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Der Welt-Detektiv Band 6

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Nick Carter – Nick Carters beste Maske – Kapitel 2

Nick Carter
Nick Carters beste Maske

Kapitel 2

Auf der Fährte des Verbrecherkönigs

Hinter Nick Carter lagen schreckliche Stunden, während deren er im Aufgebot seiner gesamten geistigen und körperlichen Energie nicht nur sich selbst aus einer ihm hinterlistig von Morris Carruthers gelegten Falle befreit, sondern es durchzusetzen verstanden hatte, die beiden Übeltäter in ihrem Versteck aufzuspüren und gefangen zu nehmen.

Nachdem er die von ihm selbst Gefesselten sicher in dem von vier Policemen bewachten Patrolwagen untergebracht wusste, glaubte er auch an sich selbst denken zu können. Auf kürzestem Weg begab er sich nach Hause, um, dort angelangt, sich zunächst durch ein Bad zu erfrischen und dann Schlaf nachzuholen, was er in verflossener Nacht versäumt hatte.

Doch es sollte anders kommen. Kaum hatte Nick Carter das Badezimmer wieder verlassen, als ihm auch schon seine bejahrte Wirtschafterin mitteilte, dass bereits wiederholt vom Polizeihauptquartier durch den Fernsprecher nach ihm gefragt worden sei.

Die Minute darauf stand Nick Carter auch schon vor dem Apparat und ließ sich mit der Polizeizentrale verbinden.

»Hallo, Nick, bist du zu ermüdet, um zu mir herunterzukommen?«, ließ sich Inspektor McClusky durch den Apparat vernehmen.

»Durchaus nicht«, antwortete der Detektiv. »Mein Abenteuer von letzter Nacht liegt mir wohl noch etwas in den Gliedern. Im Übrigen fühle ich mich aber so munter wie ein Fisch im Wasser. Nun, das erzähle ich dir nachher. Was gibt es denn übrigens schon wieder?«

»Carruthers ist entwischt«, berichtete der Inspektor lakonisch.

Nick Carter stand wie versteinert.

»Allmächtiger Himmel!«, entrang es sich dann seinen Lippen. »Können deine Leute nicht einmal einen Gefangenen festhalten, nachdem man ihn gefesselt ihrer Obhut übergeben hat?«

»Es scheint so. Jedenfalls ist Carruthers über alle Berge. So viel steht leider fest!«

»Na, das ist ja eine recht nette Bescherung! Wie war das nur möglich?«

»Komm herunter zu mir, Nick, und du sollst alles hören. Übrigens wird dir wenigstens Isaak Meadows keine Scherereien mehr machen.«

»Well, das ist wenigstens ein Trost. Lass ihn nicht am Ende auch noch fortlaufen!«

»Unbesorgt, der läuft nicht mehr fort – er ist tot!«

»Tot?«

Vor Überraschung hätte der Detektiv fast das Hörrohr fallen lassen. »Aber ich bitte dich, George, nur keine unzeitigen Witze!«, verwahrte er sich dann.

»Mir ist es gerade ums Witzemachen zu tun!«, brüllte der Inspektor förmlich durchs Telefon. »Meadows ist tot, erstochen von seinem Busenfreund Carruthers. Damit nicht genug, auch Bob Fitzsimmons, einer meiner ältesten Leute, ist gleichfalls von dem Burschen ermordet worden.«

»Das sind ja erbauliche Neuigkeiten!«, rief der Detektiv kopfschüttelnd. »Dieser Morris Carruthers gibt sich wirklich nicht mit Kleinigkeiten ab; er mordet gleich en gros. Weißt du, was aus Paul Lafont geworden ist, deinem Musterdetektiv, den du diesen Carruthers beschatten ließest?«

»Keine Idee – hoffentlich nichts Schlimmes? Ich bin über das rätselhafte Ausbleiben des sonst so pflichtgetreuen Mannes ohnehin schon besorgt!«, rief der Inspektor zurück.

»Well, der arme Lafont wird sich nicht mehr zum Rapport bei dir melden. Unter den Trümmern des Hauses an der Boston Road, welches Carruthers vergangene Nacht niedergebrannt hatte, um jede Spur seines Verbrechens zu verwischen, liegt die Leiche des von ihm ermordeten Lafont!«

»Großer Himmel, Nick. Paul Lafont ermordet?«, schrie Inspektor McClusky entsetzt.

»Ja, er erschoss ihn. Seine Leiche liegt in einem Brunnenschacht unter dem Keller des heute Nacht von Carruthers Hand in Brand gesteckten Hauses. Das erzähle ich dir alles später ausführlicher. Carruthers und Meadows glaubten auch, mich für immer unschädlich gemacht zu haben. Doch es gelang mir, sie davon zu überzeugen, dass sie sich geirrt hatten.«

»Du bist wie eine Katze, Nick, die muss man auch neunmal totschlagen. Doch komme bitte gleich herunter. Ich bin mal wieder mit meinem Latein am Ende! Schluss!«

Nick Carter hängte das Hörrohr wieder auf, machte sich ausgangsfertig und begab sich unverzüglich zum Polizeihauptquartier. Unter ausgangsfertig verstand der berühmte Detektiv nicht nur die Straßenkleidung im gewöhnlichen Sinne des Wortes; äußerlich unterschied er sich freilich nicht im Geringsten von den übrigen Straßenpassanten, doch in Wirklichkeit war er eine Art wandelnden Arsenals. Außerdem trug er eine Anzahl merkwürdiger Instrumente seiner eigenen Erfindung in den Taschen. Werkzeuge, um deren Besitz ihn füglich jeder berufsmäßige Einbrecher beneiden durfte, denn es befanden sich Dietriche und Sprengeisen darunter, welchen sich weder Schloss noch Stahlpanzer noch Steinmauern und elektrische Alarmapparate zu widersetzen vermochten.

Die Unterredung mit seinem Freund, dem Polizeiinspektor, brachte Nick Carter nur eine dürftige Ausbeute, die wenig genug zur Aufklärung der unerhörten Tatsache beitrug, dass es dem gefesselten und scharf bewachten Morris Carruthers gelungen war, nicht nur seinen Mitgefangenen und den gleichfalls im Patrolwagen sitzenden Policeman zu erdolchen, sondern mit dem Letztgenannten auch den Rock zu tauschen, seinen Platz einzunehmen und vor dem Hauptquartier angelangt an seiner Statt den Patrolwagen zu verlassen, die Hallen des weitläufigen Gebäudes zu durcheilen und dieses durch einen Hinterausgang wiederum zu passieren.

Carruthers war von Nick Carter selbst gefesselt worden. Er hatte ihm die Hände auf dem Rücken geschlossen und ihm außerdem um die Fußknöchel Fesseln angelegt. Die stählernen Hand- und Fußschellen waren im Wagen vorgefunden worden. Sie zeigten keine Spur von Verletzung und mussten ordnungsgemäß geöffnet worden sein. Die Vernehmung Creamers ergab, dass der Patrolwagen an der oberen 3. Avenue vielleicht eine Viertelstunde, unter Umständen etwas länger, gehalten hatte. Die dort stattgefundene Explosion war geeignet gewesen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das von einer Anzahl Familien bewohnte Tenementhaus, in welchem der Drogerieladen im Erdgeschoss den Feuerherd bildete, hatte einer einzigen Flammensäule geglichen. Schreie und Wehklagen hatten die Luft erfüllt, und die Feuerwehr hatte die verzweifelten Versuche gemacht, um die Bewohner der verschiedenen Stockwerke, welche händeringend in den rauchverhüllten Fensteröffnungen gehangen und wahnwitzig um Hilfe geschrien, zu retten. Kein Wunder, dass dieses furchtbare Schauspiel den Blick der den Patrolwagen begleitenden Policemen auf sich zog. Vermutlich hatte auch der im Wageninnern sitzende Bob Fitzsimmons den Hals nach der hinteren Wagenöffnung gestreckt, um besser sehen zu können.

Diese Gelegenheit nun musste Morris Carruthers benutzt haben, um handelnd einzugreifen. Er mochte sich mit seinem Mitgefangenen durch Blicke verständigt haben, hatte sich dann Rücken an Rücken mit ihm gesetzt und ihm die Handschellen so dicht an die Finger gebracht, bis der ebenfalls mit auf dem Rücken gefesselten Händen sitzende Meadows die Verschlussfeder niederzudrücken vermocht und die Handfessel seines Kumpans sich geöffnet hatten.

Obwohl Nick Carter seine Gefangenen nach Waffen durchsucht hatte, musste Carruthers in seinen Kleidern doch noch ein Stilett verborgen haben. Er verfügte über wahre Bärenkräfte und stand im Ruf, einer der geübtesten Boxer zu sein, war somit imstande, mit einem einzigen Schlage jemand lautlos niederzustrecken.

Sicherlich hatte er seine Geschicklichkeit auch an dem Schädel des unglücklichen Patrolman Fitzsimmons probiert, denn der Polizeiarzt hatte eine solche Verletzung an dem Toten bereits festgestellt. Doch damit noch nicht zufrieden, hatte Carruthers dem Unglücklichen die Dolchklinge dreimal bis zum Heft ins Herz gestoßen. Nun hatte er sich den Anschein gegeben, seinen Kumpan zu befreien. Doch da er die Unmöglichkeit eingesehen hatte, dass sie beide aus dem Patrolwagen entschlüpfen konnten, so hatte er im Selbsterhaltungstrieb nicht gesäumt, seinen Mitgefangenen auf dieselbe Weise wie Bob Fitzsimmons zu beseitigen. Begünstigt durch das im Inneren des Patrolwagens herrschenden Dunkel und die durch die Schrecken der Explosion abgelenkte Aufmerksamkeit des pflichtvergessenen Policeman Creamer hatte der tollkühne Verbrecher, der ohnehin einen dem Uniformtuch der New Yorker Polizei ähnlichen blauen Anzug getragen, den Uniformrock des ermordeten Fitzsimmons angezogen und dessen Helm aufgesetzt, während er dem Toten seinen eigenen Rock und Kopfbedeckung gegeben und auf den von ihm selbst früher innegehabten Platz gehoben hatte.

Als Creamer seine Aufmerksamkeit wieder dem Wageninneren zugewendet hatte, war die grausame Tat bereits vollbracht und nichts Ungewöhnliches mehr zu sehen gewesen. Fitzsimmons, ein ältlicher, leidender Mann, mochte unterwegs schon häufig gehustet und vielleicht mit dem Taschentuch Blut von den Lippen gewischt haben. Darauf bauend, hatte Carruthers beim Verlassen des Wagens ein Taschentuch vor die Lippen gehalten, dadurch sein Gesicht unauffällig verdeckt. Es war ihm in der Tat gelungen, auf solche Weise sein Entkommen zu bewerkstelligen.

Die Verübung einer solch unerhört kühnen wie teuflisch grausamen Tat war Morris Carruthers ohne Weiteres zuzutrauen, zumal er alles zu gewinnen und nichts mehr zu verlieren hatte. Die Ermordung des unglücklichen Detektivs Paul Lafont brachte ihn zweifellos auf den elektrischen Stuhl. Missglückte der von ihm geplante Doppelmord im Patrolwagen, so konnte das die seiner harrende Strafe nicht mehr verschärfen, im anderen Falle aber winkte ihm die Freiheit – und der Erfolg hatte ihm Recht gegeben. Durch die unglaubliche Nachlässigkeit Creamers hatte der flüchtige Verbrecherkönig – wie Nick Carter ihn getauft hatte – mindestens eine halbe Stunde Vorsprung gewonnen. Das bedeutet für einen derart gefährlichen Menschen wie Morris Carruthers in der Millionenstadt New York nahezu sichere Rettung.

Immerhin war nichts ungeschehen geblieben, um des Flüchtlings wieder habhaft zu werden. Es waren sämtliche Polizeistationen von Groß-New York telefonisch benachrichtigt worden. An jeder der zahllosen Straßenecken der Riesenstadt befand sich ein Policeman auf Posten, der, im Besitz einer genauen Personalbeschreibung des Verbrechers, jeden Straßenpassanten genau zu beobachten beauftragt war. Ebenso befanden sich an sämtlichen Hoch- und Tiefbahnstationen Doppelposten, welche die ein- und ausströmende Menge nur darauf hin zu betrachten hatten, ob sich unter ihr ein Morris Carruthers gleichender Mann befand. Auch wurden die Dampffähren und die Anlegeplätze der verschiedenen Dampfschifflinien bewacht.

»Well«, meinte Nick Carter, als er sich endlich von Inspektor McClusky wieder verabschiedete. »Es war unsere Pflicht, all diese Überwachungsmaßregeln anzuordnen, aber sie sind sicherlich vollständig unnütz. Dieser Morris Carruthers ist ein Verbrechergenie ersten Ranges, der ganz genau weiß, was für Schritte die Behörden tun werden. Er geht nicht in solch plumper Weise auf den Leim, sondern hält sich in sicherem Versteck, bis die erste Erregung sich wieder gelegt hat. Nun, zunächst werde ich einmal dem eleganten Apartmenthotel Undine, wo er eine luxuriöse Junggesellenwohnung inne hat, einen Besuch abstatten.«

»Großartige Idee!«, warf der Inspektor sarkastisch ein. »Wetten wir, dass er dich dort erwartet?«

»Das wohl weniger«, versetzte der Detektiv unbeirrt. »Ich verspreche mir von einem solchen Besuch auch wenig Erfolg. Immerhin könnte man gewisse Anhaltspunkte gewinnen. Mich soll es nämlich nicht wundern, wenn dieser Carruthers auch noch ein anderes Absteigequartier hat, in welchem er sich so sicher wie im Mutterschoß fühlt. Vielleicht sitzt er dort gerade behaglich beim Kaffee und lacht uns aus. Wer kann das wissen … Dieser schlaue Fuchs scheint übernatürliche Kräfte zu besitzen. Haben ihn nicht meine Jungen so gut wie deine Leute schon seit Wochen beschattet – und was war das Resultat?«

»Ich will mich aufhängen lassen, wenn wir diesen Morris Carruthers nicht als einen Mann von einwandfreier Lebensführung kennen gelernt haben!«, brummte der Inspektor verdrießlich. »Von Mitternacht bis zum nächsten Mittag weilte er regelmäßig im Undine – und von da bis Mitternacht hielt er sich in erstklassigen Clubs auf. Kurzum, er führte das Leben eines reichen Lebemannes.«

»Scheinbar, Freund McClusky, scheinbar!«, widersprach der Detektiv, seine Worte förmlich unterstreichend. »Ich habe so eine Ahnung, als hätte dieser Carruthers uns sämtlich hinters Licht geführt. Während wir ihn friedlich im Undine glaubten, verübte er anderswo vielleicht jene Verbrechen, deren Entschleierung heute noch ungelöste Rätsel darstellen … well, das sind aber nur Vermutungen. Dagegen habe ich die positive Gewissheit, dass ich diesen Morris Carruthers all seiner Klugheit ungeachtet wieder zur Strecke bringen werde … und damit Gott befohlen!«

»Willst du nicht einige von meinen Leuten mitnehmen?«, rief ihm der Inspektor nach.

»Wohin? Zum Undine – um die Geschichte ja recht auffällig zu machen?«, rief der Detektiv lachend zurück. »Nicht einmal meine eigenen Leute … wozu auch? Die paar Zimmer sind bald durchsucht … und was ich dann unternehmen werde, steht noch nicht fest. Ich weiß nur, dass man diesen Carruthers nicht durch ein Kesseltreiben zur Strecke bringen kann … man muss sich an ihn heranpirschen … wie, wann und wo – das wird die Zukunft lehren!«

Damit verließ Nick Carter das Polizeihauptquartier, um sich unverzüglich zu der bisherigen Junggesellenwohnung des Flüchtlings zu begeben.

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