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Der Arzt auf Java – Zweiter Band – Kapitel 7

Alexander Dumas d. Ä.
Der Arzt auf Java
Ein phantastischer Roman, Brünn 1861
Zweiter Band
Kapitel 7

Ein feindlicher Vorschlag

Seit der Eröffnung des Malaien hatte Thsermai beständig an die Drohung gedacht, mit welcher derselbe von ihm schied. Weit entfernt, sich in die Trennung zu fügen, welche Noungal ihm als unvermeidlich geschildert hatte, fühlte er sich täglich mehr von den Reizen Arroas ergriffen. Vergebens hatte er gesucht, sich durch die Liebkosungen derjenigen zu sättigen, die er nur noch kurze Zeit lieben sollte. Sie ließen sein Herz stets unbefriedigt, seine Begierden nur umso glühender. Nicht wenige Stunden nur wollte er dieser Liebe widmen, sondern sein ganzes Leben. uEr fragte sich, durch welches Mittel es ihm möglich sein würde, sich der lästigen Vormundschaft dessen zu entziehen, der in ihm Träume des Ehrgeizes wachgerufen hatte, auf die er nicht verzichten mochte, doch ohne jene schöne Hindu zu opfern.

All die freie Zeit, welche seine Freuden ihm ließen, widmete er dem Nachdenken über die Mittel, die er anzuwenden hätte, um zu diesem Resultat zu gelangen. Aber Noungal schien ihm nicht der Mann zu sein, dem man ungestraft trotzen durfte. Er dachte nur mit Schrecken an die eigentümliche Macht dieses übernatürlichen Wesens, an das entsetzliche Geheimnis, dessen Besitzer er war. Trotz seiner Erziehung, abergläubisch wie alle Javaner, wies er mit Entsetzen die stürmischen Gedanken zurück, die sich seinem Gehirn aufdrängten und zitterte davor, dass der Malaie in seinem Herzen lesen könnte, wie er in den Geheimnissen der Vergangenheit las.

Eines Tages, als er träumerischer wie gewöhnlich war, als seine Stirn sich finster zeigte, sein Blick sorgenvoll, seine Lippen zusammengezogen und weder der Tanz noch das Lächeln seiner Frauen seinen Trübsinn zu zerstreuen vermochten, ging er hinab in die Gärten, die seinen Dalam umgaben und schritt nachdenkend unter dem Schatten derselben umher.

Er hatte seinen schwarzen Panther bei sich, den wir bereits in dieser Geschichte erscheinen sahen, ein prachtvolles Tier mit weichem glänzendem Fell und gelben Augen, funkelnd wie Topase. Er folgte ihm Schritt für Schritt, wie ein junger Hund, rieb von Zeit zu Zeit seinen gewaltigen Kopf gegen den Fuß seines Herrn, entrollte die langen Ringe seines Schweifes und erbettelte eine Liebkosung mit weiblicher Anmut und Koketterie.

In dem Augenblick, als Thsermai eine Allee entlang schritt, welche an dem Bambusgehege hinführte, das den Park vom Wald trennte und als Schutzwehr gegen das Eindringen wilder Tiere diente, bemerkte er am Ende dieser Allee einen Menschen, der die schwache Umhegung überkletterte.

Die finstern Gedanken, denen der Javaner in diesem Augenblick sich hingab, stimmten ihn nicht zur Nachsicht. Er wandte sich gegen den Panther um, zeigte ihm den Menschen und hetzte ihn auf denselben. Das Tier hob den Kopf, sog lärmend die Luft in seine gewaltigen Nüstern ein, kauerte sich einen Augenblick auf die Hinterpfoten und sprang dann schnell wie der Blitz und leicht wie der Wind vorwärts. Aber zur großen Überraschung Thsermais geschah es nicht, wie dieser es erwartet hatte, um den Unbesonnenen mit Krallen und Zähnen zu zerreißen. Er sah, wie der Tiger denselben liebkoste, wie er nur seinen Herrn zu liebkosen pflegte, wie er sich aufrichtete, seinen Kopf an das Gesicht des Fremden drückte, mit großen Sätzen um denselben hersprang und sich dann zu seinen Füßen niederlegte.

Der Javaner zog wütend seinen Kris und lief auf die Gruppe zu, welche der Mensch und das Tier bildeten, in seinem eifersüchtigen Zorn unentschlossen, ob er den einen oder das andere töten sollte oder beide. Erst als er noch zwanzig Schritte von denen entfernt war, die er erreichen wollte, erkannte er Harruch.

Der Gueber liebkoste ruhig den Panther, spielte mit ihm wie mit einer Katze, vertraute seine Hand dessen mächtigen Tatzen an, die ihre Krallen eingezogen hatten, und lächelte freundschaftlich, als er den Javaner auf sich zukommen sah. Aber dieses Lächeln schien den Zorn Thsermais nicht zu entwaffnen.

»Gibt es denn keine Tür mehr in dem Dalam!«, rief er. »Weshalb dringst du ein wie ein Räuber, auf die Gefahr hin, dich durch meinen Panther in Stücke zerreißen zu lassen?«

»Maha hat es vergessen, dass ich ihn seiner Mutter und der Freiheit beraubte. Aber er erinnert sich noch, dass meine Hand ihm die ersten Dienste leistete. Er würde sich eher auf Euch, werfen, Tuan, als seine Zähne an Harruch legen.«

Das Tier schien zu billigen, was der Gueber sagte. Es betrachtete seinen ehemaligen Herrn mit Augen voll Liebe. Das trieb den Zorn Thsermais auf den höchsten Gipfel.

»Du antwortest nicht auf meine Frage, Hund? Denke daran, es zu tun, wenn du nicht willst, dass mein Kris die Worte in deiner Kehle suchen soll. Harruch fürchtete, wenn er sich auf dem Hof deines Palastes zeigte, möchten deine Diener sich seiner zerrissenen Kleider schämen und ihn nicht zu dem lassen, der ihr Herr und Gebieter ist. Sage vielmehr, dass du kommst, um zu erspähen, was in meiner Wohnung vorgeht, du von Gott verfluchter Gueber.«

Die Schmähungen Thsermais schienen keinen Eindruck auf Harruch zu machen. Er zeigte sich gegen denselben noch mehr demüthg als gleichgültig. Als der Javaner seine Worte beendet hatte, streckte er die Hände gegen ihn aus, als bitte er ihn um Verzeihung.

»Nun, was willst du? Sprich. Du willst vielleicht das fordern, was Noungal bei Mynheer Cornelis als Preis auf deine Gefälligkeit gesetzt hatte, die schöne europäische Rangun?«

Harruch antwortete noch nicht, nur senkten seine Augenwimper sich langsam über seine Augen herab, als wollte er diese dem Anblick Thsermais entziehen.

»Wenn das ist«, fuhr der Javaner fort, »bin ich bereit, dich zu befriedigen. Das ist nur gerecht.«

Indem er in einem Lorbeergebüsch auf den kleinen Hügel deutete, der frisch aufgeworfen zu sein schien, sagte er: »Die, welche du suchst, liegt dort. Grabe mit deinem Kris nach und du wirst sie finden.«

»Sie ist also tot?«, fragte der Gueber mit vollkommener Gleichgültigkeit.

»Bei Mohamed, das Opium von jenem Tag muss dir noch das Hirn verwirren, Harruch. Wie könntest du sonst vermuten, dass ein Elender, wie du bist, etwas anderes als die Leiche eines Mädchens erhalten würde?«

»Die schwarzen Tropfen erheben uns zu dem Paradies Gottes und die Schönheiten, die es bevölkern, achten nicht auf die Farbe dessen, den sie dort zu lieben bestimmt sind. Aber die Bedajas des Rauches folgen uns nicht, wenn wir wieder auf die Erde herabsteigen. Noch fühlen meine Lippen den Wohlgeruch ihrer Küsse, wenn ich schon ihre himmlischen Gesichter vergessen habe. Nicht wegen des weißen Mädchens bin ich gekommen, Herr. Ich kam, weil man mich zu dir sandte!«

»Wer!«

»Der Adipati der Männer mit den langen Zöpfen, Ti-Kai, der Chinese.«

»So«, entgegnete Thsermai, indem er plötzlich sanfter wurde, »und was bringst du mir von Ti-Kai?«

»Die Nachricht, dass deine Besorgnisse unbegründet waren, dass alle Formalitäten, welche die Herren der Insel verlangen, erfüllt sind, dass du frei über das Gold der weißen Rangun dort verfügen kannst, und dass der Wille des Meisters erfüllt ist.«

»Gut«, sagte Thsermai, »und zum Lohn verspreche ich dir, Harruch, eine Nacht, bevölkert mit den Träumen, die du liebst. Aber«, fuhr er fort, indem er unwillkürlich erblasste, »hast du Noungal gesehen, den, welchen der Chinese den Meister nennt?«

»Ja«, erwiderte Harruch.

»Und was sagte er dir?«, fragte Thsermai, dessen Aufregung sich durch seine Stimme verriet.

»Sprechen wir von den Brüdern Mahas, deines Panthers, welche in den Wäldern heulen, sprechen wir von den Tigern, welche die Felsen durch ihr Gebrüll erzittern machen, sprechen wir von dem Panderango, dessen Beben die ganze Insel erschüttert, wenn der Berg seine Flammen speit, aber sprechen wir noch nicht von Noungal.«

»Gueber, weshalb sagst du noch nicht?«

»Weil ich noch nicht weiß, ob Noungal ein Mensch ist oder einer jener Barkasahams, welche die Gräber bewohnen und dieselben nur zum Unglück der Söhne der Erde verlassen.«

»Und du suchst deinen Zweifel aufzuklären?«

»Ja«, erwiderte Harruch.

Thsermai bewahrte während einiger Augenblicke das Schweigen. Er dachte nach, dann aber wendete er sich zu dem Schlangenbeschwörer und sagte: »Harruch, ungeachtet deiner Beschäftigung als Jougleur habe ich dich stets für einen Menschen voll Verstand und Mut gehalten. Komm mit mir, ich will dir reiche Kleider geben lassen und du sollst in meinem Palast wohnen.«

»Harruch hat stets in der Freiheit der Berge gelebt. Er würde ein schlechter Diener sein, Thsermai, das schwöre ich dir.«

Der Javaner lächelte.

»Nicht zu meinem häuslichen Dienst will ich sich dingen, Harruch«, sagte er, »du sollst deine Unabhängigkeit bewahren. Komm also in meinen Palast, wo du meine Reichtümer genießen sollst.«

In dem Augenblick, als Harruch dem Javanern folgen wollte, wendete er sich nach der Seite, wo die junge Holländerin lag. Vielleicht wollte er der ein Lebewohl zurufen, deren Reize seine Rauheit zügelten. Aber es bot sich ihm jetzt ein entsetzliches Schauspiel. Während er mit Thsermai sprach, war der Panther, angezogen durch den Leichengeruch, der aus dem Grab aufstieg, in das Gebüsch geschlüpft. Die Erde mit seinen mächtigen Krallen fortschaufelnd, hatte er schnell die Leiche der armen Rangun entblößt, deren Leichentuch er nun spielend zerriss.

»Hierher, Maha! Hierher!«, rief Thsermai, der einige Augenblicke zuvor vielleicht fühllos gegen diese abscheuliche Profanierung einer Toten geblieben wäre. Da das Tier taub bei seiner Stimme blieb, sprang er auf dasselbe zu und warf es mit einem Fußtritt an den Rand des Grabes nieder. Harruch erblickte jetzt das bläuliche Fleisch der Unglücklichem, der er seine Liebe hatte widmen wollen. Ein krampfhaftes Frösteln durchzuckte seinen Körper. So groß auch seine Selbstbeherrschung war, konnte er zwei Tränen nicht unterdrücken, die schweigend an seinen Wangen herabrannen.

Thsermai war zu sehr damit beschäftigt, Maha zum Gehorsam zu bringen, um die Aufregung des Guebern zu bemerken. Dennoch glaubte er, dass es für sein Interesse nicht gut sein würde, den armen Teufel länger bei der Betrachtung dieses Schauspieles zu lassen und zog denselben schnell mit sich fort.

Die wenigen Worte, welche Harruch über Noungal gesprochen hatte, entschieden über die Unentschlossenheit des Javaner. Ungeachtet der Versicherungen des Gegenteils war die Dankbarkeit das, was das Herz Thsermais am wenigsten bedrückte. Seitdem Noungal den Wiederbesitz Arroas in Anspruch nahm, dachte er nur noch daran, sich dieses unbequemen Freundes zu entledigen. Die Schwierigkeit, dies zu tun, war das Einzige, was ihn in Verlegenheit setzte. Wenn Noungal ein gewöhnlicher Mensch gewesen wäre, so würde Harruch selbst ihn für einige Piaster von demselben haben befreien können. In Ermangelung Harruchs würde es nicht an minder gewissenhaften, aber gehorsameren Armen gefehlt haben. Doch der Javaner ahnte, dass Noungal nichts Menschliches hatte, als das Gesicht. Er fürchtete, dass der Kris seiner Diener machtlos gegen denselben sein möchte, und dass ein solcher erneuter Versuch ebenso wenig etwas ausrichten würde, als der Dolchstoß, den er selbst führte.

Um über Noungal zu triumphieren, musste man Kämpfer und Waffen in der Welt suchen, in welcher er lebte. Für den Augenblick fand Thsermai nichts Besseres, als Harruch, der stets in seine Beschäftigung als Jongleur etwas Empirismus gemischt hatte und bei dem Volk dafür galt, im Besitz geheimer Wissenschaften zu sein.

Wir lachen gern, wenn von der fantastischen Geisterwelt die Rede ist. Auf Java ist das nicht der Fall. Java ist das Amorika Oceaniens: Gleich dem Bretagner verbindet der Javaner eine abergläubische Tradition mit allem, was rings um ihn her vorgeht, mit allem, was seine Augen erblicken. Es gibt kein Dorf, keine Straße, keinen einsamen Kreuzweg, keinen Baum, der nicht seine eigene Tradition hat. Sonderbar ist dabei, dass einige dieser Traditionen beiden Ländern gemeinsam sind. Gleich den bretagneischen Wäschermädchen, nehmen die javanischen Wiws die Gestalten schöner Weiber an, um die Reisenden zu dem Ufer des Flusses zu locken. Indessen hat der Aberglaube auf Juba nicht die milde, taubenunschuldige poetische Färbung, welche ihn in der Bretagne charakterisiert, sondern zeigt sich finster und wild, wie der Schauplatz, auf den er sich bezieht, wie die vulkanische Erde, in welcher die Natur sich stets gegen die Hand ihres Schöpfers auflehnen zu wollen scheint.

Von Zeit zu Zeit trägt sich irgendein eigentümliches Ereignis zu, unerklärbar und unerklärt, ähnlich dem, dessen Geschichte wir schreiben. Gleich einem Meteor hinterlässt es einen hellen Streifen, der die Bevölkerung in der Überzeugung erhält, dass die Wissenschaft, welche dem Menschen übernatürliche Vorrechte erwirbt, und welche ihre Väter entweder von den Ländern des Nil oder von denen des Ganges mitgebracht haben, nicht verloren ging, sondern von Jahrhundert zu Jahrhundert irgendein höherer Geist sich dieser Vorrechte wieder zu bemächtigen imstande ist.

Dies war auch die Überzeugung Thsermais. In der Absicht, zu seinem Vorteil den Rang zu benutzen, den Harruch vielleicht unter den Adepten der Magie einnahm, hatte er sich entschlossen, demselben einen so freundschaftlichen Empfang zu gewähren.

»Harruch«, sagte er, indem er sich mit ihm entfernte und ihn nachdenkend sah, »ich glaube, dass du in diesem Augenblick die Macht zu besitzen wünschest, der das Leben zurückzugeben, welche es verloren hat.«

»Weshalb?«, antwortete Harruch mit gezwungener Gleichgültigkeit. »Wenn der Wind den Tackbaum seiner Zweige beraubt, verleiht ihm die Sonne dann nicht sogleich wieder den neuen Schmuck, der unsere Augen ergötzt?«

»Glaubst du, dass es in der Macht gewisser Menschen liegt, das tote Fleisch zu beleben?«

»Nein«, entgegnete Harruch kurz.

»Dennoch sagt man, dass es möglich ist, durch die Wissenschaft dahin zu gelangen, die Geister zu beherrschen, welche das Leben verleihen.«

»Das Feuer allein vermag, was du sagst, und dies geschieht auf Kosten des Stoffes, löst die Seele von ihrer Hülle los und sendet sie in einen anderen Körper. Aber er kann diesem nicht die Gestalt verleihen, die er hatte, indem er die Seele läuterte.«

»Dann«, sagte Thsermai, welcher den Gueber auf Noungal zu sprechen bringen wollte, »sind die Geister, welche man in diesem Land die Barkasahams nennt, mächtiger als das Feuer, denn man sagt, sie könnten das, was der Gott, den du anbetest, nicht kann.«

»So mögen sie es denn wagen, mit dem Vater Ormuzd zu kämpfen!«, entgegnete Harruch verächtlich.

»Mein Freund Harruch, der so viele Dinge weiß, ist auf seinem Weg vielleicht schon Barkasahams begegnet?«

»Ja«, entgegnete Harruch.

»Wahrlich!«, erwiderte Thsermai, indem er sich erstaunt stellte, »wann und wo?«

»Der Herr ist nicht offen gegen den, welchen er seinen Freund nennt; gleich der kleinen Natter Bivouak, macht er tausend Windungen um sich selbst, ehe er dahin gelangt, wohin sein Wille strebt.«

»Was willst du damit sagen?«

»Dass der Herr Thsermai«, erwiderte Harruch mit einer Zuversicht, die wenigstens seinen tiefen Scharfsinn bewies, wenn auch nicht seine Forschergabe, »dass der Herr Thsermai seine Hand Harruch nur entgegenstreckte, weil er wollte, dass Harruch ihn von dem Barkasaham befreien sollte, der ihm schaden will.«

»Und wie heißt dieser Barkasaham?«, erwiderte der Javaner, dessen Vertrauen dadurch wuchs, dass der Jongleur seine Gedanken mit solcher Sicherheit erriet.

»Jetzt heißt dieser Barkasaham Noungal, aber ein Barkasaham hat mehr als einen Namen, oft sogar bis zehn, die noch angerechnet, die er im Rückhalt besitzt.«

»Noungal ist mein Freund, Noungal ist mein Bruder, und ich glaube nicht, was du über ihn sagst. Sprich von den Barkasahams und zähle mir die Vorrechte dieser Geister auf.«

»Nein, ich muss jetzt schweigen. Der Vogel, welcher die Nähe des Tigers andeutet, verstummt, wenn er bemerkt, dass der, welcher die Wälder durchstreift, nur ein Pfauenjäger ist.«

»Sprich doch, Harruch, sprich!«, rief Thsermai, indem er seinen Begleiter zurückhielt, denn sie näherten sich dem Gebäude des Palastes. »Willst du mir dienen, so wird man in dir statt eines gemeinen Jongleurs einen mächtigen Herrn sehen und einen Weisen Vollstrecker des Willens seines Gebieters.«

»Der, welcher das Geheimnis des Todes erforschte, welcher in seiner rechten Hand die Tasten des Schlomoh hält und in seiner Linken einen blühenden Mandelzweig, steht über allen Besorgnissen, über aller Furcht. Er kennt den Grund der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Er zwingt, sobald er will, die Natur, sich ihm zu offenbaren. Im Namen Ahrimans gebietet er den Elementen und macht sie zu seinen Sklaven. Das sind die Vorrechte des Barkasaham.«

»Und du hast die Geheimnisse ihres Wesens erforscht?«

»Ja. Der Barkasaham verlängert gleich den Phantomen, welche sich vom Blut der Toten nähren, sein Leben eben dadurch, dass er ihm die Tage hinzugefügt hat, welche er den anderen Menschen raubt.«

»Erkläre dich deutlicher!«

»Durch seine höllischen Ratschläge, durch die Kenntnis, die er von ihren Leidenschaften hat, fährt der Barkasaham sie dahin, selbst das himmlische Feuer zu verlöschen, welches die Hand Ormuzds in ihnen entzündet, und ihr Leben mit eigener Hand zu verkürzen. Dann gestattet ihm Ormuzd, sich der Stunden zu bemächtigen, welche diese Verfluchten noch zu leben hatten, die sie aber verschmähten.«

»Und gibt es denn kein Mittel, sich zum Herrn des Geheimnisses zu machen, durch das sie so mächtig sind, und mit ihnen die Herrschaft zu teilen, welche größer ist, als die aller Könige der Erde?«

»Würe ich dieses Geheimnis kennen, so würde ich es dir nicht sagen.«

»Also ist jeder Kampf gegen diese fürchterlichen Wesen unsinnig, jeder Versuch, ihnen Widerstand zu leisten, eine Torheit?«

»Nein, der Mensch kann viel, wenn die List sich mit Kraft vereinigt.«

»Ich begreife dich, du bist die List, ich die Kraft, und du machst mir den Vorschlag, uns gegen den gemeinschaftlichen Feind zu verbinden?«

»Der Barkasaham ist nicht mein Feind. Das Gewürm, welches im Gras kriecht, erweckt nicht seine Aufmerksamkeit.«

»Noungal ist nicht dein Feind?«, sagte Thsermai mit fieberhaft bebender Stimme, ergriffen vom Verlangen, den Hass im Herzen des Guebern zu entzünden. »Hatte er dir nicht versprochen, seine weiße Rangun deiner Liebe zu überlassen, wenn du ihm bei seinen Plänen gegen den Christen Beistand leisten wolltest, indem du ihm durch den Duft des Opiums berauschtest?«

»Nun, was soll das?«

»Hat er sie nicht, statt sie deinen Liebkosungen zu überlassen, dem Biss der Schlangen preisgegeben? Zeigte er sie dir nicht sterbend, doch immer noch schön, immer noch von Liebe ergriffen in den Armen eines anderen?«

»Wenn dem so ist, so hat Gott mich gestraft. Ich hatte damals keinen Grund, ihn zu hassen. Überdies, ich weiß nicht, ob Noungal das Gefängnis geöffnet hat, in dem sich die Schlangen befanden.«

Thsermai errötete unter seiner kupferfarbigen Haut. Er fürchtete einen Moment lang, dass Harruch, ungeachtet des Stumpfsinns, in den er versunken war, bemerkt haben könnte, dass er die Bande des verhängnisvollen Korbes gelöst hatte. Und so sagte er dann: »Er war es, ich kann es Ihnen versichern.«

»Wenn Ihr das tut, Herr Thsermai, zweifelt auch Harruch nicht mehr«, erwiderte Harruch unbefangen.

»Du siehst wohl, dass du dich an diesem Menschen rächen musst, und zwar, wie du gerade sagtest, durch die List und die Kraft wird es uns gelingen, und ich will dafür weder meine Ruhe noch meine Reichtümer aufsparen. Komm mit mir in meinen Palast, nicht als Bettler, sondern als mein Gast. Bete zu deinem Gott, dass unser Plan gelingt. Aus dem armen Jongleur, der du bist, werde ich dich zu einem reichen Mann machen.«

Harruch zuckte mit den Achseln auf eine Art, die ebenso gut seine Zustimmung als auch eine Äußerung der Gleichgültigkeit sein konnte.

Thsermai führte hierauf Harruch in das Innere seiner Gemächer ein.