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Im Zauberbann des Harzgebirges – Teil 42

Im Zauberbann des Harzgebirges
Sagen und Geschichten, gesammelt von Marie Kutschmann

Kloster Walkenried

Anmutig, von hohen Bergen umschlossen, liegt das freundliche Dorf Walkenried, dessen Häuser von der mächtigen Ruine des ehemaligen Zisterzienserklosters Walkenried überragt werden.

Im Jahre 1129 wurde das Kloster von der frommen Gräfin Adelheid von Klettenberg gegründet, die nicht allein den Grund und Boden zu dem Bau gab, sondern auch für inneren und äußeren Schmuck sorgte und zahlreiche Reliquien mit großen Kosten anschaffte. Kaiserliche und päpstliche Privilegien beförderten den Aufschwung und bald gehörte Walkenried zu einem der reichsten Klöster.

Dieser Reichtum gab Veranlassung zu einem größeren, schöneren Bau, zu dem im Jahre 1207 der Grund gelegt und der von 1210 ab energisch gefördert wurde. Papst und Bischöfe verhießen all denen, welche den Bau befördern halfen, reichen Ablass und Befreiung vom Fegefeuer. Daher kamen denn Geld und Arbeiter von allen Seiten herbei. Dennoch aber trat nahe vor der Vollendung des prachtvollen Baues Geldmangel ein und die Mönche befanden sich in arger Verlegenheit. Da – erzählt die Sage – fuhr einst mitten in der Nacht ein von vier Pferden gezogener Wagen vor den Neubau, der bis zum Rand mit Geld und Kostbarkeiten angefüllt war. Der Kutscher war verschwunden und keiner wusste, woher die Hilfe kam. Einige meinten, Gott habe ein Wunder geschehen lassen, andere aber erzählten, ein reicher Bürger aus Goslar sei es gewesen, der den Wagen selbst nach Walkenried gefahren und, um nichts mitzunehmen, sogar die Peitsche an den Sattel gesteckt habe und zu Fuß heimgegangen sei.

Nun konnte der Bau weitergeführt werden. Nachdem achtzig Jahre daran gearbeitet worden waren, wurde derselbe im Jahre 1290 vollendet und im selben Jahr vom Erzbischof Adalbert von Mainz geweiht.

Dank der vielen Geschenke und freiwilligen Arbeiten war ein Kloster emporgestiegen, das zu den schönsten Deutschlands gerechnet werden konnte und welches mit der Zeit so im Ansehen stieg, dass die Äbte Reichsstände wurden und Bischofskleider trugen. Überall hatte Walkenried Besitzungen und Kapellen, aus denen es große Einkünfte bezog, und wenn die Mönche des Klosters nach Rom reisen wollten, konnten sie fast auf der ganzen Reise in ihrem Eigentum übernachten. Die reichste Geldquelle des Klosters aber war ein wundertätiges silbernes Marienbild, welches zwischen den Fingern zwei Dornen aus der Dornenkrone Christi hielt, die ein Herzog von Braunschweig 1330 aus Palästina mitgebracht hatte. Nach der Reformation soll Abt Georg I. dieses herrliche Bild haben umschmelzen lassen, was nicht gerade unglaublich ist; denn derselbe ließ auch anderwärts aus einem kunstvoll und prächtig gearbeiteten silbernen Rauchfass einige hundert Speziestaler schlagen.

Wie nun das Kloster in höchster Blüte stand, brach im Jahre 1525 der Bauernkrieg aus. Als die Mönche erfuhren, dass eine wilde Rotte von ungefähr achthundert Mann sich nach Walkenried wende, packten sie eilig alle Kostbarkeiten zusammen und flohen nach Nordhausen oder Goslar.

Alle Türen des Klosters blieben unverschlossen, damit der rohe Haufen nicht die kostbare Arbeit zertrümmern solle.

Als die Bauern ankamen, zerstörten sie, was nur ihren Kräften weichen wollte, zerschlugen die Fenster mit den prächtigen Glasmalereien, zerrissen die vorgefundenen Ölgemälde, Bücher und Manuskripte. Dann fielen sie über ein metallenes Handbecken her, welches zur Seite des Kreuzganges stand und von einem Klosterbruder, der früher Hüttenmeister gewesen, kunstvoll für das Kloster verfertigt war. Mit Hämmern und Beilen versuchten die Bauern es zu zerschlagen; aber umsonst, es trotzte allen Anstrengungen. Da fachten sie ein großes Feuer an, um das Becken zu schmelzen; aber auch das gelang ihnen nicht, und wütend suchte die wilde Rotte andere Gegenstände, an welchen sie ihre Zerstörungswut auslassen konnte. Zuerst kam die große Turmglocke dran. Durch heftiges Läuten versuchten sie diese zu zersprengen. Als sie voller Zorn einsahen, dass auch hier alle Arbeit vergeblich sei, legten sie auf Rat eines Zimmermanns Ketten und Seile um die Turmspitze.

Der Zimmermann hieb das Holzwerk durch, und mit vereinter Kraft wurde nun der ganze Turm mitsamt der Glocke herabgerissen. Allein der Zimmermann fand hierbei seinen Tod. Bei dem heftigen Sturz hatte der Turm das Dach der Kirche so sehr beschädigt, dass bald der Regen durchdrang, und da dasselbe nicht restauriert wurde, fiel schon nach wenigen Jahren der hohe Chor ein.

Als die Grafen von Hohenstein von dem Bauernaufstand in Walkenried hörten, eilten sie sofort dahin, um denselben zu unterdrücken. Doch keine Vorstellungen halfen und nur mit Mühe und List entgingen sie selbst dem Tod. Erst als in Walkenried nichts mehr zu verwüsten war, zog die wilde Rotte fort nach Frankenhausen. Unterwegs aber hörten sie, wie übel es ihren Brüdern dort ergangen sei. Große Angst ergriff die Bauern und schleunigst versuchten sie in ihre Heimatdörfer zurückzukommen.

Nun ließen aber die Grafen von Hohenstein die Rädelsführer sofort ergreifen und hinrichten. Die anderen Übeltäter kamen mit dem Leben davon, nur eine Geldstrafe wurde ihnen auferlegt.

Einige Mönche kehrten später in das zerstörte Kloster zurück, doch bald kam dasselbe mehr und mehr in Verfall und verarmte.

Dann wurde es protestantisch und 1566 zu einer evangelischen Knabenschule eingerichtet, welche sehr bald hohes Ansehen erlangte. Da sich aber die Einkünfte sehr verringerten, musste dieselbe 1669 wieder aufgehoben werden. Seit jener Zeit steht das Kloster öde und verlassen. Die spärlichen Überreste lassen die ehemalige großartige Schönheit der Baulichkeiten erahnen. Der Gottesdienst wird nun in der Kapitelstube abgehalten.

Ein alter Chronist erzählt von einem im Kloster befindlichen Saal, welcher der Zaubersaal genannt wird, folgende kuriose Geschichte:

Als sich einst mehrere Knaben in diesem Saal durch Springen ergötzten und jeder den anderen zu überbieten versuchte, konnte plötzlich einer der Knaben nicht wieder vom Platz fortkommen, auf den er gesprungen war. Seine Gefährten rissen und zerrten ihn; alles vergeblich. Der Rektor der Schule wurde herbeigeholt, aber auch er konnte den Knaben nicht befreien.

Endlich fiel ihm ein, dass dieser Zustand von einer Beschwörung herrühren müsse. Er befahl seinem Schüler, fleißig um sich zu schauen, ob er nicht irgendein Zeichen oder eine Schrift entdecken könne.

Der Knabe sah umher und gewahrte über sich einen Zirkel, an der Wand nach Osten eine griechische Schrift, gegen Süden etliche Charaktere, welche er teils hersagen, teils beschreiben musste.

Daraus entnahm nun der Rektor, dass in der Mauer ein Schatz verborgen sei und dass derjenige, welcher die Punkte, die bei Vergrabung des Schatzes gemacht seien, mit den Füßen berühren würde, die Schrift sehen und das Verborgene offenbaren solle. Sobald der Rektor das nun verstanden hatte, wurde der Knabe frei und konnte aus dem beschworenen Zirkel heraus. Der Rektor zeigte das Vorgefallene an. Als man nach seiner Anweisung suchte, wurde ein steinernes, mit Geld gefülltes Geschirr in der Mauer aufgefunden.