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Das Camp

Nick Cutter
Das Camp

Horror-Thriller, Taschenbuch, Heyne, September 2014, 464 Seiten, 9,99 Euro, ISBN: 9783453437791. Übersetzung aus dem Englischen von Frank Dabrock.

Für einige der Teenager-Jungen ist es eines des Highlights des Jahres: Einmal in jedem Sommer macht die Pfadfindergruppe um den Arzt Tim Riggs für ein paar Tage Station auf der kleinen Insel Falstaff Island vor der Küste Kanadas. Auf dem Programm stehen Wanderungen in der Natur und ein moderates Überlebenstraining. Geschlafen wird in einer Holzhütte, die gegen die regelmäßig aufziehenden Stürme schützt. Für Notfälle gibt es ein Funkgerät, ansonsten besteht kein Kontakt zum Festland und nur eine vereinbarte Zeit, zu der die Gruppe wieder abgeholt wird.

Als auf der Insel plötzlich ein ausgemergelter Mann strandet, will Mediziner Riggs ihm helfen und isoliert den Kranken, der einen unstillbaren Hunger besitzt, in der Hütte. Dem Mann geht es bald immer schlechter, und unter seiner Bauchdecke beginnt sich etwas Großes zu bewegen. Riggs weiß sich nicht mehr zu helfen: Als der Mann im Delirium fast alle Vorräte aufisst und das Funkgerät zerstört, bleibt nur noch eine Notoperation, um das, was ihn ihm steckt, zu stoppen.

Der Eingriff öffnet die Büchse der Pandora: Offenbar ist der Kranke von einem riesigen Parasiten befallen worden, einem genetisch veränderten Bandwurm. Dessen Nachwuchs platzt aus dem Körper des Sterbenden hervor und hat es nun auf die anderen Menschen auf der Insel abgesehen. Noch während Tim Riggs versucht, die Teenager zu schützen, verspürt er plötzlich selbst ein nagendes Hungergefühl. Und er ahnt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Katastrophe abzuwenden …

Über den äußerst rasant geschriebenen Thriller Das Camp aus der Feder des kanadischen Autors Nick Cutter kann mal vieles sagen, aber nicht, dass er mit subtilem Horror arbeitet. In der Tat gehört der Roman zu den Texten mit dem höchsten Ekelfaktor, die ich bislang in die Finger bekommen habe. Bereits früh im Buch offenbart Cutter, welche Gefahr auf die ganz unterschiedlichen Scouts zukommt. Wer sich vor Dingen wie körperfressenden Parasiten, geplatzten Innereien, dem Essen von nicht für den Verzehr bestimmten Dingen sowie körperlichen und seelischen Quälereien allzu heftig gruselt, der wird hier stark an seine Grenzen geführt.

Den vordergründigen Creature-Horror vermischt Cutter im weiteren Verlauf des Romans, der von null auf hundert geht und niemals den Fuß vom Gas nimmt, mit den ganz unterschiedlichen Pfadfinder-Charakteren. Vom stillen Nerd über den sportlichen Platzhirsch, vom Mitläufer bis zum Kumpeltyp ist alles mit dabei. Wie die Jungs sich im Angesicht der Gefahr schlagen, entwickelt eine ganz eigene, Herr-der Fliegen-artige Dynamik. Auch wenn Cutter hier ein schon fast groteskes Ensemble an Verhaltensauffälligkeiten zusammenstellt, funktioniert der ohnehin wahnsinnige Plot doch so einigermaßen. Neben dem erzählten Geschehen auf der Insel wird durch eingestreute Verhörprotokolle, Akten und Zeitungsartikel deutlich, was sich vor und während der Krise ereignet hat und ereignet.

Das Camp besitzt ein irrsinniges Erzähltempo, bei dem die Seiten nur so dahinschmelzen. Bei einigen Szenen müssen selbst Hardcore-Horror-Leser schlucken – eine satte Leistung, die entsprechenden Bilder dafür zu finden, auch wenn diese manchmal arg krude formuliert daherkommen. Sprachlich bewegt sich der Text auch eher auf simplem, aber niemals plumpem Niveau. Je verrückter die Geschichte mit ihren jungen Protagonisten wird, desto mehr Bereitschaft erfordert es, sich darauf einzulassen: dies verlangt der Text auch. Den Drahtseilakt, bei aller Groteske nicht ins Alberne abzudriften, meistert Cutter jedoch haarscharf. Dafür ist er dann doch zu nah an seinen Figuren, ihren Motiven und Emotionen dran.

Fazit:
Die oft bemühte und in den meisten Fällen eher nicht zutreffende Floskel Nichts für schwache Nerven! trifft auf Das Camp ausnahmsweise tatsächlich einmal zu. Von Ekelszenen bis Psychospielchen, von Creature Feature bis Survival Horror packt Nick Cutter alles in seinen Roman, was Spannung bringt, wobei das nicht immer einen Sinn ergibt und auch mal reine Effekthascherei darstellt. Das ist allerdings genauso schnell vergessen, wie die vielen kurzen Kapitel gelesen sind. Für Leser, die endlich mal wieder nach gutem, schnellem, hartem Horror lechzen, bietet Cutter hervorragendes Futter. Für einen Mainstream-Verlag wie Heyne ist das Material, das man vielleicht eher in einem Kleinverlag erwartet hätte, jedenfalls ungewohnt – und erfreulich, heftig!

(sv)