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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XXX

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XXX. Expedition nach New Mexiko. Am Rio Pecos. Auf eigenen Wegen.

Vorbereitungen wurden nun wieder gemacht für eine neue große Expedition und ich hatte viel zu tun. Die Packtiere mussten sämtlich neu beschlagen werden, vier frische wilde Maultiere bekamen wir noch dazu, die Packsättel wurden anprobiert und genau durchgesehen, jedes schadhafte Stück Leder gleich zum Sattler gebracht. Alles, was zu meinem Packzug gehörte, musste stark und gut hergerichtet werden. Die neuen wilden Packtiere musste ich satteln und ihnen einstweilen ein paar Säcke Sand aufladen, damit sie sich austummeln konnten, um etwas gezähmt zu werden. Dabei hatte jeder für sich selbst zu sorgen. Stiefel wurden angeschafft, welche fünf bis sechs Monate Strapazen aushalten konnten, breitkrempige Hüte gekauft, die großen Messer tüchtig geschliffen, ein Vorrat von Rauchtabak und Zündhölzern in die Satteltaschen gesteckt, kurz, alles vorbereitet für einen halbjährigen Scout in die Wildnis. Karabiner und Pistolen wurden tüchtig eingeölt, Patronen gefasst und alles Hab und Gut, das man zu Hause ließ, in Kisten verpackt und zugenagelt. Im Comissara Departement ging es auch lebhaft her. Ein Wagen nach dem anderen fuhr vor, wurde mit Mehl, Speck, Kaffee, Zucker usw. beladen, bis einhundertfünfzig Wagen fix und fertig dastanden.

Der zum Aufbruch bestimmte Tag nahte heran. In aller Frühe wurde gesattelt, die Maultiere bepackt, die Trompete blies zum Aufsitzen und der lange Zug bewegte sich zum Fort hinaus durch die Stadt Jacksboro und verschwand in dem dichten Eichenwald bald aus den Augen. Da aber gewöhnlich beim Abschied eine große Quantität Schnaps vertilgt wird, auch jeder Mann seine Feldflasche beim Abgehen füllen lässt, so herrschte eine sehr heitere Stimmung und viel dummes Zeug wurde getrieben. Packtiere, die frei gingen, liefen davon und mussten oft lange im Wald gejagt werden, bis sie wieder an ihre Plätze kamen. Hier und da sah man streitende Parteien, die im Wald abstiegen und einen Faustkampf nach den Regeln des Ringens abhielten. Andere hatten sich hinter Büsche schlafen gelegt und kamen erst nachts wieder in das Lager. Andere, denen der Schnaps ausgegangen war, galoppierten nach Jacksboro zurück, um sich einen frischen Vorrat zu holen. Unter diesen Umständen konnten wir am ersten Tag keinen großen Marsch machen, sondern hielten an der Westgabel des Trinity River, wo sich während der Nacht die zerstreuten Kräfte sammelten und ihre Brände ausschliefen. Morgens war jedermann auf seinem Platz.

Nun gingen wir über den Little Wichita nach Big Wichita, durchstreiften die Wichita Mountains, wo wir schwarze und braune Bären in großer Anzahl fanden, von da wieder herab zum Gilberts Creek, ein kleines Flüsschen, welches in den Red River fließt, wo wir einige Tage hielten, um auf die Ankunft anderer Truppen von verschiedenen Forts zu warten.

Unsere Tonkowa hatten auf dem Marsch eine Gruppe wilder Pferde angetroffen, welche sie verfolgten. Am Abend kamen sie in das Lager und brachten vier hübsche Mustangs mit, welche sie mit dem Lasso gefangen hatten. Mein Freund Palacosh war so glücklich gewesen, einen bildschönen vierjährigen Hengst von kohlschwarzer Farbe einzufangen, dessen Mähne und Schweif beinahe bis zur Erde hingen. Als wir am nächsten Tag etwas früher Halt machten, ließ er den Bedienten eines Offiziers, einen Neger, das Pferd besteigen. Auf meine Frage, warum er es nicht gleich selbst zähme, antwortete er mir: »Neger nicht gut. Vielleicht bricht Hals, Haufen Spaß.«

Die Zeit vertrieben wir uns mit Fischfang und Jagd, auch hatten wir ein Präriefeuer, welches uns bald ausgebrannt hätte. Nur durch Anwendung aller Kräfte gelang es uns, desselben Herr zu werden. Die Truppen kamen an und nun ging es gegen Nordwest, wo wir über verschiedene Zweige des Red River, über Beaver und Mud Creek zu den Territorien vordrangen. Am Mud Creek fanden wir einen abgehauenen Baum mit einer Inschrift des Majors S., des berühmten amerikanischen Offiziers und Exploreurs, der vor Jahren, als die Indianerstämme noch friedlich waren, so weit vorgedrungen war. Wir kamen über Pease River und streiften in den Washita Mountains umher, wo wir auf manche kleinere Abteilungen Indianer stießen und vieles Interessante zu sehen bekamen. Doch regnete es seit drei Wochen unaufhörlich. Trotzdem hatten wir über Schluchten zu gehen, die nun den großen Strömen gleich aussahen, wo unsere Packtiere oft im Schlamm stecken blieben und ihnen die Ladung abgenommen werden musste, damit man sie herausziehen konnte.

Oft kam es vor, dass das Wasser der Flüsse und Bäche, besonders nach einem Regen schmutzig und nahezu ungenießbar war. Dann kam uns der Kaktus, welcher überall wächst, wohl zu statten. Man nimmt ein Blatt, legt es einige Minuten aufs Feuer, um die vielen großen und kleinen Stacheln daran zu verbrennen, schneidet dann das Blatt in Scheiben, welche man in einen Eimer Wasser legt und rührt dieses mit einem Stock ein bis zwei Minuten lang um. Alles Unreine im Wasser fängt sich in dem feinen Schleim, welchen das Blatt enthält und sammelt sich in Flocken. Nun gießt man das Wasser durch ein Tuch und es ist so rein wie das reinste Quellwasser. Auf diese Weise reinigte ich oft Wasser, das dick genug war, um mit der Gabel gegessen zu werden und machte es genießbar und angenehm zu trinken. Doch hatten wir auch öfter Wasser, welches erst tüchtig gekocht werden musste, um die unzähligen kleinen Schlangen, Würmer und andere vorsintflutlichen Tiere darin zu töten und unschädlich zu machen.

Endlich traten wir den Rückzug zu unseren Wagen an, welche wir seiner Zeit glücklich wiederfanden. Es hatte ein Monat lang fortwährend geregnet. Als wir wieder einmal trocken wurden, wussten wir uns gar nicht mehr zu benehmen. Wir rasteten ein paar Tage, gingen dann westwärts und kamen an den Cadfish Creek, gerade um die Zeit, als wir ein Jahr vorher die Schlacht mit den Comanchen geschlagen hatten. Wir folgten dem Flüsschen hinauf bis zu den Quellen, wo das Indianerdorf gestanden hatte, und stießen noch auf Spuren davon. Hier ließen wir unsere Wagen stehen und gingen hinaus auf die Staked Plains, wo wir einem Pfad elf Tage lang folgten, ohne Baum oder Strauch zu sehen. Am zwölften Tag erreichten wir eine Hügelkette, aus Sandhügeln bestehend und dicht mit Gesträuch bewachsen. Am nächsten Tag kamen wir in eine Schlucht, mit großen Cottonbäumen bestanden. Sie hieß auf Spanisch Cañada blanca. Wir waren im Territorium (nun Staat) von New Mexiko.

Bald erreichten wir den Rio Pecos, der ringsum von hohen Bergen eingeschlossen ist und hielten etwa fünf Meilen vom mexikanischen Städtchen Puerto Luna auf einer hohen Prärie an, um einige Tage hier zu verweilen. Da wir auf dem ganzen Weg über die Staked Plains kein Wild angetroffen, daher auch kein frisches Fleisch gehabt hatten, so wurde nun beschlossen, einige Schafe von den Mexikanern zu kaufen. Als der Einzige, der die Sprache verstand, wurde ich gewählt, um mit Packtieren und einem Be­gleiter zu der Ansiedlung zu reiten und den Einkauf zu besorgen. So machten wir uns auf den Weg und bald standen wir so, dass wir das enge Pecos-Tal zu unseren Füßen hatten und die aus Adobe gebauten Häuser der zerstreut liegenden Ranches sahen. Aber wie hinunterkommen? Die Berge waren einige tausend Fuß hoch und weder Weg noch Steg war zu finden. Ich suchte aber doch eine Stelle aus und wir begannen hinabzuklettern. Die Pferde mussten wir führen und schoben sie zuweilen an Plätzen, wo ein Sprung von drei bis vier Fuß nötig war, mit Gewalt hinab. Die Maultiere betrugen sich besser, da Bergsteigen ihre Spezialität ist. Mit der Zeit gelangten wir auch hinab, fanden aber zu unserer nicht sehr großen Freude, dass die Hütten auf dem entgegengesetzten Ufer des Rio Pecos waren, welcher hier ein anständiger Strom und stark angeschwollen war. Da wir keinen Übergangsplatz finden konnten, so schwammen wir mit unseren Tieren hinüber, erreichten ziemlich nass die erste Rancho und wurden dort von einer zahlreichen Familie, welche schon lange weder Wasser noch Seife benutzt zu haben schien, freundlich empfangen.

Wir kauften ihren ganzen Vorrat an Butter und Käse und ritten dann flussaufwärts zu einer Viehranch, um Schafe zu kaufen. Der Handel war bald abgemacht, die Schafe geschlachtet, ausgeweidet und auf die Packtiere geladen. Ehe wir uns auf den Heimweg machten, hatte ich mich zuvor erkundigt, wo wir über den Fluss kommen könnten, fand aber, als ich an den Platz kam, dass mein Pferd gleich nach ein paar Schritten zu schwimmen hatte. So konnte ich den Übergang mit beladenen Maultieren nicht wagen. Ich ritt also den Fluss entlang, um eine seichte Stelle zu finden, doch überall mit demselben Misserfolg. Endlich fand ich einen amerikanischen Jungen, welcher uns einen Platz zeigte, wo wir, indem wir einen großen Kreis beschreiben mussten, glücklich und trocken ans andere Ufer gelangten. Bis wir den Berg wieder hinaufkamen, war es finstere Nacht. Erst gegen zehn Uhr erreichten wir das Lager, wo unsere Ladung an die verschiedenen Abteilungen verteilt wurde. Dann begaben wir uns zur Ruhe.

Nächsten Morgen wurde gesattelt und es war alles zum Aufbruch bereit, als Captain M. zu mir kam und mir sagte, dass ich zu Fuß gehen müsste, was bei dem schmutzigen Wetter, wo die Prärie eine Pfütze war, sehr beschwerlich sein mochte. Ich hatte daher keine Lust, darauf einzugehen. Auf meine Frage, warum mir eine so angenehme Überraschung bereitet werde, antwortete er mir, dass der erste Sergeant, der ein großer Feind von mir war, gemeldet hätte, ich wäre gestern Abend betrunken zum Lager gekommen und deshalb müsste ich zur Strafe ein paar Tage zu Fuß gehen. Ich setzte ihm ruhig auseinander, dass ich in den fünf Jahren, die ich gedient hatte, noch nie betrunken war, was er selbst zugab, und dass es mir gestern, wo man auf hundert Meilen im Umkreis nichts Stärkeres als schlechten Kaffee bekommen konnte, ganz unmöglich gewesen wäre, in einen solchen Zustand zu geraten, selbst wenn ich den besten Willen dazu gehabt hätte. Wenn es das schmutzige Wasser des Rio Pecos gewesen war, das mich angegriffen habe, so wüsste ich nichts davon. Übrigens hätte ich die ganze Kompanie zum Zeugen, dass ich so nüchtern wie je zurückgekommen war. Einige, die zugehört hatten, traten sogleich auf und bezeugten die Wahrheit meiner Aussage, worauf der Captain zum ersten Sergeant zurückging und mit ihm eine Zeit lang sprach. Er kehrte zurück und sagte mir, dass er mir völlig Glauben schenke, aber der erste Sergeant hätte mich geordert, zu Fuß zu gehen, daher müsste ich eben einen Tag Strafe aushalten. Nun ging mir die Geduld aus und ich sagte mit wenigen Worten, dass ich mir, als völlig unschuldig, eine Strafe von einem Lumpen wie Sergeant G. diktiert, nicht gefallen lassen würde und verlangte sogleich Erlaubnis, mein Anliegen dem Oberst zur Entscheidung vorzutragen. Darauf bekam ich die Antwort, dass ich am Abend den Oberst sprechen könnte, womit mir, nachdem ich einen Tag zu Fuß gegangen, natürlich nicht geholfen war. So wandte ich mich an den Captain und belehrte ihn, dass, wenn ich zu Fuß gehen müsste, ich meinen eigenen Weg einschlagen würde, um mit einer Armee, wo nicht die geringste Gerechtigkeit zu finden sei, nichts mehr zu schaffen zu haben. Er gab mein Pferd einem Mann zu führen, kommandierte Vorwärts und ritt voraus. Meine Leute, welche alle den letzten Teil der Unterhandlung mit angehört hatten und wohl wussten, dass ich im vollen Ernst und im Recht war, schüttelten mir die Hand und ritten fort. Ich folgte ihnen eine halbe Meile, bis wir an einen Platz kamen, wo große Felsen und Höhlen waren, wo ich dann rechtsum machte, in eine Höhle spazierte, meinen Mantel ausbreitete und mich schlafen legte.