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Die Riffpiraten – Kapitel 9

Heinrich Klaenfoth
Die Riffpiraten
Verlag Albert Jaceo, Berlin, um 1851

Kapitel 9

Die Bestellung

Gerade, als die Prinzessin den Kutscher über die Richtung seiner Fahrt anwies, trat der Herr in der kurzen Weste, welches in der Tat Herr Simmrod war, mit einer kleinen Verbeugung an die Wagentür und sagte: »Ah! Charmant, meine beste Freundin, ich habe denselben Weg zu machen.«

Mit diesen Worten saß er auch schon an der Seite Judiths, und der Fiaker fuhr ab.

»Aber ich muss gestehen, mein Herr«, sagte Judith nach einer kurzen Pause, »Sie sind sehr zudringlich in der Freundschaft.«

»Ganz und gar nicht, aber jeder Verehrer des schönen Geschlechts würde es mir verdenken, wenn ich eine Gelegenheit wie diese unbenutzt vorübergehen ließe, da ich in der Tat einen zweifachen großen Vorteil dadurch habe.«

»Ihre großen Vorteile möchte ich kennen lernen.«

»Einmal, was die Hauptsache ist, komme ich in Ihre mir so angenehme Nähe.«

»Die Ihre ist mir aber nicht angenehm«, entgegnete die Prinzessin.

»Und fürs andere«, fuhr der Herr in der kurzen Weste fort, ohne sich unterbrechen zu lassen, »fahre ich eine gute Strecke, was mir weiter nichts kosten wird.«

»Sie werden den Fiaker bezahlen müssen.«

»Das werde ich bleiben lassen, es sei denn, dass Sie außerdem noch eine Spazierfahrt mit mir durch die neuen Anlagen machen.«

»Anders nicht?«

»Nein.«

»Dann bin ich in meinem guten Glauben über Sie, indem ich Sie für einen Verschwender hielt, vollständig belehrt. Sie sind ein Knicker.«

»Sie tun mir unrecht. Man hat so seine verzweifelten Ausgaben.«

»Worin könnten die bestehen?«, fragte die Prinzessin.

»Neulich zahlte ich für ein Fass Kaviar und für eine Mühe eine bedeutende Summe.«

»Sie sind also ein Feinschmecker und versündigen sich mit dem Gaumen.«

»Ich habe ihn nicht gekostet, vielmehr meine Ware an die armen Leute ohne Geld fast mit eigener Hand ausgeteilt.«

»Wie machten Sie das?«

»Mein Bursche musste die Tonne vor meiner Tür abstellen, an diese war eine mannshohe Stange genagelt, an der die schwarze Mütze hing mit der Inschrift Kaviar ohne Geld. Es hat aber die Mütze meines Freundes Morlet darin gelegen.«

»Fanden sich Käufer?«

»Meine Ware ging so reißend ab, dass mein Bursche, der dieselbe nur pfundweise verabreichte, bald seinen Handel einstellen musste. Aus diesem Umstand folgert sich eine zweite Ausgabe, der ein Kavalier wie ich, nicht gut ausweichen kann, eine Art Ehrensache.«

»Bei wem?«

»Bei einem Perückenmacher.«

»Sie wollen sich eine Perücke machen lassen?«

»Ja, aber für eine meiner besten Freundinnen, um ihre verlorene Gunst wiederzuerlangen, weil sie mir noch immer, wie Sie selbst, mein Herzchen, aus dem Attentat mit dem Besen gesehen haben, nach dem Leben trachtet.«

»Es scheint, als ob Sie die ganze Welt zum Freund haben, da Sie mich auch schon Ihre beste Freundin genannt haben.«

»Da ich nun für Sie keine Perücke verwenden kann«, fuhr Herr Simmrod fort, »so werde ich Ihnen einen Merinospenzer machen lassen, wozu Sie die Farbe wählen können. Es versteht sich von selbst, dass er mit wertvollen Knöpfen und echten seidenen Litzen besetzt ist. Hierzu kommt dann, wie sich ebenfalls von selbst versteht, für den ersten Augenblick ein schöner Hut, den Sie sich in dem ersten Putzladen selbst aussuchen sollen.«

»Das wäre ja allerliebst«, sagte Judith. »Sie scheinen ein lieber Herr zu sein.«

»Das bin ich auch, wenn es die Menschen nur einsehen wollten. Indessen wegen des Merinospenzers, da ich heute Abend noch zum Schneider gehen werde, müsste ich von Ihrer Taille doch eine oberflächliche Kenntnis haben.«

Hierbei glitt er mit der Hand unter den Mantel seiner Nachbarin und nahm die Hand und den Arm der Prinzessin in die seine, die sie ihm auch überließ. Dann sagte er:  »Nun, mein Herzchen, wollen Sie zu dem lieben, guten Herrn ziehen?«

»Ich bin nicht abgeneigt, wenn es Ihr Ernst ist und Sie Ihre Versprechen halten.«

»Wie ein Mann von Wort. In ernsthaften Dingen lüge ich nicht.«

»Nun, es gilt. Ich ziehe heute Abend noch zu Ihnen. Nur weiß ich nicht recht, wie ich mein Flucht anstelle.«

»Auf die natürlichste Weise von der Welt«, sagte der Herr in der kurzen Weste. »Haben Sie einen Koffer?«

»Nein, wie sollte ein so armes Mädchen, wie ich bin, zu einen Koffer kommen. Meine Habseligkeiten kann ich in einem Tuch zusammenknüpfen. Ein Paar Pantoffel, zwei Hemden, einige Paar baumwollene Strümpfe, ein Umschlagtuch, ein Kleid, zwei Taschentücher und ein Unterrock, das ist so ziemlich alles, was ich besitze, außer dem, was ich jetzt auf dem Leib habe.«

»Desto besser«, sagte der Begleiter Judiths, »Ich werde Sie erwarten, um Ihnen bei mir einziehen zu helfen. Wo soll ich warten?«

»Unter den drei Palmen vor dem Palais des Prinzen.«

»Wann kommen Sie?«

»Sobald ich kann, nach zehn Uhr, wenn der alte Drache schläft. Wenn es etwas später wird, müssen Sie es auch nicht übel nehmen, mein Herr.«

»Ganz und gar nicht, mein Herzchen«, sagte Herr Simmrod zärtlich, indem er vor Freuden bebte. Der Fiaker hielt vor der Pforte des Parks.

Mit einem Satz war die Prinzessin aus dem Wagen, drückte dem verliebten Herrn die Hand, bezahlte den Fuhrmann und verschwand durch die Pforte in ihren Park. Herr Simmrod zog seine Uhr nach dem Aussteigen aus der Tasche und berechnete die Zeit, wann er wohl unter den drei Palmen vor dem Palais sich zu seinem Rendezvous wieder einfinden müsse.