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Die drei Musketiere 47

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

XIV.

Der Rat der Musketiere

Die Bastille war, wie dies Athos vorhergesehen hatte, nur von einem Dutzend Toter, sowohl Franzosen als auch Rocheller, besetzt.

»Messieurs«, sprach Athos, der das Kommando bei diesem Zug übernommen hatte, »während Grimaud die Tafel zurichtet, wollen wir zuvörderst die Gewehre und Patronen sammeln. Wir können übrigens sprechen, so lange wir dieses Geschäft besorgen, denn diese Messieurs«, fügte er auf die Toten deutend bei, »hören uns nicht.«

»Wir könnten sie immerhin in die Gräben werfen«, sagte Porthos, »nachdem wir uns zuvor versichert, dass sie nichts in den Taschen haben.«

»Allerdings«, versetzte Athos, »aber das ist ein Geschäft für Grimaud.«

»Gut«, sprach d’Artagnan, »so mag Grimaud sie nachher durchsuchen und in die Gräben werfen.«

»Das sei fern von uns«, rief Athos, »sie können uns nützlich sein.«

»Diese Toten könnten uns nützlich sein?«, fragte Porthos »Ei, du wirst ein Narr, mein lieber Freund.«

»Urteilt nicht vorlaut, sagen das Evangelium und der Monsieur Kardinal«, antwortete Athos. »Wie viele Flinten, Messieurs?«

»Zwölf«, antwortete Aramis.

»Wie viel Schuss zu feuern?«

»Etwa hundert.«

»Das ist so viel, wie wir brauchen. Laden wir die Gewehre.«

Die vier Musketiere machten sich an die Arbeit. Als sie das letzte Gewehr geladen hatten, deutete Grimaud mit einem Zeichen an, dass das Frühstück bereit sei.

Athos antwortete, stets mit einer Gebärde, es sei gut, und zeigte Grimaud eine Art von Nische. Dieser begriff, dass er darin Wache halten sollte. Um ihm jedoch die Unannehmlichkeit seiner Trennung etwas zu versüßen, erlaubte ihm Athos ein Brot, zwei Kalbsrippchen und eine Flasche Wein mitzunehmen.

»Und nun zu Tisch«, sprach Athos.

Die vier Freunde setzten sich auf die Erde, die Beine gekreuzt wie Türken oder wie Schneider.

»Doch jetzt«, sagte d’Artagnan, »jetzt, da du nicht mehr gehört zu werden fürchten musst, wirst du uns hoffentlich dein Geheimnis mitteilen?«

»Ich hoffe Euch zugleich Vergnügen und Ruhm zu verschaffen, Messieurs«, antwortete Athos. »Ich habe Euch einen reizenden Spaziergang machen lassen. Hier ist ein äußerst schmackhaftes Frühstück und dort unten stehen, wie Ihr durch die Schießscharten sehen könnt, fünfhundert Personen, die uns für Narren oder für Helden halten, zwei Klassen von Schwachköpfen, die sich ziemlich gleichen.«

»Aber das Geheimnis«, sagte d’Artagnan.

»Das Geheimnis«, erwiderte Athos, »besteht darin, dass ich gestern Abend Mylady gesehen habe.«

D’Artagnan setzte eben sein Glas an die Lippen, aber bei dem Namen Mylady zitterte seine Hand so sehr, dass er es auf den Boden stellte, um den Inhalt nicht zu verschütten.

»Du hast deine Fr…«

»Still«, unterbrach ihn Athos. »Ihr vergesst, mein Lieber, dass diese Messieurs nicht wie Ihr in das Geheimnis meiner häuslichen Angelegenheiten eingeweiht sind. Ich habe Mylady gesehen.«

»Und wo dies?«, fragte d’Artagnan.

»Ungefähr zwei Meilen von hier, in der Herberge zum Roten Taubenschlag

»Dann bin ich verloren«, rief d’Artagnan.

»Nein, noch nicht ganz«, versetzte Athos, »denn zu dieser Stunde muss sie die Küste von Frankreich verlassen haben.«

D’Artagnan atmete auf.

»Aber wer ist denn diese Mylady?«, fragte Porthos.

»Eine reizende Frau«, erwiderte Athos, ein Glas Schaumwein kostend. »Kanaille von einem Wirt!«, rief er, »der uns Anjouer für Champagner gibt und glaubt, wir lassen uns hintergehen! Ja«, fuhr er fort, »eine reizende Frau, der unser Freund d’Artagnan irgendeinen schlimmen Streich gespielt hat, für den sie sich dadurch zu rächen versuchte, dass sie ihn vor einem Monat mit Musketenschüssen töten lassen wollte, dass sie ihn vor acht Tagen zu vergiften trachtete und dass sie gestern sich vom Kardinal seinen Kopf erbat.«

»Wie! Vom Kardinal meinen Kopf erbat?«, rief d’Artagnan bleich vor Schrecken.

»Gewiss!«, sprach Porthos, »das ist so wahr wie das Evangelium. Ich habe es mit meinen eigenen zwei Ohren gehört.«

»Ich ebenfalls«, fügte Aramis bei.

»Dann«, versetzte d’Artagnan und ließ entmutigt die Arme sinken, »dann ist es unnütz, länger zu kämpfen. Es ist besser, ich schieße mir eine Kugel in den Kopf, und alles ist vorbei.«

»Das ist die letzte Dummheit, die man zu machen hat«, sprach Athos, »insofern es die einzige ist, für die es kein Gegenmittel gibt.«

»Aber bei solchen Feinden werde ich nie entkommen«, erwiderte d’Artagnan. »Zuerst mein Unbekannter von Meung; sodann Monsieur von Wardes, dem ich vier Degenstiche beigebracht habe; ferner Mylady, deren Geheimnis ich entdeckte, und endlich der Kardinal, dessen Rache ich vereitelt habe.«

»Gut«, sprach Athos, »all das macht zusammen nur vier, einer gegen einen, bei Gott! Wenn wir den Zeichen glauben dürfen, die uns Grimaud macht, so werden wir es mit einer viel größeren Anzahl von Menschen zu tun haben. Was gibt es, Grimaud? In Betracht des Gewichts der Umstände erlaube ich Euch zu sprechen; doch ich bitte, fasst Euch kurz. Was seht Ihr?«

»Eine Truppe!«

»Von wie viel Personen?«

»Von zwanzig Menschen.«

»Was für Menschen?«

»Sechszehn Gefangene, vier Soldaten.«

»Auf wie viel Schritte sind sie von uns entfernt?«

»Auf fünfhundert Schritte.«

»Gut, wir haben noch Zeit, dieses Huhn vollends zu verzehren und ein Glas Wein zu trinken. Auf deine Gesundheit, d’Artagnan!«

»Auf Deine Gesundheit!«, wiederholten Porthos und Aramis.

»Wohl denn, auf meine Gesundheit, obwohl ich nicht glaube, dass mir Eure Wünsche viel nützen werden.«

»Bah!«, rief Athos, »Gott ist groß, wie die Anhänger Mahomeds sagen, und die Zukunft liegt in seinen Händen.«

Nachdem Athos sein Glas geleert hatte, stand er gleichgültig auf, nahm das nächste beste Gewehr und näherte sich einer Schießscharte.

Porthos, Aramis und d’Artagnan taten dasselbe. Grimaud erhielt Befehl, sich hinter die vier Freunde zu stellen, um die Gewehre wieder zu laden.

Bald sah man die Truppe erscheinen. Sie kam durch einen schlauchartigen Laufgraben, der eine Verbindung zwischen der Bastille und der Stadt bildete.

»Bei Gott!«, sprach Athos, »es war wohl der Mühe wert, unser Mahl wegen zwanzig solcher mit Karsten, Hauen und Schaufeln bewaffneter Schufte zu unterbrechen. Grimaud hätte ihnen nur durch ein Zeichen bedeuten dürfen, sie sollen gehen und ich bin überzeugt, sie würden uns in Ruhe gelassen haben.«

»Ich bezweifle es«, sprach d’Artagnan, »denn sie rücken sehr entschlossen heran. Übrigens sind bei den Arbeitern vier mit Musketen bewaffnete Soldaten und ein Brigadier.«

»Weil sie uns nicht gesehen haben«, entgegnete Athos.

»Meiner Treu«, sagte Aramis, »es wiederstrebt mir, auf diese armen Teufel von Bürgersleuten zu schießen.«

»Ein schlechter Priester«, rief Porthos, »der mit Ketzern Mitleid hat.«

»In der Tat«, sagte Athos, »Aramis hat recht, und ich will sie warnen.«

»Was zum Teufel macht Ihr denn?«, entgegnete d’Artagnan, »Ihr wollt Euch, scheint es, niederschießen lassen, mein Lieber.«

Aber Athos hörte nicht auf diesen Rat, sondern stieg auf die Bresche, wandte sich, sein Gewehr in der einen, den Hut in der andern Hand, höflich grüßend an die Soldaten und Arbeiter, welche erstaunt über diese Erscheinung ungefähr fünfzig Schritte vor der Bastille stehen blieben, und rief: »Messieurs, einige Freunde und ich sitzen hier in dieser Bastille beim Frühstück. Ihr wisst aber wohl, wie unangenehm es ist, gestört zu werden, wenn man frühstückt. Wir bitten Euch also, wenn Ihr unerlässliche Geschäfte hier habt, entweder zu warten, bis wir unser Mahl vollendet haben, oder später wiederzukommen, wenn Ihr nicht, was das Heilsamste wäre, Lust habt, die Partei der Rebellen zu verlassen und mit uns auf die Gesundheit des Königs von Frankreich zu trinken.«

»Nimm dich in Acht, Athos«, sagte d’Artagnan, »siehst du nicht, dass sie auf dich anlegen?«

»Allerdings«, erwiderte Athos, »aber es sind Bürger, die sehr schlecht schießen und mich gewiss nicht treffen werden.«

Es wurden in der Tat in demselben Augenblick vier Flintenschüsse abgefeuert und die Kugeln schlugen um Athos her an die Mauern, aber keine traf ihn.

Vier Schüsse antworteten ihnen beinahe in derselben Sekunde, aber unsere Freunde hatten besser gezielt, als die Angreifenden. Drei Soldaten stürzten mausetot nieder und ein Arbeiter war verwundet.

»Grimaud, eine andere Muskete«, sagte Athos, immer noch auf der Bresche stehend.

Grimaud gehorchte sogleich. Die drei Freunde hatten ihre Gewehre selbst wieder geladen, der Brigadier und zwei Pioniere wurden tot zu Boden gestreckt, der Rest der Truppe ergriff die Flucht.

»Auf! Messieurs, einen Ausfall«, rief Athos.

Die vier Freunde stürzten aus dem Fort hervor, gelangten bis zum Schlachtfeld, rafften die vier Musketen der Soldaten und die Halbpike des Brigadiers auf und zogen sich, überzeugt, dass die Fliehenden erst in der Stadt anhalten werden, mit ihren Siegestrophäen in die Bastille zurück.

»Lade unsere Gewehre wieder, Grimaud«, sprach Athos, »und wir, Messieurs, wollen zu unserem Frühstück zurückkehren und unser Gespräch fortsetzen. Wo waren wir?«

»Ich erinnere mich«, antwortete d’Artagnan, »du sagtest, Mylady habe Frankreich verlassen, nachdem sie meinen Kopf vom Kardinal verlangt habe.«

»Und wohin geht sie?«, fügte d’Artagnan bei, den Myladys Reiseplan sehr in Anspruch zu nehmen schien.

»Sie geht nach England«, erwiderte Athos.

»In welcher Absicht?«

»In der Absicht, Buckingham zu ermorden oder ermorden zu lassen.«

»Ei, das ist ja ganz heillos«, rief d’Artagnan voll Staunen und Entrüstung.

»Oh! Was das betrifft«, entgegnete Athos, »darum kümmere ich mich nicht viel. Nun, da du fertig bist, Grimaud«, fuhr Athos fort, »nimm die Halbpike unseres Brigadier, binde eine Serviette daran und pflanze sie dann auf unserer Bastille auf, damit diese rebellischen Rocheller sehen, dass sie es mit braven und loyalen Soldaten des Königs zu tun haben.«

Grimaud gehorchte, ohne zu antworten. Einen Augenblick danach wehte eine weiße Fahne über dem Haupt der vier Freunde. Freudengeschrei und donnernder Beifall begrüßten ihre Erscheinung. Die Hälfte des Lagers war an den Barrieren.

»Wie«, versetzte d’Artagnan, »du kümmerst dich wenig darum, ob sie Buckingham ermordet oder ermorden lässt? Der Herzog ist unser Freund.«

»Der Herzog ist ein Engländer, der Herzog kämpft gegen uns, sie mag also mit ihm machen, was sie will. Ich kümmere mich so wenig darum, als um eine leere Flasche.«

Und bei diesen Worten schleuderte Athos eine Flasche, deren Inhalt er bis auf den letzten Blutstropfen in sein Glas gegossen hatte, zwanzig Schritte von sich.

»Einen Augenblick …«, sagte d’Artagnan, »ich gebe den Herzog nicht so rasch auf. Er schenkte uns sehr schöne Pferde.«

»Und besonders sehr schöne Sattel«, sprach Porthos, der die Galone des seinen an seinem Mantel trug.

»Auch will Gott die Bekehrung und nicht den Tod des Sünders«, sagte Aramis.

»Amen!«, sprach Athos, »und wir werden später hierauf zurückkommen, wenn es Euch beliebt. Doch ich war am meisten daraus bedacht – und du wirst das wohl begreifen, d’Artagnan – dieser Frau eine Art von Vollmacht abzunehmen, welche sie Richelieu abgepresst hatte, und mit deren Hilfe sie sich ungestraft deiner und vielleicht unserer Personen entledigen könnte.«

»Aber das ist doch ein wahrer Teufel, dieses Geschöpf!«, sprach Porthos und reichte Aramis, welcher Geflügel zerlegte, seine Serviette.

»Und diese Vollmacht«, fragte d’Artagnan, »diese Vollmacht blieb in ihren Händen?«

»Nein, sie ging in die meinen über. Wenn ich sagen würde, dies sei ohne Mühe geschehen, so müsste ich lügen.«

»Mein lieber Athos«, sprach d’Artagnan, »ich zähle nicht mehr, wie oft Ihr mir das Leben gerettet habt.«

»Also, um zu ihr zurückzukehren, hast du uns verlassen?«, fragte Aramis.

»Allerdings.«

»Und du besitzt den Brief des Kardinals?«, fragte d’Artagnan.

»Hier ist er«, antwortete Athos.

Er zog das kostbare Papier aus der Tasche seiner Kasake hervor.

D’Artagnan entfaltete es mit einer Hand, deren Zittern er nicht einmal zu verbergen suchte und las:

Auf meinen Befehl und zum Wohle des Staates hat der Inhaber getan, was er getan hat.

Den 3. August 1628.

Richelieu.

»In der Tat«, sprach Aramis, »das ist eine Absolution nach allen Regeln.«

»Man muss dieses Papier vernichten«, sprach d’Artagnan, der sein Todesurteil zu lesen meinte.

»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Athos, »man muss es sorgfältig aufbewahren, und ich würde dieses Papier nicht hergeben, wenn man es mit Goldstücken bedecken wollte.«

»Und was wird sie nun wohl tun?«, fragte der junge Mann.

»Wahrscheinlich«, antwortete Athos, »wahrscheinlich wird sie dem Kardinal schreiben, ein verdammter Musketier, namens Athos, habe ihr mit Gewalt ihren Geleitbrief entrissen. Sie wird ihm in demselben Brief den Rat geben, sich zu gleicher Zeit seiner sowie seiner zwei Freunde, Porthos und Aramis, zu entledigen. Der Kardinal wird sich erinnern, dass es dieselben Menschen sind, denen er immer auf seinen Wegen begegnet. Dann wird er an einem schönen Morgen d’Artagnan verhaften lassen und, damit er sich ganz allein nicht zu sehr langweilt, auch uns in die Bastille schicken, um ihm Gesellschaft zu leisten.«

»Ei, den Teufel!«, rief Porthos, »es scheint mir, du machst da sehr schlechte Späße, mein Lieber?«

»Ich spaße nicht«, sagte Athos.

»Weißt du«, versetzte Porthos, »dass es eine geringere Sünde wäre, dieser verdammten Mylady den Hals umzudrehen, als diesen armen Teufeln von Hugenotten, welche nie ein anderes Verbrechen begangen haben, als dass sie die Psalmen französisch singen, die wir lateinisch singen.«

»Was sagt der Abbé dazu?«, fragte Athos ruhig.

»Ich sage, dass ich der Meinung von Porthos bin«, antwortete Aramis.

»Und ich ebenfalls«, sprach d’Artagnan.

»Zum Glück ist sie fern von hier«, versetzte Porthos, »denn ich gestehe, sie würde mich hier sehr genieren.«

»Sie geniert mich in England ebenso sehr, wie in Frankreich«, sagte Athos.

»Sie geniert mich überall«, sprach d’Artagnan.

»Aber da du sie in deinen Händen hattest«, rief Porthos, »warum hast du sie nicht ertränkt, erdrosselt, aufgehenkt? … Nur die Toten kommen nicht wieder.«

»Ihr glaubt das?«, erwiderte der Musketier mit einem düstern Lächeln, das d’Artagnan allein verstand.

»Ich habe einen Gedanken«, sprach d’Artagnan.

»Lass hören«, sagten die Musketiere.

»Zu den Waffen!«, schrie Grimaud.

Die jungen Leute sprangen rasch auf und liefen zu ihren Gewehren.

Ein kleiner Trupp, aus zwanzig bis fünfundzwanzig Mann bestehend, rückte heran. Aber dieses Mal waren es nicht mehr Arbeiter, sondern Soldaten der Garnison.

»Wenn wir in das Lager zurückkehrten«, sprach Porthos. »Es scheint mir, die Partie ist ungleich.«

»Unmöglich aus drei Gründen«, antwortete Athos. »Erstens haben wir unser Frühstück noch nicht vollendet, zweitens haben wir uns noch wichtige Dinge zu sagen, drittens fehlen noch zehn Minuten, bis die Stunde abgelaufen ist.«

»Gut«, sagte Aramis, »wir müssen jedoch einen Schlachtplan festlegen.«

»Das ist ganz einfach«, sagte Athos, »sobald der Feind in Schussweite kommt, geben wir Feuer. Rückt er weiter vor, so geben wir abermals Feuer. Wir feuern, so lange wir geladene Gewehre haben. Wenn danach der Rest des Trupps Sturm laufen will, so lassen wir die Belagerer bis in den Graben heransteigen und werfen ihnen dann einen Flügel von dieser Mauer, welche nur noch durch ein Wunder ihr Gleichgewicht hält, auf die Köpfe.«

»Bravo«, sagte Porthos, »du bist entschieden zum General geboren, Athos, und der Kardinal, der sich für einen großen Kriegsmann hält, ist offenbar sehr wenig im Vergleich mit dir.«

»Messieurs«, sprach Athos, »nicht auf zwei Seiten verhandelt, ich bitte. Nehmt jeder Euren Mann aufs Korn!«

»Ich habe den meinen«, sagte d’Artagnan.

»Und ich den meinen«, sagte Porthos.

»Und ich ebenfalls«, sagte Aramis.

»Gebt Feuer!«, sagte Athos.

Die vier Flintenschüsse machten nur einen Knall und vier Soldaten stürzten zu Boden.

Sogleich schlug der Tambour und der kleine Trupp rückte im Sturmschritt vor.

Dann folgten die Schüsse unregelmäßig, aber mit der größten Genauigkeit gezielt; doch die Rocheller rückten, als hätten sie die numerische Schwäche der Feinde gekannt, fortwährend im Geschwindschritt vor.

Bei drei Schüssen fielen immer zwei Mann. Dessen ungeachtet wurde der Marsch der Übrigbleibenden nicht langsamer.

Am Fuß der Bastille angelangt, waren die Feinde noch zwölf bis fünfzehn Mann stark. Eine letzte Ladung empfing sie, hielt sie aber nicht auf. Sie sprangen in den Graben und schickten sich an, die Bresche zu ersteigen.

»Auf, meine Freunde«, rief Athos, »endigen wir mit einem Schlag. Zur Mauer! Zur Mauer!«

Und von Grimaud unterstützt, stemmten sich die vier Freunde mit dem Lauf ihrer Flinten an einen enormen Mauerflügel, der, wie vom Sturmwind erfasst, sich neigte, sich von seiner Grundlage ablöste und mit furchtbarem Gekrache in den Graben stürzte. Dann vernahm man ein gewaltiges Geschrei, eine Staubwolke stieg zum Himmel auf und alles war vorbei.

»Sollten wir sie vom Ersten bis zum Letzten zerschmettert haben?«, fragte Athos.

»Meiner Treu, es sieht so aus«, erwiderte d’Artagnan.

»Nein«, sagte Porthos, »seht dort zwei oder drei, welche sich hinkend fortzuschleppen suchen.«

Drei oder vier von den Unglücklichen flohen wirklich, mit Schlamm und Blut bedeckt, in den Hohlweg und erreichten die Stadt. Das war alles, was von dem Trupp übrig blieb.

Athos schaute auf seine Uhr.

»Messieurs, wir sind nun eine Stunde hier, und die Wette ist gewonnen. Aber man muss ehrlich spielen, und d’Artagnan hat uns überdies seinen Gedanken noch nicht gesagt.«

Nach diesen Worten setzte sich der Musketier mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit zu den Überresten des Frühstücks.

»Ihr wollt meinen Plan kennenlernen?«, sprach d’Artagnan zu seinen drei Gefährten, als sie nach dem Angriff, der für den kleinen Trupp der Rocheller so traurig geendet hatte, wieder beim Frühstück saßen.

»Ja«, antwortete Athos, »Ihr sagtet, Ihr habt einen Gedanken.«

»Richtig, ich hab es wieder«, rief d’Artagnan. »Ich reise zum zweiten Mal nach England, suche Monsieur von Buckingham auf und benachrichtige ihn von dem Komplott, das gegen ihn gesponnen wird.«

»Ihr werdet das nicht tun, d’Artagnan«, sprach Athos kalt.

»Und warum nicht? Habe ich es nicht bereits getan?«

»Ja, aber damals waren wir nicht im Krieg begriffen, und Monsieur von Buckingham war zu jener Zeit unser Verbündeter und kein Feind. Was Ihr tun wollt, würde man als einen Verrat taxieren.«

D’Artagnan begriff das Gewicht dieses Urteils und schwieg.

»Aber ich glaube ebenfalls einen Gedanken zu haben«, sprach Porthos.

»Hört den Gedanken des Monsieur Porthos«, sagte Aramis.

»Ich verlange einen Urlaub von Monsieur de Tréville unter irgendeinem Vorwand, den Ihr finden werdet, denn ich bin nicht so stark in Vorwänden. Mylady kennt mich nicht. Ich nähere mich ihr, ohne dass sie mich fürchtet, und wenn ich meine Schöne treffe, erdrossele ich sie.«

»Ei«, sagte Athos, »ich bin nicht abgeneigt, dem Gedanken von Porthos beizupflichten.«

»Pfui«, sprach Aramis, »eine Frau umbringen! Halt! Ich habe den wahren Gedanken.«

»Lasst ihn hören, Aramis«, erwiderte Athos, welcher große Achtung vor dem jungen Musketier hegte.

»Man müsste die Königin in Kenntnis setzen.«

»Ah, meiner Treu, ja«, sprachen Porthos und d’Artagnan zugleich, »ich glaube, wir haben ein Mittel gefunden.«

»Die Königin in Kenntnis setzen?«, fragte Athos, »und wie dies? Haben wir Verbindungen bei Hofe? Können wir jemand nach Paris schicken, ohne dass man es im Lager erfährt? Von hier nach Paris sind es hundertvierzig Meilen. Unser Brief hat noch nicht Angers erreicht und wir sitzen bereits im Gefängnis.«

»Was die Aufgabe betrifft, Ihrer Majestät einen Brief sicher zuzustellen«, sagte Aramis errötend, »so übernehme ich dies. Ich kenne in Tours eine geschickte Person …«

Aramis hielt inne, als er Athos lächeln sah.

»Nun, Athos? Ihr nehmt dieses Mittel nicht an?«, fragte d’Artagnan.

»Ich weise es nicht gänzlich zurück«, antwortete Athos, »aber ich wollte Aramis nur bemerken, dass er das Lager nicht verlassen kann, dass jeder andere sicherer ist, als einer von uns, dass zwei Stunden, nachdem der Bote abgegangen ist, alle Kapuziner, alle Alguazils, alle Schwarzmützen des Kardinals Euren Brief auswendig kennen und dass man Euch samt Euren geschickten Personen verhaften wird.«

»Abgesehen davon«, sprach Porthos, »dass die Königin Monsieur von Buckingham, aber keineswegs uns retten wird.«

»Messieurs«, sagte d’Artagnan, »was Porthos einwendet, ist sehr vernünftig.«

»Ah! Ah! Was geht in der Stadt vor?«, rief Athos.

»Man schlägt Generalmarsch.«

Die vier Freunde horchten und der Lärm der Trommeln drang wirklich bis zu ihnen.

»Ihr werdet sehen, dass man ein ganzes Regiment schickt«, sagte Athos.

»Ihr hofft doch nicht gegen ein ganzes Regiment standzuhalten«, sprach Porthos.

»Warum nicht?«, erwiderte der Musketier. »Ich fühle mich jetzt im Zug und würde vor einer ganzen Armee standhalten, wenn wir nur so vorsichtig gewesen wären, ein Dutzend Flaschen mehr mitzunehmen.«

»Bei meinem Ehrenwort, der Trommler nähert sich«, sagte d’Artagnan.

»Lasst ihn herankommen!«, rief Athos. »Es ist eine Viertelstunde Wegs von hier zu der Stadt und folglich auch von der Stadt hierher. Das ist mehr Zeit, als wir brauchen, um unsern Plan festzulegen. Wenn wir von hier weggehen, finden wir nie mehr einen so passenden Ort. Und halt, gerade jetzt kommt mir der wahre Gedanke.«

»Sprecht also!«

»Erlaubt mir, dass ich Grimaud einige unerlässliche Befehle gebe.«

Athos machte seinem Bedienten ein Zeichen, sich zu nähern.

»Grimaud«, sprach Athos, auf die Toten deutend, die in der Bastille lagen, »Du nimmst diese Messieurs, stellst sie an die Mauer, setzest ihnen ihre Hüte auf den Kopf und gibst ihnen ihre Flinten in die Hand.«

»O großer Mann!« rief d’Artagnan, »ich verstehe dich!«

»Ihr versteht?«, fragte Porthos.

»Und du, verstehst du, Grimaud?«, sagte Athos.

Grimaud machte ein bejahendes Zeichen.

»Mehr braucht es nicht«, sprach Athos. »Kommen wir auf meinen Gedanken zurück.«

»Ich wünschte jedoch zu begreifen«, sprach Porthos.

»Das ist unnötig!«

»Ja, ja, den Gedanken von Athos!«, riefen d’Artagnan und Aramis zugleich.

»Diese Mylady, diese Frau, dieses Geschöpf, dieser Teufel, hat, wie Ihr mir, glaube ich, sagtet, einen Schwager, d’Artagnan?«

»Ja, ich kenne ihn genau, und ich bin überzeugt, dass er keine große Sympathie für seine Schwägerin hegt.«

»Das ist nicht schlimm«, antwortete Athos, »und es wäre sogar das Beste, wenn er sie hasste und verabscheute.«

»In diesem Fall sind wir nach Wunsch bedient.«

»Indessen möchte ich doch einsehen«, sprach Porthos, »was Grimaud macht.«

»Still, Porthos«, sagte Aramis.

»Wie heißt dieser Schwager?«

»Lord Winter.«

»Wo hält er sich gegenwärtig auf?«

»Er ist bei dem ersten Kriegslärm nach London zurückgekehrt.«

»Nun, das ist gerade der Mann, den wir brauchen«, sagte Athos. »Er ist es, den wir von dem, was vorgeht, in Kenntnis setzen müssen. Wir lassen ihn wissen, dass seine Schwägerin im Begriff ist, jemand zu ermorden, und bitten ihn, sie nicht aus dem Gesicht zu verlieren. Es gibt in London hoffentlich Anstalten nach Art der Madelonetten oder der reuigen Schwestern. Er lässt seine Schwägerin dahin bringen und wir sind ruhig.«

»Ja«, sagte d’Artagnan, »bis sie wieder heraus ist.«

»Ah, meiner Treu, Ihr verlangt zu viel, d’Artagnan«, sagte Athos, »ich habe Euch alles gegeben, was ich besaß, und leugne nicht, dass ihr meinem Sack auf den Grund gekommen seid.«

»Ich meines Teils«, sagte Aramis, »halte es für das Beste, wir setzen die Königin und Lord Winter zugleich in Kenntnis.«

»Ja, aber durch wen lassen wir den Brief nach Tours und den nach London tragen?«

»Ich stehe für Bazin«, sagte Aramis.

»Und ich für Planchet«, fügte d’Artagnan bei.

»In der Tat«, sprach Porthos, »wenn wir das Lager nicht verlassen können, so können es doch wenigstens unsere Lakaien verlassen.«

»Allerdings«, bemerkte Aramis, »noch heute schreiben wir die Briefe, geben ihnen Geld und sie gehen ab.«

»Wir geben ihnen Geld?«, fragte Athos. »Ihr habt also Geld?«

Die vier Freunde schauten sich an, und eine Wolke zog über ihre Stirne hin.

»Geschwind!«, rief d’Artagnan. »Ich sehe schwarze und rote Punkte, die sich da unten bewegen. Was spracht Ihr von einem Regiment, Athos? Es ist ein wahres Heer.«

»In der Tat, da kommen sie. Seht, die Duckmäuser! Sie rücken ohne Trommel und Trompete heran. Bist du fertig, Grimaud?«

Grimaud machte ein bejahendes Zeichen und deutete aus ein Dutzend Tote, die er in den pittoreskesten Stellungen aufgepflanzt hatte. Die einen hatten ihre Gewehre geschultert, die andern sahen aus, als schlügen sie an, wieder andere hielten den Degen in der Faust.

»Bravo!«, rief Athos, »das macht deiner Einbildungskraft Ehre!«

»Das ist ganz gleichgültig«, sagte Porthos, »ich möchte jedoch wissen, wozu er sich solche Mühe gegeben hat.«

»Machen wir uns vorerst aus dem Staub«, erwiderte d’Artagnan.

»Einen Augenblick, Messieurs, einen Augenblick, gönnen wir Grimaud Zeit, abzutragen.«

»Ah!«, sagte Aramis, »seht, die schwarzen Punkte und die roten Punkte werden sichtbar größer, und ich bin der Meinung d’Artagnans. Ich glaube, dass wir keine Zeit zu verlieren haben, um das Lager wieder zu erreichen.«

»Meiner Treu«, sprach Athos, »ich habe nichts gegen den Rückzug einzuwenden. Wir haben auf eine Stunde gewettet, und sind anderthalb Stunden geblieben. Das ist mehr als genug. Vorwärts, Messieurs!«

Grimaud war schon mit dem Korb vorausgegangen.

Die vier Freunde gingen hinter ihm hinaus und machten etwa zehn Schritte, als ihnen Athos zurief: »Messieurs! was machen wir?«

»Hast du etwas vergessen?«, fragte Aramis.

»Die Fahne! Mord und Teufel! Man darf keine Fahne in den Händen des Feindes lassen, selbst wenn es eine Serviette ist.«

Und Athos stürzte in die Bastille, erstieg die Plattform und nahm die Fahne ab. Als aber die Rocheller in Schussweite gelangt waren, eröffneten sie ein furchtbares Feuer auf diesen Mann, der sich gleichsam zum Vergnügen den Schüssen auszusetzen schien.

Doch man hätte glauben sollen, Athos würde durch einen Zauber beschützt; die Kugeln flogen zischend um ihn her, keine einzige berührte seine Person.

Athos schwang seine Fahne, indem er den Leuten von der Stadt den Rücken zukehrte und die im Lager begrüßte.

Von zwei Seiten erschallte ein mächtiges Geschrei, von der einen Seite ein Geschrei der Wut, von der anderen ein Geschrei der Begeisterung.

Eine zweite Ladung folgte der ersten, und drei Kugeln durchlöcherten die Serviette und machten wirklich eine Fahne aus ihr.

Das ganze Lager rief: »Steigt herab, steigt herab!«

Athos stieg herab. Seine Kameraden, welche ängstlich seiner harrten, sahen ihn zu ihrer großen Freude wieder erscheinen.

»Vorwärts, Athos, vorwärts!«, rief d’Artagnan, »ziehen wir uns zurück. Nun, da wir alles gefunden haben, wäre es töricht, wenn wir uns töten ließen.«

Aber Athos fuhr fort, majestätisch einher zu marschieren. Da seine Gefährten sahen, dass jede Bemerkung fruchtlos war, so regelten sie ihren Gang nach dem seinen.

Grimaud und sein Korb waren vorausmarschiert und befanden sich beide außerhalb des Bereichs eines Angriffes.

Nach einem Augenblick vernahm man das Gekrache eines furchtbaren Gewehrfeuers.

»Was ist das?«, fragte Porthos, »und wonach schießen sie? Ich höre die Kugeln nicht pfeifen und sehe niemand.«

»Sie schießen nach unseren Toten«, antwortete Athos. »Aber unsere Toten werden nicht antworten.«

»Ganz richtig, dann glauben sie an einen Hinterhalt, beratschlagen, schicken einen Parlamentär ab, und wenn sie den Spaß gewahr werden, sind wir außerhalb des Bereiches der Kugeln. Es ist daher unnötig, uns durch große Eile ein Seitenstechen zuzuziehen.«

»O! Ich begreife«, sprach Porthos erstaunt.

»Das ist ein Glück«, sagte Athos, die Achseln zuckend.

Als die Franzosen ihre vier Freunde im Schritt zurückkommen sahen, erhoben sie ein Freudenschrei.

Endlich vernahm man ein neues Musketenfeuer, die Kugeln prallten diesmal an den Kieselsteinen um die vier Freunde her auf und zischten unheilschwanger in ihre Ohren. Die Rocheller hatten sich der Bastille bemächtigt.

»Das sind sehr ungeschickte Leute«, sagte Athos. »Wie viel haben wir getötet?«

»Zwölf bis fünfzehn.«

»Wie viel haben wir niedergeschmettert?«

»Acht bis zehn.«

»Für all dies nicht einmal eine Schramme! Doch was habt Ihr an der Hand, d’Artagnan? Blut, wie es mir scheint!«

»Es ist nichts«, erwiderte d’Artagnan.

»Eine verlorene Kugel!«

»Nicht einmal.«

»Was ist es denn?«

Athos liebte d’Artagnan wie sein eigenes Kind. Dieser düstere und unbeugsame Charakter hegte zuweilen, wie wir schon früher bemerkten, eine wahrhaft väterliche Sorge für den jungen Mann.

»Eine Verletzung der Haut«, antwortete d’Artagnan, »meine Finger sind zwischen zwei Steine gekommen, zwischen den der Mauer und den meines Ringes, da öffnete sich die Haut.«

»Das kommt davon her, dass man Diamanten trägt«, sprach Athos verächtlich.

»Ah! Wirklich«, rief Porthos, »er besitzt einen Diamant? Und warum des Teufels klagen wir, dass wir kein Geld haben, da er einen Diamant besitzt?«

»Ganz richtig«, sagte Aramis.

»Das ist gut. Porthos, diesmal habt Ihr einen Gedanken.«

»Ganz gewiss«, sprach Porthos, sich bei dem Kompliment von Athos brüstend, »da er einen Diamanten hat, so wollen wir ihn verkaufen.«

»Aber es ist der Diamant der Königin«, entgegnete d’Artagnan.

»Ein Grund mehr«, versetzte Athos. »Die Königin rettet Monsieur von Buckingham, ihren Liebhaber, nichts ist billiger; die Königin rettet uns, ihre Freunde, nichts ist moralischer. Verkaufen wir den Diamanten. Was denkt der Monsieur Abbé hierüber? Ich frage Porthos nicht um seine Meinung; er hat sie bereits ausgesprochen.«

»Ich denke«, antwortete Aramis errötend, »dass d’Artagnan, da sein Ring nicht von einer Geliebten kommt und folglich kein Liebespfand ist, denselben verkaufen kann.«

»Mein Lieber, Ihr sprecht wie die leibhaftige Theologie. Es ist also Euer Rat? …«

»Den Diamanten zu verkaufen«, erwiderte Aramis.

»Gut!«, rief d’Artagnan heiter. »Verkaufen wir den Diamanten und sprechen wir nicht mehr davon.«

Das Gewehrfeuer dauerte fort, aber die Freunde befanden sich außerhalb der Schussweite und die Rocheller schossen nur, um ihr Gewissen zu entlasten.

»Meiner Treu, es war Zeit, dass Porthos auf diese Idee kam: Wir sind im Lager. Also, Messieurs, kein Wort mehr von der ganzen Geschichte. Man bemerkt uns, man kommt uns entgegen, man wird uns im Triumph hineintragen!«

In der Tat war, wie wir bemerkt haben, das ganze Lager in Bewegung. Mehr als zweitausend Personen hatten die glückliche Prahlerei der vier Freunde, deren wahre Ursache man nicht im Entferntesten erriet, wie ein Schauspiel betrachtet. Man hörte nichts als den Ruf »Es leben die Garden! Es leben die Musketiere!« Monsieur von Busigny war der Erste, der herbeikam, um Athos die Hand zu drücken und die Wette für verloren zu erklären. Der Schweizer und der Dragoner ahmten ihm nach und alle Kameraden folgten dem Schweizer und dem Dragoner. Das Händedrücken, Glückwünschen, Umarmen wollte kein Ende nehmen. Es entstand ein unauslöschliches Gelächter über die Rocheller und der Tumult nahm dermaßen zu, dass der Monsieur Kardinal, in der Meinung, es sei ein Aufruhr ausgebrochen, La Houdinière, den Capitaine seiner Leibwachen, abschickte, um sich zu erkundigen, was vorging.

Man erzählte ihm die Sache mit dem ganzen Feuer der Begeisterung.

»Nun?«, fragte der Kardinal, als er La Houdinière zurückkommen sah.

»Monseigneur«, erwiderte dieser, »drei Musketiere und ein Garde haben mit Monsieur von Busigny gewettet, in der Bastille Saint Gervais zu frühstücken. Sie hielten zwei Stunden gegen den Feind aus und töteten, ich weiß nicht wie viele Rocheller.«

»Habt Ihr nach den Namen der drei Musketiere gefragt?«

»Ja, Monseigneur.«

»Wie heißen sie?«

»Es sind die Messieurs Athos, Porthos und Aramis.«

»Immer meine drei Braven«, murmelte der Kardinal. »Und der Garde?«

»Monsieur d’Artagnan.«

»Immer mein junger Tollkopf! Diese vier Menschen müssen um jeden Preis mein werden.«

Am Abend desselben Tages sprach der Kardinal mit Monsieur de Tréville über die Tat vom Morgen, welche das Gespräch des ganzen Lagers bildete. Monsieur de Tréville, der die Begebenheit aus dem Mund des Helden selbst erfahren hatte, erzählte sie Seiner Eminenz in allen ihren Einzelheiten, ohne die Episode der Serviette zu vergessen.

»Das ist schön, Monsieur de Tréville«, sagte der Kardinal, »ich bitte Euch, verschafft mir diese Serviette, ich lasse drei goldene Lilien darauf sticken und gebe sie Eurer Kompanie als Standarte.«

»Monseigneur«, erwiderte Monsieur de Tréville, »das wäre eine Ungerechtigkeit gegen die Garden, Monsieur d’Artagnan gehört nicht mir an, sondern Monsieur des Essarts.«

»Gut, so nehmt ihn«, sprach der Kardinal, »es ist nicht mehr als billig, dass die vier braven Militärs, die sich so sehr lieben, in einer Kompanie dienen.«

An demselben Abend teilte Monsieur de Tréville diese gute Botschaft den drei Musketieren und d’Artagnan mit und lud alle vier auf den anderen Tag zum Frühstück ein.

D’Artagnan geriet außer sich vor Freude. Musketier zu sein, war, wie man weiß, der Traum seines ganzen Lebens.

Auch die drei Freunde waren sehr erfreut.

»Meiner Treu«, sprach d’Artagnan zu Athos, »da hast du einen glorreichen Gedanken gehabt, und wir erlangten dabei Ruhm, wie du sagtest, und konnten eine höchst wichtige Unterredung halten.«

»Die wir jetzt wieder aufnehmen können, wann es uns beliebt, denn mit Gottes Hilfe werden wir von nun an für Kardinalisten gelten.«

An demselben Abend machte d’Artagnan Monsieur des Essarts seine Aufwartung, um ihm sein Avancement mitzuteilen.

Monsieur des Essarts, der d’Artagnan sehr gewogen war, bot diesem seine Dienste an, denn die Korpsveränderung hatte bedeutende Equipierungskosten zur Folge.

D’Artagnan schlug das Anerbieten aus, aber er wollte die gute Gelegenheit benutzen und bat ihn, den Diamanten schätzen zu lassen, den er ihm zustellte und den er zu Geld zu machen wünschte.

Am anderen Morgen um acht Uhr trat der Bediente des Monsieur des Essarts bei d’Artagnan ein und übergab ihm einen Sack mit siebentausend Franken. Dies war der Preis für den Diamanten der Königin.