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Hexengeschichten – Furia infernalis – Kapitel 3

Ludwig Bechstein
Hexengeschichten
Halle, C. E. Pfeffer. 1854

Furia infernalis
Kapitel 3

Agaphonika Polycarpovna saß und schrieb. Sie schrieb unter Tränen an ihren Bruder.

O mein herzgeliebtes Brüderchen, Basiliy Polycarpowitsch, mein Gemüt ist in seinen tiefsten Tiefen erschüttert. Es hat sich entsetzliches bei uns zugetragen und ich kann nicht aufhören zu weinen. Unser Gespiele Kolynka entnahm meinem Taubenschlag ein Paar junge Tauben, um seiner kranken Mutter, unserer Naenka, eine kräftige
Brühe davon zu kochen. Wie gern hätte ich selbst ihm die Tauben gegeben oder ein anderes Gericht, da es sündhaft ist, diese frommen und heiligen Vögel zu töten, aber er war zu scheu, eine solche Bitte zu wagen. Bald darauf fehlten meine schönsten Lieblinge. Paul Michaylow klagte den armen Kolynka an, auch diese Tauben geraubt zu haben. Ich weinte, der Vater zürnte heftig, gebot den Dieb zu züchtigen, und Paul Michaylow tat dies mit eigener Hand und so grausam, dass der Arme an den Kantschuhieben auf der Stelle die Seele aushauchte. Darauf ließ der Vater ihm ohne Weiteres ebenfalls einhundert Hiebe mit der Plette durch unseren alten Theophiliy Nikodemonow aufzählen, eine doppelt verdiente Strafe, wie du gleich lesen wirst, mein Brüderchen. Theophiliy Nikodemonow sparte keinen Fleiß, denn er war dem Paul Michaylow spinnefeind.

Am anderen Morgen – denke dir mein Brüderchen – war Kolynkas Leichnam verschwunden und konnte nicht beerdigt werden. Darüber erhob die alte Mataphka von Neuem ein Zetergeschrei und wollte sich nimmer zufriedengeben. Sie irrt wie wahnsinnig umher. Acht Tage vergingen, als in einer Nacht die Stimme Paul Michaylows das Haus wach brüllte. Du weißt, dass er ein einzelnes Zimmer neben der großen Gaststube bewohnt, um den Gästen des Hauses zu deren Bedienung stets nahe zu sein. Man eilt herbei, dringt in sein Zimmer und findet ihn wie wahnsinnig brüllend, das Haar sich raufend, den Kopf sich zusammenpressend, wild fantasierend und öfters rufend: »Lass nach! Lass nach! Ich will es ja gestehen … ich nahm und mordete die Lieblingstauben der Herrin, ich wollte Nicolay verderben … ha … und ich verdarb ihn! Lass nach! Lass nach!«

»Hört ihr es alle!«, schrie Mataphka, die mit dem übrigen Gesinde auch hereingedrungen war: »Hört ihr es, dass er meinen Sohn unschuldig angeklagt und gemordet hat? Hört ihr es wohl! Die Hölle hat ihn und hält und behält ihn! Dass noch dreimal ärger die Pein dieses Wüterichs, dieses Sohnes der Hölle wäre! Fluch über ihn und Verderben über ihn!«

Die Diener warfen die lästernde Alte aus der Stube, nach dem Arzt wurde geschickt, nach dem Diakon – beide kamen, aber nicht Pauls leiblichen, nicht seinen unsterblichen Teil vermochten sie zu retten, Paul Michaylow starb in Raserei und fuhr in seinen Sünden dahin. Seine Stelle ersetzt einstweilen der Wolfjäger Theophiliy Nikodemonow.

Nun denke dir, mein herzgeliebtestes Brüderchen, Basiliy Polycarpowitsch, wie das mein Herz zerreißt, dass der arme Kolynka schuldlos und meinetwillen gelitten hat und gestorben ist. Ich habe sogleich allen meinen Tauben die Freiheit gegeben, denn ich konnte keine mehr ansehen, und habe mir gelobt, deren nie wieder zu halten.

Doch nun von dem so sehr Traurigen zu etwas Freudigem. Feodor Iwanowitsch Gurianow, der junge reiche Gutsherr in Selo Chondelewka, der mit seinem Vater den unseren öfters besuchte, hat um meine Hand angehalten, und unser Väterchen ist geneigt, mich ihm zu verloben. Mein Herz willigt ein. Selo Chondelewka ist ein schönes großes Gut, nicht allzu fern von unserem düsteren hölzernen Krementschuk, darin nur Kaufleute und polnische Juden anzutreffen sind. Es sind von uns nur 45 Werst bis hinüber.

Nach einiger Zeit, nachdem Agaphonika dieses und anderes an ihren geliebten Bruder geschrieben hatte, kam ein Bote Basiliys mit einem großen Korb in den Hof angefahren, mit einem an die Schwester gerichteten Brief, nicht minder auch mit einem Brief an den Vater. Dem Letzteren schrieb der Sohn über sein Befinden und seine Stellung, seine Fortschritte in der Kriegswissenschaft und über seine Kameraden. An die Schwester schrieb der Bruder unter anderem Folgendes:

Mit größter Teilnahme empfing und las ich deinen letzten Brief, mein geliebes, glückliches Schwesterchen! Zu deiner Verlobung lass mich vor allem dir auf das allerherzlichste Glück wünschen und möge dein Bräutigam Feodor Iwanowitsch mein Freund werden und bleiben. Was die traurigen Nachrichten betrifft, die du mir mittheiltest, mit denen so viel Rätselhaftes sich mengt, so ist es um den heimtückischen Hund Paul Michaylow nicht schade, da er so Teuflisches ausgesonnen und verübt hat. Deine Tauben aber, Herzens Agaphonikchen, hast du zu voreilig entlassen und das Gelübde, keine wieder zu halten, allzu übereilt getan, daher ich Sorge getragen, dir den Schlag wieder zu füllen. Damit sich der Bruch deines Gelübdes vor deinem Gewissen rechtfertige, will ich dir ein Geheimnis anvertrauen, das du aber keinem Seelchen, selbst nicht unserem geliebten Väterchen, entdecken darfst. Unser Liebling, unser Kolynka ist nicht tot. Der treue Theophyl Nikodemonow, dem unter rauer Hülle ein warmes Herz schlägt und der vielleicht unseres Kolynka Mutter näher kennt, als wir wissen, trug den Scheintoten bei nächtlicher Weile von dannen in ein Gehöft, darin seine Mutter wohnt, die eine erfahrene Ärztin ist. Dort wurde mit ihrer Hilfe Nikolay wieder ins Leben gebracht, gepflegt, geheilt. Eines Tages tritt ein junger Mensch in mein Zelt, wirft sich mir zu Füßen, fleht mich an, ihn nicht von mir zu stoßen – es ist Kolynka – er erzählt mir alles. Was konnte ich tun, als den Burschen behalten? Ich nahm ihn mit Erlaubnis meines Hauptmanns zum Tentschik an. Väterchen soll später erfahren, dass ich seinen Muschik (Leibeigenen) mir zugeeignet habe und wird mir verzeihen; denn ich sühne eine Übereilung, die ohne Verhör und genaue Untersuchung den Unglücklichen zu so harter Züchtigung verurteilte. Also sei guten Mutes, liebes Schwesterchen, und halte deine Täubchen. Wenn du sie liebkosest, denke an dein Brüderchen, das im Übungslager liegt und keine Täubchen zum Liebkosen hat. Es ist gerade wieder so ein Paar dabei, wie die schönsten deiner früheren Lieblinge waren, die der verruchte Teufel Paul Michaylow gemordet hat.

Eine himmlische Freude überstrahlte die edlen Züge Agaphonikas. Kaum vermochte sie es, über sich die frohe Kunde, welche sie erhalten hatte, nicht auszujubeln. Sie verschloss den Brief und rief nach Anuschka und Barynka, dass diese den Korb öffneten, in welchem ein lautes Gurren und Flügelrauschen den Inhalt erraten ließ. Es war eine Pracht, welche herrliche Tauben Basiliy Polycarpowitsch gesendet hatte. Aufs Neue belebte sich der schöne, buntbemalte, in halb-tatarischem, halb chinesischem Stil aufgebaute Taubenschlag mit gefiederten Bewohnern.

Im Winter sah der Edelhof über Krementschuk frohes Leben. Agaphonikas Verlobungsfeier wurde begangen und das einzige, was die heitere Stimmung der bräutlichen Jungfrau hätte trüben können, war des Bruders Abwesenheit, der nun in Petersburg bei der Kavallerie stehend, die weite Reise nach der südlichen Heimat nicht machen konnte. Der Verlobte, Feodor Iwanowitsch, aus der begüterten Familie der Gurianow, war ein vollkräftig blühender junger Mann, mit Vorliebe Jagdfreund. Agaphonika reichte ihm mit Freuden die Hand, sie war glücklich in seinen Huldigungen, seiner Liebe. Der Gutsherr bot alles auf, den zahlreichen Gästen, meist jungen Edelleuten der Nachbarschaft, die Tage, die sie bei ihm zubringen wollten, angenehm, und das Fest, das er seiner einzigen Tochter zu Ehren anstellte, so glänzend als möglich zu machen. Die gesamte Dienerschaft hatte neue Kleider bekommen, mit eigener Hand hatte der Gebieter dem alten Wolfjäger einen neuen mit Goldtressen und Troddeln besetzten Kaftan verehrt unter aufmunternden Worten, und Theophil Nikodemonow nahm sich ganz absonderlich stattlich aus in der hübschen hutähnlichen Mütze, im kurzen Kaftan und den in den gestickten russischen Stiefeln steckenden Beinkleidern von gestreiftem Baumwollzeug, mit dem mächtigen krausen Bart, der einem Kosakenhetmann Ehre gemacht haben würde.

Agaphonika erschien voll strahlender Schönheit, gekleidet in die Landestracht mehr nach tatarischer als russischer oder vollends französischer Sitte. Über dem seidenen Unterkleid der Gurt mit großen runden blinkenden Schnallen, die von Gold und mit Perlen besetzt waren, die Scharawaris vom feinsten Nesseltuch zu den Füßen abwallend; das Oberkleid, dessen Ärmel bis zum Handgelenk reichten, vom kostbarsten Stoff, und über dasselbe ein ebenso kostbarer Pelz fast ohne Ärmel, aber mit langer Schleppe, mit Hermelin verbrämt. Unter- und Oberkleid weit offen, und die Brust dennoch züchtig, von zartestem Flor vom Hals bis zum Gürtel überdeckt.

Das reiche Haar, das in zahlreiche kleine Zöpfe geflochten war, war mit Perlenschnüren und Diamantenreihen umwunden und wurde von einer leichten, aber hohen Mütze vom feinsten Zobelpelz, die an der Stirn stramm anliegend, nach oben sich in die Runde breitete, bedeckt. Majestätisch wie eine Königin stand sie neben dem stattlichen Verlobten, als der Swätschennyk (höhere Geistliche) die Formeln der Verlobung über das Brautpaar aussprach. Und beide waren ein Paar, an welchem alle Welt seine Freude hatte.

Die Tische im Speisezimmer bogen sich schier von der Last der Speisen und Flaschen; das Frühstück war trefflich gewesen, noch trefflicher war das späte Mittagsmahl, das sich bis tief in den Abend hineinzog. Man hatte zur üblichen, auf Nebentischchen hingestellten Sakuska (Vorspeise), Kaviar, Schinken und Sardellen genascht und feine Liköre dazu getrunken. Die Tafel selbst, die gleich nach der Sakuska begann, bot Bärentatzen, Sterlet, Sülzen, Braten und den beliebten Pirok, eine treffliche Pastetenart, mit Fischfüllung bereitet. Man trank neben französischen Weinen auch viel Champanskoje (Krimsekt) und vertilgte nicht minder vielen Weimorosky (gefrorenen Wein aus Kiew) und vielen Nalivka, einen süßen feurigen Likör, der auch von Damen nicht verschmäht wird. Es war viel Lust und Leben, viel Frohsinn und Heiterkeit unter den Gebietern wie unter der Dienerschaft. Selbst die alte Mataphka, die bislang nie wieder eine frohe Miene gezeigt hatte, war der Sitte gemäß, als Agaphonikas Amme reich beschenkt worden und vergaß über dem Glück ihres einstigen Lieblings auf Stunden ihren zehrenden Groll. Was Basiliy und Agaphonika wussten, was auch der Wolfjäger vielleicht wusste, war ihr verborgen geblieben, mit Absicht, damit sie das Geheimnis nicht verrate. Dieses Verbergen einer Nachricht, die das von Gram um den geliebten Sohn verzehrte Weib beglückt hätte, war äußerst grausam, aber man fand für gut, noch eine Zeit lang Nikolay für tot gelten zu lassen.

Beim Mahl, das nach Entfernung der Braut in ein völliges Zechgelage ausartete, wurde für den nächsten Vormittag eine Wolfsjagd verabredet. Theophil Nikodemonow hatte dabei nun ein Doppelamt; erst musste er Sorge tragen, dass Rosse und Schlitten, Speisen und Getränke zur Mitnahme sowie die nötige Dienerschaft bereit sei; dass die leichten Sanki mit der Duka, für die Jäger einzeln bespannte Schlitten mit einem großen Bogen, und Kibitken (Gesellschafts- und Packschlitten) in Ordnung waren. Als Jäger hatte er das Jagen, je nachdem dasselbe in einer oder der anderen Weise vorgenommen werden sollte, zu leiten. Endlich begab sich die laute Gesellschaft zur Ruhe, der Haushofmeister hatte noch alle Hände voll zu tun und zu rüsten und legte sich erst nach Mitternacht zu kurzem Schlummer nieder, während von der Herrschaft als auch von den Gästen schon alles fest schlief wie die Toten. Theophiliy Nikodemonow bewohnte übrigens nicht das Vorzimmer der großen Gaststube, wie sein Vorgänger, sondern ein anderes.

Jenes war ihm mit seiner Erinnerung allzu grausig.

Ehe noch der Morgen recht graute, klingelte in jeder Duka die einzelne Glocke, wurden schon die Sanki und Kibitken bespannt, und die Jäger setzten sich ein, ohne ein anderes Frühstück als einen tüchtigen Schluck Nalivka oder auch Arrak de Batavia, und jagten vereinzelt in die öde Winterfläche hinaus, auf den Böcken die kundigen Lenker mit den langen kurzstieligen Riemenpeitschen.

Groß sind die Freuden einer Wolfsjagd, für die die Jäger nämlich, doch je nach Jahreszeit und dem Belieben der Jäger verschieden. Im Februar bis zum März ist der Wolf brünstig, und dann hauptsächlich ist er das wilde Ungeheuer der Steppe und der Wälder, voll Grimm, Gier und Blutdurst. Oft zerreißen und zerfleischen die Wölfe einander selbst zu dieser Zeit. Da heult der kühne Jäger den Wolf an, das heißt, er stellt sich an einen sicheren Platz – wehe ihm, wenn er einen solchen nicht wählt,– und ahmt das Geheul des brünstigen Wolfes nach. Bald kommt einer, bald kommen mehrere herbei, den Gegner – ihren Kameraden und Nebenbuhler – zu bekämpfen. Dann fallen sie, einer nach dem anderen, unter dem sicheren Blei. Sind noch andere da, so werfen diese sich mutig auf die Gefällten und lecken gierig ihr heißes dampfendes Blut.

Eine andere Art, den Wolf zu schießen, ist, dass auf Bäumen kleine Häuschen erbaut werden, in die sich je nach ihrer Zahl die Jagdgesellschaft verteilt. In die Nähe wird ein Aas so gelegt, dass der Wolf es wittert. Dieser naht dem Fraß stets so, dass er mit dem Kopf der Gefahr oder der entgegengesetzten Seite, woher er kommt, die Spitze bietet, während der Wolfshund, der die ganz gleiche Fährte wie der Wolf zurücklässt, den Köder umgeht. Kein anderer Hund als Bastarde von Wolf und Hündin, oder Hund und Wölfin, können zur Wolfsjagd benutzt werden.

Eine dritte Art, sich der Wölfe zu bemächtigen, ja sogar sie lebendig zu fangen, ist der Kessel. Türhohe Baumpfähle werden ziemlich dicht in einem Kreis in die Erde gerammt und in die Mitte wird ein lebendiges Schwein getan. Um diese Einzäunung wird eine zweite, einen Faden hohe Umzäunung gemacht, mit einer halb geöffneten Tür. Herr Isegrimm wittert das Schwein, geht durch die Türöffnung in den äußeren Raum, umwandelt ihn und stößt bald genug an die Tür, welche nun zufährt und ihm so stets jeden Ausgang versperrt, außer dem Ausgang aus dem Leben, den er bald genug findet.

Von alle diesen Jagden auf den Wolf beliebte dieses Mal der Jagdgesellschaft, die vom Schloss Krementschuk kam, keine Einzige, vielmehr wurde eine ungleich Belustigendere vorgeschlagen und gewählt, nachdem man bei lichtem Tag an dem Orte angelangt war, der als Mittel- und Frühstückspunkt ausersehen wurde. Als dem durch die Morgenluft und die rasche Fahrt erweckten Bedürfnis nach Trank und Speisen in üblicher jagdgerechter Weise entsprochen worden war und die Gesellschaft die Kibitka bestieg, auf welcher die Dienerschaft, die hier zurückbleiben sollte, gekommen war, warf plötzlich einer der Gäste und des Bräutigams vertrauter Freund Aphanasiy Andreawitsch Kaschinzow, indem sein Blick suchend den Kreis der Anwesenden durchirrte, laut die Frage auf:  »Nun Freunde, wo ist denn unser Feodor Iwanowitsch? Ich sah ihn heute noch gar nicht?«

»Doch, doch! Er muss in einem der Schlitten mit herausgefahren sein!«, behaupteten einige der Jagdgenossen.

»In der hat, ich sah ihn nicht!«, erklärte der künftige Schwiegervater des Genannten. »Ich fuhr mit voraus, in der sicheren Meinung, er werde sich uns anschließen.«

»Ein Katzenjammer vielleicht – ein Liebesfieber – er hat sich nicht loszureißen vermocht aus den Zaubernetzen der holden Agaphonika Polycarpovna!«, witzelten und spöttelten die Jagdgenossen. »Kommt vielleicht nach, oder denkt: Zieht nur hin ihr Brüderchen; ich habe das Lämmchen gewonnen, was soll ich mit dem Wolf tun?«

Heiteres Gelächter und das Flaschenreichen von Hand zu Hand begleiteten die Scherze. Nur Polycarp Simeonowitsch runzelte die Stirn und schüttelte das Haupt.

Das Zurückbleiben des Schwiegersohnes fiel ihm auf und verstieß gegen die Sitte. Er konnte keinen anderen Grund als ein Unglück auf dem Weg oder ein ernstes Übelbefinden Feodors sich denken und gebot einigen Dienern, zurückzureiten und nach Feodor sowie nach dessen ebenfalls vermissten Leibdiener zu spähen.

Die Gesellschaft auf dem Schlitten hatte ein Spanferkelchen in ihrer Mitte, jedoch ein lebendiges, und schleifte ein an einem starken Strick festgeschnürtes Bündel Heu hinter sich her. Jeder der Schützen war gut mit Jagdgeschoss versehen. Als man sich dem Gebiet näherte, in welchem Wölfe vermutet werden durften, wurde das Spanferkel in den kleinen Ringelschweif gezwickt, dass es laut quiekte. Dieses Quieken ist für die Ohren eines hungrigen Wolfs gleichsam der Ton einer Zauberflöte, denn Meister Isegrimm teilt mit vielen Menschen die lebhafte Vorliebe für dieses nützliche und angenehme Thier, obwohl er selbst ungebraten mit demselben vorlieb nimmt. Der Wolf rennt wild und unbedacht herbei, hält das rasch durch die Schneefläche dahingleitende Heubündel für den Gegenstand seiner Begierde, setzt ihm nach, erreicht es mit dem letzten Sprung – und da kracht ein Schuss, und wenn dieser fehl traf, ein zweiter, ein dritter, und die Beute wälzt sich heulend und färbt den weißen Schnee mit ihrem Blut rot. Das hält andere Wölfe nicht ab, immerdar dem Heubündel nachzujagen, bis das gleiche Los einen nach den anderen ereilt. Diese Jagd macht noch mehr Vergnügen als die Treibjagden auf Wölfe, die nicht ganz ohne Gefahr sind.

Mancher Wolf wurde von den heiteren Schützen erlegt, und nach gebüßter Jagdlust wurde der Rückzug in froher Laune angetreten.

Von Unruhe getrieben jagte Polycarp Simeonowitsch in seiner Sanki, zur Seite quer den zuverlässigen Theophiliy, seinen Gästen weit voran, der Heimat zu, und im tiefernsten Schweigen, das der Diener nicht zu unterbrechen wagte.

Endlich fragte der Gebieter: »Sahst du nicht den Schelowek (Menschen) Feodor Iwanowitsch?«

»Mit keinem Auge, Euer Hochwohlgeboren!«, erwiderte Theophiliy. » Ich glaube, Herr und Diener haben verschlafen und werden die Herren munter begrüßen, wenn der Jagdzug anlangt.«

»Mir gefällt das nicht!«, murrte der Gebieter. »Du hättest wecken sollen!«

»Verzeiht, Herr, ich habe gefehlt«, entgegnete Theophiliy. »Petrynka (Peterchen), so heißt der Diener Eures gnädigen Herrn Schwiegersohns, sagte mir, dass sein Herr nicht liebe, geweckt zu werden, und es überall verbitte.«

Ei, so mag er schlafen wie ein Bär!, dachte der Edelmann von Krementschuk, doch sagte er es nicht und ließ es nach dieser etwas beunruhigenden Mitteilung geschehen, dass der kleine langmähnige petukische Traber den bisherigen fast überraschen Lauf ein wenig mäßigen konnte.