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Im Zauberbann des Harzgebirges – Teil 13

Im Zauberbann des Harzgebirges
Sagen und Geschichten, gesammelt von Marie Kutschmann

Die Gegensteine

Nördlich von Ballenstedt erheben sich auf einer mäßigen Anhöhe zwei einzeln stehende Felsen oder Bruchstücke einer Felswand, welche als Fortsetzung der Teufelsmauer angesehen werden können. Auch hier sollen böse Geister hausen, welche bald als feurige Kugeln, bald als hüpfende Flammen den Menschen erscheinen, um sie heranzuziehen und zu verderben. Wer sich verleiten lässt, in die Nähe dieser unheimlichen Wesen zu gehen und ihrem Treiben zuzusehen, der verschwindet für immer. Gute, gottergebene Menschen aber sind gegen die Angriffe der bösen Geister gefeit. Vor vielen, vielen Jahren, als Ballenstedt noch ein kleines Dorf war, ritt ein Bauersmann von dort nach Quedlinburg, um in der Stiftskirche zu beten und dem Gottesdienst beizuwohnen. Unterwegs schlief der Bauer ein, denn die Sonne brannte trotz der frühen Tageszeit schon sengend hernieder. Das Pferd merkte bald, dass es nicht mehr geleitet wurde, ging seines Weges, wie es ihm behagte. Als es an eine Wiese voller herrlich duftenden Klees kam, lenkte es sofort hinein und irrte grasend immer weiter von der Landstraße ab.

Endlich erwachte der Bauer und schaute verwundert umher, denn die Gegend, in der er sich befand, war ihm ganz fremd. Nie hatte er in der Nähe Ballenstedts diese mächtigen Felsen, nie den undurchdringlichen Wald gesehen, der sich in ihrer Nähe ausdehnte. Ratlos blickte er umher, um einen Ausweg aus der Wildnis zu suchen, als er vor sich in dem Felsen eine Höhle gewahrte. Er stieg vom Pferd und näherte sich furchtsam der Höhle. Als er zaghaft hineinsah, war er nicht wenig überrascht, darin eine große Braupfanne voller Goldstücke zu finden. Vor derselben lag eine silberne Tafel, mit Karfunkeln eingefasst und mit Zeichen bedeckt, welche aus blitzenden Edelsteinen gebildet waren. An den Kessel gelehnt stand eine prächtige Fuhrmannspeitsche, welche dem Bauersmann ganz besonders in die Augen stach und die er sicher gleich an sich genommen hätte, wenn nicht ein hässlicher schwarzer Pudel mit glühenden, rollenden Augen in der Höhle gelegen hätte.

Das Gold blinkte so verführerisch, dass der Bauer sich nicht enthalten konnte, es ein wenig näher zu besehen. Als er dicht neben der Braupfanne stand und der unheimliche schwarze Wächter sich gar nicht darum zu kümmern schien, fasste er sich ein Herz, holte schnell eine Handvoll Gold aus dem Kessel und lief rasch aus der Höhle.

Hei! Wie glänzte das Gold in der Sonne, wie reich, wie glücklich fühlte sich unser Bäuerlein. Aber die schöne Peitsche hatte er vergessen und die musste ihm um jeden Preis gehören.

So schritt er noch einmal in die Höhle hinein und nahm die Peitsche zu sich. Dabei fielen seine Blicke wieder auf das Gold, das ihn noch mächtiger als vorhin anzog. Er wagte, nun schon kühner geworden, noch einen Griff. Da fletschte der schwarze Hund die Zähne und glühender rollten seine Augen. Aber den Bauersmann hatte das Gold fast toll gemacht, alle Furcht war vergessen, er sah nichts um sich her und habgierig griff er zum dritten Mal in die Pfanne.

Da erhob der Hund ein furchtbares Geheul, das von allen Bergen grollend widerhallte. Blitze zuckten und Feuerstrahlen fuhren aus den Augen des schrecklichen Tieres. Die ganze Erde schien zu beben und finstere Nacht verbreitete sich ringsumher.

Der Bauer wusste nicht, wie ihm geschehen, denn gelähmt vor Schreck war er dennoch aus der Höhle gekommen und schaute nun entsetzt um sich. Wald und Berge waren verschwunden, nur zwei Felsklippen erhoben sich vor seinen Blicken. Als ihm die volle Besinnung zurückgekehrt war, da kam ihm die Erinnerung an das eben Erlebte deutlich zurück.

In demselben Augenblick, als der Hund das furchtbare Geheul ausgestoßen hatte, war der Teufel aus der Tiefe emporgestiegen, hatte die Braupfanne und die magische Tafel ergriffen und war, umgeben von einer Menge kleiner Teufel, hohnlachend emporgefahren. Dann hatte der Böse den hohen Felsen mit einem Fußtritt in zwei Teile gespalten und war mit seinem Gefolge darin verschwunden. Im Inneren der einen Felsklippe hatte es dann geklungen, als wenn Goldstücke von Stufe zu Stufe in die Tiefe fielen.

Nun war der Himmel wieder klar und heiter und ringsumher herrschte lieblicher Friede, aber der Bauersmann stand noch immer da mit wüstem Kopf und schwerem Herzen und konnte sich nicht erholen von dem furchtbaren Schreck. Die Peitsche hielt er in der Hand. Nun fühlte er auch, wie seine Taschen, in die er das Gold gesteckt hatte, so schwer herabhingen, dass ihn die Last fast zu Boden zog. Gierig griff er hinein, um sich an dem Anblick seines Besitzes zu erfreuen und darüber die ausgestandenen Qualen zu vergessen. Aber, o weh, statt des Goldes hatte das habgierige Bäuerlein lauter Kieselsteine in der Hand.

Um seine Hoffnung, reich heimzukehren, sah er sich schändlich betrogen. Er fühlte sich so unglücklich und elend, dass er nur mühsam seinen Weg nach Hause reiten konnte. Gebrochen an Leib und Seele kam er dort an. Der Gedanke, dass er des Teufels Gut berührt habe, quälte ihn so sehr, dass er schon nach wenigen Tagen starb.

Die zerspaltete Felswand aber sind die Gegensteine, von denen der eine der Laute, der andere der Stumme genannt wird. In dem Lauten sitzt der Teufel und ruft den Wanderern ihre Worte nach.

Als einst ein frommer Mönch dort vorbeizog, bat er, Gott möge doch auch hier der Herrschaft des Teufels ein Ende machen. Da erschallte eine sanfte Stimme und verkündete, dass eine Jungfrau, auf den Wogen des Weltmeers geboren, keusch und rein wie die Morgenröte, den Zauber lösen, das Ungetüm im Felsen vernichten und den Schatz als Eigentum erlangen werde, wenn sie in der Mitternachtsstunde am Tage Allerheiligen vor dem Felsen erscheine und kniend mit aufgehobener Rechten dreimal ihren ganzen Namen mit lauter Stimme gegen den Felsen ausrufe und im Gebet sich vor dem Höchsten beuge.