Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 11

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Elftes Kapitel

Das Gefängnis des Puritaners

Hugo Calveley war, wie schon erwähnt, in ein Gewölbe unter dem Torweg gebracht worden. Der Ort wurde gewöhnlich als Gefängnis für widerspenstige Mitglieder des königlichen Haushalts oder Soldaten bestimmt, die sich Nachlässigkeiten im Dienst zu Schulden kommen lassen. Von kreisförmiger Gestalt hatte es einen mächtigen Pfeiler in der Mitte, woran eiserne Ringe und Ketten befestigt waren. Die Wände waren von Stein, die Decke gewölbt, mit Rippen, die von dem Pfeiler ausgingen, der dieselbe trug. Und der Fußboden war gepflastert. Ein Fenster war nicht darin, aber die Luft drang durch eine kleine vergitterte Öffnung herein. So ist es nicht zu verwundern, dass das Ge wölbe feucht war. Die Nässe triefte beständig an den Wänden herunter und sammelte sich auf dem zerbrochenen Pflaster; aber so ungesund und völlig unwohnlich es war, hielt man es doch für gut genug für die, welche gewöhnlich hineingeworfen wurden und viel zu gut für den gegenwärtigen Bewohner.

Da der Gefangene keine Widersetzlichkeit zeigte, so wurden ihm die Riemen, womit man seine Hände gebunden hatte, beim Eintritt in das Gewölbe abgenommen und ihm der freie Gebrauch seiner Glieder gelassen. Die Brustplatte, womit er bekleidet war, wurde ihm abgenommen und seine Kleidung nochmals sorgfältig untersucht, aber keine weitere Waffe, kein Papier oder Brief entdeckt, woraus hervorging, dass er Mitschuldige bei seinem schrecklichen Plan hatte. Das Einzige, was man bei ihm fand, war eine kleine Bibel, die man ihm ließ, nachdem man sie untersucht hatte. Auf die Fragen, die der Sergeant Dendy ihm vorlegte, gab er die kürzesten Antworten. Nachdem er so viel gesagt hatte, wie er für gut hielt, weigerte er sich entschlossen, weitere Antworten zu geben.

Aufgebracht über seine Widersetzlichkeit und entschlossen, ein vollständiges Geständnis von ihm herauszubringen, um es den König vorzulegen, befahl der Sergeant, die Daumenschrauben anzuwenden. Aber obwohl es eine heftige Qual war, ertrug er sie mit Festigkeit und ohne zu stöhnen, indem er dasselbe entschlossene Schweigen, wie vorher, behauptete. Hätte er es gewagt, würde Dendy zu strengeren Maßregeln gegriffen haben. Da er aber keine Vollmacht zu einem solchen Verfahren hatte, war er genötigt, sich mit Drohungen zu begnügen. Hierauf erwiderte Hugo Calveley mit einem grimmigen Lächeln der Verachtung. Als aber der Sergeant sich entfernen wollte, um Sir Thomas Lake seinen Bericht abzustatten, sagte er: »Ich habe etwas zu entdecken, aber es ist allein für des Königs Ohr.«

»Entdeckt es mir lieber«, versetzte Dendy stillstehend. »Ich habe es in meiner Gewalt, Eure Lage viel erträglicher zu machen oder Euch eine noch größere Qual aufzuerlegen. Ihr mögt wählen.«

»Verfahrt mit mir, wie Ihr wollt«, entgegnete Calveley strenge. »Was ich zu sagen habe, ist für den König und nur für den König allein. Und wenn Ihr auch mit Euren Maschinen jeden Knochen in meinem Körper zerbrecht und mir das Fleisch mit glühenden Zangen zerreißt, sollt Ihr doch das Geheimnis nicht von mir herausbringen.«

Dendy sah ihn an und fühlte sich geneigt, ein anderes, noch schrecklicheres Folterinstrument anzuwenden, welches an der Wand hing. Aber die Rücksicht, die ihn schon früher zurückgehalten hatte, nämlich dass er keine Vollmacht zu diesem Schritt habe und deshalb zur Rechenschaft gezogen werden könne, übte noch Einfluss auf ihn. Deshalb begnügte er sich damit, den Gefangenen an den Pfeiler fesseln zu lassen. Nachdem er gesehen hatte, wie der Befehl ausgeführt worden war, verließ er ihn.

In dieser elenden Lage blieb Hugo Calveley einige Stunden ohne Licht und ohne Nahrung. Wie er die Zeit zubrachte, wusste niemand. Die beiden Gardisten, die in das Gewölbe traten, fanden ihn auf seinen Knien andächtig betend. Sie brachten eine Lampe mit und bessere Erfrischungen, als ein Gefangener sie gewöhnlich erhält, und setzten sie ihm vor. Aber er weigerte sich, davon anzunehmen. Die einzige Gunst, um die er bat, war die Erlaubnis, in seiner Bibel lesen zu dürfen. Als man die Lampe in seine Nähe gestellt hatte, vertiefte er sich bald in jenes Buch, worin man, wenn man ernstlich sucht, in der schwersten Prüfung noch immer Trost gefunden hat.

Sir Jocelyn hatte den Gefangenen nicht besucht, weil er fürchtete, seine Gegenwart möchte ihm lästig sein; aber das ihm vom König übertragene Amt ließ ihm keine andere Wahl. Um Mitternacht stieg er in das Gewölbe hinunter, um sich durch eigene Anschauung zu überzeugen, dass Hugo Calveley in sicherem Gewahrsam sei. Die Tür wurde von dem Hellebardiere, der vor derselben stand, aufgeschlossen. Und der junge Mann befand sich mit dem Gefangenen allein. Er war unaussprechlich erschüttert von dem Schauspiel, welches er erblickte, denn er hatte keinen Begriff davon gehabt, wie streng der unglückliche Puritaner behandelt worden war, noch auch von der Beschaffenheit des Gefängnisses, wo man ihn eingeschlossen hatte.

Hugo Calveley, der noch immer aufmerksam in der Bibel las, die er auf sein Knie gelegt hatte, während er die Lampe nahe hielt, um ihr Licht auf die Blätter zu werfen, schien durch das Aufgehen der Tür nicht gestört zu werden, auch erhob er seine Augen nicht. Endlich aber erweckte ihn ein tiefer Seufzer, den der junge Mann ausstieß, aus seiner Zerstreuung. er hielt die Lampe empor, um sich zu überzeugen, wer in seiner Nähe sei. Als er entdeckte, dass es Sir Jocelyn sei, legte er seine Augenbrauen in Falten. Nachdem er ihn eine Sekunde strenge angesehen hatte, kehrte er zu seiner Bibel zurück, ohne ein Wort auszusprechen. Als er aber bemerkte, dass der andere seinen Posten behauptete, fragte er fast wild, warum er gestört werde?

»Kann ich etwas zu Eurer Erleichterung tun?«, entgegnete der junge Mann. »Wenigstens kann ich Euch diese Ketten abnehmen lassen.«

»Du redest, als ob du eine Macht ausübtest«, rief Hugo Calveley, ihn fest ansehend. »Bist du zu meinem Kerkermeister bestimmt?«

Sir Jocelyn gab keine Antwort, sondern wendete seinen Kopf ab.

»Dies fehlte nur noch, um das Maß meiner Verachtung gegen dich voll zu machen«, fuhr der Puritaner fort. »Du bist deines Amtes würdig. Aber erweise mir keine Gunst, denn ich will keine von dir annehmen. Ich möchte lieber diese Fesseln bis an meinen Tod tragen, so sehr sie auch meine Glieder drücken mögen, als sie von dir herunterschlagen zu lassen. Ich möchte lieber in diesem Kerker vermodern – ja, und wäre er noch ärger, als er ist – als dir meine Befreiung verdanken. Die einzige Gunst, die du mir erweisen kannst, ist, mich von deiner Gegenwart zu befreien, die mir verhasst ist, die heiligen Gedanken aus meiner Brust verbannt und böse Gedanken an deren Stelle setzt.«

»O, Freund meines Vaters! Warum sollte dies so sein?«, rief Sir Jocelyn. »Und warum sollte Euch meine Gegenwart verhasst sein? Es lebt niemand auf der Welt, den ich weniger gern beleidigen möchte, als Euch, und in allem, was ich getan habe, was Euch betraf, konnte ich nicht frei handeln. Beurteilt mich also nicht so hart. Ich bemitleide Eure Lage von ganzem Herzen und würde Euch dieselbe erleichtern, wenn es möglich wäre.«

»Warum beharrst du denn dabei, mich zu belästigen?«, versetzte Hugo Calveley. »Habe ich nicht guten Grund zu meinem Widerwillen gegen dich? Du hast die Erwartungen vereitelt, die ich von dir hegte. Du fielest von mir ab, als ich deine Beteuerungen auf die Probe stellte. Du durchkreuztest meinen Plan in dem Augenblick, als der Erfolg gewiss und der Tyrann völlig in meiner Gewalt war. Wärest Du nicht gewesen, so würde ich nicht hier und mit diesen Fesseln beladen sein; oder wenn es wäre, würde ich mich durch den Gedanken trösten können, dass ich mein Vaterland vom Druck befreit habe, anstatt von dem Bewusstsein der Niederlage zu Boden gedrückt zu werden. Was willst du von mir, elender Diener der Umstände. Hast du nicht deine Belohnung erhalten für den Dienst, den du dem König geleistet hast? Ist er nicht dankbar genug? Ich habe als die Stufe gedient zu deiner Erhebung. Was kann ich noch mehr tun?«

»Ihr könnt aufhören, ungerecht gegen mich zu sein«, entgegnete Sir Jocelyn. »Ehren, die wie die meine erlangt worden, sind wertlos, und ich möchte lieber ohne sie sein. Ich suchte sie nicht. Sie ist mir aufgedrungen worden. Betrachtet die Sache, wie sie ist, und Ihr werdet sehen, dass alle diese guten oder bösen Folgen aus Eurer verzweifelten Handlung entstanden sind.«

»Es mag sein«, entgegnete der Puritaner. »Ich will es nicht bestreiten. Aber obwohl Unheil für mich und Gutes für Euch daraus entstanden ist, möchte ich doch nicht mit Euch tauschen. Ihr werdet auf immer die Fesseln des Tyrannen tragen. Ich aber werde bald von den meinen frei sein.«

»Habt Ihr nichts über Eure Tochter zu sagen?«, fragte der junge Mann.

»Nichts«, versetzte der Puritaner mit einem Ausdruck des tiefen Schmerzes, den er indessen mit einer mächtigen Anstrengung unterdrückte. »Ich habe abgeschlossen mit der Welt und wünsche nicht wieder mit ihr in Berührung zu kommen.«

»Und Ihr weigert Euch, von Euren Fesseln befreit zu werden?«

»Mein einziger Wunsch ist, wie schon gesagt, von Euch befreit zu werden.«

»Dieser Wunsch wenigstens soll Euch gewährt werden«, versetzte Sir Jocelyn, als er sich mit traurigem Herzen entfernte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert