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Gold Band 3 – Kapitel 8.3

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 3
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 8.3

Robins hatte indessen den Landsleuten, unter denen er mehrere Bekannte traf, erzählt, wie er mit dem Engländer zusammengearbeitet habe und krank geworden wäre, und wie wacker sich jener seiner angenommen, ja sogar seinen Verdienst die Zeit mit ihm trotz alles Sträubens geteilt habe. Nun hatte er Macalomes verlassen wollen und war nur durch einen Zufall noch in der Nachbarschaft aufgehalten worden, wo er Nolten und dem jungen Deutschen begegnete. Nolten kannte ihn aber und wusste, dass er des Engländers Compagnon gewesen sei. Als er die Anklage gegen diesen hörte, hatte er sich ohne Weiteres auf sein Pferd geschwungen, um als Zeuge für ihn aufzutreten.

Cook hörte das alles mit an. Es war ihm dabei ein unbehagliches Gefühl, dass er eigentlich die alleinige Ursache gewesen sein sollte, die den Unschuldigen in so gefährliche und fatale Lage gebracht hatte. Derb und gerade aus aber, wie er war, ging er jedoch auch nun ohne Weiteres auf den Engländer zu, schüttelte ihm die Hand und sagte: »Fremder, es tut mir verdammt leid, dass ich Euch solcher Art hier, und wie es scheint unschuldig, in die Patsche gebracht habe. Aber Nolten und Robins sind Ehrenmänner, und nach denen seid Ihr auch ein ehrlicher Kerl. Also nichts für ungut – aber meinen kleinen Finger gäbe ich drum, wenn wir den richtigen Mörder fänden. Wollt Ihr übrigens einen guten Rat von mir annehmen?«

»Und der wäre?«

Cook schwieg einen Augenblick und sah finster hinter den Spielern und ihren Freunden drein, die Briars’ Leichnam beiseite schafften. Dann murmelte er: »So hütet Euch vor den Burschen da, wie sie gehen. Menschenleben stehen bei ihnen merkwürdig billig im Preis, denn sie taxieren alle nur nach dem Wert ihrer eigenen.«

»Ich glaube nicht, dass ich ihren Weg sobald wieder kreuzen werde«, erwiderte aber Golway mit einem trüben Lächeln. »Ich werde Kalifornien verlassen.«

»Ihr habt genug davon gesehen?«, fragte Cook und lachte los. »Ja, es ist ein schlechter Platz für Engländer«, setzte er dann treuherzig hinzu, »weil man eigentlich nie weiß, woran man mit ihnen ist. Und doch sollte man da ein bisschen vorsichtiger sein. Es fehlte bei Gott verdammt wenig und wir hätten Euch richtig aufgehangen.«

Hetson nahm den Arm des Engländers und führte ihn, ohne weiter ein Wort zu sagen, den Zelten zu.

»Hallo Sir«, rief ihm Cook noch nach, »Euer Pferd könnt Ihr bekommen, wann Ihr es wollt. Es ist sicher aufgehoben.«

Golway nickte ihm zu, und folgte dann dem Alkalden kurze Strecke gegen dessen eigenes Zelt, unschlüssig noch, was er tun, wie er handeln solle. Endlich aber, als sie die übrigen Männer so weit hinter sich gelassen hatten, um nicht mehr von ihnen gehört zu werden, blieb er stehen und sagte freundlich, doch mit fester und ruhiger Stimme: »Mr. Hetson, ich erkenne ganz Ihre freundliche und ehrenhafte Absicht, mich, den Sie noch immer für Ihren Nebenbuhler halten müssen, trotzdem in den Frieden Ihrer Häuslichkeit einzuführen, aber täuschen wir uns beide nicht über unsere Gefühle. Reißen Sie die alten Wunden nicht mutwillig auf, die kaum zu bluten nachgelassen haben. Was geschehen, ist geschehen, und Gott hat es so gefügt.

Wir Menschen können nichts mehr daran ändern. Heiß und brünstig habe ich auch gebetet, dass Jenny – verzeihen Sie den Namen – dass Mrs. Hetson das Glück an Ihrer Seite finden möge, das mir nicht beschieden war, ihr zu gewähren. Sie werden ihr die Nachricht meiner Rettung bringen. Ich bin überzeugt, es wird sie freuen. Lassen Sie es damit genug sein. Wider meinen Willen hat uns das Schicksal hier zusammengeführt. Vielleicht ist es aber auch gut so. Es kann und wird ein Abschluss der Gefühle sein, die uns beiden noch bis jetzt das Herz bedrückten. Ein längeres Beisammenleben würde uns nur unnütz Weh bereiten.«

»Aber Sie dürfen nicht so von uns scheiden«, drängte Hetson.

»Nein«, sagte Golway, »die Sonne ist ihrem Untergang nah, und ich bin nicht sicher, dass ich den Weg im Dunklen nach Stockton fände. Ich werde bis morgen früh hier bleiben. Wenn Sie es mir dann erlauben, komme ich morgen früh hinüber in Ihr Zelt, Abschied von Ihnen – von ihr zu nehmen.«

Hetson schwieg und sah sinnend eine Weile vor sich nieder. Endlich schlug er in die ihm dargebotene Hand des Mannes und sagte mit freundlicher, ja herzlicher Stimme: »Golway, Sie sind ein Ehrenmann, und so glücklich mich der Besitz Jennys macht, umso mehr fühle ich Ihren Verlust, teile Ihren Schmerz. Auch hierhin haben Sie recht. Handeln Sie, wie es Ihnen gut dünkt. Tun Sie, was Sie für das Beste halten. Der Gefahr hier in unserem Ort aber darf ich Sie nicht aussetzen, wo wir leider der bösen Gesellen viele haben, noch beleidigt oder gestört zu werden. Sie vollkommen sicher zu stellen, kann ich Sie keinem besseren und redlicheren Mann für die Nacht empfehlen als unserem Sheriff.«

»Ich habe seine Gastfreundschaft schon in Anspruch genommen«, erwiderte Golway.

»Leider«, seufzte Hetson, »aber nun geschieht das unter anderen Umständen. Wollen Sie aber nicht zu mir herüberkommen, so folgen Sie wenigstens meinem Rat und verlassen Sie sein Zelt heute Abend nicht, obwohl wir das Gesindel schon nicht aus den Augen verlieren werden. Immer ist es besser, ihnen nicht in den Weg zu treten, denn dass ihnen heute einer ihrer Schar erschossen wurde, hat sie jedenfalls noch mehr erbittert. Da kommt Hale. Es wird nur weniger Worte bedürfen und ich weiß Sie gut und sicher aufgehoben.

 

*

 

Die Sonne war untergegangen und in Kentons Zelt eine Versammlung »Amerikanischer Bürger« von Briars’ Freunden zusammenberufen worden, die mit Toben und Trinken ihre Orgie begannen. Wilde flammende Reden wurden dabei gehalten, als ob die Wütenden alles mit Blei und Messer ausrotten wollten, was sich ihnen in den Weg stellte. Während sie aber dort noch tobten und rasten, dröhnte das kleine Zeltstädtchen von den donnernden Hufen einer Reiterschar. Von dem kleinen Matrosen angeführt, galoppierten die Männer von Golden bottom, die meisten in Jagdhemden, die langen Büchsen auf der Schulter, die Straße nieder und hielten vor des Alkalden Zelt.

Wohl versuchten die Trinker und Spieler, durch den Schlag der Hufe aus ihrem Wüten aufgestört, willkommene Bundesgenossen so rasch wie möglich unter den Neuangekommenen zu werben. Die Schar bestand aber nicht aus einem ungeregelten, zusammengelaufenen Trupp, sondern war vom Richter des Golden bottom selber angeführt, der sie zu diesem Streifzug rasch organisiert und vereidigt hatte, die Gesetze aufrechtzuhalten. Die Leute deshalb, misstrauisch schon gegen die Halbtrunkenen, wiesen selbst die ihnen zugebrachten und angefüllten Gläser zurück und hielten sich, ihre Tiere am Zügel, fest in ihren Reihen, bis ihr Anführer Rücksprache mit Richter und Sheriff genommen und von ihnen die Vorgänge des heutigen und gestrigen Tages erfahren hatte. Hale besorgte ihnen dann Leute, die ihre Tiere zu einem sicheren und guten Weidepatz führten, während die Männer selber in einem der amerikanischen Trinkzelte, dessen Besitzer das Spiel nicht duldete, untergebracht wurden.

Die Raufbolde fühlten sich aber gerade durch dieses abgeschlossene zurückhaltende Wesen der Neugekommenen eingeschüchtert. Zwar traten noch ein paar Redner auf, aber sie fanden nicht mehr die Tod schleudernden Worte, nicht mehr die begeisterten Zuhörer wie vorher. Noch vor zehn Uhr gingen die meisten, die ausgenommen, die sich wie gewöhnlich um die Spieltische sammelten, in ihre Betten, ohne vorher, wie das selbst in Vorschlag gekommen, einen Angriff auf das Zelt des Alkalden und Sheriffs gemacht oder die Wohnplätze der Fremden niedergebrannt zu haben.

Es mochte zwölf Uhr sein, als Smith, der seinen ersten Ausgang versucht hatte, mit Siftly die Straße hinauf dem Zelt zuging, das sie beiden nun gemeinschaftlich bewohnten. Die beiden Männer waren schweigend nebeneinander gegangen, jeder nur mit seinen eigenen finsteren Gedanken beschäftigt und keiner geneigt, ein Gespräch anzuknüpfen. Etwa die Hälfte zwischen ihrem und Kentons Zelt hatten sie so zurückgelegt, als plötzlich ein schriller, nicht sehr lauter Schrei dicht neben ihnen vom Boden zu kommen schien.

»Ha, was war das?«, rief Siftly, indem er stehen blieb und sich umschaute.

»Eine Nachteule«, sagte Smith gleichgültig.

»Es kam dort von der Erde her.«

»Das Zeug fängt Mäuse – jetzt ist sie vor uns – hört Ihr?«

Derselbe Ruf klang in dem Augenblick etwa hundert Schritt voraus, und Siftly horchte noch einmal der Richtung zu, wo er den ersten Laut vernommen hatte. Doch alles blieb totenstill. Nur das Laub einzelner, ihres Schattens wegen stehen gelassenen Bäume rauschte über ihnen, und die Grillen zirpten. Sehen ließ sich freilich nicht viel, denn die Nacht war dunkel und der Nebel lag seit Sonnenuntergang noch weit dichter und fester auf der feuchten Erde.

Die beiden Männer schritten weiter, aber kaum vier Schritt von dort, wo sie stehen geblieben waren, hob sich vorsichtig eine dunkle Gestalt vom Boden auf und glitt zwischen die Zelte hinein.

»Und wie wird es mit dem grünen Burschen morgen, mit dem Ihr Euch schießen solltet?«, sagte Smith nach einer Weile. »Der Plan, den Ihr hattet, mochte ganz gut sein, so lange die Hilfstruppen nicht eingerückt waren. Jetzt möchte ich meinen Hals aber nicht dazu hergeben.«

»Der ist allerdings mehr gefährdet dabei als Eure Ohren«, sinnierte Siftly höhnisch lachend vor sich hin.

»Ihr habt gut reden, Siftly«, antwortete mürrisch der verstümmelte Spieler, »das sage ich Euch aber, der Platz hier wird mir zu warm, wenn wir die Einquartierung behalten, und ich sehe mich lieber nach einem anderen Lokal um, das näher zur Hauptstadt liegt.«

»Ihr fürchtet die Burschen doch nicht?«, rief Siftly, »zum Teufel noch einmal, ich betrachte sie nur als neue Kunden, die uns morgen Abend schon ihr Gold ins Zelt tragen werden. Was können sie weiter schaden?«

Vor ihnen über den Weg glitt langsam ein dunkler Körper schlangengleich über den Boden hin, zog sich zusammen, als die beiden späten Wanderer ihm plötzlich nahe kamen, und blieb regungslos liegen. Smith ging gerade darauf zu. Als er aber schon den Fuß dagegen hob, fuhr er rasch zurück und bog zur Seite.

»Was gibt es?«, fragte ihn sein Begleiter.

»Oh, nichts als einer dieser nichtswürdigen Baumstümpfe mitten im Weg, über die man bei Nacht Hals und Beine brechen kann«, sagte Smith. »Ich wäre beinahe darüber gestürzt.«

Als die beiden vorüber waren, hob sich das, was Smith für einen Baumstumpf gehalten, vom Boden empor. Es war die nicht große, aber gedrängte und kräftige Gestalt eines Mannes, die nun, ohne weitere Zeit zu verlieren, hinter ihnen her schlich und gleichen Schritt mit ihnen hielt. Eine andere schloss sich ihm an. Ein leiser zischender Laut, den der eine der heimlichen Burschen ausstieß, wurde unfern davon beantwortet.

»Das weiß der Teufel, was das für Bestien sein mögen, die heute Nacht hier umherschwärmen«, brummte Smith. »Ob es wirklich Eulen sind?«

»Und ich bin doch entschlossen, die Sache mit der Dirne zum Äußersten zu treiben, Smith«, sagte da Siftly, der schon nicht mehr auf die Töne achtete und die Bemerkung gar nicht gehört hatte. »Spielschulden müssen bezahlt werden. Das Mädchen ist noch nicht mündig und kein Gerichtshof Kaliforniens kann sie davon retten. Der Distriktrichter wird deshalb auch, besonders nach den Vorfällen mit

den Mexikanern, diesen charakterlosen Hetson schon zurechtweisen. Zum Henker, ich will sie haben, und es wäre das erste Mal in meinem Leben, dass ich etwas nicht durchgesetzt habe, was ich wollte.«

»Nehmt Euch in Acht, Siftly«, warnte ihn aber Smith. »Die Schufte hier im Camp sind überdies nicht besonders auf uns Spieler zu sprechen und munkeln allerlei.«

»Bah, was können sie tun?«, fragte Siftly, »wenn sie ihr Geld verloren haben, sind sie wütend, aber nur so lange, bis sie wieder Neues herangeschafft haben, es dann ebenso sicher an unsere Tische zu bringen. Sie können uns eben nicht entbehren und würden vor Langeweile sterben, wenn wir fort wären.

Die beiden hatten indessen ihr Zelt erreicht, aber nicht so ruhig würden sie es betreten haben, hätten sie die dunklen Gestalten gesehen, die es kurz vorher belebten und am Eingang horchten. Nun war alles ruhig.

Gleich am Eingang stand ein Feuerzeug, an dem Siftly Licht machte. In dem Zelt selber waren zwei rohe Bettstellen aufgeschlagen, aber nur aus, auf eingerammten Pfählen genagelten Brettern her gestellt. Eine harte Matratze und eine darüber geworfene wollene Decke dienten als Bettzeug – die Serape, die nun beide um die Schultern trugen, als Decke. Vor den Betten war noch bei jedem ein niedriges Tischchen befestigt, auf das die Spieler, als sie eintraten, ihre Revolver und Messer legten. Sein Geld nahm jeder mit in das Bett, um es immer gleich zur Hand zu haben.

Smith, den seine Wunden schmerzten, wickelte sich fest in seine wollene Decke ein. Siftly dagegen, auf dessen kleinem Tisch das Licht brannte, lag noch eine ganze Weile, den Kopf in die Hand gestützt, wachend auf seinem Lager und schaute finster, die Zähne fest zusammengebissen, vor sich nieder.

Die wollene Decke, die über seiner Matratze lag und fast bis auf den Boden niederhing, bewegte sich einmal. Der untere Rand hob sich langsam und vorsichtig empor, und ein dunkles Auge wurde darunter sichtbar – aber das Licht brannte noch.

»Smith«, sagte Siftly nach einer langen Weile, in der kein Laut die Totenstille unterbrochen hatte. »Oh Smith!«

Der Mann antwortete nicht. Sein regelmäßiges Atmen verriet, dass er eingeschlafen war. Siftly murmelte einen Fluch zwischen den Zähnen durch, löschte dann das Licht aus, wickelte sich in seine Serape und warf sich auf die Seite.