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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Hexen von Forres – Kapitel 7

Die Hexen von Forres
Oder: Der unglückliche König Stuart Robert III. und seine Söhne
Eine wahre Schauergeschichte aus alter Zeit
Siebentes Kapitel

Verrat und Tod

Zwölf Tage waren wieder verflossen. Mit pünktlicher Treue hatte das alte Mütterchen tagtäglich zu essen und zu trinken gebracht. Ja, sie tat während dieser Zeit noch mehr. Allmählich machte sie Vorbereitungen zu seiner Befreiung, ohne dem Prinzen etwas davon mitzuteilen. Als sie ihm durch die Kelleröffnung zuflüsterte, dass er sich zu seiner Befreiung um zwölf Uhr Mitternacht bereithalten sollte und, um ihn stärker und kräftiger zu machen, ihm auch ein größeres Stück Kuchen brachte, da zitterte der Prinz vor Aufregung und Freude, wenn er daran dachte, dass er Leben und Freiheit wiedergewinnen sollte.

Mitten in seiner freudigen Stimmung aber vernahm er mit einem Mal leise Tritte auf der Treppe, welche vom Inneren des Schlosses in seinen Kerker führte. Wer mochte es wohl in so später Stunde sein? Der Prinz dachte hin und her. Ist es vielleicht ein Meuchelmörder oder ist es gar schon sein Befreier? Während er so zweifelte und sann, bemerkte er, dass die Schritte bereits bis zur Kerkertür herangekommen waren, dort aber plötzlich inne hielten. Es war eben offenbar, dass vor der Tür jemand horchte. Der Prinz konnte mit sich gar nicht ins Reine kommen. Vielleicht war es sein Retter, dass die alte Freundin etwa einen Diener Albanys bestochen hätte, und dieser warte auf ein Zeichen von ihm, um zu wissen, ob er vor die rechte Kerkertür gekommen sei. Vielleicht aber war es auch sein Kerkermeister, welcher erforschen wollte, ob er noch lebe oder bereits des Hungertodes gestorben sei. Was sollte er machen? Verhielt er sich ruhig und wie tot, wie leicht konnte es geschehen, dass man ihn selbe Nacht noch fortschaffte und in eine Grube verscharrte? Oder wenn man seinen Betrug entdeckte ihn sogleich ermordete? In dieser gefährlichen Lage hielt er es daher für das Beste, einen gebrochenen Laut, wie den eines Sterbenden, von sich zu geben, um so einerseits, wenn es etwa sein Retter wäre, diesem seinen Aufenthalt anzuzeigen, andererseits aber, wenn es sein Kerkermeister sein sollte, erkennen zu geben, dass er bereits in den letzten Zügen läge und den Verdacht fernzuhalten, dass er von einer anderen Seite her Lebensmittel erhielt. Er seufzte daher leise und kaum hörbar in sterbendem Ton. Es war kaum getan, vernahm er auch schon, wie der Horcher sich langsam wieder entfernte. Nun glaubte er seine Befreiung gesichert. Mit gespannter Erwartung harrte er, bis es vom Kloster herüber zwölf schlug. Und wirklich hörte er zur bestimmten Zeit ein leises Geräusch an seinem Kerkergitter und glaubte zu bemerken, wie man selbes hinweg zu nehmen und die Öffnung zu erweitern bemüht sei. Dann gewahrte er, wie man ihm leise ein Seil herunterließ, um sich daran hinaufzuschwingen. Schon hielt er es fest in seinen Händen und erwartete nur mehr den Befehl, wenn er zu klettern beginnen sollte, als er plötzlich oben einen unterdrückten Schrei und einen dumpfen Fall vernahm. Darauf war alles wieder ruhig und still, wie in der einsamsten Mitternacht. Einige Minuten später hörte er vor dem Fenster die regelmäßigen Tritte eines Wachtpostens. Nun war es ihm zur verzweifelnden Gewissheit geworden, dass der ganze Rettungsplan verraten wurde. Rothsay selbst hatte seinen Verräter gemacht, denn da der Kerkermeister nicht begreifen konnte, wie ein Mensch sechzehn Tage ohne Speise und Trank, wenn auch in dem elendesten Zustand noch leben sollte, kam er auf den Gedanken, dass er wohl von außen her Lebensmittel erhalten würde. Dieselbe Nacht noch wollte er sich von der Wahrheit seiner Vermutung überzeugen und traf so das alte Mütterchen bei ihrem Befreiungsversuch.

Tags darauf warf man dem Prinzen ein abgeschlagenes Haupt durch das Fenster. Es war der Kopf seiner treuen Pflegerin. Er küsste es wie das Antlitz seiner Mutter und benetzte es mit Tränen der innigsten Dankbarkeit. Er wusste, dass er ihr bald folgen würde.

Neun Tage darauf öffnete der Kerkermeister das Gefängnis und fand den unglücklichen Prinzen tot. Seine Lippen waren zerbissen, seine Arme zerfleischt bis auf die Beine. Mit seinem eigenen Fleisch und Blut wollte er die Qual des Hungers mildern.

Albany hatte sein Ziel erreicht.

Da erinnerte sich endlich der grausame Vater, dass er nur mehr einen Sohn habe und sah ein, dass er um seinen Erstgeborenen schmählich betrogen worden war. Um daher seinen zweiten Sohn vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren, schickte er ihn nach Frankreich, damit er, wie er sagte, dort zum vollkommenen Ritter ausgebildet würde; in Wahrheit aber nur, um ihn den Klauen Albanys zu entreißen.

Dieser durchschaute denn auch sogleich die Absicht des Königs, seines Bruders, und erkannte, dass es nun gelte, die Regierung vollständig an sich zu reißen, wenn nicht seine ganze bisherige Schlauheit und Grausamkeit zu Schanden werden sollte. Als er daher vernahm, dass der zweitgeborene Prinz nach Frankreich geschickt werden sollte, wollte er diese Gelegenheit benutzen, um seine Pläne gänzlich zur Ausführung zu bringen und auch diesen Prinzen unschädlich zu machen. Er benutzte dazu die Feindseligkeit, welche damals zwischen dem König von Schottland und dem von England bestand. Kaum war der Prinz auf einem Schiff nach Frankreich abgefahren, ließ Albany dieses dem König von England melden, welcher denn auch sogleich mehrere Schiffe ausrüsten und den Prinzen verfolgen ließ. Da die englischen Schiffe viel besser waren als die der Schottländer, so wurde das Schiff des Prinzen auch alsbald eingeholt und dieser selbst gefangen genommen. Albany hatte zum zweiten Mal seinen Plan durchgeführt und konnte so sich der zuversichtlichen Hoffnung hingeben, dass der Thron nun ihm und seinem Sohn anheimfalle, zumal er die Engländer ganz für sich gewonnen hatte und diese um keinen Preis den gefangenen Prinzen herausgaben.

Dieser zweite Schlag brach das tiefgebeugte Herz des unglücklichen Vaters, der nun allerdings zu spät erkannte, wie schmählich er von seinem leiblichen Bruder um Söhne und Thron betrogen worden war.

Nach einigen Monaten schon starb der gute König aus Gram über diese Schlechtigkeit seines Bruders.