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Der Konstanzer Hans Teil 15

W. Fr. Wüst
Der Konstanzer Hans
Merkwürdige Geschichte eines schwäbischen Gauners
Reutlingen, 1852

Fünfzehntes Kapitel

Hans will nach Amerika, kommt aber nicht dahin.

Um ja nicht wieder in sein altes Sündenleben zu geraten, hatte Hans schon als Gefangener in Tuttlingen den Entschluss gefasst, nach Amerika zu gehen und dort Soldat zu werden. Peter hatte ihm Recht gegeben und sich gleichfalls dazu entschlossen. Ohne Zweifel würde er diesen Vorsatz auch ausgeführt haben und so gerettet worden sein, wenn die nun folgenden Umstände seinen guten Entschluss nicht wieder zunichte gemacht hätten.

Bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis war Hans sehr ärmlich gekleidet und litt überdies heftige Schmerzen an den Füßen, welche so lange gefesselt gewesen waren. Nun kam er auf seiner Wanderung nach Hettingen und bat den Pfarrer dort um die nötigsten Kleidungsstücke. Als dieser ihn schnöde abfertigte, sagte er ihm, er wolle später wiederkommen und sich selbst holen, was er nun nicht erhalte. (Ein Jahr darauf hat er seine Drohung erfüllt.)

Der Entschluss, nach Amerika zu wandern, war indessen noch nicht wankend geworden. Aber Hans kam gleich den Tag nach seiner Entlassung aus Tuttlingen mit Julian Seppe und der Schleiferbärbel in Beuren im Amt Blauenfeld zusammen. Dorthin hatten sich Hans und Peter bestellt. Da Letzterer nicht zur verabredeten Zeit eintraf, so wollte Hans nicht auf ihn warten, sondern sich allein zu dem Werber in Rheinau begeben, um bald möglichst aus dieser Gegend und der schlimmen Umgebung zu kommen. Er hatte sich auch schon einige Male auf den Weg gemacht; aber die beiden obengenannten schlechten Personen brachten ihn durch Zureden immer wieder zurück. Hans selbst hielt es auch nicht für recht, wenn er nicht noch ein wenig warte, da Peter ihn ja sonst für wortbrüchig halten müsste. Abends kam Peter doch endlich an. Hans drang in ihn, dass der gemeinschaftliche Entschluss sogleich ausgeführt werden solle.

In diesem Aufzug fiel Seppe ein: »Nimmt euch kein Werber an, müsst ihr euch zuvor Kleidung verschaffen.«

Hans erkannte dies allerdings als richtig an; aber dennoch widersetzte er sich verschiedenen Vorschlägen zu Einbrüchen mit aller Standhaftigkeit. Hatte er doch im Gefängnis in Tuttlingen wiederholt gelobt, Gott solle ihn ganz fallen lassen, wenn er je wieder stehle. Dieser Schwur zu Gott hielt ihn noch aufrecht. Aber ach! Es war der Schwur eines Ohnmächtigen. Nur allzu bald ließ sich Hans durch seine verruchte Umgebung von seinem guten Vorsatz abbringen. Bei dem beständigen Zureden wurde er wankend. Seine Not stand ihm immer vor Augen. Wie war dieser anders abzuhelfen, als durch die Ausführung der Vorschläge seiner Kameraden? Er willigte endlich ein, obwohl mit innerem Widerstreben, wünschte übrigens wie bei seinem ersten Diebstahl, dass das Unternehmen misslingen möge. Ein fürchterliches Gewitter brach aus. Ein schrecklicher Sturm erhob sich. Der Donner rollte entsetzlich. Zuckende Blitze beleuchteten die rabenschwarze Nacht. Diese fürchterlich schöne Naturerscheinung erfüllte Hans’ Seele mit inniger Freude, weil er hoffte, dass nun der Einbruch nicht werde ausgeführt werden können.

In ganz anderer Stimmung waren seine Diebesgenossen. Kein Blitzstrahl brachte Licht in ihr Inneres. Kein Donner mahnte sie an Gottes Allgegenwart. Kein Sturm erschütterte ihr böses Vorhaben.

Endlich wurde die empörte Natur wieder still. Der Himmel hellte sich auf. Die schlaftrunkenen Bewohner des Dorfes, durch das Gewitter aufgeschreckt, überließen sich nun für den Rest der Nacht der ersehnten Ruhe. Umso leichter war der Einbruch bei einem Krämer auszuführen. Da fand sich denn auch alles, was sie sich gewünscht hatten. Sogleich zogen sie die gestohlenen Kleidung an. Seppe nahm auch eine Geige von der Wand herab und spielte vor der Tür der Schlafkammer des Krämers. Schon war die Morgendämmerung angebrochen. Die Gauner zogen mit klingendem Spiel zum Dorf hinaus. Hans war nun wieder mit Kleidern versehen. Der Entschluss, sich nach Amerika anwerben zu lassen, konnte nun ausgeführt werden. Er erinnerte auch Peter einige Male an die Ausführung, aber bei diesem war aller Mut dazu verschwunden. Er versuchte auch Hans von dem Gedanken abzubringen.

»Weißt du nicht mehr«, sagte er zu Hans, »wie es dir im Soldatenstand zumute war? Ist er nicht ein Stand des Elends und der Sklaverei?«

Seppe sprach im gleichen Sinn, und Hans’ Entschluss und seine guten Vorsätze blieben unerfüllt.