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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XV

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XV. Kanzleidienst. Expedition nach Sulphur Springs. Gottesdienst in der Prärie. Neue Kämpfe mit den Desperados.

Ich wurde nun als Schreiber für ein Kriegsgericht kommandiert und hatte von Früh neun Uhr bis Nachmittag fünf Uhr jeden Tag zu tun. Manchem armen Teufel habe ich sein Urteil ausgeschrieben. Es dauerte fünf Wochen, worauf man mich gleich im Adjutant Office behielt, was mir bei dem schönen Wetter gar nicht behagte, wo alle Augenblicke eine Partie auf verschiedenartige Expeditionen hinausging. Eines schönen Tages reichte ich das Gesuch ein, abgelöst zu werden, und fand mich einige Tage darauf mit fünfunddreißig Mann und zwei Offizieren auf dem Weg nach Georgetown, wo wir für die Nacht Halt machten. Am zweiten Tag gingen wir zu dem Städtchen Salado, am dritten hielten wir vor der Stadt Belton, wo ich einige Pfund Butter, Zwiebeln und andere Delikatessen kaufte, um eine extra feine Mahlzeit zu halten. In Belton sind die Schweine weltberühmt wegen ihres elenden Aussehens und ihrer langen Köpfe. Sie laufen da in einem halb wilden Zustand und bei Tausenden herum, werden nicht gefüttert, sondern müssen sich selbst ihre Nahrung suchen.

Es ist daher gefährlich, in ihrer Nähe auf der Erde zu schlafen, denn sie würden einen auffressen, ehe man Zeit hätte, aufzuwachen. Henderson war mein Associé bei dem kommenden Festschmaus. Wir kochten Koteletts, Eier, Zwiebeln, Kaffee usw. Als alles fertig war, wurde der Tisch gedeckt, d. h. einiger Kuhmist auf die Seite geschoben und die Teller auf die Erde gestellt. Henderson saß davor an Wache, während ich den Zuckersack suchte. Auf eine Frage, die ich an Henderson richtete, wandte er sich nach mir um, als ein krokodilartiges Schwein hereinstürzte, einen Feger mit dem langen Nüssel über die Teller machte. Sämtliche feine Speisen waren in seinem Rachen verschwunden. Man konnte noch die schöne Butter zu beiden Seiten aus seinem Maul herauslaufen sehen. Bald kam das edle Tier wieder zurück zu einer anderen Portion. Wir hatten aber bereits eine Schlinge mit etwas Mais gelegt. Es dauerte nicht lange, so hatten wir es fest. Wir hielten ein Kriegsgericht, es wurde zum Tode verurteilt und an einem Eichbaum aufgehängt zur Warnung für alle bösartig gesinnten Schweine.

Von Belton gingen wir zum Big Elm Creek und am nächsten Tag zu der Stadt Baeo, wo wir einen Tag blieben und ich wegen schnellen Reitens durch den Rathaushof verhaftet und um fünf Dollar gestraft wurde, was ich aber noch schuldig bin. Am nächsten Tag ritten wir nach Hillsboro, dann durch Milford zum Chambers Creek, am Sonntag durch Waxahachie nach Red Qak, Montag durch Lancaster nach Dallas, wo wir zwei Melonenfelder ausbeuteten und den Dienstag über rasteten, Mittwoch zum Spring Creek, dann durch Blano nach McKinney. Freitag erreichten wir Pilot Grove, wo eine halbe Kompanie der 6. Kavallerie lag. Hier blieben wir einige Tage. Es wurde dort eben Camp Meeting gehalten, d. h. es wurde ein großes Dach von Büschen und Reisig gemacht, unter welchem einige hundert Personen im Schatten fitzen können. Darin wird gepredigt, und es kommen Ansiedler aus der ganzen Umgegend oft fünfzig bis hundert Meilen weit her, um den Gottesdienst zu hören. Da schlagen sie ihr Lager auf, um während der Feierlichkeiten, die acht, vierzehn Tage und oft drei Wochen dauern, zu bleiben. Jeden Abend von sieben Uhr bis Mitternacht wurde gepredigt, und viele bekamen Religion, d. h. sie arbeiten sich in eine solche Aufregung hinein, dass sie anfangen zu schreien, zu heulen, sich herumzuwälzen, mit Händen und Füßen auszuschlagen, bis der Prediger herbeispringt und ihnen Trost zuflüstert usw.

Eines Abends machte sich ein Dutzend unserer Leute ein Vergnügen, diesen religiösen Anfall zu bekommen, wobei sie brüllten wie Seelöwen und derartig mit Händen und Füßen ausschlugen, dass der Prediger über den Haufen geworfen und von den umhergeschleuderten Gliedmaßen beinahe schwarz und blau geschlagen wurde. Eine Wache der 6. Kavallerie war um das Gotteshaus jeden Abend aufgestellt, um den Leuten, die hineingingen, ihre Waffen abzunehmen, denn es war schon oft mitten unter der Predigt eine blutige Schlacht geschlagen worden, in welcher es jedes Mal einige Tote und Verwundete gab. In Pilot Grove zum Beispiel waren zwei Ansiedler, Lee und Peacock, die eine kleine Streitigkeit über ein Stück Land hatten. Die Waffen wurden gezogen und beide verwundet. Darauf warb jeder der beiden eine Zahl von 25 bis 30 desperate Kerle an und es wurde ein regelmäßiger Krieg geführt, der fast fünf Monate andauerte, als Peacock, der schwere Verluste in seiner Armee erlitten hatte, sich unter den Schutz der 6. Kavallerie in Pilot Grove stellte. Da beide Parteien das Gotteshaus besuchten, so kam es oft zu Feindseligkeiten. Es war also notwendig, eine starke Wache dort zu postieren. Sonntagabends bekamen wir Nachricht, dass eine Kompanie der 6. Kavallerie in Sulphur Springs von vier- bis fünfhundert Mann des Ku-Klux-Klan umringt sei und sich in einer äußerst gefährlichen Lage befände. Es hatten bereits zwei Gefechte stattgefunden mit Verlust auf beiden Seiten. Dabei hatte der KKK in der letzten Zeit drei Proviantzüge genommen, sodass die Truppen viele Entbehrungen leiden mussten. Sobald wir die Nachricht erhielten, wurde zu Pferd geblasen und in zehn Minuten gingen wir im scharfen Trab die Straße hinab. Gegen zehn Uhr hatten wir 27 Meilen zurückgelegt und hielten einige Stunden bei White Rock, um zu füttern und zu rasten.

Wir brachen wieder auf. Um drei Uhr nachmittags hatten wir die anderen 47 Meilen hinter uns und sprengten nun von allen Seiten in Sulphur Springs ein. Wir trafen auf wenig Widerstand und erreichten die Barrikaden der 6. Kompanie, die ganz erschöpft war von dem langen Wachen und uns mit Jubelruf empfing. Ihr Hauptmann sprang heraus und schüttelte jedem von uns die Hand, während ihm die Tränen aus den Augen liefen. Wir hielten lange genug, um unsere Sättel auf die frischen Pferde der 6. zu werfen und fort ging es wieder zu dem zwei Meilen weit entfernten Hauptquartier der Desperados, wo wir ein halbstündiges Gefecht hatten, zwei Mann töteten und mehrere verwundeten, als sie die Flucht ergriffen. Unser Trompeter hatte fünf Schrotkugeln in den Kopf bekommen, sodass er acht Wochen lang nicht mehr blasen konnte. Auch drei Pferde waren uns getötet worden. Wir kehrten noch Sulphur Springs zurück und nahmen für die Nacht in einem Bretterhaus Quartier. Gegen ein Uhr nachts wurden wir von verschiedenen Seiten angegriffen und unser altes Haus voller Löcher geschossen. In wenigen Minuten hatten wir den Angriff zurückgeschlagen und den Feind aus der Stadt vertrieben.

Am Dienstagmorgen griffen wir einen anderen Platz an, nahmen das Haus, wo wir sämtliche Güter, die von den Proviantzügen genommen waren, vorfanden nebst vielen Gewehren, Pistolen und Munition. Auch hatten wir im ersten Gefecht sechs Pferde und Sättel genommen. Am Abend wurde ich mit zehn Mann zu einem ihrer Häuser zu gehen kommandiert, welches vier Meilen vor der Stadt war, und sie ungesehen während der Nacht genau zu beobachten. Nachdem es dunkel war, machten wir uns auf den Weg, unsere Pferde zurücklassend. In einem Kornfeld stießen wir auf einen feindlichen Vorposten, der sich um eine Kugel reicher zurückzog. Das Haus lag im Wald. Da an verschiedenen Stellen Bluthunde angebunden waren, so war das Nahekommen mit einigen Schwierigkeiten verbunden, Doch gelang es und mir saßen die ganze Nacht um das Hans, ohne etwas Bemerkenswertes zu hören. Bei Tagesanbruch kehrten wir zur Stadt zurück, wo wir nur zehn Mann Wache fanden. Die Übrigen waren alle hinaus, weil neun Meilen von Sulphur Springs der KKK einen Proviantzug angegriffen hatten, dessen Bedeckung nur aus einem jungen Offizier und sieben Infanteristen bestand. Sie hatten die Wagen in ein Viereck aufgefahren, sämtliche Vorräte in Barrikaden verwandelt und damit bereits zwei Angriffe zurückgeschlagen. Da ihnen aber die Munition ausgegangen war, so wären sie bei einem dritten Angriff verloren gewesen. Nur die zeitige Ankunft des Rettungstrupps verhinderte den Verlust der Proviantkolonne. Am Abend fuhren sie unter dem Jubelruf der Truppen in die Stadt ein. Bald kamen einige Kompanien Infanterie von Jefferson. Wir übergaben ihnen den Platz und traten den Marsch nach Tyler an, wo wir seiner Zeit anlangten und ein gutes Quartier bezogen. Die Nacht zuvor hatten wir in einem Sumpf zugebracht, was mir das kalte Fieber gab. Ich ging daher zu einem Arzt, der mir Quinine in Portionen abwog, um vier Tage davon einzunehmen. Da ich aber leicht darauf vergessen könnte, so fraß ich die ganze Arznei auf einmal, hatte auch nie mehr einen Fieberanfall.