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Anne Boleyn Band 2 – Kapitel 14 Teil 2

Gräfin Luisa Mary von Robiano
Anne Boleyn
Historischer Roman, Constenoble, Jena 1867
Zweiter Band

Fortsetzung Kapitel 14 …

Hier trat Cromwell ins Gemach, der König ging ihm einige Schritte entgegen und fragte aufgeregt: »Was bringt Ihr?«

»Majestät, die Priester der Königin sind nochmals einer strengen Untersuchung unterzogen worden, doch ohne Erfolg.«

»Ha! Versucht die Folter, die Folter!«

»Ist schon geschehen, Majestät, bis auf den dritten Grad. Es war ein entsetzlicher Anblick, die Greise ertrugen die Qualen wie Helden, bis sie ohnmächtig wurden.«

»Wiederholt die Tortur!«, befahl Heinrich, aschgrau vor Zorn, »reckt die Glieder, bis man sie wie Glas zerbrechen kann!«

Cromwell schüttelte das Haupt. »Sie können sie nicht aushalten, Sire, und werden mit dem Rufe sterben: Es lebe der Papst!«

»Dann sollen sie ihren Wunsch haben«, sagte Heinrich mit geballter Faust. »Fertigt den Befehl zu ihrer Hinrichtung sofort aus und legt ihn mir zur Unterschrift vor.«

»Bis wann befehlen Eure Majestät?«

»Morgen, je früher, desto besser. Sie haben Zeit genug gehabt, sich auf den Tod vorzubereiten«, lautete die trockene Antwort. »Was sich unserem Willen nicht biegt, soll brechen.«

»Majestät, die Rücksicht auf den Papst …«, sagte Gardiner schüchtern.

»Was Papst, Mann!«, entgegnete Heinrich und lachte laut und höhnisch auf. »Der Heilige Vater darf uns keine Vorwürfe über unsere Strenge machen, hat er doch selbst uns das Beispiel gegeben, wie man die Heiden und Andersdenkende mit Feuer und Schwert vernichtet. Wollt Ihr mich Erbarmen und Gnade lehren, führt mir bessere Beweggründe vor, als die Rücksicht auf die christliche Liebe und gnadenreiche Gesinnung des Papstes und seiner feilen Diener.«

Er winkte mit der Hand, und die beiden Männer verließen das Gemach. Aus ihren kummervollen Mienen sprach sich deutlich die Stimmung ihres Herzens aus, beide einte in diesem Augenblick ein gemeinsamer Schmerz.

»Es tut mir leid«, sagte Cromwell zu dem Sekretär, als sie die breite Treppe langsam nebeneinander hinunterstiegen, »wahrlich von Herzen leid, aber ich konnte ihr Schicksal nicht abwenden. Ich zog ihre Gefangenschaft absichtlich in die Länge, weil ich hoffte, der König werde sie nach dem Tod Katharinas begnadigen. Gebt mir das Zeugnis, dass ich mein Amt mit schwerem Herzen hier vollziehe.«

»Ich verzeihe Euch«, sagte Gardiner mit gepresster Stimme, »obwohl Ihr zu dem furchtbaren Blutbad, das seit zwei Jahren diesen schönen Boden befleckt, das Losungswort gegeben habt.«

»Konnte ich diese Folgen ahnen? Diese hartnäckige Widersetzlichkeit gegen den königlichen Willen?«, sagte Cromwell. »Nachdem der Bruch mit Rom vollzogen wurde, blieb dem König nur Strenge übrig.«

»Lasst ihn wüten!«, entgegnete Gardiner mit feierlicher Stimme. »Die Heilige Kirche hat schon oft von der Wut unheiliger Gegner gelitten, aber immer wieder von Neuem hat sie sich strahlender aus der Asche wie ein Phönix erhoben. Auch diese Prüfung für die Gläubigen wird vorübergehen und das Racheschwert des Herrn in der Scheide ruhen. Selig ist, wer bis ans Ende beharrt, dem wird die Märtyrerkrone droben zum Lohn werden!«

Er wandte sich bei diesen Worten von seinem Begleiter ab, und jeder verfügte sich in seine Wohnung.

Heinrich aber saß wieder allein in seinem Kabinett, das Haupt sorgenvoll und müde auf die schöne weiße, kräftige Hand gestützt. Er war noch eine stattliche Gestalt, obwohl sich bereits Spuren jener lästigen Beleibtheit zeigten, welche seine späteren Jahre so beschwerlich machte. Die Augen, vom schönsten Blau, hatten einen scharfen, forschenden Blick, die Gesichtsfarbe war von einer so durchsichtigen Weiße, dass man sie fast weibisch genannt hätte, wenn nicht die reinen, stark markierten Züge diesem widersprochen hätten. Ganz besonders schön geformt waren seine Hände, klein und blendend weiß, doch voll und muskulös. Heinrich war sich ihres Zaubers wohl bewusst und verwandte ebenso viel Sorgfalt auf deren Pflege, wie später sein königlicher Bruder Napoleon der Erste auf die seinen. Der Ausdruck von Erbitterung und hämischem Despotismus, welcher in Gegenwart seiner Minister in dem Gesicht vorgewaltet hatte, war nun in der Einsamkeit verschwunden und machte einer wehmütigen, weichen Stimmung Platz. Ungeachtet seiner Macht und Herrschaft fühlte er sich einsam und verlassen, im hohen Grade unglücklich durch sein gestörtes häusliches Verhältnis zu Anne. Obwohl er Gardiners Anklage als eine schnöde Verleumdung verworfen hatte, war ihm dennoch die Spitze des scharfen Giftpfeils tief ins Herz gedrungen. Wusste er doch, dass der Mann wenigstens in dem einen Punkt wahr geredet, dass Anne Percy geliebt und an Wolsey ihre aufgehobene Verlobung gerächt hatte. Und nun wusste sie, dass er es gewesen war. Wie nahe lag diesem Gefühl die Überzeugung, dass eine Natur wie Anne ihn weder achten noch lieben könne. In der Einsamkeit ist es, wo der Mensch den Zuflüsterungen seines bösen oder guten Engels am zugänglichsten ist. Auch Heinrich übermannte das Bewusstsein seines Unrechts gegen Anne, und einen Augenblick trieb es ihn, zu ihren Füßen Vergebung sich zu erflehen. Aber diese sanfte Regung war von keiner Dauer. Die beleidigten Dämonen des Stolzes und der sinnlichen Leidenschaft für die lebensfrische Geliebte, der Unmut über seine vereitelten Vaterfreuden vertrieben den guten Engel und nahmen Besitz von der so sehr zerrissenen Seele. Misstrauen, Hass und Argwohn umgaben fortan das Bild seiner einst so heiß und treu geliebten Gattin. Heinrich war kein Mann, der geduldig und mit christlicher Ergebung ein Leben der Aufopferung und Entsagung ertragen konnte. Er fühlte, dass der Riss zwischen ihm und Anne unausfüllbar bleiben

werde. Wie der Galeerensklave rüttelte er unmütig und heftig an der schweren Kette, welche ihn fesselte. Der Gedanke an die Möglichkeit, diese zu sprengen, hatte sich bereits vor seine Seele gedrängt, aber wie er auch daran rütteln mochte, sie schien allen Anstrengungen Trotz zu bieten. Wie konnte er, ohne sich noch tiefer in den Augen der gesamten Nationen herabzusetzen, ohne Vorwand eine Scheidung einleiten? Wie sollte er nun seinem Volk mit der Erklärung gegenübertreten, dass er das Weib seiner Liebe verstoßen wolle, das Weib, um dessen Besitz er so viel gewagt, so viel Blut vergossen hatte? So lange Anne tugendhaft blieb, musste er ihr wenigstens Achtung zollen.

So lange sie es bleibt!, dachte nun. Da durchzuckten ihn plötzlich Gardiners unheilvolle Winke und Warnungen. Er stand hastig von seinem Sessel auf und durchschritt aufgeregt das hohe Gemach. Ein furchtbarer Gedanke war in seiner unruhigen Seele entstanden, ein Gedanke, vor dessen Schwärze er noch schamrot wurde.

»Wenn sie schuldig befunden würde, wenn Gardiner recht hätte, ich es beweisen könnte, dass sie mich nie geliebt, und nun … nun … einem anderen Mann die Liebe zuwendet, welche nur dem Gatten gebührt! Ha!« rief er aus, indem er stehen blieb. Ein teuflischer Ausdruck der Schadenfreude verzerrte sein Gesicht. »Wenn ich das beweisen könnte! Zeugen ihrer ehebrecherischen Verbindungen hätte! Dann, dann wäre mein Weg klar, diese verfluchte Ehe zu lösen und Jane Seymour zu meiner Gemahlin zu erheben. Wer wird mich tadeln, wenn ich im gerechten Zorn die Ehebrecherin verstoße? Aber die Zeugen, die Zeugen! Wo nehme ich diese her? Wem von ihrer Umgebung kann ich das Amt der Überwachung anvertrauen, ohne mich zu kompromittieren?«

Der verblendete Mann blieb einige Augenblicke in Nachdenken versunken, dann rief er freudig aus: »Ich habe es; es wird gehen! Die Rochefort werde ich zu dem Posten erwählen. Gardiner muss sie gewinnen. Es wird nicht schwer halten, denn sie hasst Beide, Schwester und Bruder. Kein Mitleid mit dem Gatten wird sie wankend machen. Nein, ich selbst will mit der weiblichen Viper reden, vorher sie durch Beweise meiner Huld kirre machen.«

Frohlockend rieb er sich die Hände. Er hatte recht gesagt, dass sein Weg ihm nun klar geworden war; aber es war wiederum ein Weg, der zu einem blutigen Ende führte. Sein Entschluss stand fest – Annes Untergang. Vor der Hand zwar nur die eheliche Scheidung, aber die Hölle jubelte und die Teufel der Finsternis jauchzten, wie sie immer tun, wenn ein Mensch unrettbar sich ihnen in die Hände liefert. Das Tedeum stimmten die Rachegeister an, denn ihnen zur Sühne wurde das Opfer auserwählt!