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Der Welt-Detektiv Band 6

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Aus dem Wigwam – Die Sonnentöchter

Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig. 1880

Vierzig Sagen
Mitgeteilt von Chingorikhoor

Die Sonnentöchter

m südlichen Teil der Länder, die einst die Creek, Walkulla und andere Stämme bewohnten, befinden sich die beiden Flüsse Flint und Qakmulgee. Zwischen diesen liegt das Sumpfland Quaqnaphenogan, das so groß ist, dass man mehrere Monate braucht, wenn man es umgehen will. Nach anhaltendem Regen gleicht es einem See mit zahlreichen Inseln, von denen die größte von den Creek für den heiligsten Platz der Erde gehalten und mit folgender Legende in Verbindung gebracht wird.

An einem schönen Sommermorgen nahmen einst vier junge Männer ihr Jagdgerät und gingen in den Wald, welcher an jenes Sumpfland grenzte. Da dieses infolge anhaltender Dürre trocken war, so wagten sie sich ziemlich weit hinein, um herauszufinden, ob sich keine Seevögel darin aufhielten. Doch sie fanden nichts. Als sie aber wieder umkehren wollten, konnten sie ihre Spur nicht mehr finden, und die sternenlose Nacht brach herein.

Ängstlich wanderten sie in der Dunkelheit umher, und keiner wusste, welche Richtung zur Heimat zurückführte. Da sagte der eine: »Ich höre Mädchenstimmen in der Nähe!« Bald darauf sahen sie auf einem wunder­schönen Rasen vier reizende Mädchen in lustiger Unterhaltung bei­sammen sitzen.

»Wer seid ihr?«, fragten jene.

»Wir sind vier Jäger vom Stamm der Creek und haben uns verirrt.«

»Dann gehört ihr zu demselben Stamm, der vor langen, langen Jahren unsere Voreltern mit Krieg überzog und in diese Gegend trieb. Eure Gräueltaten gegen uns sind uns allen noch frisch im Gedächtnis. Wenn euch unsere Väter und Brüder entdecken, werdet ihr euer Leben sicherlich auf dem Scheiterhaufen beenden. Flieht also, so schnell ihr könnt!«

»Aber so viel Zeit werden sie wohl noch haben, um in unsere Hütte zu treten und Erfrischungen zu sich zu nehmen«, fügte eine hinzu.

Die anderen waren damit ebenfalls einverstanden. Da die Jäger sehr hungrig waren, so nahmen sie die freundliche Einladung dankbar an und folgten den schonen Mädchen.

Nachdem sie sich an Speise und Trank recht gütlich getan hatten, sagte eines der Mädchen: »Junge, liebenswürdige Freunde! Es geziemt sich, dass wir euch mitteilen, wer wir eigentlich sind. Unsere Väter stehen unter dem direkten Einfluss der Sonne. Der Gemütszustand unserer ganzen Rasse ist daher ebenso veränderlich wie das Licht des Tages. Häufig weinen wir am Morgen, doch kurze Zeit danach, wenn die Sonne mild herabblickt, lachen wir wieder und sind fröhlich. Ihr haltet uns für schön und es ist möglich, dass wir es auch sind. Aber bedenkt, dass ihr uns gerade in der glücklichsten Stimmung antrefft. Doch wenn eure Liebe zu uns so stark ist, um die stürmische Zeit zu überdauern, dann lasst uns Hochzeit machen!«

»Ihr lieben, netten Mädchen!«, erwiderte einer der Jäger, »lasst mich im Namen meiner Freunde antworten. Nicht allein die Frauen auf der glücklichen Insel im Quaquaphenogansumpf, sondern auch die der Creek-Nation sind so wankelmütig wie das Wetter. Aber auf den Winter folgt der Sommer und auf Regen Sonnenschein. Da dies einmal, so lange wie die Welt steht, nicht anders gewesen ist, so seid uns als Frauen herzlich willkommen!«

»Da wir euch«, sagten jene darauf, »bereits von der Grausamkeit unserer Väter und Brüder erzählt haben und es hier für euch nicht sicher ist, so müsst ihr fliehen. Wir fliehen auch, wohin es auch immer gehen möge!«

Dies taten sie denn auch, und die jungen Jäger hatten es nie zu bereuen.