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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Alte vom Berge – Kapitel 20

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

XX.

Die Freude der Assassinen zu beschreiben, als sie ihren Herrn und Meister, den Alten vom Berge, wiedersahen, ist meine Feder zu schwach. Freudig griffen sie wieder zu den Waffen und schwuren den Christen, hauptsächlich aber den Templern die fürchterlichste Rache.

Der Alte war sehr ernsthaft und betrachtete starr die Felsen des Libanons. Einige seiner Lieblinge berief er in einer errichteten Hütte zu sich. Im geisterähnlichen Ton sprach er: »Ihr habt nicht gut daran getan, dass ihr mich befreit habt, denn schon fühle ich meinem nahen Tod. Sprecht, aber aufrichtig, wie hoch ist das Lösegeld, so ihr für mich gegeben?«

Die Jünglinge sahen einander an und keiner wollte weder Wahrheit noch Lüge sagen. Endlich nannte Achmed den hohen Preis. Der Alte schlug die Hände vor Erstaunen zusammen.

»Wo habt ihr das unerhörte hohe Lösegeld, wofür ich ein ganzes Heer anwerben kann, hergenommen?«

»Wir haben es im Land für dich zusammengebettelt«, war die einstimmige Antwort.

Der Alte reichte ihnen die dürren vertrockneten Hände, welche sie freudig küssten.

Es entstand eine lange Pause, in der der Alte einen festen Entschluss zu fassen schien. »Da ich höchstens noch zwei Wochen auf dieser Erde wandle, so ist mein fester unabänderlicher Entschluss, wieder in meinen Käfig nach Jerusalem zurückzukehren und die Templer zu bitten, wenigstens die Hälfte des Lösegeldes wieder herauszugeben.«

»O, lasst diesen Christen das Geld«, flehten die Jünglinge, »bleibe nur bei uns, und wenn es auch nur einige Wochen sein sollten.«

Der Alte schüttelte verneinend das Haupt. Vergebens bestürmten alle Assassinen ihn hierzubleiben.

»Die Hälfte des Lösegeldes«, sprach er, »ist hinreichend, ein Heer anzuwerben, mit dem ihr in Verbindung des Sultans die Christen aus dem Morgenland vertreiben könnt, wenn ihr nur einig untereinander seid. Zu meinem Nachfolger ernenne ich den Derwisch an der Quelle des Libanons, der gewiss meine Person vollkommen ersetzt.«

Noch einmal erhoben sich die bittenden Stimmen, dass er hierbleiben möge, um in ihrer Mitte zu sterben, wenn es sein müsste, aber er winkte um Ruhe.

»Ihr habt mir so mannigfaltige Beweise eurer Liebe gegeben«, begann er mit hohler Stimme, »wofür ich euch herzlich danke. Meiner Tochter, der Sultanin von Kahira, meldet sogleich, dass ich gestorben bin, damit ich nicht lange in der Erde der Christen zu ruhen brauche. Ich werde euch nimmer vergessen und euch freudig und herzlich in Mahomeds schönsten Paradies, wo ewiger Frühling, ewige Jugend herrscht, empfangen.«

Die Jünglinge segnend, verließ er sie am nächsten Tag und eilte von einigen begleitet, so viel es die Schwäche seines Körpers erlaubte, zum Ort seiner Gefangenschaft zu.

Man staunte nicht wenig im Tempelhof, als der Alte zurückkehrte. Er ließ sich sogleich bei dem Großmeister anmelden, der ihn, von einigen Templern umgeben, vor sich ließ.

»Freiwillig kehre ich in meinen Käfig zurück«, begann der Alte, »wenn du den Assassinen die Hälfte des Lösegeldes zurückgibst. Ich bin zwar alt, doch kann ich den Christen noch vielen Schaden zufügen.«

»Ich kann in dieser Sache nicht allein bestimmen«, entgegnete der Großmeister, »sondern nur das ganze Kapitel.« »

»Noch vielen Schaden kann ich den Christen tun«, wiederholte der Alte warnend und ging sogleich zum Käfig, wo er sich hineinheben ließ. Die ihn begleitenden Assassinen wurden gut bewacht.

Der Beschluss des Kapitels war nach langen Beratungen folgender: Man wolle dem Alten die Freiheit lassen und nichts von dem Lösegeld wieder herausgeben, weil er sehr schwächlich und gewiss dem Tode nahe sei.

Als der Alte diese Antwort vernahm, machte sie einen sichtbaren Eindruck auf ihn. Er konnte kein Wort mehr sprechen, nur andeuten konnte er, dass er nicht länger im Käfig bleiben wollte. Man brachte ihn in eine Zelle. Ein kräuterkundiger Mönch erklärte, dass keine Rettung für ihn sei. Laut weinend saßen die Assassinen an seinem Lager und flehten im Gebet um neues Leben für den Alten, doch vergebens. Immer schwächer wurde er und fast starr der Blick. So brachte er zwei Tage zu. Endlich wich auch das letzte Fünkchen Leben aus ihm, er seufzte und – war nicht mehr.

Die Assassinen baten sich jetzt wenigstens seine Leiche aus, aber man verweigerte ihr Gesuch und der Alte wurde ohne kirchliches Gepränge begraben.

Erst nach mehreren Wochen kam ein Brief der Sultanin, worin diese den Großmeister bat, die Leiche ihres Vaters, des Alten vom Berge, ihr zu überschicken. Obwohl ungern, so bewilligte diese Bitte doch augenblicklich der Großmeister und ließ die Leiche verabfolgen.

In Kahira wurde er feierlich beerdigt. Eine Statue aus Marmor stellte ihn in Lebensgröße dar, als er eben einen christlichen Knaben raubte. Noch nach mehreren Jahrhunderten war diese Statue dort zu sehen.