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Romantruhe-Western Band 40

C. C. Slaterman
Romantruhe-Western Band 40
Heiße Tage in Rath City

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Juli 2019, 64 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Pojular
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Die dunklen Umrisse der kleinen Rinderstadt zeichneten sich düster gegen den schmutzig grauen Aprilhimmel ab. Ein böiger Wind trieb von Nordosten her dichte Regenschleier durch die Town und von den Dächern rann das Wasser in wahren Sturzbächen herab. Die von tiefen Fahrrillen durchzogenen Straßen waren allesamt aufgeweicht und überall hatten sich Pfützen gebildet, die allmählich zu kleinen Seen anwuchsen …

Leseprobe

Es war kurz vor Mit­tag, als Jim Crown den To­ten ent­deck­te. Der Mann lag auf dem Bauch, den Kopf zur Sei­te ge­dreht. Mit der rech­ten Hand hielt er eine Was­ser­fla­sche um­klam­mert, wäh­rend sich die Fin­ger sei­ner Lin­ken tief in den Sand ge­krallt hat­ten. Das Licht der Son­ne, die ei­ner weiß­glü­hen­den Schei­be gleich fast senk­recht am Fir­ma­ment stand, brach sich an den sil­ber­nen Knöp­fen sei­ner är­mel­lo­sen Kalb­fell­wes­te und an den Spo­ren sei­ner Stie­fel.

Die Lei­che lag ne­ben ei­nem Was­ser­loch in­mit­ten der Aus­läu­fer des Cap Rock Pla­teaus, ei­nem gott­ver­las­se­nen Land­strich knapp drei­ßig Mei­len von Rath City ent­fernt. Es war pu­rer Zu­fall, dass Jim Crown den To­ten in­mit­ten der zer­klüf­te­ten Sand­stein­fel­sen ent­deckt hat­te.

Nor­mal­er­wei­se ver­irr­te er sich kaum in die­se ab­ge­le­ge­ne Ge­gend. War­um auch? Als Stadt­mar­shal von Rath City hat­te er in der Ecke des Coun­tys kei­ner­lei Be­fug­nis­se.

Der Grund, war­um er sich den­noch hier auf­hielt, war eben­so ein­fach wie ba­nal.

Er hat­te ei­nen Ka­ter, der sich von schrieb, Kopf­schmer­zen und Durst, un­säg­li­chen Durst.

Schuld an al­lem war Eli­za­beth, die neue Frau an Jos­hua Mi­les Sei­te.

Jos­hua, sei­nes Zei­chens Pfer­de­züch­ter und ei­ner der bes­ten Freun­de des Town Mar­shals, hat­te die Ab­sicht, am kom­men­den Sonn­tag zu hei­ra­ten, und des­halb ihn und eine Hand­voll wei­te­rer Män­ner zu ei­nem zünf­ti­gen Jung­ge­sel­len­ab­schied auf sei­ne Ranch ein­ge­la­den. Da Jim aus Er­fah­rung wuss­te, dass sich sol­che Fei­ern meis­tens bis tief in die Nacht hi­nein­zo­gen, hat­te er in wohl­weiß­li­cher Vo­raus­sicht das Schick­sal von Rath City in die Hän­de sei­nes De­pu­tys ge­legt und sich zwei Tage frei­ge­nom­men.

In­zwi­schen wuss­te er, wie rich­tig die­se Ent­schei­dung war. Er wäre nie­mals in der Lage ge­we­sen, noch in der Nacht in die Stadt zu­rück­zu­rei­ten. Selbst jetzt, als alle Steaks ver­daut und Mi­les’ Selbst­ge­brann­ter bis auf den letz­ten Trop­fen aus den Po­ren ge­schwitzt war, spür­te er noch die Nach­wir­kun­gen des feucht­fröh­li­chen Abends. Vor al­lem aber ver­spür­te er Durst, und ge­nau das hat­te ihn hier­her ge­bracht.

Er wuss­te, dass hier der Sweet­wa­ter Creek sei­nen Ur­sprung hat­te. Was er nicht wuss­te, war, dass er an der Quel­le des klei­nen Flus­ses auf ei­nen To­ten sto­ßen soll­te.

Such­end blick­te sich Crown um, wäh­rend er in­stink­tiv die Si­che­rungs­schlau­fe vom Ab­zug sei­nes Navys nahm. Nach ein paar Mi­nu­ten, in de­nen er nichts Ver­däch­ti­ges ent­de­cken konn­te, glitt er aus dem Sat­tel und ging auf den To­ten zu.

Die Lei­che schien noch nicht lan­ge hier zu lie­gen. Die To­ten­star­re war trotz der Hit­ze nicht voll aus­ge­prägt und auch die Gei­er und die an­de­ren Aas­fres­ser hat­ten sich noch nicht mit ihm be­schäf­tigt. Nach­denk­lich ging Crown vor der Lei­che in die Knie.

Der Mann schien un­ge­fähr in sei­nem Al­ter zu sein. Er trug eine zer­schlis­se­ne, sand­far­be­ne Hose und ein fla­schen­grü­nes Hemd mit ge­flick­ten Är­meln und durch­ge­scheu­er­tem Kra­gen. Das Le­der sei­ner Stie­fel war brü­chig und die Ab­sät­ze schief ge­lau­fen. Ein Ku­gel­loch ver­unstal­te­te die Kro­ne des brau­nen Te­xas­huts, der ne­ben ihm auf dem Bo­den lag. Au­ßer­dem war die Krem­pe der Kopf­be­de­ckung, wie Crown deut­lich er­ken­nen konn­te, an meh­re­ren Stel­len ein­ge­ris­sen. Al­les in al­lem mach­te der Mann eher ei­nen ver­nach­läs­sig­ten Ein­druck.

Das ein­zig wirk­lich Ge­pfleg­te an ihm schie­nen sein Waf­fen­gurt und der sorg­fäl­tig ein­ge­öl­te Re­ming­ton-Re­vol­ver zu sein.

Nach­denk­lich ließ Jim sei­nen Blick über den To­ten glei­ten. So, wie er am Bo­den lag, mit der Was­ser­fla­sche in der Rech­ten, hat­te ihn sein Ende ziem­lich un­ver­hofft er­eilt.

Crown bück­te sich, pack­te die Lei­che an der Wes­te und dreh­te sie auf den Rü­cken. Im sel­ben Au­gen­blick lös­te sich ein gelb­li­ches acht­bei­ni­ges Et­was aus dem Hemd des To­ten, fiel zu Bo­den und wie­sel­te im Zick­zack über den Sand, bis es hin­ter ei­nem Fel­sen ver­schwun­den war. Ob­wohl al­les blitz­schnell vor sich ging, hat­te Crown ge­nug ge­se­hen, um zu wis­sen, was pas­siert war. Die­ses Et­was war nichts an­de­res als ein so­ge­nann­ter Ari­zo­na Bark Skor­pi­on. Ein Tier, das bei ei­nem Men­schen un­mit­tel­bar, nach­dem es zu­gesto­chen hat­te, Atem­not aus­lös­te und die­se, je nach Konsti­tu­ti­on des Be­trof­fe­nen, in­ner­halb kür­zes­ter Zeit zum Tode führ­te. Der rote Punkt auf dem lin­ken Hand­ge­lenk des To­ten sprach eine deut­li­che Spra­che.

All­em An­schein nach war der Mann un­vor­sich­tig ge­we­sen, als er sich auf den Bo­den ge­kniet hat­te, um sei­ne Fla­sche auf­zu­fül­len.

Ge­ra­de in ei­ner wüs­ten­ähn­li­chen Ge­gend wie die­ser war an ei­nem Was­ser­loch im­mer mit Schlan­gen, Skor­pi­o­nen oder gif­ti­gen Ta­ran­teln zu rech­nen.

Crown rich­te­te sich wie­der auf und hielt nach dem Pferd des un­be­kann­ten To­ten Aus­schau.

Aber es war weit und breit nichts zu se­hen. Wahr­schein­lich, wenn er die Spu­ren an der Was­ser­stel­le rich­tig deu­te­te, hat­te es ir­gend­ein wil­des Tier in die Flucht ge­schla­gen. Luchs, Büf­fel­wöl­fe, Pu­mas oder wil­de Bra­sa­das­tie­re wa­ren in die­ser Ge­gend kei­ne Sel­ten­heit.

Mit ei­nem Schul­ter­zu­cken tauch­te der Mar­shal sei­nen Hut ins Was­ser, nach­dem er sich ver­ge­wis­sert hat­te, dass er vor sol­chen Über­ra­schun­gen ver­schont blieb, und ließ sein Pferd da­raus sau­fen. Da­nach lösch­te er sei­nen Durst und füll­te die Was­ser­fla­sche wie­der auf.

Schließ­lich bück­te er sich und hob den To­ten hoch. Mit ei­nem läs­ter­li­chen Fluch auf den Lip­pen trug er ihn lang­sam zu sei­nem Pferd.

Der Mann war nicht schwer, trotz­dem war der Mar­shal schweiß­ge­ba­det, als er ihn vor dem Sat­tel auf sei­nen Buckskin lud. Der Jung­ge­sel­len­ab­schied steck­te ihm im­mer noch in den Kno­chen.

Nach ei­nem letz­ten Blick auf die Was­ser­stel­le zog sich Crown auf den Rü­cken sei­nes Pfer­des, er­griff die Zü­gel und schnalz­te mit der Zun­ge.

Lang­sam setz­te sich das Tier in Be­we­gung. Die Arme und Bei­ne des To­ten schwan­gen da­bei im Takt der Huf­trit­te mit. Jim wuss­te, dass die Lei­che in der Son­ne schon bald zu rie­chen an­fan­gen wür­de. Des­halb ritt er mit sei­nem Pferd nicht gen Sü­den in Rich­tung Rath City, son­dern nach Wes­ten auf die nächs­te Post­kut­schensta­ti­on der But­ter­field Over­land Line zu.

 

*

 

Nach­dem Crown die Aus­läu­fer der Ber­ge hin­ter sich ge­las­sen hat­te, lenk­te er den Buckskin auf die Wa­gen­stra­ße, die das Land von Nor­den nach Sü­den durch­schnitt. Der aus­ge­fah­re­ne Weg war stei­nig und die Son­ne stieg ste­tig hö­her. Es wur­de un­er­träg­lich heiß.

Der Lei­chen­ge­ruch mach­te das Pferd mit je­der Mei­le ner­vö­ser, und des­halb war er froh, als am Ho­ri­zont end­lich die Um­ris­se der Post­sta­ti­on vor ihm auf­tauch­ten.

Das An­we­sen be­stand aus ei­nem recht­ecki­gen Haupt­haus und zwei Stäl­len so­wie ei­nem an­gren­zen­den Kor­ral, in dem ei­ni­ge Pfer­de stan­den.

Der Mar­shal ritt auf den Hof und saß ab. Er führ­te sein Pferd zur Trän­ke vor dem Haus und ließ es mit hän­gen­den Zü­geln ste­hen.

Das Tier senk­te sein Maul schnau­bend in die Brü­he der Trän­ke, Crown lo­cker­te den Colt in sei­nem Half­ter und ging auf den Ein­gang zu.

Be­vor er die Tür er­reich­te, wur­de sie ge­öff­net. Ein Mann er­schien auf der Schwel­le.

Sam Ba­ker, der Be­trei­ber der gleich­na­mi­gen Sta­ti­on, war ein stäm­mi­ger, un­ter­setz­ter Mann mit Ar­men so dick wie Crowns Ober­schen­kel, ei­nem Bauch­an­satz wie eine Ka­no­nen­ku­gel und ei­nem ku­gel­run­den Schä­del, der nur noch von ei­nem spär­li­chen wei­ßen Haar­kranz um­ge­ben war.

»Tot?«, sag­te er an­stel­le ei­ner Be­grü­ßung und deu­te­te auf die leb­lo­se Ge­stalt, die quer über Crowns Buckskin lag.

»Ja«, sag­te der Mar­shal.

»Was ist pas­siert?«

»Ich habe ihn oben in den Ber­gen an der Quel­le vom Sweet­wa­ter Creek ge­fun­den. Schein­bar hat ihm nie­mand ge­sagt, wie gif­tig ein Ari­zo­na Bark ist.«

Ba­ker zuck­te mit den Schul­tern. »Pech, und was wol­len Sie jetzt hier mit dem Kerl?«

»Ihn be­gra­ben, er be­ginnt näm­lich lang­sam zu rie­chen.«

Der Sta­ti­o­ner schüt­tel­te der­art den Kopf, dass Crown be­fürch­te­te, die­ser wür­de ihm je­den Mo­ment von den Schul­tern fal­len. »Das kommt über­haupt nicht infra­ge. Ein fri­sches Grab ist so ziem­lich das Letz­te, was ich hier ge­brau­chen kann. Wenn Sie ihn schon un­ter die Erde brin­gen wol­len, dann bit­te hin­ter den Hü­geln da, da­mit man es von der Sta­ti­on aus nicht se­hen kann.«

»Ha­ben Sie et­was ge­gen den To­ten?«

»Ge­gen ihn nicht, aber ge­gen das Holz­kreuz, das nach­her aus der Erde ragt. Hö­ren Sie, ich lebe hier drau­ßen haupt­säch­lich von dem, was die Leu­te, die mit der Kut­sche kom­men, wäh­rend ih­res Auf­ent­halts es­sen und trin­ken. Ich glau­be kaum, dass es gut für mein Ge­schäft ist, wenn die­se Leu­te da­bei stän­dig auf ein fri­sches Grab star­ren. Oder ken­nen Sie je­man­den, der sein Es­sen ger­ne auf ei­nem Fried­hof ein­nimmt?«

Be­vor Crown auf die Ar­gu­men­te von Ba­ker ein­ge­hen konn­te, spuck­te der Haus­ein­gang drei wei­te­re Ge­stal­ten aus. Die ers­te war die Frau des Sta­ti­o­ners, ein kno­chi­ges Weib mit ei­nem ein­fa­chen Lei­nen­kleid und ei­ner schmud­de­li­gen Kü­chen­schür­ze, die um ih­ren Bauch ge­bun­den war. Da­nach trat ein wei­zen­blon­der End­vier­zi­ger über die Schwel­le und schließ­lich noch eine gro­ße Frau mit hoch­ge­steck­ten, ra­ben­schwar­zen Haa­ren und ei­nem eng auf Tail­le ge­schnit­te­nen Rü­schen­kleid. Mit ih­ren auf­ge­kleb­ten Wim­pern, der Schmin­ke und dem Schmoll­mund mit den kirsch­ro­ten Lip­pen wirk­te sie wie das fleisch­ge­wor­de­ne Ab­bild ei­nes ty­pi­schen Sa­loon­girls.

Die Frau in dem Lei­nen­kleid wisch­te sich ihre nas­sen Hän­de an der Schür­ze ab und starr­te den Sta­ti­o­ner fra­gend an. »Was ist los Sam, was will die­ser Mann hier?«

Ba­kers Ge­sicht ver­zerr­te sich zu ei­ner ab­fäl­li­gen Mie­ne. »Stell dir vor Mary, er hat ei­nen To­ten in den Ber­gen ge­fun­den und will ihn hier auf der Sta­ti­on be­gra­ben.«

»Was ist da­ran so un­ge­wöhn­lich? Schließ­lich hat je­der Chris­ten­mensch das Recht auf ein an­stän­di­ges Be­gräb­nis.«

»Bist du ver­rückt ge­wor­den, Weib?«, schnapp­te der Sta­ti­o­ner. »Das hier ist eine Pfer­de­wech­sels­ta­ti­on mit Gast­stät­te und Schlaf­ge­le­gen­hei­ten und kei­ne Grab­stel­le. Was glaubst du wohl, was un­se­re Kund­schaft dazu sagt, wenn wir hier ei­nen Fried­hof er­öff­nen?«

Mary zuck­te die Schul­tern und blick­te hilf­los in die Run­de.

Be­vor sich je­mand von den an­de­ren zu Wort mel­den konn­te, sag­te die Frau mit den ra­ben­schwar­zen Haa­ren: »Das weiß wahr­schein­lich nie­mand. Aber ha­ben Sie sich schon ein­mal über­legt, was Ihre Kund­schaft wohl sa­gen wird, wenn sie er­fährt, dass Sie sich ge­wei­gert ha­ben, hier ei­nen wei­ßen Chris­ten­men­schen be­gra­ben zu las­sen?«

»Was soll das, muss ich mir jetzt schon von ei­ner da­her­ge­lau­fe­nen Sa­loon­schlam­pe sa­gen las­sen, was ich auf mei­nem ei­ge­nen Grund und Bo­den zu tun oder las­sen habe?«

»Ba­ker!«, sag­te der Mar­shal un­ge­hal­ten und sei­ne Stim­me klang da­bei wie ge­sprun­ge­nes Glas. »Wenn Sie nicht au­gen­blick­lich auf­hö­ren, die­se Dame zu be­lei­di­gen, sto­ße ich Ih­nen je­des Ih­rer Wor­te wie­der ein­zeln in den Hals zu­rück.«

Der Sta­ti­o­ner öff­ne­te den Mund und schnapp­te nach Luft wie ein Fisch auf dem Tro­cke­nen.