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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 20

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Zwanzigstes Kapitel

Der amerikanische schwarze Bär

Nachdem wir einige Zeit darauf verwendet hatten, die Pferde wieder einzufangen, luden wir den Bären auf Jakes Wagen und setzten unsere Reise fort. Schon war jedoch der Abend nahe, und wir machten daher bald nachher Halt und schlugen unser Lager auf. Der Bär wurde in sehr kurzer Zeit von Ike und Redwood abgezogen. Natürlich bestand aus Bärenfleisch das Hauptgericht unseres heutigen Abendessens. Mancher mag dies für ein etwas wildes Nahrungsmittel halten, ich für mein Teil beneide aber doch jeden, dem eben ein Bärenschinken zu Gebot steht.

Wir sprachen an diesem Abend von fast nichts anderem als von Meister Petz. Es kam eine hübsche Menge von Anekdoten über das Tier zum Vorschein. Mit Ausnahme des Doktors, Jakes und Lantys hatte jeder von uns einiges über diesen Gegenstand zu sagen, denn wir alle hatten bereits mehr oder weniger Übung in der Bärenjagd gehabt.

Der schwarze oder amerikanische Bär gehört zu den am besten bekannten seines Geschlechts und wird am öftesten in Menagerien und zoologischen Gärten gesehen, weil er häufig in einem Land gefunden wird, das mit anderen Völkern fortwährend in Handelsverbindungen steht. Deshalb wird er auch oft lebendig eingefangen und nach allen Weltgegenden hin verschickt. Jedermann kann ihn auf den ersten Blick von dem europäischen braunen Bären sowie von den anderen Bären des östlichen Kontinents unterscheiden, nicht nur an seiner Farbe, denn er ist zuweilen auch braun, sondern hauptsächlich an seiner Gestalt und der Dichtheit und Weichheit seines Felles. Ebenso ist er auch von seinen nordamerikanischen Geschlechtsgenossen, deren es drei gibt, nämlich den grauen, den braunen und den Eisbären, leicht zu unterscheiden. Das Haar anderer, großer Bären, mit Ausnahme des Eisbären, ist buschig, und ihre Gestalt meistens plumper und ungalanter. Der schwarze Bär steht in der Tat dem Eisbären in Gestalt sowie in der Beschaffenheit seines Felles näher als jedem anderen seines Geschlechts. Nur ist er weit kleiner, da sein Gewicht selten zwei Drittel eines großen Eisbären übersteigt. Seine Farbe ist gewöhnlich am ganzen Körper tiefschwarz, mit Ausnahme eines gelblichroten Flecks auf der Schnauze, wo das Haar kurz und weich ist. Dieser zierliche Fleck fehlt indessen manchmal, und überhaupt findet man Spielarten des schwarzen Bären von sehr verschiedener Farbe. In einigen Gegenden gibt es braune, in anderen zimtfarbene und noch andere mit weißer Auszeichnung; aber diese Letzteren sind selten. Sie gehören jedoch sämtlich zu derselben Art.

Der schwarze Bär frisst alles Essbare und nährt sich sowohl von Fleisch als auch von Obst, Nüssen und Wurzeln. Seine hauptsächliche Nahrung besteht nicht aus Fleisch, aber zu Zeiten frisst er auch Aas und lebende Tiere. Ich sage absichtlich, lebende Tiere, denn wenn er eine Beute erwischt, so nimmt er sich nicht die Zeit, sie erst zu töten, sondern zerreißt und verzehrt sie bei lebendigem Leibe. Den Honig liebt er ganz besonders und plündert die Bienenstöcke, wo sie ihm zugänglich sind. Selbst im Wipfel eines Baumes finden die Bienen keine Sicherheit vor ihm, wenn der Eingang nur weit genug ist, um seinem Körper das Eindringen zu gestatten. Auch wenn dies nicht der Fall ist, gelingt es ihm nicht selten, denselben vermittelst seiner scharfen Krallen zu erweitern. Er fürchtet sich nur wenig vor den Stichen der erzürnten Bienen. Sein zottiges Haar und sein dickes Fell gewähren ihm hinlänglichen Schutz gegen so unbedeutende Waffen.

Man glaubt, dass der Bär einen großen Teil seiner Zeit damit zubringt, den Wald zu durchschweifen, um Bienenstöcke aufzusuchen. Er ist bekanntlich ein vorzüglicher Baumkletterer und klettert durch Umklammern des Stammes, nicht mithilfe der Krallen wie die katzenartigen Tiere. Wenn er wieder auf den Boden gelangen will, so steigt er mit den Hinterbeinen voran den Stamm hinab, wie ein Sackträger, der eine Leiter herunterkommt.

Der schwarze Bär bewohnt ein ausgedehntes Gebiet, sowohl in Süd- als auch in Nordamerika. Auf dem nördlichen Festland findet er sich in allen bewaldeten Gegenden, vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean, nur nicht in den offenen Prärien. Dort herrscht der graue Bär, obwohl beide die bewaldeten Täler der Felsengebirge bewohnen. Der graue findet sich dagegen nur westlich vom Mississippi und liebt die trockenen, wüsten Gegenden des unbewohnten Westens.

Der braune Bär, ganz übereinstimmend mit dem braunen Bären im Norden Europas, wird nur auf den wilden und baumlosen Strecken angetroffen, welche unter dem Namen des wüsten Landes bekannt sind und sich fast über den ganzen nördlichen Teil des Kontinents von den letzten Bäumen bis zu den Ufern des Eismeeres hinziehen. Auch in dieser Region findet man den schwarzen Bären nicht.

Das Gebiet des Eisbären geht in das des braunen über, und die Wohnplätze des Ersteren erstrecken sich vielleicht bis an den Pol selbst.

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas bildete das Gebiet der jetzigen Vereinigten Staaten den Lieblingsaufenthalt des schwarzen Bären. Es war damals ein vollständig mit dichten Wäldern bedecktes Land und folglich ein passender Wohnplatz für ihn. Selbst heutzutage trifft man noch eine große Anzahl von Bären innerhalb der Grenzen der Ansiedelungen. Es gibt kaum einen Staat, in welchem nicht irgendeine dichte Waldstrecke oder eine Gebirgswildnis den Bären eine Zufluchtsstätte gewährte. Auf dem ganzen Gebiet der Alleghenygebirge finden sich ebenfalls noch schwarze Bären, und es wird noch lange dauern, ehe sie aus jenen Wildnissen gänzlich vertrieben sind. In den westlichen Staaten trifft man sie noch viel häufiger; dort bewohnen sie die düsteren Wälder an den Flüssen und die Niederungen, wo sie sowohl durch das dichte Unterholz als auch durch die sumpfige Beschaffenheit des Bodens geschützt werden. Ihr Lager ist gewöhnlich in einem hohlen Baum, zuweilen in einem umgestürzten Stamm, wenn derselbe groß genug ist und seine Lage nicht leicht von einem vorübergehenden Jäger bemerkt werden kann. Sie lieben auch eine Felsenhöhle zum Lager, wo die Bildung des Landes ihnen einen gedeckten Zufluchtsort bietet, und da sind sie am sichersten; denn wenn ein Bärenbaum oder ein Stamm durch einen Jäger oder Farmer entdeckt wird, so hat der Bär nicht viel Aussicht zum Entkommen. Das Eichhörnchen ist sicher genug, da sein Fang die Mühe des Baumfällens nicht lohnt; aber ein so edles Wild wie der Bär macht ganze Stunden schwerer Arbeit mit der Art reichlich bezahlt.

Der schwarze Bär bringt mehrere Monate des Winters schlafend zu. Die Dauer dieses Winterschlafes hängt von der Kälte des Klimas ab. Je weiter südlich, wird der Zeitraum immer kürzer, bis der schwarze Bär in den tropischen Wäldern, wo der Frost unbekannt ist, das ganze Jahr hindurch umherschweift.

Die Jagd des schwarzen Bären hat nichts Ungewöhnliches. Man hetzt ihn mit Hunden und treibt ihn in seine Höhle oder auf einen Baum, wo man ihn ausräuchert oder den Baum fällt. Wenn er in eine Höhle entwischt, wird das Ausräuchern gleichfalls versucht. Treibt man ihn aber dadurch nicht heraus, so muss man ihn in Ruhe lassen, weil es kein Hund wagt, ihn dort anzugreifen. Der Jäger spürt ihm nicht selten im Wald nach und erlegt ihn durch einen Schuss aus seiner Büchse. Der Bär greift den Menschen nicht an, außer wenn er verwundet oder gestellt wird. Dann ist sein Angriff zu fürchten. Wenn er den Jäger zwischen seinen mächtigen Vordertatzen packt, so hat derselbe die schönste Aussicht, todgedrückt zu werden. Von seinen Zähnen macht er nicht, wie der graue Bär, Gebrauch, sondern er verlässt sich auf die Muskelkraft seiner Beine. Die Nase scheint bei ihm der empfindlichste Teil zu sein und ein alter Bärenjäger wird bei Gelegenheit alles aufbieten, ihn dort zu treffen. Ein Schlag auf die Schnauze hat schon oft den schwarzen Bären gezwungen, seine Beute loszulassen und sich ganz verdutzt zurückzuziehen.

Zuweilen wendet man mit gutem Erfolg die Klotzfalle an. Ihre Einrichtung ist so, dass, wenn der Bär die Lockspeise berührt, ein schwerer großer Klotz auf das Tier herabfällt und ihn entweder totschlägt oder durch sein Gewicht festhält. Diese Art von Falle wird im ganzen nördlichen Teil von Amerika auch von den Pelztrappern beim Zobel- und Hermelinfang in Anwendung gebracht. Natürlich aber wird die Bärenfalle von den schwersten Klötzen gemacht und ist von bedeutender Größe.

Redwood erzählte ein Abenteuer, welches ihm früher einmal zugestoßen war, als er dem schwarzen Bären eine solche Falle gestellt hatte. Er war schlecht dabei weggekommen und man konnte noch ein davon herrührendes Hinken bei seinem Gang bemerken. Wir versammelten uns alle um die brennenden Scheite, um die Geschichte des Trappers mit anzuhören.