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Romantruhe-Western Band 37

C. C. Slaterman
Romantruhe-Western Band 37
Höllenfahrt nach Los Bovinas

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, April 2019, 64 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Pojular
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Everett Page hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Nachdem er durch die Schwingtüren des Silverstar-Saloons hindurch ins Freie getorkelt war, musste er sich einen Moment an einem der Vorbaupfosten festhalten, um nicht auf die Straße zu fallen. Page war nicht volltrunken, aber dennoch weitaus mehr alkoholisiert, als es sich für den Hauptkassierer der Texas-National-Bank ziemte. Schnaufend blickte er sich um. Der Glanz der Sonne war verblasst und die Schatten wurden immer länger …

Leseprobe

Es war Dienstag, kurz vor sechs Uhr morgens. Die Stadt schien noch zu schlafen, nur aus der Schmiede von Pete McCoy stiegen dicke Rauchwolken in den Himmel und im Büro des Marshals brannte auch schon Licht.

Crown war gerade dabei, die Akten im Mordfall der Mexikanerin durchzugehen in der Hoffnung, vielleicht doch noch etwas herauszulesen, was ihm weiterhelfen konnte, als draußen auf den Holzdielen der Stepwalks Schritte erklangen.

Einen Augenblick später wurde die Tür zum Office aufgerissen und William Church, der greise Leiter des Telegrafenbüros, stolperte schnaufend über die Schwelle. Obwohl sein Büro nur wenige Yards entfernt auf der anderen Straßenseite lag, keuchte er wie jemand, der gerade ein Fünfzigmeilenrennen hinter sich hatte. Dazu wedelte er mit mehreren Papieren in der Luft herum.

»Sie haben ihn«, stieß er hervor und taumelte auf den Schreibtisch zu, hinter dem Crown auf einem Lehnstuhl saß.

»Arschkopf!«, polterte Smoky, der an der gegenüberliegenden Wand vor einer Spiegelscherbe stand. »Kannst du nicht anklopfen? Deinetwegen hätte ich mir beinahe die Kehle durchgeschnitten.«

Crowns Kopf ruckte herum und nach einem kurzen Blick verzog sich sein Mund zu einem Grinsen. Wie jeden Morgen hatte Smoky auch heute einen Stuhl neben sich, auf dessen Sitzfläche ein Topf mit heißem Wasser stand. Daneben lagen ein gefaltetes Handtuch, eine flache Schale und ein Rasierpinsel. Der Deputy wohnte, solange Crown denken konnte, immer schon im Zellentrakt des Stadtgefängnisses und nahm seine Morgentoilette demzufolge auch immer in den Räumlichkeiten des Marshal Offices vor. Er stand wie jeden Morgen kurz nach Sonnenaufgang im Unterhemd und mit abgestreiften Hosenträgern vor einem Spiegelrest, der an der Nordwand hing. Nur mit dem Unterschied, dass sich heute auf seiner unteren, von Rasierschaum bedeckten Gesichtshälfte eine dünne, rote Linie abzeichnete, die rasch größer wurde. Offensichtlich hatte er sich durch das plötzliche Auftauchen des Telegrafenbeamten erschrocken und dabei geschnitten.

»Wenn du anfängst, nervös zu werden und bei jeder Gelegenheit zu erschrecken, solltest du dir vielleicht überlegen, ob du nicht deinen Stern abgibst. Nicht dass du eines Tages noch jemanden erschießt, nur weil hinter dir irgendein armer Teufel niesen musste«, knurrte Church.

Crown grinste, wurde aber sofort wieder ernst. Normalerweise amüsierte er sich immer köstlich, wenn sich die beiden griesgrämigen Oldtimer beharkten, aber heute waren die Umstände zu ernst. Churchs Worte stimmten ihn nachdenklich.

»Hört auf«, sagte er deshalb schärfer, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Dann wandte er sich direkt an den Telegrafenbeamten.

»Was meinst du damit, dass sie ihn haben?«

»So, wie ich es gesagt habe«, erwiderte Church und breitete vor dem Marshal triumphierend die Papiere auf dem Schreibtisch aus, die sich bei genauerem Hinsehen als Telegrammformulare entpuppten.

»Sie haben Frank Cleland, den Scheißkerl, der die Mexikanerin erschlagen hat, oben im Parmer County geschnappt. Jetzt sitzt er im Jail von Los Bovinas, der Bezirkshauptstadt. Die Sache hat allerdings einen Haken.«

»Und der wäre?«, fragte Crown gedehnt.

»Die Verhandlung muss so schnell wie möglich über die Bühne gehen, ansonsten kann der Marshal dort nicht dafür garantieren, dass sich dieser Kerl weiterhin in seinem Gefängnis befindet. Die Clelands sind in diesem County so etwas wie Könige. Ihr Wort hat anscheinend mehr Gewicht als das Gesetz, aber das wird euch Marshal Miller alles genauer erklären, wenn ihr in seiner Stadt eingetroffen seid.«

»Und woher hast du diese Weisheiten?«, grummelte Smoky.

»Im Gegensatz zu manch anderen Bürgern in dieser Stadt kann ich lesen«, sagte Church und deutete auf die Telegrammformulare.

»Was willst du damit andeuten?«

Crown fixierte seinen Deputy. »Genug jetzt. Du hast gehört, was er gesagt hat, also wisch dir den Rasierschaum aus dem Gesicht und hol mir Page her.«

»Um diese Zeit? Er wird wahrscheinlich noch im Bett liegen, die Bank macht ja erst in zwei Stunden auf. Ich glaube kaum, dass er davon begeistert sein wird.«

»Ich bin von Mord auch nicht begeistert.«

 

***

 

Lachend stieß Big John Cleland mit der Stiefelspitze die Tür zu seinem Wohnzimmer auf und trat sie, nachdem er in den Raum gekommen war, mit dem Absatz wieder zu.

Seine Schritte polterten hart auf den Bodendielen, wie um seine wuchtige, groß gewachsene Gestalt noch zusätzlich zu betonen. Der Rancher war ein Riese von einem Mann, so groß wie ein Baum und so breit wie ein Wandschrank. Er hatte dunkles, volles Haar und ein kantiges Gesicht, das im Moment vor Alkohol und Erregung geradezu glühte.

Er war sichtlich angeheitert, genauso wie die dralle Mexikanerin, die wie eine Klette an ihm hing. Während er auf dem Weg zum Sofa mit beiden Händen ihre Brüste bearbeitete, fummelte sie kichernd an seiner Hose. Sie war gerade dabei, die Gürtelschnalle zu öffnen, als aus der Tiefe des weitläufigen Zimmers eine raue Stimme ertönte.

»Schick die Schlampe weg, wir müssen reden.«

Cleland und die Frau erstarrten, als hätte sie jemand mit Eiswasser übergossen.

Die Miene des Ranchers verzerrte sich gleichermaßen vor Wut und Überraschung, während er mit blitzenden Augen auf den Mann stierte, der vor ihm auf dem Ledersessel neben dem Kamin saß. Daniel ›Dan‹ O’Hara, der Vormann der Ranch, war ein untersetzter, vierschrötig wirkender Mann mit einem Mondgesicht und verschlagenem Blick.

»Siehst du nicht, dass du störst?«, sagte Cleland scharf. »Verschwinde!«

Seufzend richtete sich Dan im Sessel auf und bleckte die Zähne.

»Frank wurde verhaftet.«

Der Rancher schüttelte den Kopf und wischte sich über die Stirn. Dabei hatte es den Anschein, als wäre er durch die letzten Worte schlagartig nüchtern geworden, denn der Blick, mit dem er O’Hara bedachte, war plötzlich klar und scharf.

»Was redest du da für einen Blödsinn?«

»Ich wollte, es wäre Blödsinn, aber Frank sitzt tatsächlich in der Stadt im Jail.«

Cleland schnaubte wie ein wild gewordener Büffelbulle.

»Ist Miller jetzt völlig übergeschnappt? Weiß diese Pfeife denn nicht, wem er seinen Stern zu verdanken hat?«

Mit einem wütenden Grunzen drückte er die Hände der Mexikanerin zur Seite, die immer noch versuchte, seine Gürtelschnalle zu öffnen.

»Lass das jetzt«, zischte der Rancher ungehalten. »Wir machen nachher weiter.«

Die Frau verzog das Gesicht, drehte sich abrupt um und verließ sichtlich eingeschnappt das Haus. Wie beleidigt sie tatsächlich war, konnten die Männer an der Lautstärke hören, mit der sie die Tür hinter sich ins Schloss warf.

»Du weißt hoffentlich, was mir da eben entgangen ist«, schnarrte der Rancher.

O’Hara presste die Lippen aufeinander, zögerte und starrte zu Boden. Aber schließlich nickte er, hob den Kopf und blickte dem Rancher offen ins Gesicht.

»Sag das deinem Sohn, ich fürchte, diesmal ist Frank entschieden zu weit gegangen.«

»Was soll das heißen?«, zischte der Rancher erregt.

»Er hat unten am Red River etwas mit einer Mexikanerin angefangen.«

»Na und?«, erwiderte Cleland und starrte sehnsüchtig auf die Haustür, durch die hindurch vor wenigen Augenblicken seine Gespielin verschwunden war. »Solche Frauen stehen eben auf richtige Texasmänner.«

»Kann sein, aber ich glaube nicht, dass sie darauf stehen, geschwängert zu werden.«

»Scheiße«, fluchte Cleland. »Das heißt also, dass ich einmal mehr meine Brieftasche öffnen muss, um den Jungen aus dem Schlamassel herauszuholen, den er da wieder angerichtet hat.«

»Ich glaube nicht, dass es diesmal so einfach ist«, behauptete der Vormann. »Als sie Frank von dem Kind erzählte, hat er ihr ein paar Dinger verpasst und …«

»Verstehe«, unterbrach ihn der Rancher seufzend. »Ich muss also noch ein paar Scheine mehr als sonst draufzulegen.« Cleland lachte rau. »Sozusagen als Schmerzensgeld, um ihre blauen Flecke zu bedecken. Yeah, wir Clelands waren schon immer etwas stürmischer als andere.«

Dan O’Hara machte eine abfällige Handbewegung. »Du lachst gleich nicht mehr. Ich glaube, du weißt immer noch nicht, wie ernst die Lage diesmal ist.«

»Was willst du damit sagen?«

»Frank hat ihr nicht nur eine Maulschelle verpasst, sondern sie in seinem Jähzorn gleich erschlagen. Auch wenn sie eine Mexikanerin war, eine Schwangere umzubringen verzeiht man in Texas selbst einem Cleland nicht. Man wird ihm den Prozess machen, also spar dir dein Geld lieber für einen Anwalt auf, und zwar für einen verdammt guten Anwalt. Sonst kann es sein, dass sie deinen Jungen aufhängen.«

»Erzähle hier nicht so eine Scheiße. Das wird keiner wagen, schließlich tanzt der halbe Stadtrat immer noch nach meiner Pfeife. Wenn ich Nein sage, wird es zu keiner Verhandlung kommen, denn dann werden sich kaum genug Männer für eine Jury finden lassen. Ansonsten reite ich mal wieder in die Stadt, um Miller und den anderen Wichtigtuern aufzuzeigen, wer in diesem Land wirklich das Sagen hat.«

O’Hara setzte eine abfällige Miene auf. »Miller und die anderen Pfeffersäcke dürften dein kleinstes Problem sein. Der Mann, der dir richtig Schwierigkeiten machen wird, heißt Jim Crown. Er ist der Marshal jener Stadt, in der die Mexikanerin getötet wurde, und er ist wild entschlossen, Frank anzuklagen. Er hat bereits den Countysheriff eingeschaltet und angeblich auch einen Zeugen parat.«

Cleland lächelte kalt. »Keine Angst, auch den werde ich überzeugen. Wenn nicht mit Geld, dann eben mit Blei.«

»Damit würde ich mich an deiner Stelle aber beeilen. Dieser Crown ist mit dem Zeugen per Kutsche nämlich schon auf dem Weg hierher. Das hat mir jedenfalls der Telegrafenbeamte erzählt, er ist anscheinend einer der Wenigen, die noch vor dir kuschen. Ansonsten reibt sich die halbe Stadt schon vor lauter Vorfreude die Hände, weil es einen von den Clelands erwischt hat.«

Der Rancher schlug mit der flachen Hand auf die weiß verputzte Wand des Wohnzimmers.

Seine Augen blitzten zornig. »Genug jetzt. Such dir ein paar von den Jungs aus, du weißt schon, die Sorte, die auch bereit ist, erst zu schießen und dann zu fragen. Sag ihnen, dass ich fünfhundert Dollar pro Mann und Nase springen lassen werde, wenn die Kutsche mit dem Marshal und seinem Zeugen nicht nach Los Bovinas kommt. Wie sie das anstellen, ist mir egal.«

»Und was machst du?«

»Ich werde morgen nach Los Bovinas reiten und mir Miller zur Brust nehmen.«