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Elizabeth Edmondson – Der Tote in der Kapelle

Elizabeth Edmondson – Der Tote in der Kapelle

Die Geschichte spielt Anfang der 1950er Jahre in England. Obwohl Hugo Hawksworth noch recht jung ist, ist er gezwungen, den operativen Bereich des englischen Geheimdienstes zu verlassen und Dienst am Schreibtisch zu tun. Er wurde am Bein verletzt, hinkt und kann dabei noch froh sein, dass es nicht amputiert wurde.

So hatte ihn der Chief nach Selchester, einer kleinen Stadt in der Provinz, versetzt, wo sich das Kriegsarchiv befindet und zudem u.a. gelehrt wird, wie Verhöre zu führen sind. Hugo soll dort allerdings vor allem anhand der Akten herausfinden, welche seiner Geheimdienstkollegen mit der politischen Linken sympathisieren oder geliebäugelt haben, so teilt es ihm sein Chef vor Ort mit.

Obwohl das Herrenhaus Thorn Hall in Selchester, welches die archivierten Akten beherbergt, nun offiziell seinen Arbeitsplatz ist, kümmert sich Hugo, der in Begleitung seiner jüngeren Schwester Georgia angereist ist, die nun in Selchester ihre Schullaufbahn fortsetzen soll, um ganz andere Dinge.

Sir Bernhard, sein neuer Vorgesetzter in Thorn Hall, hat ihn nämlich in Selchester Castle untergebracht, dem Sitz derer von Selchester. In dieser Burg lebte bis vor sechs Jahren der Earl von Selchester, der in einer Nacht, in welcher Schneegestöber und Sturm wüteten, spurlos verschwand. Kaum aber sind Hugo und Georgia in Selchester Castle angekommen, da finden Handwerker bei ihrer Arbeit in einer alten Kapelle der Burg ein Skelett. Es dauert nur kurze Zeit, dann hat die Polizei über das Gebiss der Leiche herausgefunden, dass es sich um die Überreste des Earls handelt.

Wie aber ist der Aristokrat zu Tode gekommen?

Die Untersuchung ergibt, dass er ermordet worden ist und der Leichnam dann unter den Steinfliesen in der Kapelle versteckt wurde. Nun stellt sich natürlich die Frage, wer ihn getötet hat. Superintendent Mac Leod präsentiert sehr schnell einen Täter. Der Sohn des Earls, Sir Tom Arlingham, hat seinen Vater getötet und hatte dabei Unterstützung von seiner Cousine Freya Wryton, mit der er sich gut stand. Am Abend, nach einem heftigen Streit mit seinem Vater, verließ er zuerst das Haus, bevor er wiederkam, seinen Vater tötete und dessen Leichnam verschwinden ließ.

Soweit die zunächst offizielle Version der Polizei, die von allen Verantwortlichen bevorzugt wird, birgt sie doch den Vorteil, dass der Täter nicht mehr verurteilt werden muss. Tom Arlingham ist nämlich im Krieg gefallen, und deshalb kann niemand mehr zur Rechenschaft gezogen werden, was in den gehobenen Kreisen des Landes natürlich einen ordentlichen Skandal hervorrufen würde.

Einzig die Cousine des vermeintlichen Täters stellt für die Ermittler noch ein Problem dar. Wenn man ihr eine Mitschuld am Tod des Earls gibt, muss man sie dann nicht verurteilen und bestrafen?

Die Bosse des Superintendenten sehen das Ganze allerdings nicht so eng und meinen, man werde nicht gegen Freya Wryton ermitteln und sie allen Ernstes bestrafen. Man kann ihr eh nicht so recht etwas nachweisen, und sie hat zudem für die fragliche Zeit ein – in den Augen des Superintendenten allerdings fragwürdiges – Alibi. Ernsthaft erwartet also niemand eine Strafe für die Lady, und die Angelegenheit scheint sich in Wohlgefallen aufzulösen.

Aber Hugo Hawksworth, sein Onkel Leo, seine Schwester Georgia und auch Freya Wryton geben sich damit noch nicht zufrieden. Sie beginnen mit Nachforschungen und durchleuchten alle, die am fraglichen Abend in der Burg weilten, weil der Earl eingeladen hatte.

Die Autorin legt mit Der Tote in der Kapelle einen Kriminalroman vor, der unter anderen in der englischen Oberklasse kurz nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist.

Ihre weltliche Macht hat die englische Aristokratie auch zu dieser Zeit nicht verloren, und insbesondere ihre finanziellen Möglichkeiten geben ihr – zum Teil bis heute – wirtschaftliche Befehlsgewalt in vielerlei Hinsicht.

Diese Struktur der englischen Gesellschaft wird in Elizabeth Edmondsons Roman erneut sehr deutlich, wie zuvor auch schon in einer ganzen Reihe von englischen Krimis, wie z.B. in denen von Agatha Christie.

Während die Bewohner Großbritanniens offenbar immer noch ihre Könige, Grafen und Herzöge lieben, allerdings auch ihre Intrigen und Affären sehen und sich gerne über die Bösartigen unter jenen stellen, ist hierzulande die Monarchie abgeschafft und Wirtschaft sowie Politik stellen die herrschende Klasse, wenn auch einige alte Adelsgeschlechter noch immer dabei mitmischen.

Dieser Unterschied lässt denn auch die Mitglieder unserer Gesellschaft von einem sehr britischen Krimi sprechen, wenn sie derartige Bücher lesen.

Aber nicht nur die upper class auf den Britischen Inseln macht den Unterschied zu restlichen Welt aus, auch typische Gepflogenheiten wie der Nachmittagstee, Eier mit Schinken zum Frühstück, beschauliche Bahnreisen, ländliche Pubs, Pferdesport, Jagdgesellschaften usw. lassen erkennen, wo der Krimi von Elizabeth Edmondson spielt. Und natürlich die Feindschaft der konservativen Elite gegenüber jeglichen sozialdemokratischen oder gar sozialistischen Ideen.

So ist denn der Verfasserin mit ihrer Geschichte nicht nur eine verwickelte und spannende Kriminalstory gelungen, sondern sie zeichnet vor allem auch ein sehr authentisches Bild der britischen Gesellschaft und des britischen Lebens, das bei uns von vielen Leuten sehr gemocht wird.

Ein zusätzlicher und nicht ganz unerheblicher Faktor bei ihrer Beschreibung des Landes und seiner Menschen sind auch die Verhaltensweisen, ja nahezu Schrullen des Menschenschlags, der auf den Inseln lebt, typische Angewohnheiten und Äußerungen dieser Menschen, die man dort und nur dort antrifft.

Fazit:
Die Erzählerin hat mit Der Tote in der Kapelle einen Kriminalroman geschrieben, der so viel über die englische Gesellschaft und ihre Menschen erzählt, dass er anmutet wie ein Gesellschaftsroman, der eine Kriminalgeschichten als Beilage enthält, die das Ganze auflockert, aber nicht entscheidend ist.

Ich möchte den Roman dem Liebhaber der britischen Lebensart empfehlen, der zusätzlich zu deren Beschreibung auch gern eine Mordgeschichte konsumiert, die kein Thriller moderner Machart ist.

Die Autorin:

Elizabeth Edmondson wurde im Februar 1948 in Santiago in Chile geboren. Sie ist in Indien aufgewachsen und absolvierte ihr Studium in Oxford.

Die Autorin schreibt seit ihrer Kindheit und veröffentlichte später unter ihrem richtigen Namen und ihren Pseudonymen Elizabeth Aston und Elizabeth Pewsey mehr als 30 Romane mit gutem Erfolg.

Der Roman Lady Helenas Geheimnis brachte ihr in Deutschland den Durchbruch. Der Tote in der Kapelle hingegen war in Großbritannien sehr beliebt. Zudem schrieb sie Bücher in den Genres History und Mystery.

Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte die Erzählerin mit ihrer Familie In England und Italien. Sie verstarb im Januar 2016 unerwartet nach einer kurzen, schweren Erkrankung.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House GmbH.

(ww)