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Oberhessisches Sagenbuch Teil 72

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Die Rodmühle unter Höckersdorf

Vor Menschengedenken saß auf der Rodmühle unterhalb Höckersdorf ein blutarmes Bäuerlein, dem ging es hundsübel Jahr aus Jahr ein. Noch niemals im Leben war es eigentlich recht auf einen grünen Zweig gekommen. Die Kundschaft der Mühle nährte es nicht, die Gegend war gar wüst, wild und einsam und somit ging es immer mehr bergab mit seinen guten Tagen. Auf den meisten seiner Äcker wuchsen Dornen und Disteln, aber kein Korn. Die Gebäude bekamen Löcher am Dach- und Fachwerk, dass es zum Erbarmen war, und endlich riss, um das Unglück voll zu machen, eine grausame Windsbraut die elende Scheuer um, in welcher die paar Wägelchen Frucht seither noch geborgen worden waren. Da wollte es nun vollends den Verstand verlieren und zwatzelig werden, denn woher sollte ihm das Geld zum Aufbau kommen? Kein Mensch lieh solch einem armen Schlucker einen Pfennig, das wusste es wohl, denn so sind nun einmal die Menschen, dass niemand gern etwas verlieren will.

Also lief es in seinem Brast hinaus in den nahen Wald, unter welchem just die Mühle liegt. Lange irrte es darin kreuz und quer herum, simulierte und simulierte, wie ihm zu helfen wäre, aber guter Rat war teuer; es fand keinen.

Indessen stieß ein hagerer Grünhut, wie ein Jäger anzusehen, mit ihm zusammen, der hatte zwar ein verwettertes Galgengesicht, aber er war doch gar gesprächig.

Dem erzählte nach und nach das Bäuerlein, wo es der Schuh drückte und welch ein geschlagener Mann es sei.

»Oh«, sagte grinsend der Grüne, »wenn es weiter nichts ist, da bist du vor die rechte Schmiede gekommen; ich bin der Teufel. Verschreib mir im Tod deine Seele und ich bau dir noch diese Nacht eine Scheuer, wie sie auf drei Stund erum und didum niemand hat. Ehe der Hahn morgens kräht, ist sie fertig.«

Als das Bäuerlein zögerte, sagte er: »Schlag ein; wenn die Scheuer vor dem ersten Hahnenkrat nicht dasteht, ist unser Pakt null und nichtig«.

Da wusste jenes nicht, was es tat; wie ein Traum schlug es ein und mit stillem Hohnlächeln über seinen sicheren Fang ging der Teufel davon.

In dieser Nacht gab es ein großes Getöse auf der stillen Hofreite, man wusste nicht, wie es damit zuging, aber dass es nicht mit rechten Dingen zuging, bestranelte (bezweifelte) die Müllersche nun nicht mehr.

«Gelt«, sagte sie zu ihrem ganz malefizierten Gegenteil, »gelt, du schlechter Kerl, der du den Taufbatzen nicht wert bist, du hast mit dem bösen Feind ein Bündnis gemacht? Sehe ich dir es nicht an deinem fahlen Maul an?«

Da gestand der Mann seine Sache ein, und wie ihm so verflucht bang ums Herz sei, dass der geschwinde Teufel die Scheuer vor dem Hahnenkrat fertig bringe, und dann müsse er in der Hölle dafür brennen ewiglich, das wäre doch zu schrecklich.

»Mir fällt was bei«, antwortete die Frau, »gib nur nicht alles gleich verloren, ich will dem Teufel die Suppe schon rechtschaffen versalzen.«

Also ließen sie den Höllenbrand bauen und bauen, soviel er wollte, bis alles fein säuberlich unterm Dach stand und es bald aufs Ende losging. Da schlich sich hehlings die Frau ins Hinkelhaus und begann mit schriller Stimme zu rufen: »Kikeriki, Kikeriki!«

Gleich ward ihr Gickel wacker aus dem Schlaf und schrie auch Kikeriki auf seiner Stange, und immer mehr und lauter, je öfter die Frau ihm darauf Antwort gab.

Dieses Krähen kam dem Teufel sehr ungelegen, denn es war die Scheuer andem vollendet, nur noch zwei Gauplöcher am Giebel standen offen, außer dem fehlte kein Stück mehr. Bei dem ersten Hahnenschrei aber fuhr er heulend und brüllend durch das unvollendete Gefach und war also um den Lohn seiner sauren Knechtarbeit schmählich betrogen.

Die herzhafte Frau hatte ihren Mann aus seinen Klauen gerettet und den Lügner von Anfang weidlich hinters Licht geführt. Von dieser Überlistung schreibt es sich her, dass die Rodmühle überall auch die Teufelsmühle heißt, aber die Müller alle, die drauf sitzen, mögen den Namen nicht leiden, sie wissen warum, und jeder von ihnen sagt: »Schweigt mir still von den alten Geschichten!«