Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Schauernovellen – Der Bierfiedler auf dem Sabbat

Ferdinand Kleophas
Schauernovellen Band 1
Verlag Franz Peter, Leipzig 1843

Der Bierfiedler auf dem Sabbat

Mathias Wilmart war der beste Fiedler der Stadt Hesdin. In keinem Dorf auf drei Meilen in die Runde hätte man lustig getanzt, wenn ein anderer als Mathias Wilmart Bassgeige gespielt hätte. Auch war er eine Person von hoher Wichtigkeit. Er saß bei Hochzeiten neben den Eltern der Neuvermählten. Die junge Frau, welche nach der Sitte des Landes die Gäste während der Mahlzeit bediente, ermangelte nicht, ihm die besten Bissen zu geben. Kurz, wenn er zu reden begann, horchte jedermann hoch auf, denn keiner wusste besser als er eine Geschichte zu erzählen, ein Lied zu singen oder einen fröhlichen Scherz zu sagen.

An einem Winterabend war eine Hochzeit zu Auffin, der Tanz dauerte sehr lange, und schon längst war die Nacht eingebrochen, als Mathias, die Bassgeige, die er mit so viel Talent gespielt hatte, auf den Rücken lud und sich zum Gehen anschickte.

Man machte alle mögliche Versuche, ihn von diesem Entschluss abzubringen.

»Bleibt bei uns, Vater Mathias«, sagte ein jeder, »wir haben Nordwind, es friert Stein und Bein. Der Wald, durch den Ihr gehen müsst, ist von üblen Ruf. Er wird von Wölfen und von Räubern unsicher gemacht, die nicht weniger zu fürchten, der Zauberer, die dort ihren Sabbat halten, nicht zu gedenken sind.«

»Ich habe ein Glas guten Wein im Magen«, antwortete der hartnäckige Greis, »einen guten, gefütterten Mantel auf meinen Schultern und hier in meiner Hand einen dicken, eisenbeschlagenen Stock. Damit trotze ich der Kälte, den Wölfen und Räubern. Was die Zauberer und Teufel anlangt, werde ich sie, wenn ich deren begegne, nach meiner Bassgeige tanzen lassen. Dann werden sie sagen: Corbleu! Wenn die Höllenfiedler wie Mathias Wilmart spielen könnten!«

Nach diesen Worten, worüber die jungen Leute lachten, und die alten, vernünftigeren Leute den Kopf, wie um zu tadeln, schüttelten, ging er mit festem Schritt auf den Steg hin, der durch den Wald und nach Hesdin führt. Er war noch keine halbe Stunde auf dem Weg, als der Himmel, der bis dahin gestirnt war, sich plötzlich mit einer ungeheuren Wolke bedeckte; die Dunkelheit wurde erschrecklich. Alsdann fing der Dorfvirtuose an, sich nach dem guten Bett zurückzusehnen, das man ihm zu Auffin angeboten hatte. Aber zum Umkehren war es zu spät. Übrigens würde man nach seinen Prahlereien nicht ermangelt haben, ihn zu verspotten, indem man sagte, dass die Furcht ihn zurückführte. Er setzte also seinen Weg fort, wurde aber zum Übermaß seines Kummers bald gewahr, dass er den Weg verfehlt hatte.

Was tun? Weitergehen konnte ihn noch mehr irre leiten; sich in seinen Mantel hüllen und unter einen Baum legen, war keine sichere Sache; die Wölfe würden unfehlbar kommen und ihn erwürgen; übrigens, wenn er den reißenden Bestien entging, hätte er vor Kälte umkommen müssen. Während er, die beiden Hände auf seinen Stock gestützt, in einer peinlichen Angst stehen geblieben war, siehe, da gewahrte er plötzlich ein Licht in der Ferne.

»Es leuchtet in einer Holzfällerhütte«, sagte er, »Gott sei gelobt!« Er wollte sich nach der Seite wenden, wo das Licht glänzte; aber es war verschwunden. Er stampfte mit seinem Eisenstock auf den Boden und stieß einen schrecklichen Fluch aus. Seine Lippen sprachen noch die abscheulichen Worte, als das Licht von Neuem erschien.

Nur mit vieler Mühe und nach einem langen und gefährlichen Weg gelangte Mathias an den Ort, woher das Licht kam, auf das er so lange Zeit losgegangen war. Sein Erstaunen bei seiner Ankunft war nicht gering, denn er stand vor einem prächtigen Schloss, von dem er noch nie gehört hatte. Eine prächtige Musik ertönte darin von allen Seiten. Die Tänzer, welche jeden Augenblick vor den Fenstern vorüberkamen, zeichneten ihre schwarzen, flüchtigen Schatten auf den Vorhängen, welche ein rötliches Licht durchsichtig machte.

Er machte mehr als einmal, aber vergeblich, die Tour um dieses unermessliche Gebäude, um das Eingangstor zu suchen. Er verzweifelte schon, es zu finden, als plötzlich ein alter Mann dazu kam und ins Horn stieß. Eine Zugbrücke, welche Mathias bis dahin nicht bemerkt hatte, ließ sich sogleich schnell herab und der Dorffiedler drang, dem Greis folgend, in die Burg.

Er war ganz erstaunt, sie mit einer unglaublichen Menge Leute angefüllt zu sehen: Die einen nahmen teil an einem glänzenden Mahl; die anderen spielten Hasardspiele, die größte Zahl tanzte, indem sie ein betäubendes Geschrei ausstieß.

Mathias ging mit Entschlossenheit auf einen Mann los, der von stattlichem Wuchs war und welchen er für den Herrn des Schlosses an der Art erkannte, wie er Befehle erteilte und an dem Gehorsam, den man ihm zollte.

»Gestrenger Herr«, sagte er zu ihm, »ich bin ein armer Dorfmusikus, der sich im Wald verirrt hat. Erlaubt mir die Nacht in einem Winkel Eurer Burg zuzubringen. Ich werde morgen bei Anbruch des Tages wieder abziehen.«

Der, zu welchem Mathias sprach, antwortete nur durch ein Zeichen des Wohlwollens und der Zustimmung. Auf seinem Befehl kam ein Page und nahm die Bassgeige des Fiedlers und hing sie an einen der goldenen Nägel, welche auf dem reichen Tapetenwerk des Saales zu finden waren. Während er dieses verrichtete, lächelte der Page auf eine infernalische Weise. Die Stelle, wo er das Instrument berührte, schwärzte sich sogleich, als ob diese Hand von Feuer gewesen wäre.

Mathias fing an, nach allen Seiten hin zu spazieren und den sonderbaren Ort, wo er sich befand, zu prüfen. Aber er versuchte vergeblich, eine der Personen zu erkennen, von denen er umgeben war. So oft er den Blick auf das Gesicht einer von ihnen heftete, verhüllte ein leichter Nebel dieses Gesicht und täuschte die Neugierde des Greises. Während er sich dieses Wunder zu erklären versuchte, gewahrte er eine Bassgeige. Das Instrument war so schön, dass er Lust bekam, sich derselben zu bedienen und mit den anderen Musikanten zu spielen, denen er gern seine Geschicklichkeit zeigen wollte. Als er nun den Kopf anhob, um die Treppe zu finden, welche ihn auf ihr Orchester führen sollte, wie erschrak er da, als er unter ihnen Barnabas Malassart gewahrte, der seit dreißig Jahren verstorben war und ihm den ersten Unterricht in der Bassgeige gegeben hatte!

»Heilige Jungfrau! Habe Barmherzigkeit mit mir«, rief er aus.

In demselben Augenblick verschwanden die Musikanten, die Tänzer, das Schloss – alles aus seinen Augen.

Den folgenden Tag fanden Leute aus Auffin, welche, klüger als der Bierfiedler, ihre Reise zur Stadt bis zum Tag verschoben hatten, den armen Mann ohne Besinnung am Fuße des Galgens ausgestreckt und einen weißen Bogen in der Hand.

»Der Vater Mathias«, sagte einer von ihnen, »hat einen nicht eben schönen Ort zum Schlafen gewählt.«

»Und einen noch weniger schönen Nagel, um seine Violine aufzuhängen«, erwiderte ein anderer. »Die Bassgeige und der Bogen hängen an der großen Fußzehe eines Gehängten.«

»Hat er befürchtet, dass dieser Leichnam friere?«, fragte ein Dritter, »er hat mit seinem Mantel seine knöchernen Schultern bedeckt.«

»Es ist ein vorsichtiger Mann, der Vater Mathias«, setzte ein Vierter hinzu, welcher den alten Musiker ins Leben zurückzurufen versuchte. »Er hatte zwei Bogen mitgenommen, um nicht in Verlegenheit zu kommen, wenn der eine zerbrechen sollte.«

Als Mathias durch die Bemühungen, welche man an ihn wendete, endlich zu sich kam, schob er die Schuld seines Unfalls auf die Kälte und hütete sich wohl, ein Wort von seinen infernalischen Visionen zu sagen.

Aber in seine Wohnung zurückgekehrt, prüfte er sorgfältig den Bogen, in dessen Besitz er auf eine so sonderbare Weise gekommen war. Ein Schauer überlief ihn bei dieser Prüfung. Der Bogen war nichts anderes als ein mit äußerster Sorgfalt bearbeiteter Totenknochen; man las auf seiner reichen Silberverzierung den Namen eines Bewohners der Stadt, der mit Recht für einen Zauberer und abscheulichen Hexenmeister galt.

Er wartete, bis der Abend kam und begab sich alsdann zu diesem Mann von üblen Ruf.

»Gevatter«, sagte er, ihn bis auf die Erde grüßend, »hier ist ein Bogen, der Euch gehört, denke ich. Ich habe ihn zufällig gefunden und bringe ihn Euch zurück.«

Der Nachbar wurde blass bei diesen Worten und stand einen Augenblick, ohne ein Wort zu sagen, so groß war sein Schreck.

»O, o! Meister Mathias«, konnte er endlich murmeln, »Ihr habt vergangene Nacht sonderbare Sachen entdeckt, und ein Wort von Euch könnte mir viel Böses verursachen.«

»Gott verhüte, dass ich es sage, Gevatter!«

»Ihr seid ein braver Mann, Mathias, aber ihr tut gut, zu schweigen. Wenn man mich lebendig verbrennte, – und das würde man gewiss tun, wenn man erführe, dass Ihr mich gesehen habt, wo ihr wisst, – möchte Euch Übles daraus entspringen.«

Mathias stand auf, um zu gehen, aber der Eigentümer des Bogens vom Sabbat ließ ihn wieder setzen.

Indem er sich seinem Ohr näherte, murmelte er mit einer sehr leisen Stimme hinein: »Nachbar, sagt mir, wer sind Eure Feinde? Ich werde diese Nacht einen Zauber auf ihre Tiere werfen oder ihnen selbst eine tödliche Krankheit zufügen, welche Euch von ihnen befreien wird.«

»Ich habe keine Feinde, Nachbar, und Gott verhüte, dass ich meinem Nächsten Böses zufügen wolle.«

»Und womit kann ich euch dienen?«

»Mit nichts, entgegnete der Fiedler, der sich schon außerhalb des Hauses gewünscht hätte, »mit nichts, Nachbar; ich schätze mich glücklich genug, Euch einen so schönen Bogen wieder bringen zu können.«

»Ein sehr schöner Bogen, gewiss, aber ich muss Euch ein Geschenk machen, Vater Mathias.«

»Gib ihm diese Börse, er wird sie nicht erschöpfen, sie wird immer sechs Gulden gutes Geld enthalten.«

Diese Worte wurden von einem Mann von finsterer Gestalt gesagt, der gewiss nicht im Zimmer war, als Mathias eintrat. Wie war er hineingekommen? Man hat es nie begreifen können, denn die Türen waren vom Herrn des Hauses mit Sorgfalt verschlossen worden, damit man nichts von der Unterredung mit Mathias höre.

»Das ist ein Werk des Bösen!«, rief Mathias, »ich will nicht meine Seligkeit aufs Spiel setzen, indem ich es annehme.«

»Es ist ein Talisman«, antwortete der Unbekannte, »ein Talisman, dessen sich ein Christ ohne Furcht bedienen kann.«

Indem er das Wort Christ aussprach, schüttelte ein Schauer all seine Glieder.

»Wenn diese Börse da, ein Werk des Teufels ist, will ich verdammt sein«, fügte er mit höhnischem Lächeln hinzu.

Mathias halb beruhigt, unterlag der Versuchung, Besitzer eines solchen Schatzes zu sein. Er schöpfte so oft aus der wunderbaren Börse, dass er in kurzer Zeit Käufer eines hübschen Hauses wurde und zu leben anfing, wie es der reichste Bürger hätte kaum tun können.

Alle Tage waren Schmausereien und Feste ohne Ende. Indessen fuhr er doch fort, auf den Hochzeiten Tanzmusik zu machen, aber er hatte nun, um sich in die Wohnungen der Brautleute zu begeben, einen guten Maulesel, der einen sanften Schritt ging, und einen Bedienten, der die Bassgeige trug.

Die neue Lebensart des Fiedlers erregte ein großes Geschrei in der Stadt und war die Ursache tausend widersprechender Gerüchte. Die allgemeinste Meinung war, dass Mathias einen unermesslichen Schatz gefunden hätte, welchen er an einem geheimen Ort seines Hauses verberge.

Nun hatte Mathias vier Neffen, liederliche Burschen, denen Mathias wegen ihres Betragens nichts mitteilte.

Diese sagten eines Tages zueinander: »Unser Onkel Mathias ist reich geworden: Wir sind die Einzigen, die ihn beerben…«

Offenbar reichte ein Wort hin, dass diese Gottlosen sich verstanden, denn sie gingen jeder seines Weges, nahmen Armbrüste und kamen wieder, um sich an einem Kreuzweg des Holzes zu verbergen, wo am Abend Mathias vorüberreiten musste.

Der Virtuose konnte seinem Geschick nicht entgehen.

Vier Pfeile warfen ihn tot zur Erde nieder; sein Diener, glücklicher als er, ergriff die Flucht. Die vier Brüder liefen, ohne an diesen Zeugen ihres Verbrechens zu denken, zum Leichnam, um ihn zu berauben und die Erbschaft zu teilen. Ein großer Mann von finsterer Gestalt kam ihnen zuvor, stürzte sich auf den toten Körper und nahm aus seinem Quersack eine kleine Börse und verschwand, indem er rief: »Das ist der Nutzen meiner Geschenke!« Ein scheußliches Lachen folgte diesen Worten.

Während die Meuchelmörder unbeweglich und bestürzt da standen, wurden sie plötzlich vom Richter und seinen Häschern umringt.

Der Diener des Gemordeten war diesen Letzteren auf seiner Flucht im Wald begegnet und überlieferte ihnen nun die Mörder seines Herrn.

Wegen der offenbaren Gewissheit des Verbrechens war die Justiz nicht langsam in Ausübung ihrer Pflicht. Der Richter ließ die Mörder, die Armbrust in den Händen, an den Bäumen aufhängen, hinter welchen sie sich versteckt hatten – und dadurch heißt noch heutzutage dieser Ort der Kreuzweg der vier Brüder.