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Aus dem Wigwam – Säketschäk

Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig. 1880

Vierzig Sagen
Mitgeteilt von Chingorikhoor

Säketschäk

uf dem kleinen Hügel Wetscheganawaw, am Ufer des Kaddoquesees, lebte ein tüchtiger Jäger und Fischer mit Namen Säketschäk oder Otterfänger. Er war mager, aber sehr groß, und konnte sechs Tage hintereinander fasten, ohne dass man es ihm ansah. Auch war er ein tapferer Krieger, und wenn sich die Paduka seinem Stamm mit feindlichen Absichten näherten, so war er immer der Erste, der den Kriegsruf ausstieß und den ersten Skalp erbeutete.

Sein Rat wurde stets befolgt, da er ein weiser und kluger Mann war, der seine Augen nach allen Seiten richtete. Auch war allgemein bekannt, dass er fromm war und er nie vergaß, dem Großen Geist das beste Stück Fleisch zu opfern, wenn er nach einer erfolgreichen Jagd nach Hause kam.

Dafür war auch alles, was er nur angriff, vom Segen des Lebensgeistes begleitet. Doch die übrigen Indianer schienen sich kein Beispiel an ihm zu nehmen, denn sie kümmerten sich wenig darum, ob sie ihrem Gott zu Gefallen lebten oder nicht.

Nun geschah es, dass Säketschäk den Großen Geist einst im Traum sah. Es war ein großer, starker Mann; seine Hände waren scharfe Speere und seine Zunge glich einem langen Pfeil. Seine Augen glänzten wie die Sonne, doch waren sie viel größer. Sein Haar hing bis auf die Erde herab. Seine Füße waren breiter als der Kaddoquesee, und seine Stimme war dem rollenden Donner ähnlich.

»Säketchäk!«, rief er.

»Ich höre!«, erwiderte jener.

»Die Menschen sind sehr schlecht geworden!«

»Ich weiß es!«

»Sie danken mir weder für den Regen, der ihr Land erfrischt noch für die Sonne, die ihr Korn zur Reife bringt. Sie danken mir nicht mehr für die fetten Bären und Hirsche in ihren Jagdgründen noch für die schmackhaften Fische in den Flüssen. Die Erde muss daher von ihnen gesäubert werden!«

»Willst du auch mich mit ihnen vernichten?«

»Nein, denn du hast mir stets treu gedient. Gehe nun hin auf den Berg, wo im letzten Fiebermonat mein Blitz einschlug. Haue eine zehn Sommer alte Tanne um und trage sie zum Hügel Wetscheganawaw. Verbrenne die Zweige und Zapfen. Wenn du die Asche um dich herum gestreut hast, stecke den Stamm auf dem Platz, wo das fetteste Gras steht, in die Erde. Dort liegt die Quelle des Wassers, die bald den ganzen Erdboden überfluten wird!«

Danach verschwand der Große Geist. Säketchäk tat am nächsten Morgen, wie ihm befohlen worden war, und bald sah die Erde wie eine große Wasserfläche aus. Nur er, seine Familie und einige Tiere, welche sich zu ihm in seinen heiligen Aschekreis geflüchtet hatten, wurden gerettet.

»Wenn der Mond gerade über dir steht«, rief eine bekannte Stimme, »wird er auch deinen Berg mit Wasser überziehen, denn er ist mir böse, da ich einen Schweifstern, den er sehr liebte, geschlagen habe. Ohne ihn zu zerstören, kann ich das Unglück nicht von dir abwenden; aber dies darf ich nicht tun, da er ein sehr notwendiges Geschöpf und mit mir verheiratet ist. Befehle also einem jeden Menschen und Tier bei dir, einen Nagel von der rechten Hand oder Klaue zu reißen und darauf zu blasen, wobei du sie die Worte Schäk teb skäpeschim os (Nagel, werde ein Kanu, damit mich der Mond nicht zerstört) aussprechen lässt. Die Nägel werden alsdann zu Schiffen werden, in denen alle sicher sind.«

Säketschäk gehorchte und band später die Kanus aneinander, damit sie beisammenblieben.

Nachdem sie mehrere Tage auf dem Wasser herumgeschwommen waren, sagte er: »Das geht nicht mehr! Wir müssen Land haben! Du, Rabe, hast scharfe Augen, bist flink und kannst daher leicht ein Stückchen Erde aus der Tiefe holen!«

Den Raben freute diese Schmeichelei, und augenblicklich rupfte er seine Schwanzfedern aus und tauchte unter. Aber er erfüllte seine Aufgabe nicht, und die Fischotter musste danach ihr Glück versuchen. Sie war glücklicher, denn als sie heraufkam, hielt sie ein Klümpchen Erde in ihren Krallen und überreichte es Säketschäk. Dieser wusste aber nicht, was er damit anfangen sollte, und bat daher den Großen Geist, ihm mit seinem Rat beizustehen. Derselbe erschien ihm denn auch bald danach in einem Traum und sagte: »Teile das Stückchen Erde in fünf gleiche Teile, lege das mittlere Stück in deine hohle Hand und vermische es mit Speichel. Mache alsdann ein Küglein daraus und wirf es ins Wasser und sprich: ›Eijaaskki‹ (Ich mache eine Erde). Nach drei Monden wird es so groß sein, dass du dich darauf niederlassen kannst!«

Säketschäk tat, wie ihm befohlen, und band zu größerer Sicherheit die junge Erde an einem Strick aus den Sehnen einer Schildkröte fest. Das Küglein wuchs zusehends und war nach drei Monden wirklich so groß, dass er darauf wohnen konnte. Bald danach kamen auch die Bäume wieder zum Vorschein. Da sie keine Äste hatten, so schoss Säketschäk mehrere Pfeile hinein. Augenblicklich verwandelten sich dieselben in Zweige und Äste.

Von den Nachkommen Säketschäks stammen alle übrigen Menschen der ganzen Erde ab.