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Die drei Musketiere 39

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

VI.

Eine holdselige Erscheinung

Zur bestimmten Stunde waren die vier Freunde bei Athos versammelt. Ihre Unruhe, ihre Bangigkeit in Betreff der Equipierung war völlig verschwunden. Jedes Gesicht behielt nur noch den Ausdruck seiner eigenen und geheimen Unruhe, denn hinter jedem gegenwärtigen Glück ist eine Furcht vor der Zukunft verborgen.

Plötzlich trat Planchet ein und brachte zwei Briefe mit der Adresse d’Artagnans.

Der eine war ein zierlich zusammengefaltetes Billett von länglicher Form, mit einem hübschen Siegel von grünem Wachs, auf dem sich eine Taube mit einem grünen Zweig im Schnabel eingedrückt fand.

Der andere war ein großer viereckiger Brief, auf dem das furchtbare Wappen von Seiner Eminenz, dem Kardinal Herzog glänzte.

Beim Anblick des kleinen Briefes hüpfte d’Artagnans Herz vor Freude, denn er glaubte die Handschrift zu erkennen. Obwohl er dieselbe nur einmal gesehen hatte, so grub sich doch die Erinnerung tief in seinem Inneren ein.

Er nahm also den kleinen Brief und entsiegelte ihn eilig.

»Reitet nächsten Mittwoch«, schrieb man ihm, »von sechs bis sieben Uhr auf der Straße von Chaillot spazieren und schaut sorgfältig in jeden Wagen, der an Euch vorüberkommt. Aber wenn Euch an Eurem eigenen Leben und am Leben der Euch liebenden Personen etwas liegt, so sprecht kein Wort. Macht keine Bewegung, woraus man ersehen könnte, dass Ihr diejenige erkannt habt, welche alles wagt, um Euch einen Augenblick zu sehen.«

Keine Unterschrift.

»Das ist eine Falle«, sprach Athos, »geht nicht hin, d’Artagnan.«

»Ich glaube aber die Handschrift ganz gut zu erkennen«, sagte d’Artagnan.

»Sie kann nachgemacht sein«, entgegnete Athos. »Von sechs bis sieben Uhr ist um diese Zeit die Straße von Chaillot ganz verlassen. Ihr könntet eben sowohl im Wald von Bondy spazieren gehen.«

»Doch wenn wir alle gingen?«, sagte d’Artagnan. »Was zum Teufel, man wird nicht alle vier, nebst vier Lakaien, vier Pferden und den Waffen verschlingen. Das müsste eine schöne Unverdaulichkeit zur Folge haben.«

»Dann wäre es auch eine schöne Gelegenheit, unsere Rosse zu zeigen«, sprach Porthos.

»Aber wenn es eine Frau ist, die Euch schreibt«, sagte Aramis, »und wenn diese Frau nicht gesehen zu werden wünscht, so bedenkt, dass Ihr sie kompromittiert, d’Artagnan, was einem Edelmann gar übel steht.«

»Wir bleiben etwas zurück«, rief Porthos, »und er allein reitet voraus.«

»Ja, aber eine Pistole ist bald aus einem Wagen abgefeuert, der im Galopp dahinfährt.«

»Bah!«, erwiderte d’Artagnan, »man wird mich nicht treffen.«

»Wir holen dann den Wagen ein und bringen alle um, die darin sitzen. Dadurch haben wir immerhin ebenso viele Feinde weniger.«

»Er hat recht«, sagte Porthos, »eine Schlacht kann nichts schaden, wir müssen ohnehin unsere Waffen versuchen.«

»Meiner Treu! Wir wollen uns dieses Vergnügen gönnen«, versetzte Aramis mit seiner sanften, gleichgültigen Miene.

»Wie Ihr wollt«, sprach Athos.

»Messieurs«, sagte d’Artagnan, »es ist halb fünf Uhr, und wir haben kaum Zeit, uns auf den Weg nach Chaillot zu machen.«

»Wenn wir zu spät ritten«, sagte Porthos, »so würde man uns nicht mehr sehen, und das wäre sehr schade. Vorwärts also, Messieurs.«

»Aber Ihr vergesst den zweiten Brief«, rief Athos. »Das Siegel scheint mir anzudeuten, dass er geöffnet zu werden verdient. Ich meines Teils muss Euch erklären, dass ich mich viel mehr um diesen bekümmere, als um den kleinen Wisch, den Ihr ganz zart unter Eure Brust gesteckt habt.«

D’Artagnan erröthete.

»Nun gut«, sprach der junge Mann, »sehen wir, Messieurs, was Seine Eminenz von mir will.«

D’Artagnan entsiegelte und las.

Monsieur d’Artagnan, Garde des Königs, Kompanie des Essarts, wird diesen Abend um acht Uhr im Palais-Kardinal erwartet.

La Houdiniére, Capitaine der Leibwache.

»Teufel!«, rief Athos, »das ist ein Rendezvous, welches viel mehr beunruhigen muss, als das andere.«

»Ich gehe zu dem zweiten, wenn ich vom ersten zurückkomme«, sprach d’Artagnan. »Das eine soll um sieben, das andere um acht Uhr stattfinden. Ich habe Zeit zu allem.«

»Hm! Ich ginge nicht«, entgegnete Aramis. »Ein galanter Ritter darf bei einem Rendezvous nicht fehlen, das ihm eine Dame gibt. Aber ein kluger Edelmann kann sich entschuldigen und nicht zu seiner Eminenz gehen, besonders wenn er einige Gründe hat, zu glauben, dass man ihn nicht rufe, um ihm Komplimente zu machen.«

»Ich bin der Meinung von Aramis«, fügte Porthos bei.

»Messieurs«, antwortete d’Artagnan, »ich habe bereits durch Monsieur von Cavois eine ähnliche Einladung zu Sr. Eminenz erhalten. Ich vernachlässigte sie und am anderen Tag begegnete mir ein großes Unglück. Constance verschwand. Was auch daraus werden mag, ich gehe in jedem Fall hin.«

»Wenn dies Euer fester Entschluss ist, so führt ihn aus«, sprach Athos.

»Aber die Bastille?«, sagte Aramis.

»Bah! Ihr werdet mich herausziehen«, erwiderte d’Artagnan.

»Allerdings«, versetzten Aramis und Porthos mit bewundernswürdiger Bestimmtheit, als ob dies eine ganz einfache Sache wäre. »Allerdings werden wir dich herausziehen. Aber mittlerweile würdet Ihr, da wir übermorgen abreisen, besser daran tun, Euch der Gefahr der Bastille nicht auszusetzen.«

»Tun wir, was in unseren Kräften liegt«, sprach Athos, »verlassen wir ihn diesen Abend nicht. Erwarten wir ihn jeder an einer Tür des Palastes, je mit drei Musketieren hinter uns. Bemerken wir, dass ein Wagen mit geschlossenem Schlag und von verdächtigem Aussehen herauskommt, so fallen wir darüber her. Es ist schon sehr lange, dass wir keinen Strauß mehr mit den Leibwachen des Monsieur Kardinals ausgefochten haben, und Monsieur de Tréville muss uns für tot halten.«

»Ihr seid offenbar zum Heerführer geboren, Athos«, sprach Aramis. »Was sagt Ihr zu diesem Plan, Messieurs?«

»Vortrefflich!«, wiederholten die jungen Leute im Chor.

»Gut!« sprach Porthos, »ich laufe zur Villa und benachrichtige unsere Kameraden, damit sie sich auf dem Platz des Palais-Kardinal bereithalten. Ihr lasst mittlerweile die Pferde durch die Bedienten satteln.«

»Ich, was mich betrifft, habe kein Pferd«, entgegnete d’Artagnan, aber ich will eines von Monsieur de Tréville nehmen.«

»Das ist nicht nötig«, versetzte Aramis. »Ihr nehmt eins von den meinen.«

»Wie viel habt Ihr denn?«, fragte d’Artagnan.

»Drei«, antwortete Aramis lächelnd.

»Mein Lieber«, sagte Athos, »Ihr seid sicherlich der bestbezahlte Dichter von Frankreich und Navarra.«

»Hört, mein lieber Aramis, Ihr werdet nicht wissen, was Ihr mit drei Pferden tun sollt? Nicht wahr? Ich begreife sogar nicht, warum Ihr drei Pferde gekauft habt.«

»Ich habe auch nur zwei gekauft«, erwiderte Aramis.

»Das Dritte ist Euch also vom Himmel zugefallen?«

»Nein, das Dritte ist mir diesen Morgen von einem Bedienten ohne Livree zugeführt worden, der mir nicht sagen wollte, wem er gehörte, und mir die Versicherung gab, er habe den Befehl von seinem Gebieter erhalten …«

»Oder von seiner Gebieterin«, unterbrach ihn d’Artagnan.

»Das macht nichts zur Sache«, fuhr Aramis errötend fort, »und der mir die Versicherung gab, sage ich, er habe Befehl von seinem Gebieter oder seiner Gebieterin erhalten, dieses Pferd in meinen Stall zu bringen, ohne zu sagen, woher es käme.«

»Dergleichen begegnet nur einem Dichter«, sprach Athos ernst.

»Nun, wir wollen dies benutzen«, sagte d’Artagnan. »Welches von den zwei Pferden werdet Ihr reiten? Das, welches Ihr gekauft habt oder das, welches man Euch geschenkt hat?«

»Offenbar das, welches man mir geschenkt hat. Ihr begreift, dass ich eine solche Beleidigung …«

»Dem unbekannten Geber nicht antun kann«, versetzte d’Artagnan.

»Oder der geheimnisvollen Geberin«, sprach Athos.

»Das gekaufte ist Euch also unnütz.«

»Beinahe.«

»Ihr habt es selbst ausgewählt?«

»Ja, und zwar mit der größten Sorgfalt. Die Sicherheit des Reiters hängt, wie Ihr wisst, beinahe immer von seinem Pferd ab.«

»Nun wohl, überlasst es mir um den Preis, den es Euch kostet.«

»Ich wollte es Euch anbieten, mein lieber d’Artagnan, und dabei Euch jede Zeit gönnen, die Ihr nötig haben könntet, um mir diese Bagatelle zurückzubezahlen.«

»Und wie viel kostet Euch das Pferd?«

»Achthundert Livres.«

»Hier sind vierzig Doppelpistolen, mein Freund«, sprach d’Artagnan und zog diese Summe aus seiner Tasche. »Ich weiß, dass dies die Münze ist, in der man Euch Eure Gedichte bezahlt.«

»Ihr seid also bei Kasse?«

»Reich, sehr reich, mein Lieber!«

D’Artagnan ließ in seiner Tasche den Rest seiner Pistolen klingen.

»Schickt Euren Sattel in das Palais der Musketiere, und man wird Euch Euer Pferd mit den unsrigen hierherführen.«

»Sehr gut, aber es ist bald fünf Uhr, beeilen wir uns!«

Eine Viertelstunde danach erschien Porthos am Ende der Rue Ferou auf einem prächtigen Ross. Mousqueton folgte ihm auf einem Auvergner Pferde, das kleiner, aber stark war. Porthos glänzte vor Stolz und Freude.

Zu gleicher Zeit sah man Aramis vom anderen Ende der Straße her auf einem herrlichen englischen Renner. Bazin folgte ihm auf einem Rotschimmel und führte ein kräftiges Mecklenburger Ross am Zügel, das für d’Artagnan bestimmt war.

Die zwei Musketiere begegneten sich vor der Tür. Athos und d’Artagnan betrachteten dieselben durch das Fenster.

»Teufel!«, sagte Aramis, »Ihr habt da ein herrliches Pferd, mein Lieber.«

»Ja«, antwortete Porthos, »es ist das, welches man mir gleich am Anfang schicken sollte. Ein schlechter Spaß des Gemahls hatte es durch ein anderes ersetzt; aber er ist schön dafür bestraft worden und ich habe vollständige Genugtuung erhalten.«

Grimaud zeigte sich ebenfalls, das Pferd seines Herrn an der Hand haltend. D’Artagnan und Athos kamen herab, schwangen sich neben ihren Gefährten in den Sattel. Nun ritten alle vier zum Kai, Athos auf dem Pferd, das er seiner Gattin, Porthos auf dem Pferd, das er der Prokuratorin, Aramis auf dem Pferd, das er seiner Geliebten, und d’Artagnan auf dem Pferd, das er seinem guten Glück, der schönsten Geliebten der Welt, zu verdanken hatte. Die Bedienten folgten ihnen. Die Kavalkade brachte, wie dies Porthos vorher gedacht hatte, eine gute Wirkung hervor. Wenn sich Madame Coquenard auf dem Weg von Porthos eingefunden und gesehen hätte, wie vornehm er auf seinem spanischen Ross aussah, so würde sie den Aderlass nicht bedauert haben, den sie an der Geldkasse ihres Mannes vorgenommen hatte.

In der Nähe des Louvre begegneten die vier Freunde Monsieur de Tréville, der von Saint-Germain zurückkam. Er hieß sie anhalten, um ihnen sein Kompliment über ihre Equipierung zu machen, was im Augenblick einige hundert Müßiggänger um sie versammelte.

D’Artagnan benutzte diesen Umstand, um mit Monsieur de Tréville vom Brief mit dem großen roten Siegel und dem herzoglichen Wappen zu sprechen. Es versteht sich, dass er von dem anderen keine Silbe verlauten ließ.

Monsieur de Tréville billigte seinen Entschluss und versicherte ihn, dass, wenn er am anderen Morgen nicht wieder erschienen wäre, er ihn zu finden wissen würde, wo er auch sein mochte.

In diesem Augenblick schlug die Glocke der Samaritaine sechs Uhr. Die vier Freunde entschuldigten sich mit einer Zusammenkunft und nahmen von Monsieur de Tréville Abschied.

Ein kurzer Galopp brachte sie auf die Straße von Chaillot. Der Tag fing an sich zu neigen. Wagen fuhren hin und her. In einiger Entfernung von seinen Freunden bewacht, senkte d’Artagnan seine Blicke in die Tiefe jedes Wagens. Er gewahrte jedoch kein ihm bekanntes Gesicht.

Endlich, nachdem er eine Viertelstunde gewartet hatte und die Abenddämmerung völlig eingebrochen war, fuhr ein Wagen in starkem Galopp auf der Straße von Sevres herbei. Eine Ahnung sagte d’Artagnan zum Voraus, dieser Wagen müsse die Person enthalten, welche ihn bisher beschieden hatte. Der junge Mann war selbst ganz erstaunt, als er fühlte, wie heftig sein Herz pochte. Beinahe in derselben Sekunde schlüpfte ein Frauenkopf aus dem Kutschenschlag hervor, zwei Finger auf dem Mund, als wollte man Stillschweigen empfehlen oder einen Kuss zusenden. D’Artagnan stieß einen leichten Schrei der Freude aus. Diese Frau oder vielmehr diese Erscheinung – denn der Wagen war mit der Geschwindigkeit einer Vision vorübergezogen – war Madame Bonacieux.

In unwillkürlichem Drang und trotz der Empfehlung, die an ihn ergangen war, setzte d’Artagnan sein Pferd in Galopp und holte den Wagen mit einigen Sprüngen wieder ein, aber die Scheibe des Kutschenschlages war hermetisch verschlossen und die Erscheinung verschwunden.

D’Artagnan erinnerte sich nun der Worte, die man ihm in dem Billett eingeschärft hatte: »Wenn Euch an Eurem eigenen Leben und am Leben der Euch liebenden Personen etwas liegt, so bleibt unbeweglich, als ob Ihr nichts gesehen hättet.«

Er hielt also an und zitterte, nicht für sich, sondern für die arme Frau, die sich offenbar einer großen Gefahr ausgesetzt hatte, indem sie ihn hierher beschieden.

Die Kutsche setzte ihren Weg in größter Eile fort, fuhr nach Paris hinein und verschwand.

D’Artagnan war ganz verblüfft auf demselben Platz geblieben und wusste nicht, was er denken sollte. War es Madame Bonacieux und kehrte sie nach Paris zurück? Warum dieses flüchtige Rendezvous? Warum dieser einfache Austausch eines Blickes? Warum dieser zugeworfene Kuss? War sie es dagegen nicht, was immer noch sein konnte, denn das geringe Tageslicht machte einen Irrtum ganz leicht möglich; war sie es nicht, sollte dies dann nicht der Anfang eines Überfalls sein, den man gegen ihn mit dem Köder dieser Frau beabsichtigte, da man seine Liebe für dieselbe gar wohl kannte?

Die drei Freunde näherten sich ihm. Alle drei hatten vollkommen einen Frauenkopf aus dem Kutschenschlag erscheinen sehen, aber keiner von ihnen, mit Ausnahme von Athos, kannte Madame Bonacieux. Athos war allerdings der Meinung, sie sei es gewesen, aber minder unruhig mit diesem hübschen Gesicht beschäftigt, als d’Artagnan, hatte er einen zweiten Kopf, einen Männerkopf, im Hintergrund des Wagens zu sehen geglaubt.

»Wenn dem so ist«, sprach d’Artagnan, »so bringt man sie ohne Zweifel von einem Gefängnis in das andere. Aber, was wollen sie mit diesem armen Geschöpf machen? Und wie soll ich sie je wiederfinden?«

»Freund«, sprach Athos ernst, »erinnert Euch, dass man nur bei den Toten nicht Gefahr läuft, ihnen auf Erden wieder zu begegnen. Ihr wisst etwas so gut wie ich, nicht wahr? Wenn nur Eure Geliebte nicht tot ist, falls sie es ist, der wir soeben begegnet haben, so werdet Ihr sie eines Tages wiederfinden und vielleicht, mein Gott«, fügte er mit dem ihm eigentümlichen menschenfeindlichen Tone bei, »vielleicht früher, als Euch lieb sein wird!«

Es schlug halb acht Uhr. Der Wagen war zwanzig Minuten nach der für das Rendezvous bestimmten Stunde gekommen. Die Freunde erinnerten d’Artagnan daran, dass er einen Besuch zu machen hatte, bemerkten jedoch, dass es immer noch Zeit sei, sich davon zu entbinden. Aber d’Artagnan war zugleich halsstarrig und neugierig. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, zum Palais Richelieus zu gehen, um zu erfahren, was ihm Seine Eminenz sagen wollte. Nichts konnte ihn in seinem Entschluss wankend machen.

Man gelangte zur Rue St. Honoré sowie vor das Palais-Kardinal und traf die zwölf zusammenberufenen Musketiere, welche, ihre Kameraden erwartend, auf- und abgingen. Man erklärte ihnen erst hier, um was es sich handelte.

D’Artagnan war sehr bekannt beim ehrenwerten Korps der Musketiere. Man wusste, dass er einst eine Stelle bei demselben bekommen sollte, und betrachtete ihn im Voraus als einen Kameraden. Demzufolge nahm jeder gern die Sendung an, für welche er beschieden war. Überdies hatte man aller Wahrscheinlichkeit nach dem Monsieur Kardinal und seinen Leuten einen schlimmen Streich zu spielen, und zu solchen Unternehmungen waren die würdigen Messieurs stets bereit.

Athos theilte sie in drei Gruppen, übernahm das Kommando der einen, übergab die zweite Aramis, die dritte Porthos, und jede Gruppe legte sich einem Eingang gegenüber in den Hinterhalt.

D’Artagnan trat mutig durch die Hauptpforte ein. Obwohl sich der junge Mann kräftig unterstützt fühlte, war er doch nicht ganz ruhig, als er die große Treppe Stufe um Stufe hinaufstieg. Sein Benehmen gegen Mylady glich einigermaßen einem Verrat. Er vermutete die politischen Beziehungen, welche zwischen dem Herzog und dieser Frau bestanden. Überdies war Monsieur von Wardes, den er so übel zugerichtet hatte, einer von den Getreuen Seiner Eminenz. D’Artagnan wusste, dass Seine Eminenz, wenn sie einerseits furchtbar für ihre Feinde war, andererseits eine große Anhänglichkeit an ihre Freunde bewies.

»Hat Monsieur von Wardes unsere ganze Angelegenheit dem Kardinal erzählt, woran nicht zu zweifeln ist, hat er mich erkannt, was mir sehr wahrscheinlich vorkommt, so darf ich mich beinahe als einen Verurteilten betrachten«, sagte d’Artagnan den Kopf schüttelnd. »Aber warum hat er bis heute gewartet? Das ist ganz einfach: Mylady wird Klage gegen mich geführt haben, mit jenem heuchlerischen Schmerz, der so interessant macht. Und das letzte Verbrechen hat das Überlaufen des Gefässes bewirkt.«

»Zum Glück«, fügte er bei, »sind meine Freunde unten und werden mich nicht wegführen lassen, ohne mich zu verteidigen. Indessen kann die Musketier-Kompanie des Monsieurn de Tréville nicht für sich allein den Krieg gegen den Kardinal führen, der über die Streitkräfte von ganz Frankreich zu verfügen hat, und dem gegenüber der König ohne Willen und die Königin ohne Macht ist. D’Artagnan, mein Freund, du bist klug. Du hast vortreffliche Eigenschaften, aber die Weiber werden dich zugrunde richten!«

Er war bis zu diesem traurigen Schluss gelangt, als er in das Vorzimmer eintrat. Hier übergab er seinen Brief dem Huissier vom Dienst, der ihn in den Wartesaal führte und sich in das Innere des Palastes verfügte.

In diesem Wartesaal befanden sich fünf bis sechs Leibwachen des Monsieur Kardinals, die ihn, da sie d’Artagnan erkannten und wussten, dass er es war, der Jussac verwundet hatte, mit sonderbarem Lächeln anschauten.

Dieses Lächeln erschien d’Artagnan als ein schlimmes Vorzeichen. Aber da unser Gascogner nicht leicht einzuschüchtern war oder vielmehr, da er infolge eines den Söhnen seiner Heimat natürlichen Stolzes nicht leicht sehen ließ, was in seiner Seele vorging, wenn das, was vorging, der Furcht glich, so pflanzte er sich unerschrocken vor den Messieurs Garden auf und wartete, die Hand auf die Hüfte gestützt, in einer Stellung, der es nicht an Majestät fehlte.

Der Huissier kehrte zurück und machte d’Artagnan ein Zeichen, ihm zu folgen. Es kam dem jungen Mann vor, als ob die Garden unter sich flüsterten, als sie ihn weggehen sahen.

D’Artagnan kam zuerst durch eine Flur, sodann durch einen Salon, trat in eine Bibliothek ein und stand vor einem Mann, der an einem Pult saß und schrieb.

Der Huissier, der ihn eingeführt hatte, zog sich zurück, ohne ein Wort zu sprechen.

D’Artagnan glaubte anfangs, er habe es mit einem Richter zu tun, der in seinen Akten arbeite, aber er bemerkte, dass der Mann an dem Pult, Worte an den Fingern skandierend, schrieb oder vielmehr Zeilen von ungleicher Länge korrigierte. Er sah, dass er einem Dichter gegenüberstand. Nach einem Augenblick schloss der Dichter sein Manuskript, auf dessen Deckel Mirame, Tragödie in fünf Akten, geschrieben war, und schaute empor.

D’Artagnan erkannte den Kardinal Richelieu.