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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 48

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Mit dem Schrecken davongekommen

Jack war bereit. Er hatte die Augen wieder geöffnet und sah, dass die beiden Soldaten nur noch zwei, höchstens drei Schritte von ihm entfernt waren. Die Hände der Männer lagen noch immer auf ihren Schwertern. Sobald sie neben ihm waren und nach ihm griffen, würde er ihnen einen Stoß versetzen, der ihm die notwendige Zeit verschaffen sollte, aus dem Raum zu entkommen. Wie er dann vor der Tür weiterverfahren würde, musste er sich überlegen, wenn es soweit war.

Es war, als würden die Sekunden quälend langsam verrinnen. Endlich befand Jack sich genau in der Mitte zwischen den beiden Männern. Er spannte jeden Muskel seines Körpers an, bereit zuzuschlagen, wenn die Spanier nach ihm griffen. Doch der Augenblick verstrich und die Männer gingen weiter. Sie öffneten die Tür und schlossen sie hinter sich wieder. Der Gouverneur sah seinen Gast fragend an.

»Señor, Ihr seht aus, als hättet Ihr einen Geist gesehen. Geht es Euch nicht gut?«, fragte der Comte besorgt.

Jack sah den Mann, von dem er nicht mehr so ganz sicher war, ob er ihm wirklich vertrauen konnte, verwirrt an. Er schüttelte langsam den Kopf und murmelte: »Nein, nein, Comte. Alles in bester Ordnung.« Dann deutete er eine Verbeugung vor dem Gouverneur an.

»Ich habe gehört, Ihr seid heute mit meiner Tochter verabredet, Señor«, erklärte dieser lächelnd, während er dem Kapitän die Hand entgegenstreckte. Jack ging die wenigen Schritte, bis er die Hand in Reichweite hatte, dann schlug er ein. Er spürte, wie sein Blutdruck sich langsam wieder normalisierte. Er musste unbedingt diese Nervosität abschütteln, andernfalls würden die Spanier ihn wirklich noch enttarnen.

»In der Tat, Señor Gouverneur«, erwiderte Jack freundlich. »Eure Tochter war so nett mir anzubieten, mir die Stadt zu zeigen.«

»Eine gute Idee, Señor de Mendoza. Ich denke, ich muss Euch nicht daran erinnern, dass Ihr den heutigen Tag mit einer Frau von Ehre verbringt«, erklärte der Gouverneur beiläufig. Jack verstand den Wink, wenn er sich auch sicher war, dass der Gouverneur kein sonderliches Interesse an der Ehre seiner Tochter hatte. Wenn sie es schaffte, einen spanischen Adligen, der Kontakte zum Hof hatte, in die Familie zu locken, würde es ihm kaum etwas ausmachen, wenn sie dafür etwas weniger Ehre mit in die Ehe nahm. Aber Jack war auch klar, dass der Gouverneur als Stadtoberhaupt den Schein wahren musste. Und dazu gehörte auch, dem Mann, der den heutigen Tag mit seiner Tochter verbrachte, klare Grenzen aufzuzeigen.

»Selbstverständlich Señor Gouverneur. Da gibt es gar keinen Zweifel.«

»Gut. Aber das ist nicht der Hauptgrund, warum ich meine Tochter gebeten habe, Euch zuerst für einen Moment in Beschlag nehmen zu dürfen.«

Jack sah den Gouverneur fragend an. Dieser erklärte weiter: »Wie Ihr sicherlich schon gehört haben werdet, planen wir hier in Caracas eine Woche der besonderen Festivitäten.«

»Das ist mir allerdings zu Ohren gekommen, Señor Gouverneur.«

»Nun, der Anlass dieser Festtage ist die Ankunft der Silberflotte, die wir in wenigen Tagen erwarten. Der Comte und ich haben uns Gedanken darüber gemacht, wie wir Euch am besten in unserer Stadt bekannt machen könnten.«

»Inwiefern das?«

»Wenn Ihr Euch wirklich hier in Caracas niederlassen wollt, ist es doch sicherlich in Eurem Interesse, die Männer kennenzulernen, mit denen Ihr in Zukunft Geschäfte machen werdet.«

»Selbstredend.«

»Und welche Gelegenheit könnte besser sein als die großen Festtage?«

»Erklärt weiter, Senior Gouverneur.«

»Wir haben für den Abend der Ankunft der Silberflotte ein Fest mit den wichtigsten Männern der Stadt im Goldenen Schwan geplant. Hier soll alles vertreten sein, was Rang und Namen hat. Außerdem werden die hochrangigen Offiziere der Flotte anwesend sein.«

»Das klingt durchaus interessant.«

»Mit Sicherheit, mein lieber Señor Mendoza. Allerdings stellt sich mir noch eine andere Frage.«

»Und die wäre, Señor Gouverneur?«

»Nun, die wichtigsten Kaufleute der Stadt haben sich an den Kosten für die Festlichkeiten beteiligt. Im Gegenzug dafür werden ihre Namen im Rahmen der Festwochen besonders geehrt, sodass unsere lieben Mitbürger wissen, wem sie die Annehmlichkeiten dieser Tage zu verdanken haben. Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, auch für einen gewissen Bekanntheitsgrad unter der Bevölkerung zu sorgen?«

Jack lächelte erfreut. In Wirklichkeit musste er sich allergrößte Mühe geben, nicht lauthals loszulachen. Der Gouverneur hatte eine einfache Tatsache in viele schöne Worte zu verpacken: Caracas hatte nicht das notwendige Geld, um die Feiern, die man hier geplant hatte, zu finanzieren. Jetzt suchte der Gouverneur offenbar mit einer gewissen Verzweiflung nach Männern, die Geld beisteuerten, um die offenen Kosten decken zu können. Jack selbst besaß natürlich bei Weitem nicht die finanziellen Mittel, die er nach außen hin vorgab zu haben. Aber das durfte der Gouverneur nicht wissen. Demzufolge erklärte der Kapitän, mit einer galanten Verbeugung: »Das klingt nach einer wirklich guten Idee. Über die genaue Summe meiner Zuwendungen solltet Ihr Euch mit Señora Elena unterhalten. Sie hat derzeit den wesentlich besseren Überblick über meine Mittel als ich selbst.«

Der Gouverneur nickte verstehend. Er reichte Jack eine Urkunde, auf der bereits eine ganze Reihe von Unterschriften zu finden war. Mit einer einladenden Geste deutete der Stadtfürst auf eine Feder und ein Tintenfässchen, das auf einem Tisch stand. Der Kapitän ergriff das Dokument und setzte mit einem schwungvollen Federstrich den Namen Miguel de Mendoza unter die bereits vorhandenen Unterschriften. Dann reichte er dem Gouverneur die Urkunde zurück. Der Beamte legte das Schriftstück lächelnd vor sich auf den Tisch. Das kurze Nicken, das der Gouverneur dem Comte zuwarf, war für Jack nicht zu übersehen. Doch den verstohlenen Blick des Comte konnte der Kapitän nicht wirklich deuten. Als der Gouverneur zufrieden in die Hände klatschte, öffnete sich die Tür wie von Geisterhand. Im Türrahmen stand Maria de la Vega, aufs Bezauberndste herausgeputzt, und lächelte Jack einladend an. Der junge Mann zog erstaunt beide Augenbrauen in die Höhe. Der Tag würde vielleicht sogar noch etwas angenehmer werden, als er gedacht hatte. Auf jeden Fall war Jack über seine Rolle in ihrem Plan nicht böse. Wie aus weiter Ferne hörte er den Gouverneur sagen:

»Dann wollen wir den jungen Leuten mal die Möglichkeit geben, ihre Stadt zu erkunden, nicht wahr, mein lieber Comte?«

Als Maria Jack ihre Hand entgegenstreckte, war es fast so, als würden seine Füße sich von selbst voreinander setzen. Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass Jack um seine Fassung ringen musste. Diesmal würde es schwerer werden, sie wiederzuerlangen.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2012 by Johann Peters