicht!«, versetzte der Major. »Sie erlauben eine Durchsuchung Ihres Hauses, Signorina, nach dem alten Satz: Was dem einen recht, ist dem anderen billig.«

»Herr Major! Unser Name und Stellung werden uns hoffentlich gegen solche beleidigende Zumutung schützen!«, rief Seraphine, ihren ganzen Stolz zusammenraffend, da sie in dem Gebaren des Majors nun nur eifersüchtige Rache zu erblicken wähnte. »Mein Bruder, welcher als Leutnant der Nationalgarde …«

»Bereits in Gewahrsam ist«, unterbrach sie der Major spöttisch, »Soldaten! Verhaftet die Signorina und auch die und die …«

Er deutete dabei auf die erschreckten Mitglieder der Familie, welche sich auf der Treppe zeigten.

»Ah, Signor Lupparelli! Sie sehen, Ihr Stoß ging nicht tief genug«, fuhr er fort, als auch dieser aus einer Tür trat, »bindet mir den Burschen recht sicher. Und nun zu der Brigantin Zia Maria, der Freundin der stolzen Signorina Seraphine«, rief der Major, auf die Kellertür zuschreitend und diese öffnend, »lasst die Signorina dort frei, Leute, sie soll mir den Weg zu ihrer Freundin zeigen.«

Seraphine knirschte wütend mit den Zähnen, doch sie musste vorwärts, ihre Verstellungskunst nützte ihr nichts mehr, das sah sie deutlich ein.

Zia Maria, die Briganten-Königin, wurde von den Soldaten mit Seraphine herauf gebracht und beide gefesselt. Auch Pasquale musste sich zu dem fatalen Handschmuck bequemen, und so wurden alle zum Gefängnis abgeführt.

Im Keller fand man die Leichen von sechzehn ermordeten Personen und noch mehrere Gefangene, unter ihnen auch den Kaufmann Amavi, welcher das Gespräch im Garten des Pfarrers Gennaro Rapo belauscht hatte.

Die Leichen stammten sämtlich von der Mörderfaust Schiavones her.

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