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Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 8

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Achtes Kapitel

Der Fontänenhof

An dem Morgen nach dem oben erwähnten ereignisreichen Abschnitt in seinem Leben stand unser neuernannter Ritter in nachdenkender Stellung neben dem schönen Springbrunnen, der mit zwei schönen Statuen verziert war, welche die Göttin der Liebe und ihren Sohn vorstellten, und, wie schon oben gesagt, den Mittelpunkt des großen Vierecks des Palastes Theobalds bildete. Sir Jocelyn horchte auf das Plätschern der schimmernden Wasserstrahlen, die sich in die Luft erhoben und in das breite Marmorbecken zurückfielen. Er schien von dem angenehmen Geräusch beruhigt zu werden. Seine Brust war von verschiedenen streitenden Gemütsbewegungen aufgeregt worden. In unglaublich kurzer Zeit hatten sich Ereignisse zugetragen, wovon einige auf seine ganze künftige Laufbahn Einfluss nehmen konnten, während eine derselben, obwohl es ihn viel weiter geführt, als er je hatte erwarten können, seine Aussichten auf Glück gänzlich zerstören zu wollen schien.

Obwohl die Schwierigkeiten, die ihn umgaben, auf unerwartete Weise durch die Anstrengungen des Grafen von Gondomar überwunden wurden, der seinen ersten glücklichen Erfolg mit wunderbarer Sicherheit und Beharrlichkeit verfolgte und durch alle Kunstgriffe, die ihm zu Gebote standen, seinen Schützling beim König noch weiter in Gunst zu setzen gewusst hatte, ohne dass der Schützling selber gewahr wurde, auf welche Weise es geschah. Obwohl Jakob bei dem Bankett am Abend, wozu er durch die geschickte Anordnung des spanischen Gesandten eingeladen wurde, großen Gefallen an ihm zu finden schien und ihm so ausgezeichnete Aufmerksamkeit widmete, dass der Neid und die Eifersucht der meisten Hofleute dadurch erregt wurden; obwohl er auf gutem Wege zu noch größerer Gunst schien und schon als ein neuer Günstling betrachtet wurde, der alle anderen über ihm in dieser beständig wechselnden Sphäre verdrängen könne, wenn er nicht eine Hemmung erfahre; obwohl seine gegenwärtige Stellung verhältnismäßig sicher und seine Aussichten glänzend waren, fühlte er sich unruhig und unzufrieden mit sich selbst. Er konnte sich nicht von allem Tadel freisprechen wegen der Rolle, die er, wenn gleich unfreiwillig, bei der Verhaftung Hugo Calveleys gespielt hatte. Es war unaussprechlich schmerzlich für ihn, und er empfand es als einen Vorwurf, wovon er sich nicht frei machen konnte, wenn gleich unerwartet, durch den Fall des unglücklichen Puritaners gestiegen zu sein. Wie konnte er Aveline je wieder vor Augen treten! Sie musste ihn mit Abscheu und Entsetzen als die unfreiwillige Ursache des Unterganges ihres Vaters betrachten. Eine Schranke war zwischen sie gestellt, die nichts je entfernen konnte. Und wenn er gleich einerseits plötzlich weit über seine Hoffnungen erhoben worden war, so war er doch andererseits ebenso plötzlich wieder niedergeworfen und bedroht worden, auf immer des Segens beraubt zu werden, den er vor Augen hatte und nach dessen Besitz er mehr als nach Reichtum oder Größe strebte. Seine Lage wurde durch den Umstand noch verwickelter, dass er auf Gondomars Bitte, um die er ebenso wenig wie die Übrigen wusste, zum Wächter Hugo Calveleys bestimmt worden war, bis dieser, der noch in der Wohnung des Portiers gefangen gehalten wurde, nach dem Befehl Seiner Majestät entweder in den Tower oder in das Fleetgefängnis geschickt werde. Diesen Posten würde er ab gelehnt haben, wenn irgendeine Möglichkeit dazu vorhanden gewesen wäre. So wurde jeder Plan, die Flucht des Gefangenen zu begünstigen, völlig vereitelt, da er seine Pflicht nicht verletzen konnte. Wahrscheinlich hatte ihm der listige Gesandte in jener Absicht die Anstellung verschafft. In der Tat war er unbewusst eine Puppe in den Händen des listigen Spaniers geworden, der die Drähte anzog, die ihn nach Gefallen in Bewegung setzten, ohne auf die Folgen zu achten. Was Gondomars eigentlicher Plan mit ihm war, hatte sich noch nicht deutlich gezeigt.

Diese verwirrenden Gedanken gingen durch Sir Jocelyns Kopf, als er neben dem marmornen Springbrunnen stand und auf das Geräusch des fallenden Wassers horchte.

Während er so beschäftigt war, bemerkte er zwei Personen, die aus dem bogenförmigen Eingang hervorkamen, der sich in der Nähe der Wohnung des Portiers befand, wo der Gefangene war, und langsam über das Viereck auf den Säulengang an der östlichen Seite zugingen, wo der Staatssekretär Sir Thomas Lake seine Zimmer hatte.

Die vorderste Person war nur ein Wächter und würde keinen Augenblick Sir Jocelyns Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, wäre er nicht von einem Frauenzimmer begleitet gewesen, welches er zu den Gemächern des Sir Thomas Lake führte, da Sir Jocelyn nicht nur sah, wie er darauf hindeutete, sondern auch hörte, wie er den Namen des Staatssekretärs erwähnte.

Etwas flüsterte ihm zu, dass dieses dicht verhüllte Frauenzimmer, deren Gesicht mit einem Tuch umwickelt war, Aveline sei. Es war nur wenig von ihren lieblichen Zügen zu sehen, aber dies wenige überzeugte ihn, dass nur sie es sein könne, und wenn er hätte bezweifeln können, dass es Aveline sei, so würde die Plötzlichkeit, womit sie ihren Blick abwendete, als sie ihn sah, und die Schnelligkeit, womit sie weiterging und ihrem Begleiter fast vorauseilte, vereint mit dem Klopfen seines Herzens ihn überzeugt haben, dass er recht habe. Er würde ihr nachgeeilt sein, wenn er es gewagt hätte; er würde alle seine leidenschaftlichen Gefühle ausgesprochen haben, wäre es ihm gestattet gewesen; aber seine Furcht hielt ihn zurück, und er blieb wie eingewurzelt stehen und sah ihr nach, bis sie in den großen Vorsaal im unteren Stock unter den Gemächern des Staatssekretärs eintrat. Warum sie Sir Thomas Lake aufsuchte, konnte er leicht begreifen. Nur von ihm war die Erlaubnis zu erhalten, ihren Vater zu besuchen.

Nachdem er einige Minuten unentschlossen gewesen war, während welcher das prachtvolle Gebäude um ihn her gleich einer Erscheinung seinen Blicken entschwand und er das angenehme Plätschern des Springbrunnens nicht mehr hörte, begab er sich zu dem großen Vorsaal in der Nähe des Säulenganges, in der Absicht, ihre Rückkehr abzuwarten.

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