Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Oberhessisches Sagenbuch Teil 69

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Der gestörte Tanz

In einem Städtchen am östlichen Abhang des Gebirges wurde immer in der Silvesternacht des Jahres Musik und Tanz auf dem altertümlichen Rathaus gehalten. Als wieder einmal die Gesellschaft gar fröhlich beisammen war, erschien mit dem Mitternachtsschlag aus einer sonst stets verschlossenen Nebentür ein unbekannter grauer Mann, der sich alsbald unter den Reigen mengte und wacker drauflos tanzte. Alle anderen wurde eigentümlich zumute. Als sie genauer den Fremden beobachteten, wurden sie gewahr, dass er mühsam nur einen Pferdefuß zu verbergen versuchte. Nun war es mit aller Lustbarkeit schnell zu Ende. Der Saal leerte sich zusehends, und auch der graue Mann mit dem hageren unheimlichen Gesicht war verschwunden. Niemand konnte sagen, wohin. Seit diesem gestörten Tanz wurde das Rathaus nicht mehr zu derartigen Vergnügungen benutzt, denn all die Mädchen, mit welchem der graue Mann getanzt hatten, wurden krank und starben vor Jahresfrist.

 

Der böse Gefährte

Ein armer Weber aus Heimertshausen war in Schellnhausen gewesen, hatte dort eine Last Garn geholt und ging nun heimwärts durch den Wald, der zwischen beiden Orten liegt. Eine halbe Stunde vor seiner Heimat befindet sich ein freier Wiesenplatz mitten im Wald, das sind die Hommelswiesen. Hier sollte es, nach der allgemeinen Beschreibung, nie ganz richtig sein. Darum freute sich der Weber auch recht, als ihm ein Mensch nachrief: »Heda, Landsmann, wo hinaus geht der Weg nach Heimertshausen?«

Denn nun hatte er doch Gesellschaft. Er wendete sich um und sagte: »Ich bin von daher, geht mit mir!«

So gingen die zwei zusammen weiter. Damals hatte es aber einen dünnen Hasenschnee auf die Erde geworfen, und es war um jene Tageszeit, die man zwischen Licht und Dunkel nennt.

Da hob der Fremde an und sagte: »Mann, halt an, ich sehe, Ihr habt etliche stränge Garn verloren.«

Letztere hatte man dem Weber nämlich in Schellnhausen geschenkt und er wollte sie seinen Kindern mitbringen.

«Kommt, wir wollen umwenden«, fuhr er fort, »ich will sie Euch suchen helfen!«

All dieses kam dem Weber, der die weiße Kunst und das Besprechen verstand, sonst aber ein gottesfürchtiger Christ war, doch etwas absonderlich vor. Er antwortete deshalb: »Mögen die Äpfel denn verloren sein, und was das Garn betrifft, so könne meine Weibleute anderes spinnen!«

Indessen schaute er auf den Boden und ward hinter ihnen den Tapfen von einem Menschenfuß und neben demselben einem Pferdehuftritt gewahr, also, dass der böse Gefährte niemand anderes sein konnte als der leidige Satan.

Sobald fragte er ihn auch: »Kennst du den, der in des Himmels Wolken thront, den alle Engel anbeten und der Jesus heißt?«

In diesem Augenblick gab es einen so entsetzlichen Sturmwind, dass der Weber meinte, alle Bäume des Waldes seien wie die Halme der Saat, wenn das Wetter sie trifft, der Länge nach zu Boden gestreckt. Sein Begleiter aber war auf und davon und in der Luft verschwunden. Ganz außer sich kam der Geängstigte heim und fiel, als er die Tür seines Hauses öffnete, den langen Weg ohnmächtig in die Stube. Als er wieder zu sich kam, war sein erstes Wort: »Geht einmal geschwind zum Hommelsberg, dort müssen alle Bäume umgefallen sein!« Dann erst erzählte er sein unheimliches Erlebnis.