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Die Suche

Nick Louth
Die Suche

Thriller, Taschenbuch, Ullstein, Mai 2015, 416 Seiten, 12,99 Euro, ISBN: 9783548287362. Übersetzung aus dem Englischen von Peter Friedrich.

Eigentlich hätte es die Sternstunde der jungen Wissenschaftlerin Erica Stround-Jones werden sollen: Bei einer Konferenz für Parasitologie in Amsterdam wird ihr Vortrag mit großer Spannung erwartet, schließlich soll sie einen neuen Weg in der Malaria-Bekämpfung gefunden haben, mit der man der in vielen Fällen tödlich verlaufenden Krankheit beikommen können soll. Doch dann verschwindet Erica plötzlich in der Nacht vor dem Vortrag aus dem gemeinsamen Hotelzimmer, in dem ihr frischer neuer Freund Max Carver friedlich schläft.

Max, ein freischaffender Künstler aus New York, der in Amsterdam gerade seine erste Ausstellung in Europa zeigt, spürt, dass etwas nicht stimmt. Er macht sich auf die Suche nach Erica und findet heraus, dass sie sich nachts noch mit einem alten Freund aus ihrer Forscherzeit in Afrika getroffen hat. Während er selbst unter Verdacht gerät, mit dem Verschwinden seiner Freundin etwas zu tun zu haben, führen ihn seine Nachforschungen in die Amsterdamer Unterwelt und zu der gefahrgeilen Musikerin Lisbeth der Laan. Deren Ex und Gangsterboss mit dem Decknamen Anvil weiß vielleicht, wo sich Erica aufhält.

Zeitgleich geschieht in Amsterdam etwas Seltsames: Eine plötzlich neu aufgetretene und sehr aggressive Form der Malaria, die sich auch über heimische Mücken verbreitet, infiziert immer mehr Menschen in der niederländischen Hauptstadt. Wie gut, dass sich gerade viele Malaria-Experten und Vertreter von Pharmakonzernen in der Stadt befinden. Die Professoren Friederikson und van Diemen suchen zusammen mit der Laborantin Saskia Sivali nach der Herkunft der Pandemie – und nach Möglichkeiten, sie einzudämmen.

In Corona-Zeiten Thriller mit einem Pandemie-Hintergrund zu lesen, hat immer etwas Befremdliches an sich, schließlich hat hier die Realität die Fiktion inzwischen überholt. Die Bekämpfung der neuen Malaria-Form muss sich in Nick Louths Thriller DIE SUCHE allerdings den Platz mit vielen weiteren Handlungssträngen teilen. Louth ist als Wissenschaftsjournalist und ehemaliger Auslandskorrespondent ziemlich nah an der Materie dran, über die er schreibt. Was, das muss man leider deutlich erkennen, im Fall von DIE SUCHE nicht unbedingt ein Vorteil gewesen zu sein scheint.

Denn Louth will viel erzählen in seinem 400-Seiten-Roman: Da ist die Suche nach Erica, ein Blick in die Machenschaften von Pharmakonzernen, verdeckte Polizeiermittlungen und mies gelaunte Bullen, die niederländische Unterwelt, die Welt der modernen Kunst, die Suche nach einem Heilmittel und die Schilderungen aus Ericas Tagebüchern, die von einer brutalen Entführung Anfang der 1990er Jahre in Zaire berichten, wo sich Rebellen gegen die Regierung erheben und ihre Gefangenen mit Demütigungen und Folterung gefügig machen wollen. Wer denkt, dass das zusammen in einem Roman unterzubringen, vielleicht ein wenig zu ambitioniert klingt, behält im Fall von DIE SUCHE absolut recht.

Louths Schwäche liegt nicht in seinen einzelnen Handlungsideen, die sind gut. Er bekommt sie nur sehr schwierig unter einen Hut. Allein der Zaire-Strang hätte einen guten eigenen Roman ergeben und wirkt über lange Zeit wie ein Fremdkörper. Außerdem hat der Autor sein immer umfangreicher werdendes Figurenensemble nicht im Griff. Anstatt auf bestehendes Personal zurückzugreifen, erfindet er wahllos Nebenfiguren, die dann fast zu weiteren Protagonisten aufgebaut werden – wieder zu viel für den überschaubaren Text.

Richtig problematisch wird es dann, wenn Nick Louth seinen Figuren völlig unerwartet neue Facetten andichtet. Max, zunächst sorgender und ruhiger Künstler, wandelt sich binnen eines Absatzes in einen ehemaligen Angehörigen der Küstenwache, der auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückschreckt und dann bei seiner Suche nach Erica immer härter vorgeht. Gleichzeitig wird aus dem Wissenschafts- und Wirtschaftsthriller der ersten einhundert Seiten plötzlich ein Unterweltthriller und dann auch noch ein Bericht postkolonialer Gewalt in Afrika.

DIE SUCHE von Nick Louth bietet zwar viele schöne Ideen und auch interessante Charaktere, ist aber viel zu überfrachtet und überambitioniert. Zudem mangelt es an einer stringenten Figurenzeichnung der Protagonisten: Wendungen werden nicht vernünftig vorbereitet, andere Mitglieder des zu umfangreichen Ensembles stagnieren hingegen und bekommen nicht die Bedeutung, von der der Leser erwartet, dass sie sie bekommen. Hinzu kommt eine unspektakuläre und wenig befriedigende Auflösung, der es leidlich gelingt, die Einzelhandlungen zu verknüpfen. Eine Thriller-Sensation, wie sie der Klappentext verspricht, sieht anders aus.

(sv)