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Oberhessisches Sagenbuch Teil 42

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Abenteuer in der Walbersnacht

Eine Magd diente bei einer Herrschaft und manches, was sie im Haus sah und hörte, kam ihr äußerst verdächtig vor. Namentlich traute sie ihrer Herrin nicht und gab ihr deshalb auf Schritt und Tritt Achtung, doch konnte sie lange nichts Gewisses ausmachen. Als aber die Walbersnacht herbeikam, schickte man sie unter nichtigen Vorwänden früh zu Bett.

Wart, dachte sie, ich komme doch hinter die Geschichten. Also blieb sie aus Neugier wacker und bezwang den Schlaf. Dann versteckte sie sich sorgsam in einer dunklen Ecke, von der aus sie alles sehen konnte, was vorging. Es war kurz vor Mitternacht, da kam die Frau in bloßen Füßen und aufgelösten Haaren leise, wie eine Katze, die Treppe herab und ging in die Küche. Sie trug ein Töpfchen in der Hand. Damit salbte sie sich Hände und Füße, dann griff sie in die Ecke nach dem Kehrbesen und salbte auch diesen. Darauf murmelte sie vor sich hin:

Zum Schornstein hinaus
über Hecken und Strauch!

Alsbald fuhr sie rittlings auf dem Besen in die Höhe und verschwand durch den Schornstein. Da das Ding so leicht und lustig war, erwachte in der Magd die Begierde, es der Frau nachzutun, denn das Töpfchen mit Salbe stand noch da und war nicht völlig aufgebraucht. In der Eile hatte sie jedoch auf den Spruch nicht genau aufgemerkt. Und so sprach sie denn in ihrer Unvernunft:

Zum Schornstein hinaus
durch Hecken und Strauch!

Gleich fuhr sie auch empor, zum Haus hinaus, aber o weh! Eine unsichtbare Gewalt jagte sie durch Hecken und Dörner und mitten durch die dicksten Gebüsche, sodass sie über und über blutend, an Händen und Füßen geschunden, das Gesicht und den Leib zerkratzt, auf dem großen Versammlungsplatz der Hexen ankam. Sie konnte nur sehen, dass ein großer schwarzer Bock in der Mitte stand, um dem die Hexen ihren wilden Tanz aufführten. Ganz erschöpft und heulend fiel sie nieder auf den Boden und lag lange bewusstlos, bis sich ihre Herrin herzufand und ihrer annahm. Diese lehrte sie den rechten Spruch und brachte sie wieder heim. Weil sie aber bei dem ersten Versuch, das Hexen zu lernen, so hart gewitzigt worden war, begehrte sie nicht weiter nach dem zweiten, denn gebrannte Kinder scheuen das Feuer!