Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Schauernovellen – Ritter und Nonne Teil 3

Ferdinand Kleophas
Schauernovellen Band 1
Verlag Franz Peter, Leipzig 1843

Ritter und Nonne
oder
Liebe und Verbrechen im Kloster

Die Burg war verschlossen, die Zugbrücke hochgezogen, das Gitter herabgelassen und doch hatte ihm noch vor einigen Tagen ein Bauer versichert, es stehe Tür und Angel auf, so wie man beim Begräbnis des gnädigen Fräulein alles offen gelassen habe. Verwundert schlug der Mönch den Weg zu einem ihm bekannten Hinterpförtchen ein und fand dasselbe unverschlossen. Er trat in den Burghof. Seine Tritte hallten und es wurde dem festen Mann fast unheimlich zumute, als er sich der Kapelle näherte und in derselben das Geräusch seiner Tritte sich noch mehrte.

»Wenn die da unten nicht so fest schliefen, könnten sie wohl erwachen ob des Lärmens, den ich in diesen öden Hallen mache«, sagte Pater Claudin und trat an die Gruft. Auch diese stand offen. Moderduft wehte ihm entgegen, sein Licht flackerte unstet. Selbst die Leiter stand noch angelehnt. Der Mönch, in die offene Gruft hinabschauend, geriet fast auf den Gedanken, dass ein frecher Leichenraub hier begangen worden sei.

»Gott und die Heilige Jungfrau stehen mir bei, dann ist auch unser Betrug entdeckt«, murmelte Pater Claudin, nahm vom Altar noch zwei Kerzen und stieg, nachdem er sie angezündet hatte, in die Gruft hinab. Da bemächtigte sich aber seiner namenloses Entsetzen. Er setzte seine Kerzen auf den Sarg Mathildes nieder. Er tönte hohl und der Sarg der Gattin und Schwester des Ritters stand offen. Schauerlich blickte ihn der Kopf des Leichnams an, den Fäulnis und Gift zeitig zum Skelett abgezehrt hatten. Das prächtige Gewand lag lose um das Gerippe, aber an den starren Knochenfingern hingen und glänzten noch die goldenen Ringe, zu Haupten lagen noch die Zierraten des einst so schönen Haares. Eine prächtige Perlkette hing noch am verzehrtem Hals und selbst der wertvolle Rosenkranz lag noch im Schoß der Toten. Es war kein Raub an dieser Leiche begangen worden, und das verwirrte den Mönch noch mehr.

Er sah den einst so blühenden Körper, zernagt von Gift und Tod. O grässlich, zermalmend ist solcher Anblick der Verwesung, wenn das Andenken an das schöne, freundliche Leben noch lebhaft, noch liebend ist. Der Mönch fluchte dem Mann, der dieses Weib in seiner Lust, wie in seinem Zorn dem Tod und der Hölle geopfert hatte.

»Ich fluche dir in Ewigkeit, blutschänderischer Verführer und Mörder dieses Weibes«, rief er laut. Das Totengewölbe gab hohl seinen donnernden Fluch zurück, dass er selbst davor erschrak. Er blickte auf zum Sarg Mathildes und wäre zusammengesunken vor Entsetzen, wäre er nicht ein Mann von seltener Kraft und Kühnheit gewesen, denn vor ihm stand der soeben von ihm Verfluchte, der Ritter Bruno auf sein Schwert gestützt, stand ruhig und war nicht erschüttert vom Fluch des Mönches. Lange starrten sie sich an, beide hielten ihre Blicke fest gegeneinander, als wollten sie sich auffordern und fragen: Wer von uns wird unterliegen.

Da hob endlich der Ritter an und sprach: »Fluche, Heuchler, schändlicher Betrüger. Dein Fluch treffe dich selbst, wenn du mir nicht sagst, wo meine Tochter ist, wo sie schlummert den ewigen Schlaf, oder wo sie lebt, von euch geraubt, ihr lüsternen Mönche, denn hier ist sie nicht.«

Er hob bei diesen Worten das Schwert und ließ es schwer auf den Sarg Mathildes niederfallen, dass der Deckel zersplittert herunterflog und der Sarg leer erschien, von wenigen Steinen beschwert.

Der Mönch erblasste und konnte nicht Worte finden, dem Ritter zu entgegnen, aber dann fasste er sich und sprach: – »Der Fluch eines Geächteten hat keine Kraft. Ich lache seiner, aber dennoch will ich Euch Rechenschaft geben wegen des Begräbnisses Eurer Tochter. Sie verstarb als eine schuldlose, reine Jungfrau in einem heiligen, Gott gefälligen Wandel und sollte nach des Klosters Beschluss im geweihter Erde ruhen, nicht in einer Burg, welche ihr in so schändlichen Ruf gebracht habt. Wir haben das holde Kind gebettet in die Gruft des Klosters, wo sie in frommen Gebeten für das Seelenheil ihrer Eltern ihre Jahre verlebte und an einem hitzigen Fieber verstarb. Dass wir ihren leeren Sarg hier beisetzten, geschah um der Bauern willen. Ihr aber Herr Ritter, verhaltet Euch ruhig in diesen Mauern, wenn Ihr Euren Kopf lieb habt, damit Euch die heilige Feme nicht wittere und strengeres Gericht über Euch halten würde, als Eurem Leben dienlich sein dürfte.«

Nach diesen Worten raffte der Mönch sich auf und entstieg dem schauerlichen Aufenthalt der Toten, zog die Leiter nach sich und warf mit Donnern die schwere Falltür zu, welche die Gruft verschloss.

»Gehabt Euch wohl, Herr Ritter, und bleibt bei Eurem Liebchen«, sagte er höhnisch lachend und verließ mit raschen Schritten Kapelle und Burg. Aber in seiner Eile hatte er die Laterne vergessen, die allein noch brennen blieb, nachdem der Ritter bei Zertrümmerung des Sarges auch die Kerzen ausgelöscht hatte. Der Mönch war im Dunkeln davongeeilt, dem Ritter die brennende Laterne verblieben; aber desto deutlicher erkannte auch Letzterer das höllische Werk des Mönches. Das Gewölbe der Gruft war hoch, der Ritter sah keine Möglichkeit, die Falltür zu erreichen, noch weniger sie zu öffnen. Ein einziger Versuch blieb ihm übrig. Er musste die Särge zusammenschichten, um auf ihnen die Falltür zu erreichen; aber auch dieses wäre vergeblich gewesen, selbst wenn die morschen Särge nicht gleich beim ersten Angreifen und Rücken zusammengebrochen und dem schauernden Ritter aus ihnen die Schädel und Gebeine seiner Vorfahren entgegengerollt wären.

»Soll ich«, sprach der Gefangene schaudernd, »die vielleicht haltbareren Särge meiner Eltern und hier das Totenbett meiner Adeline zusammenrücken, um auf ihnen den Ausgang zu finden?«

Lange stand er in Zweifel, von dem ihn endlich ein abermaliger Blick zur Falltür befreite, denn er sah, dass, wenn er selbst auf diesen drei Särgen stehe, er sie doch noch nicht mit ausgestreckten Händen erreichen könnte.

»So bin ich also der Bosheit dieses Mönches erlegen und soll hier eines elenden Todes sterben?«, rief der Ritter und ließ hoffnungslos sein Blick in der Gruft umherschweifen. Da gewahrte er plötzlich an einer Stelle der hinteren Wand, die früher Särge bedeckt hatten, die Umrisse einer kleinen runden Thür, die von schweren verrosteten Riegeln verschlossen war. Nach kurzer Anstrengung gelang es dem Ritter die Riegel zurückzuschieben. Die Tür drehte sich knarrend in den Angeln und den Ritter gähnte ein dunkler, unterirdischer Gang an.

»Es mag der Weg zur Rettung sein. Ich will ihn versuchen«, sagte sich ermutigend Ritter Bruno zu sich selbst, hing die Laterne an seinen Arm und nahm die wieder angezündeten geweihten Kerzen in seine Linke, während er in seiner Rechten das Schwert zum Schutz und Trutz gegen all die möglichen Gefahren führte, die ihm in Verfolgung seines gewagten Unternehmens drohen konnten. Der Gang war ihm nie bekannt gewesen; auch die ehemaligen Bewohner der Burg, selbst sein Vater nicht, konnten ihn gekannt haben, denn von seiner frühesten Kindheit auf war nie die Rede davon gewesen.

Ritter Bruno mochte schon über hundert Schritte in den dunkeln Kellergang eingedrungen sein, als die Luft plötzlich so stickig wurde, dass nicht nur die Kerzen verlöschten, sondern auch dem Abenteurer das Atmen immer schwerer wurde und er am Ende das Weiterschreiten für rein unmöglich hielt. Dunkelheit begann ihn zu umhüllen, die Laterne drohte zu verlöschen und der Ritter hielt schon für rätlicher, umzukehren, als er mit aller Sehkraft seines Auges in die Finsternis des noch vor ihm liegenden Ganges schauend, in einiger Entfernung einen Lichtstrahl von oben zu gewahren glaubte. Er zündete die Kerzen an und schritt ihren flüchtigen Schein benutzend rasch vorwärts. Plötzlich atmete er reinere Luft, seine Lichter brannten lustiger und über sich blickend, gewahrte er, dass hier die Hand der Menschen den Gang an einem Felsen hin gegraben hatte, durch dessen Spalten das freundliche Licht des Mondes blickte.

Dieser Umstand ermutigte den Ritter, immer weiter vorzudringen. er mochte wohl schon eine halbe Stunde gelaufen sein, als er noch kein Ende seiner Wallfahrt sah. Aber das Aussehen des Ganges fing an, sich zu ändern, und zwar nicht menschenfreundlicher, aber das Wirken der Menschen bezeichnender zu werden. Denn an den Seitenwänden gewahrte Ritter Bruno eiserne Ringe, an denen Skelette in Ketten hingen, frisches Mauerwerk in der Höhe und Breite eines Menschen. Als der Gang sich zu einem breiteren Gewölbe weitete, befand er sich wiederum in einer Totengruft. Hoch aufgetürmt standen die Särge, Schädel, auf einem Sims gereiht, starrten ihn an – und er stieß an dieser Ruhestätte Geschiedener unwillkürlich eine Verwünschung aus, dass er sich abermals gefangen sah. Dem ungeachtet fesselte ein noch neuer Sarg seine Aufmerksamkeit. Noch frische Blumengewinde schmückten ihn. Ritter Bruno trat heran, seinen Inhaber kennen zu lernen, denn, dachte er, der wird mir vielleicht sagen können, in welchen Totenbereich mich mein Unstern wiederum geführt hat. Er öffnete den leicht verschlossenen Sarg und sah in das bleiche Antlitz eines weiblichen Leichnams. O Gott! Es waren die Züge seiner Schwester-Gattin und seine eigenen, es war, er durfte nicht mehr zweifeln, sein geliebtes Kind, seine zur Jungfrau erblühte Tochter, in den Gewändern des Todes, in dem engen Haus der Verwesung.

Dem starken Mann, dem ritterlichen Helden, den das Unglück gestählt, entfielen bei diesem Anblick die brennenden Kerzen. Er sank in stummer Verzweiflung vor dem Sarg des verklärten, jungfräulichen Engels nieder und bat Gott um Erlösung von den einbrechenden Strafen für seine fleischlichen Vergehungen.

Lange mochte er in einem Zustand gänzlicher Apathie gelegen haben, als ein frommer Chorgesang zu seinen Ohren drang und ihn wieder zu sich selbst brachte. Er blickte um sich. Nacht umhüllte ihn; die Kerzen, die Laterne waren verloschen. Aber ein Lichtstrahl kam von oben durch die Spalte einer Falltür. Der Gesang währte fort und der Ritter nahm nun deutlich wahr, dass er sich unter der Kirche des Nonnenklosters befand, denn Nonnen waren es, die nun die Hora sangen.

Als der Gesang verstummte und der Ritter die Tritte verhallen hörte, verschwand dennoch der Lichtstrahl nicht und ließ selbst dem sich nähernden Ritter eine Leiter erkennen, welche aufwärts zur Falltür führte. Behutsam betrat er dieselbe, stieg empor und versuchte so leise wie möglich die eine Hälfte der Tür zu öffnen. Es gelang ihm glücklich und er blickte in das Innere der Kirche, die nur noch schwach von der immer brennenden Altarlampe erleuchtet war. Am Altar selbst aber erblickte sein spähendes Auge ein weibliches Wesen, betend in heißer Andacht versunken. Er entstieg leise der halb geöffneten Tür und trat hinter einen Pfeiler, von wo er das Profil der frommen Beterin erkannte. Sie war schön und glich auffallend der verklärten Tochter, die er soeben beweint hatte, nur dass das blühende Leben ihrer Schönheit höheren Ausdruck verlieh.

Sie betete lang und still, dann aber sprach sie laut und mit Inbrunst die Worte: »Und du, Mutter aller Gnaden, himmlische, keusche Jungfrau Maria, erhöre mein tägliches und stündliches Gebet. Gib mir die Erinnerung an die Vergangenheit, das Andenken an meine Kindheitstage, an meine Jugend, gib mir das zurück, was ich in schwerer Krankheit, aus der du mich errettet hast, verloren habe. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, und bebe vor dem, was ich werden soll.«

In ihrem Ton, ihrer Stimme lag etwas Träumerisches, Überspanntes. Ihre Blicke irrten schüchtern und unstet in der Kirche umher. Da fielen sie plötzlich auf den Ritter, der, ihre Worte zu hören, aus dem Versteck nähergetreten war. Er fürchtete sie zu erschrecken.

Aber, o Wunder, freundlich und kühn trat sie auf ihn los und rief, die Hand ihm entgegenhaltend: »Willkommen, Herr Ritter! Ich habe Euch längst erwartet. Meine Träume haben mir Euch angekündigt und im Fieber, ja in jenem tödlichen Fieber, wo ich die Erinnerung verloren habe, sah ich Euch zum ersten Mal. Ihr beugtet Euch über mein Lager und batet die Heilige Jungfrau um meine Genesung. Ich bin genesen, wohl körperlich, aber man sagt mir, ich sei noch nicht geistig genesen, und ich fühle es, weil mir die Erinnerung mangelt. Ach, ich bitte, ich beschwöre Euch, edler Ritter, sagt mir, wer ich bin und wer ich gewesen war, denn Ihr müsst es doch wohl wissen.«

»Armes, schönes Kind; ich weiß es nicht und kenne dich nicht«, entgegnete der Ritter, dem des Mädchens Zustand das Herz brach und zu Tränen rührte. »Aber deine Schwestern werden es wissen.«

»O!«, fiel die Jungfrau ihm ins Wort, »die mögen es wohl wissen, aber wollen es mir nicht sagen, und preisen Gottes Gnade, dass er mir die Erinnerung genommen hat, weil diese mir Schrecklicheres bieten würden, als ich ertragen könnte. Aber ist denn die Erinnerung an Eltern, selbst wenn sie tot wären, so schrecklich? Ich denke mir, ich habe einen Vater gehabt, männlich und schön wie Ihr, Herr Ritter und eine Mutter, unglücklich wie ich; denn ich bin unglücklich, ich habe die Erinnerung verloren und soll Nonne werden und wäre es schon, wenn man mich nicht wahnwitzig glaubte und mich mitleidig lächelnd die närrische Blanka nennen würde.«

Sie hatte sich bei diesen Worten auf die Stufen des Altars gesetzt und weinte. Der Ritter saß an ihrer Seite und tröstete sie.

»Auch ich hatte eine Tochter, schön wie du und dir ähnlich, dass ich glauben würde, ich hätte sie wiedergefunden in dir, wenn sie nicht ruhte da unten in der Totengruft.«

»So ist deine Tochter tot? Armer, edler Ritter. Wenn deine Tochter tot ist und mir ähnlich sah, dann will ich deine Tochter sein. Vielleicht finde ich Ersatz für meinen Verlust und du Ersatz für den deinen. Aber nein! Du wirst keine wahnsinnige Tochter haben wollen. Nicht wahr?«

»Sei meine Tochter!«, sagte der Ritter und öffnete die Arme. Mit einem Jubellaut flog die Jungfrau an seine Brust und blickte ihn mit ihren schwimmenden Gazellenaugen so traulich und freundlich an, als wäre sie seine wirkliche Tochter. Ihre wogende Brust klopfte an der seinen, ihre zarten Glieder, ihr schlanker, feiner Körper lag innig an ihn geschmiegt; ach, sie fühlte das innige Entzücken einer Tochter, die den Vater, einer Verlassenen, die einen Beschützer findet. Der Ritter aber empfand ein seltenes Gemisch widerstreitender Gefühle. Väterliches Wohlwollen füllte seine Brust, während die natürliche, unverhohlene Zärtlichkeit, die ungemessenen Liebkosungen der schönen Jungfrau eine unheimliche Glut durch seine Adern gossen. Indem er Herr dieser Regung zu werden versuchte, schallten Tritte von einem nahen Korridor herüber und näherten sich der Kirche.

»Entfernt Euch, Herr Ritter«, rief die Jungfrau aufschreckend, »man kommt mich rufen. Werde ich Euch wiedersehen, morgen um diese Stunde?«

»Ja, schöne Blanka!«, entgegnete der Ritter und trat rasch hinter einen Pfeiler. Kaum war er geborgen, als eine schrillende Stimme in der Kirche ertönte und die Worte vernehmen ließ: »Schwester Blanka, Ihr habt nun genug gebetet; der himmlische Bräutigam wird Euch verzeihen, wenn Ihr nun der irdischen Ruhe genießet. Begebt Euch in Eure Zelle.«

Blanka folgte der Mahnung und verließ die Kirche, nicht aber ohne dem Ritter noch einen innigen, seelenvollen Blick zugeworfen zu haben.

Ritter Bruno stand lange sinnend auf der Altarstufe, wo die Jungfrau an seiner Brust gelegen hatte und suchte die Gefühle zu ordnen, die wie ein Chaos in seinem Inneren wogten. War es die Achtung vor dem Novizenkleid, welche die Glut, die noch durch seine Adern brannte, laut tadelte, ohne sie mäßigen zu können? Oder waren es wirkliche väterliche Gefühle für ein Mädchen, schön wie ein Engel, keusch wie das Gewand, das sie trug, die ihm vertraute wie einem Vater und die teuren Züge seines Kindes trug?

Er schüttelte sich endlich aus seinem Sinnen, das ihn immer mehr verwirrte, und stieg mit brennenden Kerzen wieder hinab in die Gruft, wo der Sarg seiner Tochter noch offen stand. Der Anblick des kalten Todes verscheuchte plötzlich die frevelhaften Gedanken, welche das warme Leben in ihm erweckt hatte. Er schloss den Sarg mit zitternder Hand, denn er meinte sich an dem Andenken seiner keuschen Tochter versündigt zu haben. Mit der Leiter, die ihn hinauf in die Kirche geführt hatte, kehrte er durch den langen düsteren Gang zurück in die Gruft seiner Väter, wo er nun auch den Sarg seiner Schwester-Gattin mit tränenfeuchten Augen schloss. Dann erst stieg er hinauf in die öde Burg, die er seit wenigen Tagen ohne jemandes Wissen mit einem einzigen getreuen Knappen wieder bezogen hatte. Denn zu groß war die Sehnsucht gewesen nach seinem Kind und nach der Burg, wo er mit Adeline erst so glücklich war, als dass er den Kirchenbann gefürchtet hätte.

Wie unsäglich war aber sein Schmerz, als er hörte, dass sein Burgkaplan, getötet worden und sein letzter Trost auf Erden, seine Tochter Mathilde, im Kloster verstorben sei, in der Gruft seiner Väter aber begraben liege. Die unerklärbare Laune des Schicksals und des Zufalls hatte ihm an demselben Tag den Wunsch eingeflößt, seine Lieben noch einmal im Tod zu sehen, an welchem Pater Claudin einen gleichen Entschluss gefasst hatte und ausführte. Über den grässlichen Anblick seiner teuren Adeline entsetzt, von dem Leerfinden des Sarges Mathildes betroffen und verwirrt, war Ritter Bruno in ein dumpfes Hinbrüten versunken, während dessen sein Licht niedergebrannt war, sodass Pater Claudin ihn in der Dunkelheit der Gruft nicht sogleich bemerken konnte.