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Oberhessisches Sagenbuch Teil 43

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Wie einer Hexe gelohnt wurde.

In Frischborn, einem Kirchdorf bei Lauterbach, lebten Leute, die waren ehedem blutarm gewesen und wurden zusehends reich. Man wusste in aller Welt nicht, wie das Ding zuging.

Zu ihnen kam eines Abends eine fremde Frau mit einem Kind an der Hand und bat sie, um der Barmherzigkeit Gottes willen, um eine Nachtherberge. Der junge Mann im Haus, seines Zeichens ein Zimmermann, willigte aus angeborener Gutmütigkeit auch sogleich ein und bot der Frau an, sie solle auf der Oberläute (per Oberstube) bei seiner alten Mutter im Bett schlafen.

Dagegen setzte sich diese aber aus Leibeskräften und brachte es durch ihre Gegenreden richtig auch dahin, dass der Sohn den Gästen eine Streu auf dem Fußboden neben ihrem Bett zurechtmachte. Darauf streckte die müde Fremde sich hin, nachdem sie, wie es rechtschaffenen Christen zukommt, gläubig ihren Abendsegen gebetet und sich mit dem Heiligen Kreuz bezeichnet hatte.

Während dessen saß die Alte mit einem Motzgesicht am Tisch und trällerte auf ihrem Spinnrad, tat aber sonst kein Maul auf und betrachtete mitunter mit ganz artigem Blick die zwei auf der Streu Liegenden. Dieser war es von vorn herein in ihrer Gesellschaft nicht ganz wohl ums Herz gewesen. So stellten sie sich nur an, als ob sie schliefen, in Wahrheit aber merkten sie auf, was es geben würde. Unterdessen schlug es zehn und elf Uhr und noch immer machte die Alte keinen Feierabend.

Als es jedoch stark auf die Mitternacht losging, sprang ohne das geringste Geräusch die Tür weit auf und ein verdächtig aussehender Grünrock mit einem großen Beutel voll Geld in der Hand trat herein.

»Schaff mir eine Seele«, rief er, »ich will es dir gut bezahlen.« Und deutete mit einem entsetzlichen Blick auf die anscheinend Schlafenden.

»An die auf dem Stroh kann ich nicht«, antwortete die Alte, »denn die haben einen Kreis um sich gezogen. Aber warte, jetzt fällt mir was ein«, fuhr sie fort, »mein Sohn ist ein Zimmermann und geht früh morgens an sein Tagewerk, da ruft ihn immer ein unschuldiges Mädchen, die noch nicht gebetet und noch nichts gegessen hat, zum Morgenimbiss. Das Mädchen will ich dir schaffen. Ich verwandle mich zuvor in eine große schwarze Muck, lauf unter die Herde und mache mich an das dumme Ding. Lass mich nur gewähren!«

Der Grünrock war zufrieden, gab ihr den Beutel mit Geld und verschwand.

Kurz danach legte sich die saubere Person, als ob nichts vorgefallen wäre, ins Bett und schlief ein. Die fremde Frau aber konnte kein Auge zutun und erwartete mit Todesangst das Morgengrauen, denn kein Wort des Gesprächs war ihr entgangen. Als die Alte fest schnarchte, stieg sie hehlings auf, erzählte, sobald sie konnte, dem Sohn den schändlichen Plan und ermahnte ihn, recht auf der Hut zu sein, ob es nicht bei Tagesanbruch etwas Verdächtiges geben würde. Dann schied sie mit ihrem Kind unter viel Danksagen.

Und wirklich, als der Hirt ausfuhr, war auf einmal eine böse, schwarze Muck unter der Herde. Man wusste nicht, woher sie gekommen war. Die Muck rannte stracks auf das Mädchen zu und versuchte dasselbe in einem fort am Kleid zu fassen und festzuhalten.

Aber nun sprang auch der Zimmermann mit seinem Richtscheit auf die Unholdin hinein und traf sie damit so hart, dass sie wie tot hinstürzte. Er dachte: Sie hat ihren Teil. Dann begab er sich nach Hause.

Siehe, da lag seine Mutter oben im Bett, war grün und blau geschlagen und konnte weder ein Glied regen noch ein Auge auftun. Er, als er dies sah, sprach voll Zorn: »So, ich glaubte, der Reichtum käme von unserem Herrgott. So kommt er also vom Teufel. Nun, so sollst du, alter Drache, auch des Teufels Dank dafür haben!«

Damit ergriff er einen herzhaften Prügel, riss die zeternde Alte mit Gewalt herum und wamste sie so gründlich noch einmal durch, dass kein Hund ein Stück Brot mehr von ihr nahm und sie den Himmel für eine Bassgeige ansah. So hatte sie ihr Recht und das hat ihr bis heute noch kein Mensch vergönnt. Ob sie aber deswegen das Hexen gelassen hat, davon ist nichts unter die Leute gekommen. Denn wer einmal das Hexen kann, der verlernt es nicht!