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Aus dem Wigwam – Die Seelenwanderung der Makah

Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig. 1880

Die Seelenwanderung der Makah

ie Makah glauben, da alle Bäume, Fische, Vögel und sonstigen Tiere früher Indianer waren, die wegen ihres schlechten Lebenswandels diese Gestalten annehmen mussten. Die älteren Indianer sollen nämlich wie erzählt wird, solch schlechte und verdorbene Menschen gewesen sein, dass zuletzt zwei

Männer, Brüder der Sonne und des Mondes, auf die Erde kamen und die Verwandlungen vornahmen. Jene Männer hießen Hohuapbess, d. h. Leute, welche die Dinge verändern.

Der Seehund war einst ein berüchtigter Dieb, weshalb seine Arme gekürzt und seine Beine so fest an den Körper gebunden wurden, dass er nur noch die Füße bewegen konnte. Danach wurde er in den Ozean geworfen und ihm gesagt, er möge sich zu seinem Selbstunterhalt so viele Fische fangen, wie er nur könne.

Das Wiesel, Kwahtie, war einst ein lügnerischer, verschmitzter Indianer, von dessen Schelmenstückchen man nicht genug zu erzählen weiß. Kwisch-kwischi, die blaue Dohle, war seine Mutter. Als sich Kwahtie einst einen Bogen machte, befahl sie ihm, ihr schnell etwas Wasser zu holen. Da er aber seinen Bogen zuerst fertig machen wollte und dabei sehr langsam zu Werke ging, so verwandelte sich seine Mutter inzwischen in eine Dohle und flog ins nächste Gebüsch. Er schoss nach ihr, traf sie aber nur leicht am Hinterkopf, wodurch sich ein Federbusch bildete, der jenen Vogel heute noch ziert.

Die Indianer, welche zu Wölfen wurden, wohnten früher an der Clallam Bay. Ihr Häuptling, Tschuchuhunkst’hl, ging eines Tages an dem Haus Kwahties vorbei. Da er sehr müde war, so nahm er die Einladung desselben, sich ein wenig bei ihm auszuruhen, dankbar an. Als er fest eingeschlafen war, stand Kwahtie leise auf und schnitt ihm mit einer scharfen Muschelschale den Kopf ab und vergrub ihn im Sand. Zwei Tage danach kamen mehrere Abgesandte des Wolfstammes, um nach ihrem Häuptling zu suchen.

»Ich habe seit einigen Tagen krankheitshalber meine Wohnung nicht verlassen können und ihn nicht gesehen«, sagte Kwahtie, wonach sie sich wieder entfernten. Zwei anderen Gesandtschaften gab er dieselbe Antwort. Zuletzt sagte einer der Wölfe: »Kwahtie, du lügst, denn meine Nase sagt mir, dass du unseren Häuptling umgebracht hast.« »Gut«, antwortete er, »wenn dies deine Ansicht ist, so rufe deinen ganzen Stamm herbei und wir wollen das Orakel fragen, ob du recht hast oder nicht.«

Nachdem sie sich alle versammelt hatten, befahl ihnen Kwahtie, einen Kreis zu bilden und an der einen Seite eine Lücke zu lassen. Als sie dies getan hatten, nahm er eine Flasche mit Öl in die eine und einen Kamm mit großen Zähnen in die andere Hand und sang ein Lied, in welchem er zuerst alle Bekanntschaft mit dem toten Häuptling ableugnete, zuletzt aber seine Mordtat eingestand und dann schnell aus dem Kreis lief. Er zerschmetterte darauf die Flasche, deren Inhalt sich in einen großen Wasserstrom verwandelte. Seinen Kamm steckte er tief in den Sand, wodurch die Gebirge zwischen Klyoquot und den Flatteryfelsen entstanden. Danach tauchte er ins Wasser

und verschwand.

Kwahtie war ein großer Medizinmann, ehe ihn Hohuapbess verwandelt hatte. Es wurde ihm die Wahl gelassen, ob er zum Vogel oder zum Fisch werden wollte, aber er lehnte dies Anerbieten ab. Da er von jeher große Vorliebe für Fischfleisch gezeigt hatte, so wurde ihm erlaubt, alle Fische zu essen, die er fände.

Klukschud, der Rabe, war einst ein starker, gefräßiger Indianer. Da seine Frau, Tschakado, die Krähe, ebenfalls außergewöhnlich großen Appetit zeigte und alles Essbare verschlang, was sie nur fand, so wurden sie mit starken Schnäbeln versehen, damit sie die toten Tiere leicht zerhacken konnten.

Kwahless, der Kranich, war früher ein sehr geschickter Fischer, der beständig mit einem Speer im Wasser gesehen wurde. Die Tsasakadup, eine wasserdichte Mütze, kam nie von seinem Kopf. Dieselbe wurde in Halsfedern und sein Fischspeer in einen langen Schnabel verwandelt. Tscheschkully, der Eisvogel, war ebenfalls ein Fischer und zu gleicher Zeit auch ein sehr berüch­tigter Dieb, der das schöne Halsband der Tschetohduk oder Dentaliummuschel, aus dem späterhin der Ring weißer Federn um seinen Hals entstand, gestohlen hatte.

Als die Indianer Tiergestalten annahmen, gab es im ganzen Land weder Busch noch Wald. Außer Gras und Sand war auf der Erde nichts zu sehen, sodass die Hohuapbess gezwungen waren, sich so schnell wie möglich Brennholz zu verschaffen.

Sie sagten daher zu einer Rothaut: »Du bist alt, dein Herz ist eingetrocknet und deine Lebenssäfte sind hart geworden. Dein Name sei von nun an Dohobupt oder Pechtanne, die, wenn sie dürr wird, das beste Holz zum Feuermachen liefert.«

Zu einem anderen Indianer sagten sie: »Du sollst Klakabupt oder Tannenbaum heißen und festeres Brennmaterial

liefern.«

Doptkobupt wurde zum Holzapfelbaum. Da er ein sehr unleidlicher Geselle war, so musste er saure, ungenießbare Äpfel tragen. Da ebenfalls elastisches Holz für Bogen und starkes für Keile, um Baumstämme zu spalten, verlangt wurde, so wurde der beide Eigenschaften in sich vereinigende Klaheik’ tlebup in einen Eibenbaum verwandelt.

Da Klukschud, der Rabe, mit seinem Krähenweib sehr unzufrieden war, so ging er einst den Fluss hinauf und stahl die Tochter des Ostwindes, Tuchi. Letzterer holte sie aber wieder zurück und wollte den Raben durch die Schenkung einer großen Landstrecke abfinden. Da es damals noch keine Ebbe und Flut gab, so machte ihm Tuchi das Anerbieten, das Wasser alle zwanzig Tage einmal wegzublasen, damit er während dieser Zeit nach Fischen und Krebsen suchen könne. Aber damit war der Rabe nicht zufrieden und schalt ihn einen gemeinen Kerl. Zuletzt verständigten sie sich dahin, dass die Ebbe nach jeden zwölf Stunden eintreten solle, was sämtliche Raben und Krähen in den Stand setzte, sich sorgenfrei ernähren zu können.