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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 52

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

52. Wie Rübezahl an einem Unvorsichtigen ein Exempel statuiert und doch dabei ihn und sogar einen Feldwebel zufriedenstellt.

Man muss es dem Rübezahl lassen, dass er auf alle Art bedacht war, die Menschen klüger und besser und wenigstens vorsichtiger zu machen, und dass er manchmal einen Unfall veranlasste, der zu größerer Vorsicht aufrief. Wenn nun so ein Glashändler oder Glasträger mit Glas übers Gebirge ging, so bedurfte er auch der Vorsicht ganz besonders, die freilich die Leute damals bei geringerer Bildung und Erfahrung zu oft vergaßen. Darum war es nicht zu verwundern, dass es, sei es aus eigener Unvorsichtigkeit oder durch Rübezahls Schuld, wieder einmal so einem Mann schlecht ging. Denn als dieser geschliffene und geschnitzte Gläser – der Kräuterklauber, der ohnehin wie der geneigte Leser lange genug gemerkt haben wird, nicht eben der feinste Kopf ist, weiß nicht was geschnitzte Gläser sind, es kann es also einmal ein anderer für ihn wissen – übers Gebirge trug, setzte er sich mit seiner Hocke auf einen Baumstock, stürzte mit ihr hinten über und zerbrach alle seine Gläser.

Der arme Mann war über dieses Unglück gar sehr bestürzt. Denn da er seine Waren in der Hütte auf Treu und Glauben ohne Bezahlung erhalten hatte, so wusste er nicht, ob man seiner Erzählung Glauben beimessen würde, und ob er nicht deshalb die Scherben als Beweis seiner Unschuld mitnehmen sollte. »Sonst«, sagte er bei sich, »wird mir niemand glauben. Nehme ich sie mit, so werden mir die, welchen ich schuldig bin, wegen meiner Unvorsichtigkeit Vorwürfe machen; und vollends meine Frau, das böse Weib«, – er nannte sie nur seinen Feldwebel – »die ist das Schlimmste.«

Während er nun doch endlich die Scherben auflas, kam ein stattlicher Herr geritten, dessen Diener zwei Rosse an der Kuppel führte. Der hörte seine Klagen und fragte ihn um die Ursache, worauf ihm der arme Mann sein Unglück erzählte.

»Lasst es nur gut sein«, sagte der Herr, »es werden sich ja wohl Mittel und Wege finden lassen, dass Ihr Euren Handel weiter betreiben könnt. Von wegen des Feldwebels seid auch ohne Sorgen, denn Ihr werdet eine freundliche Frau zu Hause finden. Also nur Mut, nur Mut!«

Nachdem er eine Weile ihn so getröstet hatte, dass dem Mann wieder freudiger ums Herz wurde, befahl er seinem Diener, ihm eins seiner Rosse zu geben.

Der Mann aber wurde darüber ganz bestürzt und dachte, der Herr treibe ein unfeines Spiel mit ihm. Als nun gar der Herr ihn befahl, das Pferd zu besteigen, da wurde es ihm unheimlich, und es war ihm fast, als ob er etwas merkte. Hast du aber einmal, sagte er zu sich, eingebrockt, so musst du auch ausessen.

Hierauf sagte der Herr zu dem Glasträger, er solle nur getrost fortreiten bis nach Arnau und dort sein Ross ausbieten und dem Meistbietenden zuschlagen. Jedoch solle er dasselbe nicht unter 50 Taler verkaufen, aber dabei wohl merken, dass er es beileibe nicht in ein Wasser reite, sonst würde sein ganzer Gewinn zu Wasser werden.

Der Mann bedankte sich sehr höflich und ritt davon. Er war aber noch nicht lange geritten, so fing das Ross an zu laufen, sodass er es nicht halten konnte.

Endlich schoss es wie ein Sonnenstrahl das Gebirge hinunter, dass ihm, dem Mann, Sehen und Hören verging und er nur dachte: Vivat Sattelknopf!

Als das Ross aber an ein Wasser kam, da wollte es auch hinein. Der Mann konnte nicht genug zerren und wurde ihm drüber ganz Angst.

Nachbar, sagte er zu sich selbst – er war sich immer der Nächste – Nachbar, ich merk etwas, es ist gewiss ein verwunschenes Frauenzimmer.

Endlich kam er richtig ins Städtlein. Als er nun aber auf seinem Ross so durch die Straßen tanzte, denn das Rösslein tat überaus vornehm und gebildet, fuhren die Leute an die Fenster, traten vor die Tore heraus und sahen dem Tänzer zu, der auf dem Ring plötzlich mit seinem Reiter in den vornehmsten Gasthof hineinpfiff.

Da drinnen saß gerade – es war eben Garnmarkt – ein Häuflein lustiger Herren beim Wein, als der Schimmel hineinbrach. Sie waren Kaufherren aus Arnau und anderen Städtlein am Gebirge; die fuhren aus dem Zimmer heraus und auf dem Schimmel los.

»Verkauft Ihr das Ross?« fragte einer.

»Warum das nicht«, antwortete der Mann, »wenn Ihr es bezahlt, gebe ich es halt hin.«

Es wurde nun hin und her geredet, und endlich doch der Schimmel erkauft.

»Denn« sagte der Kaufherr, »wenn das Rösslein nicht etwa einen verborgenen Fehler hat, so habe ich es für dieses Geld auf der Straße gefunden.«

Und die anderen meinten, 50 Taler für so ein Ross sei gar kein Geld.

Der Herr ließ nun das Ross fortführen, und damit kommt es dem günstigen Leser aus den Augen.

Wie es jedoch dem Herrn damit ergangen ist, das steht auf einem anderen Blatt. Davon schweigt die ganze Weltgeschichte; denn, was ihn betrifft, er hat es keinem Menschen anvertraut. Auf dem Rösslein reiten hat ihn kein Mensch gesehen.

Der Glasmann ging aber ganz vergnügt übers Gebirge zurück, kaufte sich im Warmbad andere Gläser, brachte doch noch einen straffen Beutel mit nach Hause, und selbst sein Feldwebel war vergnügt.