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Das Gespenst im alten Schloss – Kapitel III

Das Gespenst im alten Schloss
Oder: Ein Verbrecher verrät sich selbst

III.

In der Försterei hatte bereits die junge und bildschöne Frau des Försters alles in Ordnung gebracht. Auch das Frühstück für ihren Herrn war schon bereitet. Sie erwartete ihn sitzend bei dem Spinnrad. Endlich kam er die Holztreppe herab, die in seine Wohnung führte. Mürrisch grüßend setzte er sich an die Tischecke, um die duftige Weinsuppe zu genießen. Er war ein mittelgroßer, breitschulteriger Mann, von muskulöser gedrungener Gestalt, welche große Kraft verriet. Seine Blicke aber waren finster und stechend, welche Leidenschaftlichkeit und Rohheit zu erkennen geben. Sein Bart und Kopfhaar waren verwahrlost und struppig und an den Schläfen bereits schneeweiß geworden, obwohl er erst in den Vierzigern stand. Es war unverkennbar, dass ein schweres Leiden des Körpers oder der Seele an dem Lebensmark dieser kräftigen Natur nagte.

Seine Frau wagte in seiner Gegenwart kaum, zu reden, ohne gefragt zu sein, zeigte sich jedoch freundlich und zuvorkommend.

Seltsame Geschicke hatten diese zwei Leute auf Lebenszeit miteinander verbunden, ohne dass ihre Seelen auch nur einmal zusammenstimmten. Und hätte diese Frau nicht in Gott ihren Trost und ihre Stärke gesucht, so ein trauriges Leben eines einsamen und verlorenen Herzens in diesem Bergwinkel hätte sie aufzehren müssen.

Schweigsam und dumpf vor sich hinbrütend saß der Förster beim Tisch, nahm sein Frühstück und stopfte sich die Pfeife. Selbst der Jagdhund zu den Füßen seines Herrn rührte sich nicht. Endlich holte Förster Simon Gewehr, Pulverhorn und Jagdtasche herbei. Plötzlich wurde der Hund unruhig und begehrte knurrend hinausgelassen zu werden, während er auf seinen Herrn blickte, als wollte er ihm sagen, dass etwas Verdächtiges vor dem Haus geschehe. Doch, obwohl der Herr Schritte selbst vernahm und darauf den Fall eines Gegenstandes, musste sich der Hund kuschen.

Die Frau war dabei heftig erschrocken, unterdrückte aber, was sie sagen wollte und flüsterte nur, indem sie rasch durch das Fenster hinaussah: »Schon wieder der Loisl. Das muss noch zu einem Unglück führen.«

So leise sie aber gesprochen hatte, der Förster hatte es verstanden. Auffahrend und zornig rannte er der Tür zu, riss sie auf und schrie hinaus, während der Hund dem Wald zulief. »Donner und Wetter! Wenn du nicht Ruhe gibst und ich dich treffe, so soll es ein Ende haben. Du sollst mich kennen lernen!« Dabei drohten seine Fäuste in der Richtung des Waldes hin, in den der Hund lief, um die Spur des Verhassten zu verfolgen. Selbst aber ging er doch nicht hin und rief sogar den Hund zurück, der sich erstaunt umsah und widerwillig dem wiederholten Pfeifen folgte.

Der Gegenstand, welcher Simon in gewaltigen Zorn versetzt hatte, lag indessen noch vor der Tür zu seinen Füßen. Es war nichts Geringeres als ein Rehbock, ein großes schönes Tier, von den Wilddieben geschossen und durch Loisl vor die Försterei gelegt, dem Herrn Förster als ein Präsent. Obwohl dieser Flüche zwischen den Zähnen murmelte, kämpfte er doch seine Aufregung nieder, zog das Reh in die Stube, befahl der Frau, es in den Keller zu schaffen und ging mit dem Hund in den Wald; aber nicht in derselben Richtung, in welcher Loisl gegangen und vom Hund verfolgt worden war.

Des Försters Frau gehorchte schweigend dem Befehl ihres Mannes und bot alle Kräfte auf, das schwere Tier beiseite zu schaffen, denn es lag ihr daran, vor jedermann die neu erlittene Schmach zu verbergen. Alle Missverhältnisse, in die sie geraten, fielen ihr nicht so schwer wie die allgemeine Missachtung ihres Mannes, welche täglich mehr zuzunehmen anfing. Dabei wurde ihr so weh ums Herz und stiegen trübe Ahnungen der Zukunft auf, sodass sie kaum bei dem Bild des Gekreuzigten Trost fand, der sonst in allem der einzige Vertraute war.

Rasche Schritte weckten sie nun aus ihrer wehmütigen Stimmung. Caspar und Vefe traten ein. Es brauchte nicht viel, so war Vefe in Dienst genommen und sie begann auch bald danach die Arbeit.

Schon bei dem ersten Auftreten gewann Vefe die Zuneigung der ^Försterin und noch mehr, als diese sah, wie geschickt sie die Arbeit anging. Die neue Magd hatte zuerst in der Küche zu tun, während die Frau im oberen Stock aufräumte, dann in der Essstube. Hier nun war eine alte Uhr und ein halb erblindeter Spiegel, welche die Erinnerung in ihr erweckten, als müsste sie dieselben an ihrem Ort schon früher einmal gesehen haben. Hinter dem Ofen kam ihr ein kleines, vor Staub und Schmutz kaum mehr erkennbares Bild in die Hände, das schon seit vielen Jahren niemand mehr beachtet zu haben schien. Sie reinigte es, betrachtete es beim Licht und fand das Bild eines jungen Bauernmädchens. Unwillkürlich lächelte sie diesem Bild entgegen und sprach halblaut: »Mutter, liebes Mutterl! Du bist da wirklich und leibhaftig vorgestellt! So warst du vor Jahren in glücklichen Zeiten. Jetzt, arme Mutter, wärest du freilich nicht mehr zu kennen. Wie ist doch das Bild meiner Mutter hierhergekommen Ja, man hat mir auch erzählt, dass Simon meine Mutter vor ihrer Heirat gerne gesehen habe. Und weil sie einen anderen geheiratet, mit seinem rachsüchtigen Gemüt ihr und ihrer Familie alles Böe zugeschworen hatte. Wie ist es doch möglich, dass sich die Liebe in solchen Hass verkehre? O, wie wird es dir gehen, arme Mutter, werden wir uns wohl noch einmal sehen in dieser Welt. O Gott, hilf dazu!«

Unvermutet trat die Frau ein.

Vefe in sichtlicher Verlegenheit hing das Bild wieder an Ort und Stelle mit den Worten: »Ich habe es herabgenommen, weil es so staubig war, doch ich muss in die Küche, denn die Milch ist auf dem Feuer.«

Die Frau hatte ganz wohl die Verlegenheit der Magd wahrgenommen, meinte aber doch nach einiger Zeit, sie werde das Bild nicht kennen und sprach für sich: »Ich wollte, dass ich es auch nicht kennen dürfte, dass es niemals zu uns hereingekommen wäre, dass Simon sie und mich niemals gesehen hätte. Was mag ihr Schicksal sein? Wo mag sie herumirren in der Welt? Doch sie wäre auch nicht glücklich gewesen mit ihm. Er hat kein Gefühl und besonders jetzt nicht, wo ihm etwas Geheimnisvolles auf der Seele liegen muss. O Gott, gib uns ein glückliches Ende.«

Vefe deckte für Mittag den Tisch in der gewohnten Weise, die ihr die Frau dienstfertig angab, nachdem sie die Speisen sorgfältig zubereitet hatte. Aber der Förster kam, wie es oft seine Art oder Unart war, nicht zum Essen nach Hause und nur Caspar war beim einfachen Mahl. Es schien ihm viel besser zu munden als sonst, und er, der sonst kurz ab in seinen Reden war, hatte nun mit der neuen Magd allerlei zu fragen und zu erzählen, und wäre bald zu seinem Dienstgeschäfte am Nachmittag zu spät gekommen.

Als die Hausfrau und die Magd beisammen in der Försterei arbeiteten, hatten sie gar vieles und lebhaft einander zu erzählen. Indessen war aber auch zu merken, dass jede von ihnen dort und da vor dem anderen etwas geheim hielt und die Antworten dann ausweichend wurden oder gänzlich fehlten. Vefe wagte es nicht, ihre Absichten auszusprechen, war sie ja vor der Frau des Försters und musste sich überhaupt scheuen, durch Mitteilung die Erreichung ihres Zieles zu vereiteln. Die Frau hingegen trug wohl schwer ihren unzufriedenen Hausstand, aber sie war ein zu treues Frauenherz, als dass sie anderen erzählt hätte, was ihren Ehestand betraf; mochte es ihrem Herzen auch noch so drückend sein.

Gegen Abend zu entlud sich ein fürchterliches Donnerwetter. Der Sturm tobte so, dass sich die stärksten Bäume tief beugten, die Türen in den Angeln knarrten und den flachen, mit Steinen belegten Dächern eine arge Verwüstung drohte. Dabei ergoss sich der Regen in Strömen, schlug laut prasselnd an die Fensterscheiben. Das Heulen des Windes in der engen Berggegend und im alten Schloss war entsetzlich. Selbst der sonst stille See erhob sich in gewaltigen Wogen. Die Frau und Vefe, allein in der Försterei, wurden darüber so geängstigt, dass sie laut zu beten anfingen. Endlich schoben sie gar den hölzernen Riegel vor die Haustür und begaben sich in die Küche, um das Abendessen zu kochen. Die Unheimlichkeit ihrer Lage bei diesem Gewitter und der Schrecken, welcher sie bei jedem heftigen Windstoß, Blitz und Donner durchzuckte, leitete bei Vefe das Gespräch auf die nächtliche Geistergeschichte, die ihr aber die Frau auszureden versuchte, obwohl es ihr selbst kalt durch die Adern und Glieder dabei lief. Sie waren eben im eifrigsten Geflüster darüber und redeten sich so zu sagen ganz und gar in die Angst hinein, als plötzlich die Frau heftig erschrak und sagte: »Hast du nichts gehört? In der Kammer hat sich etwas gerührt.«

Vefe glaubte gar, in der Kammer Schritte vernommen zu haben, hatte so viel Mut, die Tür aufzumachen, hineinzusehen und zu rufen. Aber es blieb alles still. Darum kehrte sie wieder zurück zum Herd. Obwohl sie aber nichts sahen und fanden, so war doch das, was sie vernahmen, keine Täuschung, denn wirklich hatte sich ein Mann im Dunkeln in die Försterei geschlichen. nachdem er mit dem Taschenmesser den bekannten Holzriegel an der Türe zurückgeschoben, hatte begab er sich in die finstere Stube, legte sich auf die Ofenbank und schlief ein. Dies alles war in einigen Augenblicken geschehen, weswegen Vefe nichts mehr von ihm sah und hörte.

Caspar hatte zur Verwaltung zu gehen gehabt und kam später als sonst heim. Seine Kleider waren durch und durch nass geworden; deswegen war sein Erstes, sich derselben zu entledigen und sie am Herd in der Küche zu trocknen. Dann erst nahm er sein Abendbrot.

Etwa eine Stunde später, als das Ungewitter ziemlich nachgelassen hatte, ließ sich ein helles zweimaliges Pfeifen von außen vernehmen, womit der Förster seine Heimkehr den Hausleuten anzuzeigen pflegte. Die Frau und der Jägerjunge fuhren wegen seinem Unmut, der ihnen wieder drohte, erschreckt auf und die Vefe schien von Unruhe und Aufregung befallen worden zu sein. Mit Eile holte die Frau den Abendtrunk von der Glut und richtete ihn zurecht. Caspar öffnete ihm rasch die Eingangstür. Hastig und barsch, wie es immer seine Art war, trat der Förster ein, überließ Gewehr, Tasche und Jagdrock den Hausleuten, die ihn voll Aufmerksamkeit bedienten, und machte es sich bei Tisch bequem, auf welchem ihm der warme Trunk einladend entgegenduftete, sobald er den trockenen Hausrock am Leib und die frisch gestopfte Pfeife im Mund hatte.

Vefe war außen geblieben, machte sich am Herd zu tun. Ihr Herz schien heftig zu pochen, denn endlich sollte sie dem Förster zum ersten Mal gegenübertreten. Fast wurde ihr bei dem Gedanken an das, was sie im Haus vor hatte, so bang ums Herz, dass sie in Versuchung geriet, auf und davon zu laufen.

Indessen hatte der Jägerjunge seinen Bericht vom Amt erstattet, Gelder eingeliefert und ein Schreiben von der Herrschaft mitgebracht, welche Dinge dem Förster so sehr gefielen, dass er sich in der behaglichsten Stimmung befand, deren sein störrisches Gemüt fähig war. Während dem hatte auch die Frau die Aufnahme der Magd und allerlei kleine Hausereignisse berichtet, aber nur halbe Aufmerksamkeit gefunden, denn der Förster war lächelnd in das erhaltene Schreiben vertieft. Caspar hätte aber auf seinem eigenen Herzen noch etwas gehabt, das er gerne angebracht hätte, aber er getraute sich nicht, weil der Förster gewiss wieder in den größten Zorn geraten würde.

Nachdem der Förster sein Glas halb geleert und heftige Rauchwolken in die Luft blies, fragte er: »Nun, Caspar, gibt es sonst noch was Neues oder brauchst du was von mir?«

Nun rückte aber der Gefragte rasch hervor: »Herr Förster, die Wilddiebe waren heute Nacht wieder im alten Schloss.«

»Schon wieder? Sorge dich nicht weiter, es ist alles im Zug, um ihnen die Lust gründlich zu vertreiben. Es heißt aber abwarten – voreilig sein kann alles verderben.«

»Zu warten«, antwortete Caspar mit vor Unmut errötendem Gesicht, »das wird nicht mehr angehen, damit versucht Ihr mich seit Monaten zu vertrösten, aber es kann nicht mehr lang so bleiben, wie es ist. Die Wilddiebe lachen und spotten über mich, wo sie mich finden, denn sie wissen, dass Ihr mir Eure Beihilfe versagt und ich immer den Kürzeren ziehen muss. Das muss ein Ende nehmen!«

»Wer ist der Herr da im Haus?«, schrie nun der Förster mit dunkelrot gewordenem Gesicht laut auf und schlug dabei mit der Faust auf den Tisch, dass sein Trinkglas klirrte. »Solche Sprache von einem Jägerjungen verstehe ich nicht und will sie nie mehr hören. Sonst sind wir geschiedene Leute.«

Caspar ließ sich nicht einschüchtern, sondern entgegnete ruhig: »Wie Sie wollen, Herr Förster, das kann leicht geschehen, aber wenn ich gehe, so mache ich auch meine Anzeige und ich werde Hilfe finden.«

»Hinaus, Rebeller, oder ich vergesse mich an dir«, bebten nun des Försters Lippen, »zeig an, was du willst. Ich bin aber auch noch da und habe ein Wort zu reden. Förster Simon weiß schon, vorlaute Mäuler zu stopfen.«

Die Frau hatte den Caspar durch Gebärden zu beruhigen gesucht und dieser verstand sie. Mit Mäßigung entgegnete er: »Aber Herr Förster, soll es mich nicht wurmen und bis in die Seele hinein wehtun, wenn dies liederliche Gesindel mit Wald und Wild wirtschaftet, wie es will, mich verlacht und verspottet und Ihr dazu durchaus die Augen zudrücken wollt. Und was ist erst heute wieder für eine Geschichte gewesen? Ich war ihnen wieder auf der Spur. Die anderen sind übers Wasser davon, aber der Loisl, der Keckste von allen und den Ihr gerade am meisten schont, ist mit einem Rehbock auf dem Rücken beim schwarzen Turm an mir vorbei und durch das Dickicht gelaufen, um das gestohlene Wild Euch vor die Tür zu legen. Gibt es einen größeren Hohn und Spott für unseren Dienst? Hat man so etwas einmal in einer Försterei gehört? Und warum ist Euch denn der Loisl, welcher überall der Rädelsführer ist, so ans Herz gewachsen, dass Ihr ihn frei tun lasst in Sünde und Schande?«

Die Försterfrau war in tausend Ängsten, dass Simon in Wut geraten werde, aber, obwohl es in seinem Inneren tobte und schäumte, dass seine Glieder zitterten, so beherrschte er sich dieses Mal und sagte ausweichend: »Ihr habt nicht unrecht, Caspar, aber es gibt allerlei zu bedenken. Mit dem Einfangen eines Einzelnen ist nicht viel ausgerichtet, die ganze Sippschaft will ich packen und gründlich mit ihr ein Ende machen. Dazu muss man ihr Wirtschaften im Wald gründlich ausforschen, sie bei Nacht und Nebel überraschen. Das soll geschehen, sobald ich im Reinen mit den Erhebungen bin, die ich eingeleitet habe. In ihrer eigenen Schlinge sollen sie sich fangen. Du meinst es ehrlich, Caspar! Ich sehe es ein, aber dein Blut ist noch zu rasch. Die Hitze tut nicht immer gut und verdirbt oft die besten Pläne. Also Geduld. Und was den Loisl betrifft, so mag es wahr sein, dass ich ihm zu gut bin, weil er mir nahe steht. Ich will ihm noch einmal ins Gewissen reden, ehe wir losbrechen, denn siehe, ihn hat mir seine Mutter, ehe sie gestorben ist, anempfohlen. Sie war eine brave Alte, mit mir weitschichtig verwandt. Darum fühle ich so eine Art Vormund- oder Vatergefühl für den Loisl – fast gilt er mir für mein Kind und das straft man nur ungern und zuletzt.«

Der Förster wusste all dies so gut vorzubringen, dass Caspar und die Frau beruhigt waren.