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Elbsagen 47

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

47. Karras in der Nassau

In der Nähe der Dörfer Oberau und Niederau bei Meißen befindet sich eine anderthalb Stunden lange und eine Stunde breite, meist aus nassen und morastigen Wiesen bestehende Fläche, welche die Nassau oder Nasse genannt wird. Einige ihrer Fluren gehören zum Rittergut Proschwitz. Eine Art Vorwerk, die sogenannte Milchinsel, ist das einzige auf dieser öden Stelle gelegene bewohnte Gebäude. In seiner Nähe erblickt man eine schanzenartige, mit Gräben umzogene kleine Anhöhe, das alte, aber verwünschte Schloss genannt, das wahrscheinlich von einem Ritter aus dem Geschlecht derer von Nassau angelegt worden war und der ganzen Gegend den Namen gab. Einst hauste dort ein Raubritter, der wie der wilde Jäger, gleichviel, ob es Feier- oder Werktag war, mit seinen Gefährten die Umgegend auf der Jagd durchstreifte und weder Saaten noch Pflanzungen seiner Untertanen schonte. Den Waisen nahm er ihr bisschen ererbtes Vermögen und die schönsten Mädchen aus der Umgegend schleppte er auf seine Burg. Endlich vermochten seine Nachbarn sein Treiben nicht länger ruhig mit anzusehen. Sie zogen gegen ihn und schlugen ihn in den Triften der Nassau nach erbittertem Kampf aufs Haupt. Er selbst floh mit den wenigen Resten seiner Mannen auf sein Schloss. Siehe, da zog ein furchtbares Unwetter heran. Mit Grausen sahen die noch auf dem Schlachtfeld lagernden Gegner, wie bei einem mächtigen Donnerschlag und Blitz das Schloss mit allem, was darin war, versank. An dieser Stelle lässt sich nun noch heute zuweilen ein hohläugiges Gespenst sehen, welches bald zu Ross, bald zu Fuß die wüsten Fluren wehklagend durcheilt. Aber auch die Geister der von ihm umgebrachten Unschuldigen haben keine Ruhe. Man erblickt sie nachts, wie sie als Irrlichter über den Boden fliegen.