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Fort Wayne – Band 1 – Kapitel 3

F. Randolph Jones
Fort Wayne
Eine Erzählung aus Tennessee
Erster Band
Verlag von Christian Ernst Kollmann. Leipzig. 1854

Drittes Kapitel

Der nächste Morgen befand sich die trauernde Familie schon auf der Reise. Still wie die Natur, die der Tau mit Perlen und Juwelen prachtvoll geschmückt hatte, zog die Karawane an den Ufern des Tennessee River entlang. Takannah und Watungo schritten voran, nur selten einige Worte in ihrer Sprache wechselnd, dann folgte der Wagen, auf welchem Edista den leer gewordenen Platz Saras mit ihren Tränen befeuchtete, welche Richards Trostworte, der rüstig nebenher trabte, vergebens zu trocknen versuchten. Dann kam David, umgeben von seinen jüngeren Söhnen. Pompey, strahlend im Bewusstsein seines Heldenruhms, die erprobte Flinte geschultert, schloss den schweigsamen Zug der Auswanderer. Die Ereignisse der verhängnisvollen Nacht hatten ihre düsteren Schatten auf den Gesichtern aller ausgeprägt. Während David grollend mit sich zu Rate ging, wie er Edista, die bitter gehasste Schwiegertochter, von seinem und der seinen Geschick trennen möge, ohne Richard zu verlieren, an den gleichmäßig das unvertilgbare Gefühl der Vaterliebe und irdisches Interesse ihn gefesselt hielt, brütete Richard Pläne und Entwürfe, wie er seine geliebte Edista dem Vorurteil des Vaters entziehen möge, denn auf Versöhnung und Bekämpfung dieser abergläubischen Abneigung durfte er nicht mehr hoffen. Es war seine Absicht, sich nicht eher von Vater und Brüdern zu trennen, bis er dieselben nach Erreichen des Forts Wayne am Cumberland River vor den Schrecken einer Wanderung durch den Urwald gesichert und ihnen die Mittel zur Begründung einer selbstständigen Ansiedlung verschafft haben würde.

Der Erzähler dieser Begebenheiten führt den Leser nun, um ihm einen klaren Einblick in die seltsam verwickelten Verhältnisse der handelnden Personen zu gewähren, aus der Wildnis in die Zivilisation zurück, wenn deren Anfänge – noch vermischt mit den naturwüchsigen Elementen einer jungen Ansiedlung – so genannt werden dürfen, und überlässt inzwischen die Karawane der sorgsamen Führung Takannahs, der seinerseits aus dem Zusammentreffen mit den Auswanderern Stoff genug zu seltsamen Plänen und Entwürfen schöpfte, welche er nach Weise der Indianer tief in seinem Inneren verschlossen hielt.

Der Reisende, der in unseren Tagen sich auf der Straße von Charleston her, von den brausenden Rädern der Lokomotive geführt, den lieblichen Ufern des Savannah River nähert, erblickt an dessen rechtem Ufer, hervortauchend aus dem üppigen Grün prächtiger Cottonbäume, dunkler Zypressen und Sykomoren, die emporblühende Stadt Augusta, eingeschlossen in einen weiten Zirkel saftiger Reisfelder und weithin sich erstreckender Pflanzungen. Fünf oder sechs schlanke Türme, ein lärmend bewegter Kai, kommende und gehende Dampfboote geben ein so herzerfreuendes Bild echt amerikanischen Gedeihens, dass es wie eine fast verklungene Sage scheint, wenn ein silberhaariger Greis mit der Geschwätzigkeit des Alters ihm berichtet, dass er vor vielen, vielen Jahren das erste Blockhaus an der Stelle aufschlug, wo heute die Handelsstadt Augusta allen übrigen Städten des Binnenlandes Georgias den Rang streitig macht. Nicht viel über sechzig Jahre sind seit dem Tag verflossen, als zwei Reisende auf müden Kleppern sich der Fähre näherten, welche die Stelle der gegenwärtigen prächtigen Brücke vertrat und ihren lauten Ruf zum jenseitigen Ufer schickten, wo sich langsam ein Prahm ablöste, um sie hinüber zu einer Gruppe von einem Dutzend Blockhäuser zu führen, welche den stolzen, zukunftsahnenden Namen der Stadt Augusta in Anspruch nahmen.

Als die Fähre herüber war, stiegen die Reisenden von ihren Pferden, führten dieselben am Zügel in das primitive Fahrzeug und ließen sich ermüdet auf der einzigen Holzbank nieder, welche die von drei schwarzen Ruderern regierte Arche zu bieten hatte. Der Jüngere, ein Mann in der Mitte der Dreißiger, hätte vollkommen schön genannt werden dürfen, denn seine stolzen Züge, sein schlanker Körperbau, welcher Kraft, Eleganz und Gewandtheit in jeder Bewegung kundtat, erinnerte lebhaft an den Mustertypus des Apoll von Belvedere; aber der unstete Blick seiner hellen, braunen Augen und ein zur Gewohnheit gewordenes geringschätziges, fast verächtliches Zucken der Lippen tat der ganzen Erscheinung wenigstens in dem republikanischen gleichmachenden Land der Union einigen Eintrag, der selbst von den weniger scharfblickenden Bürgern der jungen Republik instinktmäßig empfunden wurde. Seine sorgsame Toilette, welche den Beschwerden und Störungen einer langen Reise durch die Walddistrikte Süd-Carolinas siegreich getrotzt zu haben schien, mehr noch ein glänzend schwarzer Schnurrbart, damals wie heute eine unerhörte aristokratische Anmaßung in den Gebieten der Yankees, war allerdings geeignet, diese Antipathien nicht wenig zu steigern. Sein Gefährte jedoch schien in der Tat nur darum sich seinen Schritten angeschlossen zu haben, um entweder durch augenscheinlichen Kontrast diesen Widerwillen zu versöhnen oder nur um so lebhafter hervorzuheben. Denkt Euch das runde, behagliche Vollmondgesicht eines angehenden Fünfzigers, umschattet von den verwirrten Locken einer schlecht gepuderten Perücke, belebt durch ein Paar munter blitzende Äuglein, welche der damals seltene Schmuck einer goldenen Brille mit mächtig großen Gläsern nicht verunzierte, einen unverwüstlich humoristischen Zug um den kolossalen Mund und in dem ganzen gemütlichen Gesicht Frohsinn, Lebenslust und die Philosophie Epikurs so lebhaft ausgeprägt, dass der Beschauer sich mit Unwillen abgewendet haben würde, wenn ein weniger dicker Wanst, weniger breite Schultern und weniger kurze Beine die glückliche Gestalt des Doktors Littlewood vervollständigt hätten.

Nicht ohne einige Mal auf den Grund des Flusses aufgestoßen zu sein – ein Intermezzo, welches jedes Mal die schwarzen Ruderer zu einem ohrenbetäubenden Lärm und den wunderlichsten Verwünschungen veranlasste – gelangte die Fähre mit ihren Insassen glücklich an den Landungsplatz von Augusta, dessen damalige Haupt- und Prachtgebäude sich mit einem Blick leicht genug überschauen ließen. Zwischen zwei Reihen schadhafter Fenze führte ein Zickzackweg einen mäßigen Hügel hinan, auf dessen Spitze das Wirtshaus des Ortes, zugleich Rat- und Gerichtshaus, Börse und Rednerhalle, sich durch ein knarrendes Aushängeschild und einen schlanken Mast, von dem das Sternenbanner flatterte, kund gab. Dorthin richteten unsere Reisenden ihre Schritte, und nachdem sie ihre Pferde der Obhut eines faulen, krausköpfigen Schwarzen übergeben hatten, traten sie in den Barroom oder das Schankzimmer. Dieses war leider gedrängt voll von kräftigen Hinterwälder-Gestalten, die mit großer Aufmerksamkeit dem Redestrom eines derben, wettergebräunten Burschen lauschten, in dem jene eigentümliche, heutzutage freilich mehr und mehr erlöschende Spezies eines echten Yankee pedlars oder Hausierers unverkennbar ausgeprägt war. Die Nach richten, welche dieses Individuum mit demselben Eifer, wie seine Waren, vor dem lauschenden Publikum auskramte, schienen kriegerischer Natur zu sein, denn der größte Teil der Versammelten stützte sich auf lange Rifles und warf bei besonderen Kraftstellen des Vortrages ominöse Liebesblicke auf die langen Bowiemesser, deren Hefte entweder aus dem Gürtel oder unergründlich tiefen Beinkleidertaschen hervorragten.

»Mich will gemuten, Männer von Georgia«, perorierte er eben und warf einen wichtigen Blick auf die beiden Ankömmlinge, welche so gütig waren, seine Zuhörerschaft zu vergrößern, »mich will gemuten, dass wir nicht warten dürfen, bis uns die Rothäute in hellen Haufen über den Hals kommen. Die Kommissarien und Agenten sind blind und taub, sie glauben nicht eher an Gefahr, bis ein Dutzend Blockhäuser in Flammen stehen und unsere freien Bürger nicht mehr über ihre Fenz hinwegschauen dürfen, ohne ihren Skalp im Stich zu lassen. Als ich vorgestern von Yorkville herüberkommend über den Congaree setzte, fand ich dort die Milizen schon in voller Übung; ein prächtiges Corps, und der alte Scott hatte einen Säbel umgeschnallt, zwei Mal so lang wie seine Beine. Unsere getreuen Verbündeten – Gott verdamme die Heiden – die Hiwassee, haben Boten geschickt und aus ihrem Kauderwelsch kann ein vernünftiges Christenkind so viel ersehen, dass die Creek, Cherokee, die Oconee und all das Gesindel bis zum Illinois hinauf sich zusammengerottet und die Kriegsaxt ausgegraben haben. Der dürre, schwarze Teufel, der Takannah, der erst vor zwei Jahren die Ansiedler am oberen Saludo mit Feuer und Schwert heimgesucht hat, steht an der Spitze der Verschwörung. Jetzt treibt er sich unter den Seneca herum, die nicht üble Lust haben, ihren Vertrag zu brechen. Was dann geschieht, können wir uns wohl an den Fingern abzählen.«

Eine Kunstpause, welche der Redner geschickt durch das Hinuntergießen eines mächtigen Glases Whiskey ausfüllte, ließ ihn zugleich die aufregende Wirkung seiner Neuigkeiten erkennen. Die Rifles klirrten auf dem Böden, die Primchen wurden mit lebhafter Vehemenz von einer Backe nach der anderen geworfen, und ein anfangs leises Gemurmel wuchs allmählich zu einer so verwirrten und feurig geführten Einzeldebatte an, dass man draußen das Toben der Meeresbrandung zu hören meinte.

»Sehr interessant, ohne Zweifel … wichtige Neuigkeiten … Krieg, Mord und Verschwörung!«, sagte Doktor Littlewood und wischte sich mit einem Foulard das schweißtriefende Gesicht. »Wollt Ihr das Wort nehmen, Chevalier?«

»Pah!«, versetzte dieser, »wie kann man in einer so abscheulichen Atmosphäre atmen? Suchen wir uns ein Plätzchen im Freien, bis dieser faselnde Narr zu Ende ist.«

»Weiß nicht, Chevalier! weiß nicht, ob der Bursche ein Narr ist. Kalkuliere, es ist wieder eine Teufelei los unter den Rothäuten, und für Leute, die im Begriff sind, mitten durch dieser Herren Länder auf Abenteuer auszuziehen, scheint die Aussicht wenig Gutes versprechend. Aber heiß ist es hier allerdings; geht gefälligst voran und macht draußen Quartier für mich und ein paar Becher Sangareh.«

Der Chevalier trat vor die Tür des Wirtshauses. Als er dicht am Ufer des Stromes, zum Teil über denselben herüberhängend, eine Art von Schuppen oder Gartenhaus, auf Pfählen erbaut, bemerkte, richtete er seinen Weg dorthin und wurde bald genug von den scharfen Augen des Doktors bemerkt, der, die beliebte Herzstärkung der freien Bürger des Südens in den Händen, ihm folgte. Einige leere Kisten wurden von seiner ordnenden Hand zu Tisch und Divan umgestaltet. Während der Chevalier verdrießlich und gelangweilt durch die offene Vorderseite des wankenden Gebäudes hinaus in die prachtvolle, von den glühenden Farbentinten des Abends übergossene Landschaft schaute, schlürfte der Doktor behaglich und in kleinen Zügen sein Getränk und schien sich so wohl und komfortabel zu befinden, wie in seinem gut eingerichteten Haus zu Charleston. Nach einer Weile begann ihm aber das Stillschweigen seines Gefährten lästig zu werden.

»Eheu, quousque tandem abutere patientia nostra? Wie lange gedenken wir uns noch in diesen barbarischen Ländern herumzuschlagen, mein bester Chevalier de Raucourt?«

Der Angeredete schüttelte ungeduldig den Kopf. »So lange, bis wir Edista gefunden und ihren Räuber in den Hades geschickt haben. Wenn Ihr jedoch der Reise müde seid, kehrt in Gottes Namen nach Hause zurück. Es war Euer freier Entschluss, Doktor, mich zu begleiten.«

»Das war es, das war es allerdings. Ich glaubte auf diese Weise am sichersten nach Louisville zu meinem Bruder zu gelangen, und da wir nordwärts ziehen, müssen wir doch früher oder später zu den Ufern von la belle rivière gelangen.«

»Ich denke, wir werden den elenden Morris eher finden!«, sagte der Chevalier, »er hat nur einen geringen Vorsprung und der Durst nach Rache schärft das Auge und fördert den Fuß. O, er soll mir nicht entgehen!«, setzte er hinzu, während in seinen Augen das Feuer unauslöschlichen Hasses brannte. »Ich werde Edista befreien und wenn er sie in der Hölle selbst verborgen hielte.«

Der Doktor schwieg und brummte den Yankee doodle zwischen den Zähnen. »Nehmt es mir nicht übel, Chevalier!«, sagte er endlich, »Ihr scheint den Casus ganz und gar misszukennen. Edista befreien! Teufel, wenn sie nun aber nicht befreit sein will?«

»Mr. Littlewood!«, fuhr der Chevalier heftig auf.

»Gemach, gemach!«, sagte der Doktor, einen langen Zug tuend, »wie wäre es, wenn wir erst eine Art species facti, gewissermaßen eine Diagnose anstellen, ehe wir weiter in dieser kuriosen Jagd fortfahren? Kalkuliere, es müsste Euch daran liegen, andere Erkundigungen einzubeziehen über Eure cidevant-Braut, als die jedenfalls lückenhaften, von väterlicher Liebe diktierten Geschichten unseres ehrenwerten Obersten Beaufort.«

»Was könnt Ihr mir Neues sagen, Doktor?«, rief der Chevalier und maß sein vis-à-vis mit ziemlich geringschätzigen Blicken. »Die Sache ist klar; ich kehre nach Amerika zurück, für dessen Befreiung ich gekämpft habe. Ich rette Beaufort vom Verderben und der Schande eines schimpflichen Bankrotts. Ich lerne Edista kennen und lieben – der Vater sagt mir ihre Hand zu und am Abend vor der Hochzeit bricht ein elender Handlanger, ein hungriger Kommis bei nächtlicher Weile in das Haus ein und raubt mir meine Gattin. Ma foi! Ich denke, das ist klar wie der Tag?«

»Nicht so ganz, Chevalier, nicht so ganz!«, versetzte der Doktor und warf einen betrübten Blick auf den Boden seines leeren Glases, »versprecht mir, mich nicht zu unterbrechen, und ich will Euch die Kehrseite der Medaille, eine einfache und wahre Relation dieses ganzen seltsamen Handels geben. Schaden kann es nicht, und wenn Ihr nach dem, was ich Euch erzählen werde, bei Euren Intentionen verharrt, so will ich dennoch, bei Jingo, ein treuer Gefährte Eurer irrenden Ritterschaft bleiben.«

»Ihr scheint diesen Morris genau zu kennen?«, fragte der Chevalier und fixierte den Doktor mit misstrauischen Blicken. »Sollte er zufällig Euch zum Mitwisser seiner Pläne gemacht haben?«

Der Doktor errötete und schien ganz unterjocht von den Erschütterungen eines gewaltigen Hustens, der ihn plötzlich überfiel. »Welcher Verdacht, welche Zumutung!«, rief er, als er wieder zu Atem gekommen war, – »ich kenne Morris, wie ihn ganz Charleston kannte, und die Eröffnungen, welche ich Euch zu machen gedenke, waren niemanden ein Geheimnis, als eben Euch.«

Der Chevalier kämpfte einen Augenblick zwischen seiner Neugier und einer stolzen Abneigung, in so zarten Angelegenheiten der Vertraute seines Begleiters zu werden, zumal da er instinktmäßig fühlte, dass die Mitteilungen desselben seine Vorurteile verletzen, vielleicht gar das brennende Verlangen nach Rache an Morris zu schwächen beabsichtigen möchten. Ein leises, gutmütig spöttisches Lächeln, welches um Littlewoods Lippen zuckte, machte seiner Unentschlossenheit ein Ende.

»Ihr könntet glauben, ich fürchte mich, Euer Schauermärchen anzuhören!«, sagte er, »drum sprecht nur frisch drauf los. Ihr werdet jedenfalls einen aufmerksamen, wenn auch keinen gläubigen Zuhörer haben.« Damit stand er auf und begann den engen Raum mit raschen Schritten zu durchmessen, während der Doktor sich behaglicher auf seiner Kiste zurechtsetzte und nach einigem Schnäuzen und Räuspern seine Geschichte folgendermaßen begann:

»Es werden jetzt ungefähr vier Jahre verflossen sein, als ich auf der Levee von Charleston einen jungen kräftigen Burschen müßig herumschlendern sah, der mir wegen seiner halb seemännischen, halb hinterwäldlerischen Tracht ganz besonders auffiel. Obwohl besagte Tracht sich ziemlich als defekt und heruntergekommen erwies, blickte doch der junge Mensch gar verzweifelt keck und zuversichtlich umher, als könne es ihm nicht fehlen, sein Glück zu machen, wenn es ihm nur eben beliebte. Einige Wochen später fand ich ihn zu meinem Erstaunen im Kontor des Obersten Beaufort, wo er so eine Art Buchhalter, Korrespondent, oder wie man das Zeug nennt, zur nicht geringen Zufriedenheit seines Prinzipals vorstellte. Als ich den Tag darauf den Obersten auf seiner Pflanzung am Edisto besuchte, konnte ich nicht umhin, mich nach dem absonderlichen Amphibium näher zu erkundigen und erfuhr, dass Mr. Richard Morris, mit Empfehlungsbriefen mehrerer Baltimorer Häuser versehen, eines schönen Tages den Obersten keck und zuversichtlich mit dem Wunsch angegangen sei, in sein Geschäft zu treten, ein Wunsch, der auch seine sofortige Erfüllung gefunden hatte. Mr. Morris war aus Delaware gebürtig, wo seine Familie irgendwo um Wilmington herum ein Dutzend Acres im Schweiße ihres Angesichts bebaute. Ein lebhafter Drang, vorwärts zu kommen, Wanderlust und eine nicht geringe Dosis Hochmut hatten ihn zeitig veranlasst, dem räucherigen Herd des alten Mr. Morris den Rücken zu kehren und sich in Philadelphia und Baltimore der Handelswissenschaft zu befleißigen. Zwischendurch hatte er erst als Matrose, dann als Supercargo den Ozean durchstreift, war dann in die Reihen unseres Befreiungsheeres getreten, nach dem Frieden wieder nach Baltimore zu seinen Tratten und Kontobüchern zurückgekehrt und endlich, weiß der Himmel wie und warum, nach Charleston gekommen. Die stürmische Unruhe seiner Jünglingszeit lag nun wohl hinter ihm; Beauforts Zutrauen, welches seine Umsicht und vielseitige Handelskenntnis vollkommen verdiente, schien ihn an des Obersten Haus für immer gefesselt zu haben. Erst vor etwa zwei Jahren entdeckte mein – wie Ihr wisst – wahrhaft indianischer Scharfsinn, dass die aufblühende, etwa sechszehnjährige Edista keinen geringen Anteil an der Ausdauer des guten Morris in Anspruch nehmen durfte.«

»Eine treffliche Krämerspekulation!«, unterbrach den Erzähler achselzuckend der Chevalier, »ein vagabundierender Kommis benutzt den Unverstand eines Kindes, einer reichen Erbin! Wahrhaftig, echt yankeehaft!«

»Allerdings echt yankeehaft!«, fuhr der Doktor phlegmatisch fort, »und trotz seines französischen Namens war das Benehmen des Obersten Beaufort dabei nicht weniger yankeehaft, denn er tat, als sähe er die Neigung der jungen Leute nicht, sah vielmehr desto schärfer in die Bücher, welche Mr. Morris führte, und fand, dass alles gut war – will sagen, dass Mr. Morris sich in jeder Beziehung als tüchtiger Kaufmann und trefflicher Spekulant bewies. Wie dem nun auch sein mag, an jenem Tag, wo man des Obersten einziges Kind noch triefend und halb bewusstlos in sein Haus brachte – er befand sich nämlich damals auf seiner Pflanzung Lagrange – und als die zitternden Bediensteten ihm erzählten, dass ein ungeschliffener Alligator das Boot umgeworfen habe, auf welchem Edista ihre gewöhnliche Lustfahrt auf dem Fluss gemacht hatte, und dass Morris, der sich zufällig am Ufer befunden, die augenscheinliche Todesgefahr nicht achtend, sich in die Wellen gestürzt und das Mädchen glücklich an Land gebracht habe – kurz, als all dies an das nicht eben empfindsame Herz des Obersten schlug, ließ er den Retter seiner Tochter kommen und verlobte die beiden Leutchen auf das Feierlichste vor meinen und des ganzen Hausgesindes Augen; eine Zeremonie, die von den Beteiligten nicht den geringsten Einspruch erfuhr und überdies durch das Auspeitschen der vier Männer, welche Edistas Boot gerudert hatten, verherrlicht wurde.«

»Ein wahrer Roman!«, sagte der Chevalier. »Soviel ich weiß, hatte Oberst Beaufort ein Jahr später volle Ursache, sein blindes Vertrauen auf Mr. Morris bitter zu bereuen, denn die erste Neuigkeit, welche ich bei meiner Rückkehr nach Charleston erfuhr, war die Kunde von dem bevorstehenden Bankrott und unvermeidlichen Ruin meines großmütigen Landsmannes.«

»Gleichwohl erinnere ich mich, mit eigenen Ohren gehört zu haben, wie Beaufort Euch selbst erklärte, dass er es nur den riesenmäßigen Anstrengungen Morrisʼ zu verdanken habe, dass die durch frühere Sünden und Unglücksfälle herbeigeführte Katastrophe nicht schon längst eingetreten sei. Genug, in dem Maße, wie es Euch, werter Chevalier, gelang, vermöge Eurer reichen, aus dem Mutterland herübergebrachten Hilfsquellen den drohenden Schlag abzuwenden und Beauforts gesunkenen Kredit wieder in die Höhe zu bringen, im gleichem Maße schwächte sich des Obersten Gedächtnis für Morrisʼ Verdienste und die ihm gegebenen Verheißungen. Ich könnte nicht sagen, dass ich sehr erstaunt gewesen wäre, als ich vor drei Monaten Mr. Morris wiederum auf der Levee traf und von ihm vernahm, dass Edistas Hand der Preis gewesen sei, für welchen Ihr Euch entschlossen hattet, Beaufort dem gänzlichen Ruin zu entreißen.«

»Ich will nicht hoffen, Sir, dass Eure Worte eine Beleidigung enthalten sollen?«, fuhr der Chevalier auf. »Allerdings war es Edista, deren Liebreiz mich an die verödeten Hallen von Lagrange fesselte, und weil ich sie glühend liebte, weil ich für den Besitz dieses holden Wesens Gut und Blut, Reichtum und Ehre zu opfern entschlossen war, befreite ich den Vater von der Last seiner Sorgen. Ist es meine Schuld, wenn er töricht genug war, früher eine kindische Liebelei zu gestatten, in welcher der Egoismus auf der einen, die Einfalt eines unerfahrenen Herzens auf der anderen Seite die bewegenden Triebfedern waren?«

»Ich widerspreche nicht, Chevalier! Jedermann hat seine Gedanken, und da wir nun schon seit einer halben Stunde beinahe in voller Finsternis sitzen, bin ich froh, dass meine Relation zu Ende ist. Dass vor vierzehn Tagen Edista am Abend vor der Hochzeit aus dem väterlichen Hause verschwand, dass Mr. Richard Morris sie am Fluss in Empfang nahm und zu seinen Eltern führte, die er ein Jahr vorher aus Delaware herunterkommen lassen und ein paar Meilen von Charleston angesiedelt hatte, dass die ganze Gesellschaft davonzog, wie damals die Juden aus Ägypten, und dass ich aus purer Freundschaft für Oberst Beaufort und Euch sie jetzt verfolgen helfe, das sind bekannte Dinge. Übrigens kann ich nicht umhin, und wenn Ihr mich noch so grimmig anschaut, über den Nutzen und Erfolg unserer Irrfahrt verschiedene Zweifel zu hegen. Mit Gewalt werdet Ihr Edista nicht zurückschleppen wollen und da die Leute in Wilton behaupten, dass der ehrwürdige Magister Ezechiel Dapple sie rite und publice vor ihrer Abreise getraut habe, so sehe ich nicht ein …«

»Es ist eine Lüge, es muss eine Lüge sein!«, rief der Chevalier heftig. »Edista kann sich nicht so weit vergessen haben! End wenn es wäre,« setzte er mit einem finsteren Lächeln hinzu, »ich bin nicht so vorurteilsvoll, um nicht auch um eine Witwe zu freien.« Mit diesen Worten schritt der Chevalier stolzen Schrittes zur Tür hinaus.

Der Doktor blickte einen Augenblick stumm vor sich hin, stieß einen kläglichen, langgehaltenen Seufzer aus und verließ gleichfalls das finstere Gemach. Eine zahlreiche, sich drängende Menschenmasse, über deren Köpfen hier und da lodernde Fackeln sichtbar wurden, entriss den gefühlvollen Jünger des Äskulap seinen Bekümmernissen und führte ihn direkt in die bewegte Wirklichkeit zurück.

In der Tat war die Scene, welche der mondbeschienene freie Platz zwischen der Stadt und dem Flussufer darbot, pittoresk und seltsam genug. Die Menschenmenge hatte sich im Laufe einiger Stunden fast um das Doppelte vermehrt. Der Lärm und das Stimmengewirr waren im gleichen Verhältnis gewachsen. Man sah, dass ein Gegenstand von tiefem Interesse diese rauen Stimmen, diese lebhaften Gestikulationen hervorrief. Wer plötzlich aus der zahmen Zivilisation Europas in dieser nächtlichen Stunde an die Ufer des Savannah versetzt worden wäre, möchte sich vielleicht mitten in den Fluten eines Bürgerkrieges oder gar unter einem gesetzlosen Räuberhaufen zu befinden geglaubt haben. Kopf an Kopf reihten sich kräftige, wettergebräunte Gestalten, deren trotzige, kecke Gesichtszüge im Voraus die aufregenden Erwartungen eines blutigen Kampfes widerspiegelten. Der redselige Hausierer hatte anderen nicht minder begabten Tribunen Platz gemacht und als der Doktor, der den Chevalier bereits aus dem Blick verloren hatte, sich neugierig in das Getümmel mischte, haranguierte ein sechs Fuß hoher Backwoodsman von den Ufern des Chatohochee in tiefen Gurgeltönen die ziemlich zerstreut zuhörende Menge.

Eben jetzt wurde das Gebrumm des Sprechers aber völlig von einem wüsten Stimmengetöse verschlungen, welches, von der anderen Seite des Fleckens herkommend, immer mächtiger anschwoll. Es entstand eine wogende Bewegung, ein gewaltsames Vorwärts- und Rückwärtsdrängen. Als der Doktor, sich auf den Zehen emporrichtend, nach der Ursache dieses Phänomens ausschaute, wälzte sich ein neuer Haufen auf den Platz, unter welchem sein kundiger Blick sogleich die bronzefarbige Figur eines Indianers entdeckte. Die Gesichtszüge des Sohnes der Wildnis boten ein Gemisch von Furcht, Erstaunen und Verschlagenheit dar. Sein Gliederbau, weniger kräftig als behände und zierlich, deutete auf ein jugendliches Alter. An der Art der Malerei, welche Gesicht und Brust zierte, konnte man ihn als ein Mitglied des einst mächtigen, damals aber bereits bis zur Unbedeutendheit herabgesunkenen Stammes der Hiwassee erkennen. Ehe er es sich versah, war er von einem Dutzend kräftiger Arme auf einen gewaltigen Baumwollballen emporgehoben und ein derber untersetzter Hinterwäldler erklomm an seiner Seite die improvisierte Rednerbühne.

»He, Barnaby! Ein Hurra für Barnaby! Was ist mit dem Indianer? Sprich zu den Georgia-Männern!« Mit diesen und ähnlichen Ausrufen begrüßte die Versammlung ihren Landsmann, der sich zum Beschützer und Dolmetscher der Rothaut aufgeworfen hatte. Barnaby schloss mit einem schlauen Blinzeln eines seiner kleinen Augen, schleuderte einen mächtigen Strahl Tabaksaft hinunter und erhob dann die Hand zum Zeichen, dass er dem Wunsch und der Erwartung des gespannten Auditoriums zu genügen entschlossen sei.

»Vermute, ihr wisst schon etwas von den Geschichten, die drüben über den Bergen ausgesponnen werden?«, begann er im kräftigsten Bass. »Die Cherokee und ein Dutzend andere Stämme spielen ein Stückchen auf und haben uns zum Tanz geladen. Drüben in Tennessee fallen sie schon wie Teufel über die Ansiedler her. Nashville ist niedergebrannt und in Covington haben sie den alten Hollyack und seine ganze Familie skalpiert. Die Leute von Kentucky haben Eilboten nach den alten Staaten um Truppen geschickt, und Major Murchinson, der in Fort Wayne kommandiert, ist mit seinen fünfzig Mann wahrscheinlich in diesem Augenblick von viertausend Indianern blockiert.«

Ein wildes drohendes Gemurmel, mit vielfachen Hört! Hört! untermischt, bekundete den Eindruck, welchen die neue Schreckensbotschaft unter den Versammelten machte. Doch gab es auch einige Zweifler unter der Menge, die nicht geneigt schienen, sich von dergleichen, in jenen kriegerischen Zeiten nur zu oft auftauchenden und folgenlos wieder verschwindenden Gerüchten alarmieren zu lassen. Dem Scharfblick Barnabys entging weder das Kopfschütteln noch die ungläubige, ja hie und da sogar spottlächelnde Miene dieser Opposition. Er beeilte sich, durch die Zeugenaussagen des Indianers gleichsam das schwere Geschütz zur Behauptung seiner Aussagen ins Feuer zu führen.

»Ich bin zwar nur bis zu den Look Outs hinaufgegangen«, sagte er, »aber wenn etwa einer unter euch denkt, Barnaby Tail sei die dreißig Meilen nur zum Spaß heruntergekommen, um ein Geschwätz vorzubringen, so sage ich und behaupte, dass ich ihn ledern werde und wenn er mein Bruder wäre! Da steht auch hier der rote Kerl, den sie von Huntsville, wo er als Flüchtling oder Kundschafter ankam, mit einem Brief nach Greensboro schickten, der ist dabei gewesen, als Takannah – den Gott verdamme – einen Auswandererzug vor etwa drei oder vier Tagen überfallen hat. Die Hiwassee haben unsere weißen Mitbürger gerettet und die Cherokee in die Berge gejagt, falls der Bursche nicht lügt. Seid Ihr nun zufrieden, wenn Ihr wisst, dass diese Geißel des Landes, der Blutsauger Takannah, kaum dreißig Meilen von euch sein Unwesen treibt?«

Aller Blicke richteten sich nun mit verdoppelter Spannung auf den Indianer, der trotz des seiner Tapferkeit ausgestellten Zeugnisses, sich ziemlich unbehaglich zu befinden schien. Das wogende Meer von Köpfen unter ihm, die im Fackellicht und Mondschein blitzenden Rifles und eben soviel nicht minder blitzende Augen waren allerdings nicht geeignet, den scheuen Natursohn zu beruhigen, selbst wenn er ein besseres Gewissen und begründetere Ansprüche auf das ihm zuerteilte Lob gehabt hätte, als es in Wirklichkeit der Fall war. Es bedurfte daher der kräftigen und nachdrücklichen Aufforderungen, welche durch Worte und Gebärden an ihn gerichtet wurden, um ihn nach langem Zaudern zum Sprechen zu bewegen.

»Holla, mein Junge! Werden wir endlich deine süße Stimme vernehmen oder soll ich dir die Zähne mit meinem Bowie auseinanderbringen? Du stehst vor Gericht, gewissermaßen vor der Nation, die dir die Ehre antut, Dein Gekrächze hören zu wollen. Also, go on! Oder …«

Diese liebkosende Aufforderung Barnabys wurde durch einen so kräftigen Rippenstoß verstärkt, dass der bedrängte Indianer fast unter das Publikum hinabgeschleudert worden wäre. Gleichwohl zeigte sie sich als hinreichend wirksam, denn er zögerte nicht länger, die an ihn gestellten Erwartungen zu befriedigen.

»Matti-cho-wuh ist Takannah auf dem Kriegspfad entgegen gegangen!«, sagte er langsam und monoton. »Er hat ihn gesehen an den Ufern des Tennessee, seitdem die Sonne viermal hinter dem großen Fluss verschwunden ist. Er ist ein großer Krieger und vieles hat der Große Geist in seine Ohren geflüstert. Alle Stämme von dort und dort«, dabei deutete er mit der Hand nach Norden und Westen, »haben die Beratungspfeife geraucht in dem Wigwam Takannahs. Die bleichen Gesichter sollen verschwinden aus den Jagdgründen der roten Männer; der Cherokee-Häuptling hat sein Wampun geschickt über den Ohio hinaus und in die Täler der Apalachee. Die Hiwassee sind tapfere Krieger, sie sind Löwen und jene Füchse, aber die Augen der Cherokee sind geblendet. Sie lassen die Hiwassee nicht sitzen an ihrem Beratungsfeuer, und darum soll der Große Geist sie verderben und Matti-cho-wuhs Mund ist aufgetan.«

Bei den letzten Worten verschwand alle Befangenheit aus den Mienen des Indianers, welche nur das Gefühl wütenden Hasses und gekränkten Stolzes ausdrückten. Dieses Gefühl hatte ihn zum Verräter und Denunzianten gemacht und niemand konnte sich darüber täuschen, dass er mit Befriedigung die gänzliche Ausrottung der roten Nationen angesehen haben würde, von denen er sich und seinen Stamm mit Blicken der Verachtung angesehen wusste.

Die Tatsache einer allgemeinen Verschwörung der zahlreichsten und tapfersten Indianerstämme war nunmehr in den Augen der versammelten Kolonisten keinem Zweifel mehr unterworfen und mit jenem bewunderungswürdigen Takt, jenem instinktmäßigen Gefühl des Zweckmäßigen und Praktischen, wie es von je in Amerika heimisch war, nahm die Volksversammlung augenblicklich den Charakter einer ernsten, besonnenen Beratung an. Man schien den Hiwassee völlig vergessen zu haben. Es bildeten sich um einzelne Sprecher mehr oder minder zahlreiche Gruppen, die, im lebhaften Verkehr miteinander stehend, in überraschend kurzer Zeit zu Entschlüssen und Resultaten gelangt waren, die der Wichtigkeit des Zweckes vollkommen entsprachen.

Es war nun fast Mitternacht geworden. Der Chevalier von Raucourt, der nach den Eröffnungen des Doktors in einer nicht beneidenswerten Gemütsstimmung den Fluss entlang, ohne selbst zu wissen, wohin, bis an die Grenze jener dunklen, prächtigen Wälder gewandelt war, welche damals die sogenannte Stadt Augusta in ziemlich enger Umarmung umschlossen, kehrte langsamen Schrittes, den Kopf mit Plänen und Entwürfen erfüllt, ins Wirtshaus zurück. Unangenehm überrascht, den Platz noch ebenso belebt zu finden, wie vorher, trat er in das Zimmer und begehrte von dem überaus beschäftigten Eigentümer eine Schlafkammer. Der staunende Blick, mit welchem dieser ihn anglotzte, gefolgt von einem minutenlangen Achselzucken und Kopfschütteln, bereitete ihn so entschieden auf eine abschlägige Antwort vor, dass er unwillig zur Tür hinausstürmte und hier mit dem Doktor zusammenprallte, auf dessen Antlitz noch der Widerschein der aufregenden Nachrichten dieses Abends glänzte.

»Holla, Sir! Es ist gut, dass ich Euch finde und noch besser für die ehrenwerten Gentlemen, welche nach geschlossener Beratung soeben Euch durch eine feierliche Deputation einige Aufträge zu geben wünschen.«

»Aufträge? Ich hoffe, Ihr scherzt, Mr. Littlewood. Ich wüsste nicht, dass mir hier jemand Aufträge zu geben hätte! Seht nach Eurem Gaul, wir gehen weiter.«

»Psawh!«, sagte der Doktor, den Ungestümen ziemlich unzeremoniös zurückhaltend, »vergesst nicht, dass Ihr die Ehre habt, ein Bürger der Vereinigten Staaten zu sein, als welcher es Eure Pflicht ist, Euch keinem Dienst zum Besten dieses glorreichen Landes zu entziehen. Wer es tut, ist dem Gesetz verfallen, und die Gentlemen da draußen sind eine allzeit fertige Jury, die vielleicht schon manchen wegen geringerer Ursachen gehängt hat.«

Der Chevalier war so erstaunt, ja verblüfft von der naturwüchsigen Beredsamkeit und dem stolzen Ernst seines sonst so jovialen Begleiters, dass er kein Wort zu erwidern wusste. In demselben Augenblick traten drei bis an die Zähne bewaffnete Männer vor ihn hin, deren Ältester, ein Greis mit schneeweißen Haaren, leicht an die Bibermütze tippte und sich dann behaglich auf seine lange Flinte lehnte.

»Mr. Raucourt, Eigentümer aus Charleston, will mich gemuten, he?«, begann der alte Hinterwäldler seine Anrede, »und hier ist ja auch der dicke, kleine Littlewood – braver Bürger; kenne Euch gut, sah Euch bei Yorktown unter Rochambeau, hattet verdammte Pflaster und höllische Pillen. Also, Ihr geht hinauf nach Tennessee?«

Während der Doktor mit dem Alten ein kräftiges Händeschütteln begann, hatte der Chevalier Zeit genug, zu überlegen, dass es nie mehr als jetzt an der Zeit sei, den aus Europa herübergebrachten aristokratischen Vorurteilen zu entsagen und alles zu vermeiden, was ihm in der Wertschätzung seiner Mitbürger nachteilig sein konnte.

»Ich fürchte, meine Reise wird sich bis Kentucky erstrecken!«, antwortete er und nahm eine so offene, freie Miene an, wie es in diesem republikanischen Land nur irgend gefordert werden konnte. »Ich setze einem Verbrecher nach, der nach unzweifelhaften Nachrichten sich an den Ohio gewendet hat. Kann ich Euch Gentlemen irgendeinen Dienst erweisen?«

»To be sure! Allerdings, Mr. Raucourt!«, sagte der Alte, »nicht uns, aber dem Land. Da oben am Cumberland River wissen sie noch nichts von der Indianerverschwörung. Vielleicht könnt Ihr nach Fort Wayne gelangen, ehe die roten Teufel es belagern, und mögt dem armen Major Murchinson eine Warnung geben. Kurz, da unsere Milizen unter drei Tagen nicht aufbrechen können, möchte es ein treffliches Werk für Euch sein, unseren Brüdern in Tennessee und Kentucky baldige Hilfe anzusagen, suppose, vorausgesetzt, dass Ihr nicht skalpiert werdet, ehe Ihr hinkommt.«

Die beiden Begleiter des Sprechers brummten ihre Zustimmung zu der Weisheit des beredten Nestors. Ein dichtgedrängter Halbkreis, welcher sich inzwischen um die Gruppe gebildet hatte, unterstützte durch ein Hurra für Raucourt und Doktor Littlewood diese Akklamation. Eine Verbeugung Raucourts, die viel zu Französisch war, um den vollen Beifall der Versammelten zu erhalten, wurde von der Versicherung begleite, dass es ihm Vergnügen machen werde, die Wünsche der ehrenwerten Versammlung zu befriedigen. Da er morgen bei Tagesanbruch mit seinem teuren Freund Littlewood aufzubrechen gedenke, so möge man die etwa erforderlichen Briefschaften oder Instruktionen bereithalten und ihm wo möglich einen landeskundigen Scout mitgeben.

Ein dreifaches donnerndes Cheer, zu welchem Littlewood das Zeichen gab, lohnte den Patriotismus des Chevaliers und machte zugleich der Volksversammlung ein Ende. Wenn nichts anderes, so hatten Raucourt und der Doktor durch die bewiesene Hingebung für den souveränen Volkswillen sich wenigstens ein behagliches Nachtquartier errungen, denn Mr. Simpkins, der Wirt, beeilte sich, ihnen anzuzeigen, dass eine Kammer unter dem Dach mit trefflichen Betten zu ihrer Verfügung stehe. Leider verhinderten noch drei oder vier Deputationen, welche teils mündliche, teils schriftliche Ratschläge und Anweisungen überbrachten, die beiden Reisenden, der Abendmahlzeit und den Betten vom Simpkins-Hotel die gebührende Ehre zu erweisen.

Nachdem sie in Erfahrung gebracht hatten, dass der Indianer Matti-cho-wuh, zu Deutsch der krähende Hahn, ihr Scout, und Mr. Laroche, ein Akadier aus Louisiana, ihr Begleiter sein werden, warfen sie sich zwar ein Stündchen aufs Bett, sahen sich aber nur zu früh durch die anbrechende Dämmerung und die mahnende Stimme die Wirtes zum schleunigen Aufbruch angetrieben.

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