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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XXXVI

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XXXVI. Cheyenne. Reise zu einem wertvollen Pferd. Sombrero unter den Cheyenne. An den Quellen des Horse Creek. Belagerung von Indianern. Rückkehr nach Las Animas mit dem Pferd. Besuch von Geisteskranken. Ein neuer Robinson.

Ungefähr vierhundert Cheyenne machten nun einen Streifzug durch Colorado. Da wir ein feines Pferd, das fünfhundert Dollar gekostet und sich an den Quellen des Horse Creek auf der Ranch des Herrn N. befand, so beschloss ich, es zu holen, ehe die Indianer hinkämen, sattelte also mein bestes Pferd, nahm meine Waffen und machte mich auf den Weg Am zweiten Abend erreichte ich Kit Carson und folgte nächsten Morgen der Kansas-Pacific-Bahn, nahm mein Frühstück auf der Wild Horse Station ein und aß zu Mittag mit meinem Freund, dem Telegrafenbeamten in Arroya. Um sechs Uhr nahm ich mein Abendbrot auf der Station Hugo, achtundvierzig Meilen von Kit Carson, wo ich übernachtete und mein Pferd tüchtig fütterte, denn am nächsten Morgen musste ich Straße und Weg verlassen und querfeldein über die Prärie einen langen Ritt machen, um zu Nʼs Ranch zu gelangen. Den Abend verbrachte ich im Kaufladen, wo sich täglich um diese Zeit die Bevölkerung versammelt, um Tabak zu kauen, Schnaps zu trinken, zu rauchen, zu spielen und die Ereignisse des Tages zu besprechen. Ich fand viele Bekannte, auch hörte ich viele Neuigkeiten von Indianern, die zuletzt auf Horse Creek zusteuernd gesehen worden waren. Es wurde mir abgeraten, die Reise zu unternehmen, was ich aber nicht aufgeben mochte, denn ohne das Pferd hätte ich mich nicht wieder in Las Animas sehen lassen. Gegen ein Uhr ging ich zu meinem Hotel, bestellte für vier Uhr mein Frühstück und begab mich zur Ruhe. Um vier Uhr morgens, nachdem ich mein Pferd gefüttert und gefrühstückt hatte, sattelte ich, und um fünf Uhr hatte ich Hugo Station weit hinter mir gelassen. Mein Weg führte über offene rollende Prärie, von welcher auf einer Seite der Pikes Peak und die Gebirge abstachen. Es war unterhaltend, denn zahllose Herden Antilopen und anderes Wild begegneten mir, als ich so dahintrabte. Gegen Sonnenuntergang erreichte ich die Quellen des Rush Creek, wo die Schafranch eines Herrn Le Roy stand. Da ich vierzig Meilen oder mehr weit gekommen war, nahm ich meinen Sattel vom Pferd, ließ dieses im schönen hohen Gras laufen und ging ins Haus, um etwas in der Esslinie zu finden. Keine lebende Person war da. Es schien, als ob die Ranch in großer Eile verlassen worden wäre, was mich aber wenig kümmerte, denn die Speisekammer war gut verproviantiert. Ich ging sogleich an die Arbeit, mir eine Mahlzeit zu bereiten. Bald war sie gekocht und verspeist. Nachdem ich noch eine Kiste guten Rauchtabak entdeckt hatte, machte ich mich an das Rauchen, setzte mich vor die Tür und ließ es mir gut gehen. Es war schon dunkel, als ich ganz außen in der Prärie Schemen auftauchen sah; ein zweiter Blick versicherte mich, dass es Reiter und noch dazu Indianer waren.

Ich sattelte mein Pferd wieder, steckte meine Taschen voll Tabak, verkürzte meine Steigbügel nach Indianerart, schnallte meinen Hut an den Sattel und ließ mein langes Haar über das Gesicht hängen, worauf ich meinen Weg wieder antrat. Die ganze Prärie war von Indianern belebt, die langsam und auf weitem Umkreis zerstreut daher ritten. Neben mir, vor und hinter mir ritten die tapferen Cheyenne-Krieger, während keiner von unserem Häuptling Sombrero Notiz nahm. Wahrscheinlich hielten sie ihn für einen ihrer eigenen Leute in der Dunkelheit, als er so im langsamen Hundstrab unter ihnen ritt. Schnell durfte ich nicht reiten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Erst als ich mich langsam durchgearbeitet und die dunklen Gestalten hinter mir in Finsternis gehüllt waren, gab ich meinem Pferd die Sporen und sprengte frei aufatmend über die Prairie. Nachdem ich ungefähr elf Meilen zurückgelegt und mich in der Nähe von Nʼs Ranch dachte, bemerkte ich zwei Reiter auf einer Anhöhe, deren Figuren sich deutlich gegen das Firmament abhoben. Aus ihren Bewegungen sah ich sogleich, dass es Weiße waren. Ich ritt die Anhöhe hinauf und war höchstens zwanzig Schritte von ihnen entfernt, ehe sie mich bemerkten, worauf sie sogleich im vollen Galopp auf mich zu sprengten, der eine einen Revolver in der Hand, den er mir vor den Kopf zu halten gedachte. Da aber seine Hand vor Aufregung furchtbar zitterte, so steckte er mir die Pistole bald ins Gesicht, bald hinter die Ohren, wobei er mit einer zaghaften Stimme fragte: »Wo …wo … wo sind Ihre Leute?«

Ich sah ihn lächelnd an und fragte gelassen: »Was für Leute, mein Sohn?«

Darauf wiederholte er die Frage und setzte hinzu: »Ihre Leute, die Indianer!«

Der arme Mensch hielt mich in seiner Aufregung für einen Indianerhäuptling und gedachte wahrscheinlich, mich als Gefangenen zur Ranch zu führen. Dabei hatte ich mein Gewehr vor mir über dem Sattel liegen und er stand während der ganzen Unterredung gerade vor dem Lauf des Gewehres, das auf seinen Magen deutete. Auf seine Frage antwortete ich mild: »Ich habe keine Indianer verloren, suche daher auch keinen«, und sprach weiter, indem ich auf mein Gewehr blickte. »Siehst du diesen Lauf, mein lieber Junge?« Ich donnerte ihn mit den Worten an: »Steck deine Pistole sofort in den Gürtel, sonst sende ich die ganze Ladung meines Gewehres durch deinen Magen.«

Ohne ein Wort gehorchte er und stand verblüfft da, während sein Begleiter, ein unbewaffneter Knabe, sich bereits zurückgezogen hatte. Darauf belehrte ich ihn, was er zu tun hatte, im Fall, dass sich die Indianer sehen ließen, und ritt die Anhöhe hinab zur Ranch des Herrn N., wo ich von einer Gesellschaft alter Bekannter freundlich empfangen wurde. Es waren im Ganzen sechzehn Mann von verschiedenen Ranchen zwischen Horse Creek und dem Arkansas da, die ihre Pferde mitgebracht hatten, um sich hier gemeinschaftlich gegen die Cheyenne zu verteidigen.

In einem Korral waren etwa fünfhundert gute Pferde, in einem anderen viertausend Schafe, die drei verschiedenen Besitzern gehörten, von denen der eine Le Roy war, in dessen Haus ich des Abends gespeist hatte. Vor den Korrals hatten sie in der Eile ein kleines Fort aus Baumstämmen und Erde aufgeworfen, welches aber zu niedrig war, um Schutz zu gewähren. Das Pferd, nach welchem ich gekommen war, hatte Herr N. bereits in den Korral bringen lassen. So hatte ich also weiter nichts zu tun, als zu warten, was kommen würde. Kaum hatte ich etwas gegessen und meine Pfeife angezündet, als ich jemand nach Tabak fragen hörte. Ich rief aus, dass ich massenhaft Tabak hatte. Im Falle, das er nicht reiche, würde ich mehr von meinem Vorrat am Rush Creek holen. Zufälligerweise war es Herr Le Roy, der gefragt hatte. So konnte ich wohl nicht anders, als seinen eigenen Tabak mit ihm zu teilen. Er war sehr erfreut, zu hören, dass die Indianer sein Haus nicht geplündert hatten, denn er musste es in aller Eile verlassen, ohne irgendetwas auf die Seite zu schaffen. Später stellten wir Wachen an den Korrals auf, während die Übrigen sich im Fort mit Rauchen, Plaudern und Schlafen die Zeit vertrieben.

Von zwölf bis zwei stand auch ich meinen Teil an Wache, dann schlief ich bis Tagesanbruch. Wir hatten bereits gefrühstückt und noch hatte sich kein Indianer sehen lassen. Nun aber kam unser Vorposten hereingesprengt und meldete Indianer von allen Richtungen her. Gleich darauf erschienen sie auf dem Hügel vor der Ranch, wo sie durch unser Fort etwas stutzig zu werden schienen, denn sie hatten auf keinen Fall darauf gerechnet, alles so gut vorbereitet zu finden. So oft sich einige zu sehr näherten, konnte man siebzehn Gewehrläufe aus dem Fort herausragen sehen, dann zogen sie sich jedes Mal schnell wieder zurück. Es kamen immer mehr an und wir zählten nahe an vierhundert, lauter junge hübsche Krieger.

Wir hatten beschlossen, unsere Pferde bis aufs Äußerste zu verteidigen, aber auch nicht Feuer zu geben, als im höchsten Notfall, denn käme es zu einem Gefecht, so müssten wir doch bald der Überzahl unterliegen. So verhielt sich die Sache, und da die Cheyenne ebenfalls keine Lust hatten, erschossen zu werden, so wollte keiner von ihnen recht nahe beigehen. Ein junger Braver ritt bis auf vierzig Schritte an die Festung, konnte es aber im Angesicht unserer Gewehrläufe doch nicht lange aushalten und zog sich unter dem Gelächter seiner Kameraden wieder zurück. Einer von unseren Leuten wollte ihn durchaus niederschießen. Da ihm aber N. erklärte, dass er ihm dann sofort eine Kugel durch den Kopf senden würde, gab er es auf. Hatten wir einen der Feinde getötet, so konnten wir mit Gewissheit auf ein Gemetzel rechnen. Von halb sechs bis elf Uhr probierten es die Indianer, uns beizukommen, ohne sich selbst zu viel der Gefahr auszusetzen. Endlich zogen sie ab, im Gehen eine Anzahl Vieh und Schafe niederschießend.

Eine Stunde später kamen neunzig Mann der Denver Garde an. Nachdem sie etwas gegessen hatten, ritten wir alle zusammen los, um zu sehen, wo die Indianer als Nächstens auftauen würden. Indessen gingen sie direkt auf den Arkansas zu und waren allem Anschein nach auf dem Rückzug begriffen. So ritten wir alle zu Nʼs Ranch zurück. Le Roy trieb sogleich seine Schafe nach Rush Creek zurück, während wir bis zum Abend beisammen blieben, denn wir mussten doch so viel wie möglich von dem getöteten Vieh essen. Nach Sonnenuntergang sattelte ich mein Pferd, nahm das andere am Strick und ritt zehn Meilen zum Rush Creek, wo ich noch einige Stunden Schlafes in Le Roys Ranch genoss.

Am anderen Morgen nach dem Frühstück empfahl ich mich wieder und erreichte Hugo zur Zeit des Abendessens, nach welchem ich noch zehn Meilen weiter ging, um dann für die Nacht Halt zu machen. Folgende Nacht brachte ich bei meinem Freunde in Arroya zu, hielt den darauf folgenden Mittag in Kit Carson und erreichte Kiowa Springs spät am Abend. Den darauffolgenden Tag kam ich nach Hause, wo ich freudig empfangen wurde, denn man hatte mich bereits als skalpiert betrachtet. Ich machte es mir wieder gemütlich in meinem Haus, als eines Abends zwei Wanderer um Obdach für die Nacht baten. Ich sah sogleich, dass beide verrückt waren. Da ich nicht in einem Zimmer mit zwei Narren zu schlafen wünschte, so nahm ich die Kuh für die Nacht aus dem Gastzimmer in das Vogelzimmer und übergab Ersteres meinen Gästen, die sich ein Feuer im Kamin anmachten und sich für die Nacht einrichteten. Zum Abendessen rief ich sie in mein Zimmer und nach der Mahlzeit führte ich sie wieder zurück, wo ich sie ansprach: »Meine Herren, da Sie beide verrückt sind, halte ich es für das Beste, Sie bis morgen einzuschließen.«

Ich sperrte die Tür fest zu und ging zu Bett. Sobald das Frühstück am Morgen fertig war, ließ ich sie herauf, worauf sie aßen und sich empfahlen.

Ich hatte schon den ganzen Winter Biberzeichen am Fluss bemerkt. Ich kaufte mir deshalb ein paar Stahlfallen und fing in einer Woche aus einem einzigen Damm neun Biber, deren Felle mir eine ganz hübsche Summe einbrachten. Es war nun wieder Frühjahr geworden. Mein Prinzipal, der mit dem vielen Bauen in der neuen Stadt in Geldverlegenheit geraten war, beschloss, seine Herde zu verkaufen. In dieser Absicht sandte er mir einige Mann und in vier Tagen hatten wir die ganze Herde am Arkansas beisammen, wo wir sie einige Tage hielten, bis der Verkauf abgeschlossen war. Während dieser Zeit zerstreute sich das Vieh nachts und musste bei Tage wieder zusammengetrieben werden. So geschah es, dass ich einen wilden Stier von uns etwa acht Meilen flussauf von der Herde entfernt fand, wo er mit einer Gruppe Vieh lief. Ich trennte ihn schnell von den anderen. Der Stier wollte aber durchaus nicht allein gehen. Da er nicht anders entkommen konnte, sprang er in den Arkansas, schwamm auf die andere Seite über und versteckte sich im Gebüsch. Ich folgte ihm, trieb ihn wieder heraus, worauf er abermals in den Fluss sprang und ich ohne Aufenthalt hinter ihm her. Wir waren in tiefem Wasser und schwammen stromab, er voraus, mein Pferd beinahe neben ihm, während ich bald auf der einen, bald auf der anderen Seite ritt, denn im tiefen Wasser konnte er mir nichts anhaben. Endlich wurde er doch müde und steuerte auf das Ufer zu. Dort stellte er sich sogleich zur Wehr und griff mich an, so oft ich ihm nahe kam. Nun war nichts mehr mit ihm zu machen. Ich war im Begriff, wegzureiten, als der Metzger von Las Animas des Weges kam, an welchen ich das Tier, wie und wo es stand, verkaufte.

Auf dem Heimweg besuchte ich meinen Freund P. L., der auf einer Insel im Arkansas River wohnte, wo er das Land zu bebauen und ein Vermögen zu erwerben gedachte. Da der Fluss aber im Frühjahr sehr hoch geht, so konnte er acht Wochen lang von seiner Insel nicht an Land kommen. Wäre es nicht um die kleinen Hasen gewesen, die dort sehr zahlreich leben, so wäre er verhungert, denn er hatte sich für solche Fälle nicht mit Proviant versehen. Er hatte ein Haus gebaut. Da er ein erfinderischer Geist ist, so hatte er die Wände doppelt, von einer Art Weidengeflecht gemacht und sie innen mit Heu ausgestopft. Das Haus war fertig und wirklich sehr warm, nur war die Gefahr von Feuer sehr groß, als er die Insel für einige Tage verließ. Er kehrte gerade zurück, als das Wetter sehr kalt war, um in seinem neuen Haus der Ruhe zu pflegen. Doch was fand er bei seiner Ankunft? Eine Herde Vieh hatte während seiner Abwesenheit Besitz von der Insel genommen und sämtliches Heu aus den Wänden gefressen, sodass nur noch das Gerippe des Hauses dastand, aussehend wie ein sehr großer Hühnerkobel. Pat geriet beinahe in Verzweiflung. Er klagte mir sein Leid, aber ich konnte trotz des großen Elends kein erstes Gesicht behalten, sondern brach bei seiner Erzählung in ein furchtbares Gelächter aus, was er mir sehr übel nahm.