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Jean Grenier wird als Lykanthrop und Mörder angeklagt …

Das 17. Jahrhundert

Jean Grenier wird als Lykanthrop und Mörder angeklagt und zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt.

1603 wurde vor dem Parlament von Bordeaux der Prozess eines Lykanthropen verhandelt; die Untersuchung begann am 24. Mai. Margarethe Poirier, ein Mädchen von dreizehn Jahren, sagte aus, sie habe gewöhnlich mit einem Knaben, Namens Jean Grenier, das Vieh zusammen gehütet. Dieser habe sich öfters vor ihr gerühmt, er könne sich, so oft er wolle, in einen Wolf verwandeln, er habe schon öfter Hunde getötet, ihr Blut getrunken und ihr Fleisch gegessen. Es schmecke aber bei Weitem nicht so gut, wie das Fleisch kleiner Kinder. Vor einiger Zeit habe er ein Kind getötet, wenige Stücke davon selbst verzehrt und das Übrige einem Wolf, der sich gerade in seiner Nähe befand, hingeworfen, etwas später noch ein kleines Mädchen, die er bis auf die Arme und Schultern ganz und gar verzehrt habe.

Sie erzählte weiter: »Eines Tages, als ich das Vieh hütete, warf sich ein wildes Tier auf mich, erfasste mich in der Gegend der rechten Hüfte am Kleid und zerriss es mit scharfen Zähnen. Ich schlug das Tier mit einem Stock auf den Rücken. Es war dicker und kürzer als ein Wolf, das Fell war rot, es hatte einen kurzen Schwanz, der Kopf war kleiner als der eines Wolfes. Nach den Schlägen entfernte sich das Tier einige Schritte, setzte sich wie ein Hund auf den Hintern und starrte mich mit wütendem Blick an, sodass ich aus Angst floh.«

Jeanne Gaboriant, 18 Jahre alt, sagte aus: Als sie eines Tages mit anderen Mädchen das Vieh gehütet hatte, ist Jean Grenier mit der Frage zu ihnen gekommen, welche von ihnen die Schönste sei. Auf die Frage, warum er das wissen wolle, erwiderte ihr Grenier: »Ich will sie heiraten, und wenn du es bist, so will ich dich heiraten.« Als sie ihn fragte, wer sein Vater sei, und warum er so schwarz aussehe, erwiderte er, sein Vater sei ein Priester, und das schwarze Ansehen käme vom Tragen einer Wolfshaut, die habe er von einem gewissen Pierre Labourant empfangen. Das sei ein Mensch mit einer eisernen Kette um den Hals, an der er fortwährend nagte. In seinem Haus säßen brennende Menschen auf Stühlen, andere lägen auf Betten und flammten weithin, andere rösteten Menschen und legten sie über Feuerblöcke, andere steckten in großen Kesseln, das Haus und das Zimmer seien sehr groß und ganz finster. Er selbst könne sich mit seiner Wolfshaut in einen Wolf oder in ein anderes Tier verwandeln und liefe bei abnehmendem Mond jeden Montag, Freitag und Sonnabend täglich eine Stunde gegen Abend und gegen Morgen mit neun anderen Nachbarn, deren Namen er teilweise nannte, als Wolf umher, indem er Hunde und kleine Kinder, die ihm besser schmeckten, anfiele und verzehrte.

Das mit Jean Grenier angestellte Verhör ergab, dass er dreizehn Jahre alt und der Sohn eines armen redlichen Arbeitsmannes, dass er seit drei Monaten von seinem Vater entfernt und als Viehhüter bei mehreren Herren im Dienst gewesen sei. Er sagte ferner aus: »Als ich zehn oder elf Jahre alt war, hat mich unser Nachbar Duthillaire in der Tiefe eines Waldes einem schwarzen Mann vorgestellt, der sich Herr vom Wald nannte, der mir mit einem Nagel ein Zeichen auf den Hintern eindrückte und mir und Duthillaire Salbe und eine Wolfshaut übergab. Seitdem bin ich als Wolf umhergelaufen.«

Die Aussage von Margarethe Poirier ist richtig.

Über die Kinder befragt, die er als Wolf getötet und verzehrt habe, gab er an, er sei einmal auf dem Weg von Coutras nach St. Anlaye in einem Dorf, dessen Namen er nicht mehr wisse, in ein ödes Haus hineingegangen, habe ein Kind aus einer Wiege gerissen und es hinter einem Zaun im Garten größtenteils verzehrt; den Rest habe er einem Wolf überlassen. Ebenso habe er bei dem Kirchspiel St. Antoine du Pizon ein kleines Mädchen in einem schwarzen Kleid, welche die Schafe hütete, angefallen und vor ungefähr sechs Wochen noch ein anderes Mädchen in der Nähe eines Steinbruches; in Eparon die Hündin eines gewissen Millon, die er auch getötet hätte, wenn Millon nicht mit dem Degen dazu gekommen wäre. Als Wolf habe er eine Wolfshaut, müsse sich aber vorher erst mit der Salbe nackt einreiben. Er sei viermal mit Duthillaire zusammen umhergelaufen, ohne aber zu töten. Sein Vater habe ihn mehrmals eingerieben und sei ihm beim Anziehen der Wolfshaut behilflich gewesen. Auch er besitze eine Wolfshaut und habe mit ihm gemeinschaftlich beim Dorfe Grilaud ein Mädchen, das die Gänse hütete, aufgezehrt.

Seine Stiefmutter habe sich von seinem Vater deshalb getrennt, weil sie einmal gesehen hatte, dass er Füße von Hunden und die Hände von kleinen Kindern ausgebrochen habe.

Er fügte noch hinzu, dass ihm der Herr vom Wald streng verboten habe, an dem Nagel des Daumens seiner linken Hand zu nagen, der auch viel dicker als die Übrigen war, dass ihn dieser niemals aus den Augen verloren und dass er sogleich seine menschliche Form wieder habe annehmen müssen, sobald ihn dieser nicht mehr mit seinen Blicken verfolgte.

Die Aussagen der Eltern der angefallenen und gemordeten Kinder waren ganz übereinstimmend in Bezug auf den angegebenen Ort, Zeit, die Wunden der Kinder usw. Man konfrontierte ihn, er wurde wiedererkannt. Bei dem ersten Zusammenstellen mit seinem Vater änderte er vielerlei in seinen Aussagen. Man sah, dass die lange Dauer des Gefängnisses ihn schwachsinnig gemacht hatte.

Bei der zweiten Konfrontation bestätigte er seine früheren Aussagen. Grenier, der Vater, gegen dessen Sittlichkeit nicht das Geringste vorlag, wurde nach einer Untersuchung aus dem Gefängnis entlassen.

Ehe das Parlament sein Unheil aussprach, entwickelte der Erste Präsident d’Affis in einer glänzenden Rede, in der alle Fragen über Zauberei, über die Unmöglichkeit der Verwandlung in Tiere berührt wurden, die Gründe, weshalb Grenier nicht mit dem Tod zu bestrafen sei. »Der Gerichtshof«, sagte er, »hat auf das Alter und die Imbezillität dieses Kindes Rücksicht genommen, welches so stupide und so sehr Idiot ist, dass Kinder von sieben bis acht Jahren gewöhnlich mehr Überlegung haben. Er ist so wenig entwickelt, dass man ihn für zehnjährig halten würde; der Gerichtshof hofft noch seine Besserung … Grenier wird verurteilt, lebenslänglich in einem der Klöster in Bordeaux eingeschlossen zu werden; seine Entweichung soll mit dem Tode bestraft werden.

In der ersten Zeit seiner Einsperrung lief Jean Grenier mit großer Leichtigkeit auf allen vieren. Er verschlang oft die noch blutigen Eingeweide von Fischen.

Delancre sah ihn sieben Jahre nach seiner Verurteilung. Er fand ihn klein, sehr scheu, er wagte niemanden ins Gesicht zu sehen; die Augen tiefliegend, die Zähne lang, breit und nach hinten stehend, die Nägel schwarz, lang und an einzelnen Stellen abgenutzt. Sein Verstand schien ganz eingetrocknet, er konnte die einfachsten Dinge nicht begreifen. Er erzählte Delancre, dass er früher als Wolf umhergeschweift wäre, und gestand, er hätte jetzt noch Neigung, das Fleisch kleiner Kinder zu verzehren, am liebsten das kleiner Mädchen, weil es zarter wäre. Zweimal hätte ihn in seiner Gefangenschaft der Herr vom Wald besucht. Er hätte ihn aber durch das Zeichen des Kreuzes verjagt. Grenier starb in seinem zwanzigsten Jahr im Kloster des cordeliers.

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