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Die drei Musketiere 62

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

XXIX.

Zwei Abarten von Teufeln

»Ah!«, riefen Rochefort und Mylady zugleich, »Ihr seid es?«

»Ja, ich bin es.«

»Und Ihr kommt?«, fragte Mylady.

»Von La Rochelle. Und Ihr?«

»Von England.«

»Buckingham?«

»Tot oder gefährlich verwundet. Als ich abreiste, ohne etwas von ihm erlangen zu können, ermordete ihn ein Fanatiker.«

»Ah«, sprach Rochefort lächelnd, »das ist ein äußerst glücklicher Zufall, worüber sich Seine Eminenz ungemein freuen wird. Habt Ihr ihn davon in Kenntnis gesetzt?«

»Ich habe ihm von Boulogne aus geschrieben. Aber wie kommt Ihr hierher?«

»Seine Eminenz war in Unruhe und schickte mich aus, um Euch zu suchen.«

»Ich bin erst gestern hier angekommen.«

»Und was habt Ihr seit gestern gemacht?«

»Ich habe meine Zeit nicht verloren.«

»Oh! Das kann ich mir wohl denken.«

»Wisst Ihr, wen ich hier getroffen habe?«

»Nein.«

»Ratet!«

»Wie soll ich?«

»Die junge Frau, welche die Königin dem Gefängnis entrissen hat.«

»Die Geliebte des kleinen d’Artagnan?«

»Ja, Madame Bonacieux, deren Zufluchtsstätte der Kardinal nicht kannte.«

»Nun«, sprach Rochefort, »das ist abermals ein Zufall, der dem anderen die Stange halten kann. Der Monsieur Kardinal ist in der Tat ein vom Glück begünstigter Mann.«

»Könnt Ihr Euch mein Erstaunen denken«, fuhr Mylady fort, »als ich mich dieser Frau gegenüber fand?«

»Kennt sie Euch?«

»Nein.«

»Dann hält sie Euch für eine Fremde?«

Mylady lächelte. »Ich bin ihre beste Freundin.«

»Bei meiner Ehre!«, sprach Rochefort, »nur Ihr, meine liebe Gräfin, könnt solche Wunder bewirken.«

»Es geschah zur rechten Zeit, Chevalier«, sagte Mylady, »denn wisst Ihr, was vorgeht?«

»Nein.«

»Man will sie morgen oder übermorgen mit einem Befehl der Königin holen.«

»Wirklich? Und wer dies?«

»D’Artagnan und seine Freunde.«

»In der Tat? Sie treiben es so arg, dass wir sie in die Bastille schicken müssen.«

»Warum ist dies nicht bereits geschehen?«

»Was wollt Ihr? Der Monsieur Kardinal hat für diese Menschen eine mir ganz unbegreifliche Vorliebe.«

»Wirklich? Nun so sagt ihm Folgendes, Rochefort: Sagt ihm, dass unsere Unterredung in der Herberge Zum Roten Taubenschlag von diesen vier Menschen gehört worden ist. Sagt ihm, dass einer von ihnen nach seinem Abgang heraufkam und mir mit Gewalt den Geleitbrief entriss, den er mir gegeben hatte. Sagt ihm, dass sie Lord Winter von meiner Fahrt nach England benachrichtigen ließen, dass sie auch dieses Mal beinahe meine Sendung vereitelt hätten, wie sie die mit den Nestelstiften vereitelten. Sagt ihm, dass von diesen vier Menschen nur zwei, d’Artagnan und Athos, zu fürchten sind. Sagt ihm, dass der Dritte der Liebhaber der Frau von Chevreuse ist. Man muss diesen leben lassen. Man kennt sein Geheimnis, er kann von Nutzen sein. Der Vierte, Porthos, ist ein Einfaltspinsel, ein alberner Geck, mit dem man sich nicht zu beschäftigen braucht.«

»Aber diese vier Menschen müssen in dieser Stunde bei der Belagerung von La Rochelle sein.«

»Ich glaubte dies, wie Ihr, aber ein Brief, den Madame Bonacieux von Frau von Chevreuse erhalten und mir unklugerweise mitgeteilt hat, gibt mir die Überzeugung, dass diese vier Menschen vielmehr in das Feld gezogen sind, um sie zu entführen.«

»Teufel, was ist da zu machen?«

»Was hat Euch der Kardinal in Beziehung auf mich aufgetragen?«

»Eure geschriebenen oder mündlichen Depeschen in Empfang zu nehmen und mit Postpferden zurückzukehren. Sobald er weiß, was Ihr getan habt, wird er Befehl geben, was Ihr tun sollt.«

»Ich muss also hierbleiben?«

»Hier oder in der Umgegend.«

»Ihr könnt mich nicht mitnehmen?«

»Nein, der Befehl ist streng. In der Gegend des Lagers könntet Ihr erkannt werden, und Eure Gegenwart würde, wie Ihr wohl begreift, Seine Eminenz besonders nach dem, was da drüben vorgefallen ist, kompromittieren. Doch sagt mir jetzt schon, wo Ihr Nachrichten vom Kardinal erwarten wollt, damit ich stets weiß, wo ich Euch treffen kann.«

»Wahrscheinlich bin ich nicht imstande, hierzubleiben.«

»Warum?«

»Ihr vergesst, dass meine Feinde jeden Augenblick ankommen können.«

»Das ist wahr, aber dann wird diese kleine Frau Seiner Eminenz entschlüpfen.«

»Bah!«, sprach Mylady mit einem Lächeln, das nur ihr eigentümlich war, »Ihr vergesst, dass ich ihre beste Freundin bin.«

»Ah! Das ist wahr; ich darf also dem Kardinal sagen, in Beziehung auf diese Frau …«

»Könne er ruhig sein.«

»Nicht mehr? Weiß er, was dies zu bedeuten hat?«

»Er wird es erraten.«

»Was soll ich nun tun?«

»Sogleich abreisen. Es scheint mir, die Nachrichten, welche Ihr bringt, sind wohl wert, dass man sich beeilt.«

»Mein Wagen ist in Lilliers gebrochen.«

»Vortrefflich!«

»Wie vortrefflich?«

»Ja, ich brauche Euren Wagen.«

»Und wie soll ich dann reisen?«

»Zu Pferd.«

»Ihr habt gut sprechen, hundertundachtzig Meilen!«

»Was ist das?«

»Sie sollen gemacht werden. Und danach?«

»Wenn Ihr durch Lilliers kommt, schickt Ihr mir den Wagen und gebt Eurem Bedienten Befehl, sich mir zur Verfügung zu stellen.«

»Gut.«

»Ihr habt ohne Zweifel einen Befehl des Kardinals bei Euch?«

»Ich habe eine Vollmacht bei mir.«

Ihr zeigt sie der Äbtissin und sagt ihr, man werde mich heute oder morgen abholen. Ich habe der Person zu folgen, die sich in Eurem Namen einfinden wird.«

»Sehr gut!«

»Vergesst nicht, über mich herzuziehen, wenn ihr mit der Äbtissin von mir sprecht.«

»Wozu soll das nützen?«

»Ich bin ein Opfer des Kardinals und muss wohl dieser armen kleinen Madame Bonacieux Vertrauen einflößen.«

»Das ist richtig. Wollt Ihr mir nun einen Bericht von all dem machen, was vorgefallen ist?«

»Ich habe Euch die Ereignisse erzählt, Ihr besitzt ein gutes Gedächtnis. Wiederholt die Dinge, wie ich sie Euch mitteilte. Ein Papier geht verloren.«

»Ihr habt recht. Nur damit ich weiß, wo ich Euch finden kann und nicht unnütz in der Gegend umherlaufe.«

»Das ist richtig; wartet!«

»Wollt Ihr eine Karte?«

»Oh! Ich kenne diese Gegend vortrefflich.«

»Ihr? Wann seid Ihr hier gewesen?«

»Ich bin hier erzogen worden.«

»Wirklich!«

»Seht, irgendwo erzogen worden zu sein, nützt doch zu etwas.«

»Ihr werdet mich also erwarten …?«

»Lasst mich einen Augenblick nachdenken … halt, ja in Armentières?«

»Was ist das, Armentières?«

»Eine kleine Stadt an der Lys. Ich habe nur über den Fluss zu setzen und bin in einem fremden Land.«

»Vortrefflich! Aber wohlverstanden, Ihr geht nur im Fall einer großen Gefahr über den Fluss.«

»Natürlich.«

»Wie soll ich aber dann erfahren, wo Ihr seid?«

»Ihr bedürft Eures Bedienten nicht?«

»Nein.«

»Es ist ein sicherer Mann?«

»Unter jeder Bedingung.«

»Gebt ihn mir; niemand kennt ihn, ich lasse ihn an dem Ort zurück, von dem ich mich entferne, und er führt Euch dahin, wo ich bin.«

»Und Ihr sagt, Ihr werdet mich in Armentières erwarten?«

»In Armentières.«

»Schreibt mir diesen Namen auf ein Stückchen Papier, damit ich ihn nicht vergesse. Der Name einer Stadt kann unmöglich kompromittieren, nicht wahr?«

»Wer weiß? Doch gleich viel«, sagte Mylady und schrieb den Namen auf ein Blättchen Papier. »Ich gefährde mich dadurch.«

»Gut«, sprach Rochefort, nahm das Papier Mylady aus den Händen, faltete es zusammen und steckte es in das Futter seines Hutes. »Seid übrigens unbesorgt, ich mache es wie die Kinder und wiederhole den Namen den ganzen Weg entlang, wenn ich das Papier verliere. Nun, ist das alles?«

»Ich glaube.«

»Wir wollen einmal untersuchen: Buckingham tot oder schwer verwundet; Eure Unterredung mit dem Kardinal von den vier Musketieren gehört; Lord Winter von Eurer Ankunft in Portsmouth benachrichtigt: d’Artagnan und Athos in die Bastille; Aramis der Liebhaber der Frau von Chevreuse; Porthos ein Gimpel; Madame Bonacieux wieder gefunden; Euch den Wagen so bald wie möglich schicken; Euch meinen Bedienten zur Verfügung stellen; ein Opfer des Kardinals aus Euch machen, damit die Äbtissin keinen Verdacht schöpft; Armantières an den Ufern der Lys. Ist es so?«

»In der Tat, mein lieber Chevalier, Ihr seid ein wahres Wunder von Gedächtnis. Doch fügt noch bei …«

»Was?«

»Ich habe ein sehr hübsches Wäldchen gesehen, das an den Klostergarten stoßen muss. Sagt, es sei mir erlaubt, in diesem Wäldchen spazieren zu gehen. Wer weiß, ich muss vielleicht durch eine Hinterpforte von hier fort.«

»Ihr denkt an alles.«

»Und Ihr, Ihr vergesst etwas.«

Was denn?«

»Zu fragen, ob ich Geld brauche.«

»Das ist richtig. Wie viel wollt Ihr?«

»Alles, was Ihr an Gold bei Euch habt.«

»Ich habe ungefähr fünfhundert Pistolen bei mir.«

»Ich etwa ebenso viel. Mit tausend Pistolen kann man allem Trotz bieten. Leert Eure Taschen.«

»Hier.«

»Gut. Und Ihr reist?«

»In einer Stunde. Ich bleibe nur so lange, um einen Bissen zu essen, und schicke mittlerweile nach einem Postpferd.«

»Vortrefflich. Adieu, Graf!«

»Adieu, Gräfin.«

»Empfehlt mich dem Kardinal.«

»Empfehlt mich dem Satan.«

Mylady und Rochefort tauschten ein Lächeln und trennten sich.

Eine Stunde danach sprengte Rochefort im stärksten Galopp aus Bethune. Nach fünf Stunden kam er durch Arras.

Unsere Leser wissen bereits, wie er von d’Artagnan wiedererkannt wurde, wie dieses Wiedererkennen den vier Musketieren Furcht einflößte und sie zur größten Eile trieb.

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