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Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 5

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Fünftes Kapitel

Folgen der Warnung des Puritaners

Hugo Calveleys gegenwärtige seltsame Erscheinung und feierliche Warnung mit seinen früheren insgeheim ausgesprochenen Äußerungen und Andeutungen eines schrecklichen Planes, wozu er den jungen Mann anzuwerben gesucht, indem er gesagt hatte, dass die Ausführung sein Leben in Gefahr bringen werde. Dies alles miteinander in Verbindung setzend, konnte Jocelyn keinen Augenblick zweifeln, dass der König in drohender Gefahr sei. Er fühlte sich aufgefordert, einzuschreiten, auch wenn er genötigt sein sollte, gegen den Freund seines Vaters und den Vater Avelines zu handeln. Es war ihm in der Tat keine Wahl gelassen. Als loyaler Untertan forderte seine Pflicht gebieterisch von ihm, seinen Monarchen zu verteidigen. Da Jocelyn bemerkte, dass infolge des Verbots des Königs sich niemand dem Puritaner näherte, so verließ er hastig den Grafen von Gondomar. Vorwärts eilend, stellte er sich zwischen den Monarchen und seinen kühnen Mahner, und so nahe dem Letzteren, dass er leicht jeden Angriff verhindern konnte, der auf Jakob gemacht wurde.

Durch die Bewegung außer Fassung gebracht, gab Hugo Calveley dem jungen Mann ein Zeichen, zurückzutreten, aber Jocelyn willigte nicht ein, umso mehr, da der andere mit der Hand in den Busen griff, als hätte er dort eine verborgene Waffe. Einen Blick des bittersten Vorwurfs auf ihn werfend, der so deutlich, wie Worte, sagte, »Undankbarer Knabe! Du hast meine Absicht verhindert«, faltete der Puritaner seine Hände über die Brust zusammen und zeigte einen Ausdruck der tiefsten Kränkung.

»Flieht!«, rief Jocelyn in einem Ton, der nur für seine Ohren bestimmt war. »Ich will Euch mit meinem Leben verteidigen. Wartet keinen Augenblick, flieht!«

Aber Hugo Calveley sah ihn mit kalter Verachtung an. Obwohl er seine Lippen nicht bewegte, schien er zu sagen: »Du hast mich zu Grunde gerichtet und ich will die Schuld meines Unterganges nicht von deinem Haupt nehmen.«

Die Sprache und das Benehmen des Puritaners hatten Jakob mit neuer Unruhe erfüllt. Da er sich aber durch Jocelyns Nähe vor dem Gegenstand seiner Unruhe sicher fühlte und von seinem Gefolge umgeben war, wovon die Vordersten ihre Schwerter gezogen hatten und sich bereit hielten, ihn gegen den geringsten feindlichen Angriff zu verteidigen, so war es nicht unnatürlich, dass selbst eine so furchtsame Person wie er ihr Vertrauen wieder erlangte. Noch einmal daher tat er durch seine Gebärden dem zornigen Ungestüm der ihn umgebenden Edelleute, welche glühten, den raschen Eindringling zu bestrafen, Gewalt an und gab seine Absicht zu erkennen, ihn zu befragen, ehe man irgendeine Maßregel gegen ihn anwende.

»Lass ihn«, rief er. »Er ist ein wahnwitziges Geschöpf, besser geeignet für Bedlam als für irgendeinen anderen Ort. Wir wollen dafür sorgen, dass er dorthin geschickt werde; aber belästigt ihn nicht, bis wir mit ihm gesprochen und uns genauer von seiner Lage unterrichtet haben. Verlasst Eure Stellung nicht, die Ihr so verständig eingenommen habt, junger Herr, wenn auch gegen unseren Befehl«, rief er Jocelyn zu. »Zieht nicht eher Euer Schwert, bevor der Kerl auf uns zukommen will. Nicht als hegten wir die geringste Furcht; aber es sind blutdürstige Verräter selbst auf unserem friedlichen Gebiet, und da dies einer von ihnen sein kann, so ist es gut, die gehörige Vorsicht nicht zu versäumen. Und nun, Mann«, fügte er hinzu, indem er seine Stimme erhob und den Puritaner anredete, der noch immer ein festes und unerschüttertes Benehmen behauptete und seine Augen fest auf den Fragenden richtete, »Ihr sagt, Ihr seid ein Bote vom Himmel. Wenn das ist, was wir zu bezweifeln uns erlauben, indem wir Euch eher für einen Boten des Fürsten der Finsternis als für einen Abgesandten von oben halten, so hat man in Euch eine schlechte Wahl getroffen. Zu welcher Ordnung von Propheten glaubt Ihr zu gehören?«

Diese in höhnischem Ton ausgesprochene Frage würdigte der Puritaner keiner Antwort; aber der Hofnarr Archee, dem es gelungen war, sich in der Verwirrung bis an die Seite seines königlichen Herrn zu schleichen, gab eine Antwort.

»Er gehört zu der Ordnung des Melchisedek«, sagte Archee. Eine Antwort, welche einiges Gelächter unter den Edelleuten erregte, in welches der König herzlich einstimmte.

»Still, Narr! Du bist ebenso unsinnig, wie der arme Kerl vor uns«, rief Jakob. »Weißt du nicht, dass Melchisedek ein Priester und nicht ein Prophet war. Wenn man aber nach dem Äußeren jenes Kerls urteilen darf, muss er der streitenden Kirche angehören, wenn er überhaupt einer angehört. Und doch bist du vielleicht nicht so weit von der Wahrheit entfernt, wie ich anfangs glaubte. Es ist wahrscheinlich genug, dass er von der Ketzerei des Ordens des Melchisedek angesteckt ist – einer pestilenzialischen Sekte, welche die ersten Christen sehr plagte, ihren Lehrer über unseren Heiland stellte und ihn mit dem Heiligen Geist gleich hielt. Gehörst Du dem Orden des Melchisedek an, Kerl?«

»Ich glaube an das Evangelium«, versetzte der Puritaner, »und bin bereit, meinen Glauben mit meinem Blut zu besiegeln. Ich bin hierher gesendet worden, o König, um dich zu warnen, und du wirst wohltun, meine Worte nicht zu verachten. Bereue, ehe es zu spät ist. Wunderbar ist dein Leben erhalten worden. Widme deine noch übrigen Tage dem Dienst des Höchsten. Verfolge nicht sein Volk und schmähe es nicht. Reinige deine Stadt von ihren Gräueln und Abgötterei und deinen Hof von seinem Verderben. Entweihe nicht den Sabbath …«

»Ich sehe, wie es ist«, fiel Archee mit durchdringendem Schrei ein; »der Mann ist wahnsinnig geworden durch Eurer Majestät Buch über die Belustigungen.«

»Ein Buch, welches der Teufel ersonnen hat«, rief Hugo Calveley darauf eingehend, »und welches öffentlich vom Henker verbrannt werden sollte, anstatt in den Kirchen vorgelesen zu werden. Wie viel Unheil hat jenes Buch angerichtet! Wie viele Gräuel hat es veranlasst! Und ach! Wie viele Verfolgung hat es bewirkt; denn sind nicht viele gerechte Männer und aufrichtige Prediger des Worts von deinem Gerichtshof der Sternkammer verfolgt worden, o König! Haben sie nicht Streiche und Gefangenschaft erdulden müssen, weil sie sich geweigert haben, deine gotteslästerliche Bekanntmachung ihren Gemeinden vorzulesen.«

»Ich wusste es wohl – ich wusste es wohl!«, rief Archee entzückt über die Wirkung, die er hervorgebracht hatte. »Nehmt Euch in Acht, Mann«, rief er dem Puritaner zu, »dass Ihr nicht selber mit dem Gerichtshof der Sternkammer Bekanntschaft macht.«

»Es ist wahrscheinlicher, dass er vor unserem Gericht, King’s Bench genannt, verhört und dann hingerichtet werden wird«, brüllte Jakob, der mehr in Wut geriet über die respektwidrige Erwähnung seines Manifests als über irgendetwas, was früher geschehen war. »Der Mann ist nicht so wahnsinnig, wie wir glaubten.«

»Er ist verständig genug, um seinen Hals aus dem Strick zu ziehen«, versetzte Archee. »Eure Majestät sollten ihn verschonen, da Ihr auf indirekte Weise die Ursache seiner Krankheit seid.«

»Sprecht nicht für mich«, rief Hugo Calveley. »Ich würde keine Gnade von dem Tyrannen annehmen. Er mag mich in Stücke zerhauen und mein Blut soll um Rache schreien über sein Haupt.«

»Beim Himmel! Ein gefährlicher Verräter!«, rief Jakob.

»Höre mich an, o König!«, donnerte der Puritaner, »zum dritten und letzten Mal erhebe ich meine Stimme, um dich zu warnen. In der Nacht sind mir Traumbilder erschienen und geheimnisvolle Stimmen haben in mein Ohr geflüstert. Sie haben mir seltsame und schreckliche Dinge mitgeteilt – aber nicht mehr seltsam und schrecklich als wahr. Sie haben mir gesagt, wie deine Nachkommenschaft leiden wird, wegen der Ungerechtigkeit, die du deinem Volke tust. Sie haben mir ein Schafott gezeigt, welches ein König besteigen wird, und einen Block, worauf ein königliches Haupt wird gelegt werden. Aber es wird besser sein für jenen unglücklichen Monarchen, wenn er auch von seinem Volk verurteilt wird, als von seinem Gott verurteilt zu werden. Doch noch mehr. Ich habe in meinen Träumen zwei Könige in der Verbannung gesehen: Einer wird zurückgerufen werden, aber der andere wird in einem fremden Land sterben. Was dich betrifft, du magst noch eine Weile in eingebildeter Sicherheit leben. Aber das Verderben wird dich plötzlich ereilen. Du wirst von der Schlange, die du in deinem Busen nährst, tödlich verwundet werden.« Welchen Glauben man ihnen auch beilegen mochte, die Prophezeiungen des Puritaners machten wegen der Art, wie sie ausgesprochen wurden, einen starken Eindruck auf all seine Zuhörer. Ohne Zweifel sprach der Mann in vollem Ernst, und als ob er glaube, dass ihm eine wichtige Botschaft anvertraut worden sei. Es fand keine Unterbrechung seiner Rede statt, selbst nicht vom König, obwohl dieser totenblass wurde, als ihm diese schrecklichen Ereignisse vor Augen gestellt wurden.

»Seine Worte sind furchtbar«, murmelte er, »und machen, dass es mich kalt überläuft. Will ihm niemand den Mund stopfen?«

»Es wäre besser gewesen, wenn man ihm den Mund vorher gestopft hätte«, sagte Archee, »er hat zu viel oder zu wenig gesagt. Des Teufels Bosheit über dich, Unglücksprophet! Hast du etwas zu sagen, warum Seine Majestät dich nicht aufknüpfen lassen sollte?«

»Ich habe gesprochen«, entgegnete der Puritaner. »Mag der König mit mir tun, was ihm beliebt.«

»Ergreift ihn! Verhaftet ihn! Ihr seid ihm am nächsten, Herr«, rief der König Jocelyn zu.

Der Befehl musste befolgt werden. Als Jocelyn sich näherte und Hugo Calveley anfasste, sah ihn dieser vorwurfsvoll an und sagte: »Du tust wohl, Sohn meines alten Freundes.«

Jocelyn war nicht imstande, zu antworten, denn die Menge drängte sich nun von allen Seiten herbei und umringte den Gefangenen. Einige von den Edelleuten bedrohten ihn mit ihren Schwertern, und die Wächter, die vom Tor herkamen, stießen mit ihren Partisanen nach ihm. Jocelyn hatte große Mühe, ihn vor der wütenden Menge zu schützen.

»Berührt ihn nicht!«, rief er, indem er mit der Spitze seines Degens Platz machte. »Seine Majestät hat ihn meiner Bewachung übergeben und ich bin für ihn verantwortlich. Verzeiht mir, mein Herr, wenn ich Euch entwaffne«, fügte er in leisem Ton zu dem Gefangenen hinzu.

»Hier ist mein Schwert«, versetzte Hugo Calveley, sein Degengehänge abnehmend und Jocelyn die Waffe überliefernd, »es ist nie entehrt worden und«, fügte er leiser hinzu, »ich habe es zwei Mal zur Verteidigung deines Vaters gezogen.«

Der Vorwurf gab Jocelyn einen Stich ins Herz.

In diesem Augenblick trat die Menge auf die Seite, um den König näher kommen zu lassen.

»Hat man ihn durchsucht, ob nicht irgendeine tödliche Waffe bei ihm verborgen ist?«, fragte Jakob.

»Er kann keine gefährlichere Waffe haben als seine Zunge«, rief Archee, der seinen königlichen Herrn begleitete. »Ich rate Eurer Majestät, ihn derselben zu berauben.«

»Es ist etwas an seinem Busen verborgen«, rief einer von den Wächtern, sein Wams durchsuchend und endlich eine kurze Pistole hervorziehend. »Sie ist geladen, Eurer Majestät zu Befehl«, fuhr der Mann fort, nachdem er sie untersucht hatte. Die Umgebung stieß Ausrufungen des Entsetzens aus und Jocelyn hatte wieder einige Schwierigkeit, den Gefangenen vor ihrer Wut zu schützen.

»Eine Pistole!«, rief Jakob, »eine geladene Pistole, ohne Zweifel bis an die Mündung mit Kugeln vollgepfropft. Haltet sie auf den Boden nieder, Mann! Haltet sie auf den Boden nieder! Sie könnte von selbst losgehen und des Schurken mörderische und gottlose Absicht erfüllen. Und dies war also das Werkzeug unseres Verderbens! Bekennst du deine Schuld, blutdürstiger Verräter, oder soll die Folter dir die Wahrheit abnötigen?«

»Die Folter wird mir nichts abnötigen«, versetzte Hugo Calveley. »Aber ich sage dir, Tyrann, ich würde dich getötet haben, wäre meine Hand nicht zurückgehalten worden.«

»Hörtet Ihr je etwas Ähnliches?«, rief Jakob, dessen rötliche Wange vor Schrecken blass wurde und dessen Stimme bebte. »Er übertrifft an Kühnheit ja den Erzverräter Fawkes selber. Und was hielt deine Hand zurück, Schurke?«, fragte er. »Was hielt deine Hand zurück, du blutdürstiger Verräter?«

»Die, Gegenwart dieses Jünglings Jocelyn Mounchensey«, versetzte Hugo Calveley. »Wäre er nicht zwischen uns gekommen, wie er es tat, und hätte meine Absicht verhindert, so hätte ich mein Vaterland vom Druck befreit. Ich sagte dir, Tyrann, du wärest wunderbar erhalten worden. Dein Retter steht vor dir.«

»Der Himmel schütze uns!«, rief Jakob zitternd, »welches Glück, dass wir so davongekommen sind. Es war eine besondere Fügung der Vorsehung zu unserem Besten. Wir müssen unseren Dank dem darbringen, der uns überwacht.«

»Und in gewissem Grade auch dem, der das Werkzeug der Rettung Eurer Majestät geworden ist«, sagte Gondomar, der einer von der Gruppe in der Nähe des Königs war. »Da der böse Verräter den Namen meines jungen Schützlings bekannt gemacht hat, so ist die Verheimlichung nicht mehr nötig. Master Jocelyn Mounchensey ist sehr glücklich gewesen, Eurer Majestät einen Dienst zu leisten und er kann sich auf immer wegen seines, wenn auch zufälligen Anteils an dieser Sache Glück wünschen.«

»Bei unserer Heiligen Jungfrau! Er soll Ursache haben, sich Glück zu wünschen«, rief Jakob, den jungen Mann gnädig ansehend.

»Ja, er mag steigen durch meinen Fall – es ist recht so«, rief der Puritaner mit Bitterkeit. »Überschütte ihn mit Ehren, Tyrann. Gib ihm Reichtum und Titel. Ich könnte ihm kein ärgeres Missgeschick wünschen als deine Gunst.«

»Halte deine giftige Zunge, Schurke, oder sie soll dir mit der Wurzel herausgerissen werden«, sagte Jakob. »Du sollst sehen, dass ich ebenso rasch die belohnen kann, die mir dienen, wie du sogleich fühlen sollst, dass ich die streng bestrafen kann, die mich beleidigen wollen. Hört, Graf!«, fügte er zu dem spanischen Gesandten gewandt hinzu, während sich die Übrigen ein wenig zurückzogen, als sie sahen, dass der König mit ihm besonders verhandeln wolle, »dieser junge Mann. dieser Jocelyn Mounchensey hat edles Blut in seinen Adern. Er kommt von einem guten Stamm, nicht wahr?«

»Er ist der Repräsentant einer alten Familie in Norfolk«, versetzte Gondomar.

»Was! Der Sohn Sir Ferdinandos?«, fragte Jakob, indem ein Schatten über sein Gesicht dahinzog, der der Beachtung des listigen Gesandten nicht entging.

»Ihr habt es erraten, Sire«, sagte er. »Dies ist Sir Ferdinandos Sohn; und wenn es mir zu sagen erlaubt ist, sind ihm Eure Majestät einigen Ersatz für das seinem Vater zugefügte Unrecht schuldig.«

»Wie! Graf!«, rief Jakob mit einem Blick des Missfallens. »Wagt Ihr unsere Urteile infrage zu ziehen, nach dem, was Ihr gehört habt – denn aus eigener Kenntnis könnt Ihr nichts wissen.«

»Ich weiß genug, um überzeugt zu sein, dass die Sache des Vaters dieses jungen Mannes Eurer Majestät unrichtig dargestellt worden ist«, versetzte der Graf von Gondomar, »denn ich halte mich überzeugt, wenn Ihr je geirrt habt, muss es aus Unkenntnis geschehen sein. Dies war es, was ich ausführlicher erklären wollte, als ich die gnädige Erlaubnis Eurer Majestät annahm, den jungen Mann zu Euch zu führen; dann würde ich mir die Freiheit genommen haben, Eurer Majestät vorzustellen, wie sehr er Eurer Gunst und Eures Schutzes bedürfe. Das Glück ist indessen meinen Wünschen zuvorgekommen und hat ihm einen stärkeren Anspruch an Euch gegeben, als ich hätte geltend machen können.«

»Ihr habt recht, Graf«, versetzte Jakob vorsichtig. »Er hat den stärksten Anspruch an uns und er soll uns nicht undankbar finden. Wir wollen uns mit Steenie – mit Buckingham, meinen wir – über die Sache beraten.«

»Verzeiht mir, Sire«, sagte Gondomar, »wenn ich Eure Majestät aufmerksam mache, dass Ihr eine bewundernswürdige Gelegenheit habt, die ich nicht gern vernachlässigt sehen möchte, Eure Güte und Milde zu zeigen und die Stimme der Verleumdung, die zuweilen gegen Euch erhoben wird, auf immer zum Schweigen zu bringen.«

»Was meint Ihr, Graf?«, rief Jakob. »Ihr wollt doch nicht, dass ich jenem Verräter verzeihen soll?«

»Gewiss nicht, Sire«, entgegnete Gondomar. »Aber ich möchte Euch um ein gegenwärtiges Zeichen der Gunst für ihn bitten, der Euch von den bösen Plänen des Verräters errettet hat. Ich fühle mich ermutigt, darum zu bitten, weil ich mich überzeugt halte, es müsse mit Eurer Majestät eigener Neigung übereinstimmen, die Bitte zu gewähren.«

»So ist es, Graf«, versetzte Jakob. »Wir wollten uns nur mit Buckingham beraten, um uns zu überzeugen, ob er nichts dagegen hat; da dies aber durchaus unwahrscheinlich ist, so wollen wir unseren eigenen Neigungen folgen und tun, was Eure Exzellenz uns vorgeschlagen.«

Gondomar konnte kaum seine Zufriedenheit verbergen. In diesem Augenblick drängte sich Lord Roos auf den König zu.

»Ich habe etwas in Beziehung auf diesen jungen Mann zu sagen, Sire!«, rief er.

»Etwas Günstiges?«, fragte der König.

»Ja, ja, etwas Günstiges, Sire«, sagte Gondomar, den jungen Edelmann fest ansehend. »Ihr dürft Seine Majestät nicht weiter belästigen, Mylord. Er ist gnädig geneigt, unsere Wünsche zu erfüllen.«

»Ja, ja, es ist nicht mehr zu sagen nötig!«, rief Jakob. »Lasst den jungen Mann vortreten.«

Als Jocelyn diesen Befehl befolgte, der ihm sogleich von Gondomar mitgeteilt wurde, hieß ihn der König niederknien, nahm den Degen des Lord Roos, berührte damit seine Schulter und rief: »Steht auf, Sir Jocelyn.«

»Jetzt seid Ihr sicher«, flüsterte Gondomar. »Dies ist der erste Schlag, und er muss Euch zum Glück führen.«

So verwirrt war der neue Ritter von der ihm so unerwartet übertragenen Ehre, dass er, als er sich wieder erhob, kaum so viel Besinnung hatte, die nötige Verbeugung zu machen und dem König seinen Dank auszusprechen. Einen Augenblick war seine Stirn von Selbstbewusstsein gerötet und sein Herz schlug heftig, aber er unterdrückte augenblicklich seine Gemütsbewegungen, als er daran dachte, wie er den Titel erkauft habe. Als er sich nach dem Gefangenen umsah, bemerkte er, dass er in den Händen der Wächter war, welchen man ihn übergeben hatte, und dass seine Arme auf dem Rücken mit Riemen zusammengebunden waren. Während der eben stattgefundenen Zeremonie hatte er den jungen Mann nicht aus den Augen gelassen und sah ihn noch immer streng und vorwurfsvoll an.

»Man führe den Gefangenen weg und bringe ihn an einen sicheren Ort, bis wir unseren Willen hinsichtlich seiner ausgesprochen haben«, rief Jakob. »Und nun, meine Herren und Damen, lasst uns in den Palast gehen.«

Hierauf setzte sich der Zug wieder in Bewegung, gelangte durch das große Tor in den Fontänenhof, wo der Adel beider Geschlechter abstieg, während ihre Begleiter, die Falkeniere und Diener, in die für sie bestimmten Gemächer gingen.

Der Gefangene wurde in die Wohnung des Portiers geführt und streng bewacht, bis man ein sicheres Zimmer für ihn in Bereitschaft bringen konnte.

Auf dem Weg dorthin näherte sich ihm Jocelyn und sagte in leisem Ton: »Kann ich etwas für Aveline tun?«

»Bemüht Euch nicht um sie, Sir Jocelyn«, versetzte Hugo Calveley mit finsterer Verachtung. »Sie ist an einem sicheren Ort. Ihr werdet sie nie wiedersehen.«